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Versicherungsmaklerhaftung – Beweislast bei fehlender Beratungsdokumentation

Eine Lebensversicherung gilt als sichere Altersvorsorge, doch für einen Mann wurde sie zum Ausgangspunkt eines finanziellen Albtraums. Der verhängnisvolle Rat seines Versicherungsmaklers, die Police gewinnbringend zu verkaufen, endete in einem Totalverlust seiner Ersparnisse. Der scheinbar clevere Deal mündete in einem jahrelangen Rechtsstreit um Tausende Euro und wirft nun ein Schlaglicht auf die Pflichten unabhängiger Berater.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 4 U 942/17 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: OLG Dresden
  • Datum: 29.01.2019
  • Aktenzeichen: 4 U 942/17
  • Verfahrensart: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Versicherungsrecht, Schadensersatzrecht, Zivilprozessrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Ein Versicherungsnehmer, der von der Beklagten Schadensersatz wegen behaupteter Falschberatung beim Verkauf seiner Lebensversicherungsansprüche begehrt.
  • Beklagte: Ein Versicherungsmakler, der den Kläger beraten hat und gegen den Kläger sowie dessen Ehefrau Auskunftsansprüche mit Wider- und Drittwiderklage geltend gemacht hat.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Der Kläger verkaufte Ansprüche aus drei Lebensversicherungen an die zwischenzeitlich insolvente xxx AG, beraten von der beklagten Versicherungsmaklergesellschaft. Er fordert nun Schadensersatz, da er sich falsch beraten fühlt.
  • Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob der Versicherungsmakler seine Beratungspflichten beim Verkauf von Lebensversicherungsansprüchen verletzt hat, insbesondere durch fehlende Aufklärung über Risiken wie das Insolvenzrisiko des Käufers und fehlende Hinweise auf Alternativen zur Veräußerung, und ob er dem Versicherungsnehmer deshalb zum Schadensersatz verpflichtet ist.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Gericht gab der Berufung des Klägers statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 54.256,01 EUR zuzüglich Zinsen. Die Widerklage und Drittwiderklage der Beklagten wurden abgewiesen.
  • Begründung: Die Beklagte hatte ihre Pflichten als Versicherungsmaklerin verletzt, indem sie den Kläger nicht ausreichend über die Risiken des Verkaufs seiner Lebensversicherungen an die xxx AG, insbesondere das Insolvenzrisiko, und über alternative Möglichkeiten zur Liquiditätsdeckung aufklärte. Da die Beklagte keine Beratungsdokumentation vorlegen konnte, musste sie beweisen, dass sie ordnungsgemäß beraten hatte, was ihr nicht gelang. Es wurde zugunsten des Klägers vermutet, dass er den Verkauf bei korrekter Beratung nicht vorgenommen hätte. Die Widerklage der Beklagten wurde abgewiesen, da der Auskunftsanspruch des Klägers als erfüllt angesehen wurde. Die Drittwiderklage gegen die Ehefrau des Klägers wurde als unzulässig erachtet, da kein enger Zusammenhang mit dem ursprünglichen Streit bestand.
  • Folgen: Der Kläger wird so gestellt, als hätte er die Lebensversicherungen nicht verkauft, und erhält den Rückkaufswert. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits wurden der Beklagten auferlegt.

Der Fall vor Gericht


Haftung für schlechten Rat: Wenn der Verkauf der Lebensversicherung zum Totalverlust führt

Viele Menschen schließen eine Lebensversicherung ab, um für das Alter vorzusorgen oder ihre Familie abzusichern. Es ist ein beruhigender Gedanke, eine finanzielle Reserve für die Zukunft zu haben. Doch was passiert, wenn man plötzlich dringend Geld benötigt? Oft scheint der Verkauf einer solchen Police eine schnelle Lösung zu sein. Genau in einer solchen Situation befand sich ein Mann, der sich auf den Rat seines Versicherungsmaklers verließ – eine Entscheidung, die ihn fast seine gesamte Altersvorsorge kostete und schließlich vor Gericht führte.

Der Weg in den finanziellen Ruin: Ein Angebot mit fatalen Folgen

Versicherungsmaklerhaftung: Fehlende Doku dreht Beweislast um
Makler empfiehlt gewinnbringenden Verkauf von Lebensversicherung statt Kündigung. Risikohinweis im Beratungsgespräch! | Symbolbild: KI generiertes Bild

Ein Mann, der Kläger in diesem Fall, hatte über die Jahre drei Lebensversicherungen angespart. Als er Geld benötigte, wandte er sich an seinen Versicherungsmakler, die Beklagte im Verfahren. Ein Versicherungsmakler ist ein unabhängiger Berater, der nicht für eine einzelne Versicherungsgesellschaft arbeitet, sondern seinen Kunden Produkte verschiedener Anbieter vermitteln soll. Dieser Makler empfahl dem Kläger, seine Ansprüche aus den Lebensversicherungen nicht einfach zu kündigen, sondern an eine spezielle Firma zu verkaufen, eine sogenannte AG. Das Angebot klang verlockend, doch es endete in einer Katastrophe: Die Käufergesellschaft meldete Insolvenz an, also Zahlungsunfähigkeit, und der Kläger verlor sein Geld.

Der Kläger war überzeugt, dass der Versicherungsmakler ihn falsch beraten hatte. Er zog vor das Landgericht Leipzig und verklagte den Makler auf Schadensersatz. Er forderte die Summe zurück, die seine Policen zum Zeitpunkt des Verkaufs wert waren, insgesamt über 54.000 Euro. Der Makler wehrte sich und behauptete, der Kläger habe selbst kurzfristig Geld für eine Haussanierung gewollt. Zusätzlich erhob der Makler eine sogenannte Widerklage. Mit einer Widerklage kann der Beklagte im selben Gerichtsverfahren eigene Ansprüche gegen den Kläger geltend machen. Hier forderte der Makler Auskunft darüber, ob der Kläger bereits Geld von den Verantwortlichen der pleitegegangenen Käufergesellschaft erhalten habe.

Die erste Entscheidung: Eine Niederlage für den geprellten Kunden

Das Landgericht Leipzig wies die Klage des Mannes zunächst ab. Die Richter sahen nach der Anhörung von Zeugen keinen ausreichenden Beweis für eine Falschberatung. Sie waren nicht davon überzeugt, dass der Makler seine Pflichten verletzt hatte. Auch die Widerklage des Maklers wurde abgewiesen. Gegen dieses Urteil legten beide Seiten Berufung ein. Eine Berufung ist ein Rechtsmittel, mit dem eine Partei die Überprüfung eines Urteils durch die nächsthöhere gerichtliche Instanz verlangen kann. Der Fall landete somit vor dem Oberlandesgericht (OLG) Dresden.

Die Wende in der zweiten Instanz: Das Oberlandesgericht prüft neu

Vor dem Oberlandesgericht wurde der Fall nun vollständig neu aufgerollt. Der Kläger argumentierte erneut, dass die Beratung fehlerhaft war. Was hätte der Makler ihm sagen müssen? Der Kläger meinte, der Makler hätte ihn über das enorme Risiko eines Totalverlusts aufklären müssen, das mit dem Verkauf an diese spezielle Firma verbunden war. Er hätte ihm auch Alternativen aufzeigen müssen, wie zum Beispiel die Policen beitragsfrei zu stellen oder ein Darlehen darauf aufzunehmen. Der Makler wiederum blieb bei seiner Position und kämpfte weiter für seine abgewiesene Widerklage.

Die Kernfrage: Welche Pflichten hat ein Versicherungsmakler?

Das Gericht musste nun eine zentrale Frage klären: Was genau schuldet ein Versicherungsmakler seinem Kunden? Die Antwort findet sich im Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Demnach besteht zwischen dem Kunden und dem Makler ein Maklervertrag. Dieser verpflichtet den Makler, den Kunden umfassend und bedarfsgerecht zu beraten. Er muss die Wünsche und Bedürfnisse seines Kunden erfragen und seine Empfehlungen verständlich begründen.

Besonders bei Lebensversicherungen, die als komplexes Produkt gelten, sind die Anforderungen hoch. Wenn es um die Beendigung eines solchen Vertrages geht, muss der Makler auf alle Risiken und Nachteile hinweisen. Das OLG Dresden stellte klar: Diese Beratungspflicht umfasst nicht nur die Kündigung, sondern ausdrücklich auch den Verkauf einer Police. Der Makler war also gesetzlich verpflichtet, den Kläger über alle Risiken des Verkaufs an die AG und über alle denkbaren Alternativen zu informieren.

Der entscheidende Fehler: Ein fehlendes Dokument kehrt die Beweislast um

Hier kommt ein entscheidender juristischer Punkt ins Spiel: die Umkehr der Beweislast. Normalerweise muss derjenige, der klagt (hier der Kläger), beweisen, dass der andere einen Fehler gemacht hat. Doch das Gesetz schreibt Versicherungsmaklern vor, ihre Beratung zu dokumentieren. Das bedeutet, sie müssen ein Protokoll anfertigen, in dem steht, was sie dem Kunden geraten und worüber sie ihn aufgeklärt haben.

Was passiert, wenn dieses Dokument fehlt? Das Gericht erklärte, dass sich die Beweislast dann umkehrt. Wenn der Makler kein Beratungsprotokoll vorlegen kann, muss nicht mehr der Kunde die Falschberatung beweisen. Stattdessen muss der Makler beweisen, dass er den Kunden mündlich korrekt und vollständig aufgeklärt hat. Genau das konnte der beklagte Makler in diesem Fall nicht. Er hatte keine Dokumentation und konnte auch sonst keine überzeugenden Beweise für eine ordnungsgemäße Aufklärung vorlegen.

Die versäumte Aufklärung: Das Risiko des Totalverlusts blieb unerwähnt

Das Gericht stellte fest, dass der Makler seine Beratungspflichten schwerwiegend verletzt hatte. Es war unbestritten, dass er den Kläger nicht über die wichtigsten Alternativen beraten hatte, wie zum Beispiel ein Policendarlehen (ein Kredit, bei dem die Versicherung als Sicherheit dient) oder eine einfache Kündigung mit Auszahlung des Rückkaufswertes.

Noch wichtiger war jedoch ein anderer Punkt: Der Makler hatte den Kläger nicht ausdrücklich auf das Insolvenzrisiko der Käufergesellschaft hingewiesen. Er hätte erklären müssen, dass der Kläger bei einer Pleite der Firma sein gesamtes Geld verlieren könnte – ein Totalausfallrisiko. Selbst die Behauptung des Maklers, er habe gesagt, er wisse nichts über die Sicherheit des Geschäfts, reichte dem Gericht nicht aus. Ein guter Berater hätte bei solchen Zweifeln entweder vom Geschäft abraten oder zumindest eindringlich und unmissverständlich auf die Gefahr eines Totalverlusts hinweisen müssen. Dies war nicht geschehen.

Ursache und Wirkung: Hätte der Kläger anders entschieden?

Nun stellte sich die Frage: Hätte der Kläger den Vertrag auch unterschrieben, wenn er richtig beraten worden wäre? Juristen nennen dies die Frage nach der Kausalität, also dem Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden. Auch hier hilft das Gesetz dem Kunden mit einer Vermutung. Es wird angenommen, dass sich ein Kunde bei richtiger Aufklärung vernünftig verhalten, also das riskante Geschäft nicht abgeschlossen hätte. Man spricht hier von der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens.

Der Makler hätte diese Vermutung widerlegen müssen. Er hätte also beweisen müssen, dass der Kläger das Geschäft so sehr wollte, dass er es selbst bei einer klaren Warnung vor dem Totalverlust eingegangen wäre. Diesen Beweis konnte der Makler nicht erbringen. Das Gericht fand es völlig lebensfremd anzunehmen, dass jemand, der für sein Alter vorsorgen will, ein derart hohes und unkalkulierbares Risiko eingeht, wenn es sichere Alternativen wie die Auszahlung des Rückkaufswertes gegeben hätte.

Die gescheiterte Gegenwehr des Maklers

Das Gericht befasste sich auch kurz mit der Widerklage des Maklers gegen den Kläger und dessen Ehefrau. Die Forderung nach Auskunft gegen den Kläger wurde abgewiesen, da dieser die Informationen bereits geliefert hatte. Die Klage gegen die Ehefrau wurde als unzulässig eingestuft. Das Gericht begründete dies damit, dass ihre Verträge und die Beratung dazu einen eigenen Lebenssachverhalt darstellten und nicht eng genug mit der Klage ihres Mannes verknüpft waren, um sie einfach in dessen Prozess hineinzuziehen.

Das Urteil: Der Makler muss den gesamten Schaden ersetzen

Das Oberlandesgericht Dresden änderte das Urteil der ersten Instanz vollständig ab und gab dem Kläger recht. Der Versicherungsmakler wurde verurteilt, dem Kläger den vollen Schaden in Höhe von 54.256,01 Euro zuzüglich Zinsen zu ersetzen. Im Gegenzug muss der Kläger seine nun wertlosen Ansprüche gegen die insolvente Käufergesellschaft an den Makler abtreten. Diese Vorgehensweise wird „Zug um Zug“ genannt. Der Makler wurde außerdem dazu verurteilt, sämtliche Kosten des jahrelangen Rechtsstreits zu tragen.



Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil zeigt, dass Versicherungsmakler ihre Kunden umfassend über alle Risiken aufklären müssen, insbesondere bei riskanten Geschäften wie dem Verkauf von Lebensversicherungen an Drittfirmen. Fehlt eine schriftliche Dokumentation der Beratung, muss der Makler beweisen, dass er ordnungsgemäß beraten hat – gelingt ihm das nicht, haftet er für den entstandenen Schaden. Die Entscheidung stärkt die Rechte von Verbrauchern erheblich, da sie nun leichter Schadensersatz fordern können, wenn Makler ihre Beratungspflichten verletzen und keine Protokolle führen. Für Versicherte bedeutet dies: Sie haben gute Chancen auf Entschädigung, wenn sie durch mangelhafte Maklerberatung finanzielle Verluste erlitten haben und der Makler seine Aufklärung nicht dokumentiert hat.

Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.

FAQ Versicherungsrecht: Waage, Geld und Versicherungspolice unter Schirm mit Fragezeichen-Schild illustrieren häufige Rechtsfragen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Welche Pflichten hat ein Finanzberater oder Versicherungsmakler, wenn er mich berät?

Wenn ein Finanzberater oder Versicherungsmakler Sie berät, hat er eine Reihe von wichtigen gesetzlichen Pflichten, die darauf abzielen, Ihre Interessen zu schützen. Diese Pflichten sollen sicherstellen, dass Sie eine fundierte Entscheidung treffen können, die zu Ihrer persönlichen Situation passt. Für Sie als Kunde bedeutet dies, dass Sie eine qualitativ hochwertige und transparente Beratung erwarten dürfen.

Kernpflichten der Beratung

Der Berater muss Ihre individuelle Lage genau erfassen und darauf aufbauend handeln. Dies umfasst insbesondere folgende Punkte:

  • Umfassende und bedarfsgerechte Beratung: Der Berater ist verpflichtet, sich ein genaues Bild von Ihrer finanziellen Situation, Ihren Zielen, Wünschen und Erfahrungen zu machen. Dazu gehören Ihr Einkommen, Ihre Ausgaben, Ihr Sparverhalten, Ihre Risikobereitschaft und Ihre bisherigen Kenntnisse über Finanzprodukte. Nur wenn er Ihre Bedürfnisse kennt, kann er passende Produkte oder Strategien vorschlagen. Stellen Sie sich vor, Sie suchen ein passendes Auto: Ein guter Verkäufer würde zuerst fragen, wofür Sie das Auto nutzen wollen, wie viele Personen mitfahren, welches Budget Sie haben und welche Ausstattung Ihnen wichtig ist, bevor er Ihnen ein Modell empfiehlt.
  • Verständliche Erläuterung: Die vorgeschlagenen Produkte oder Strategien müssen Ihnen klar und verständlich erklärt werden. Finanzthemen können komplex sein. Der Berater muss sicherstellen, dass Sie die wesentlichen Merkmale, Vorteile und Nachteile der empfohlenen Lösung verstehen, auch wenn Sie kein Fachmann sind. Juristischer Fachjargon oder komplizierte Finanzbegriffe müssen einfach übersetzt werden.
  • Aufklärung über Risiken: Eine der wichtigsten Pflichten ist die vollständige und deutliche Aufklärung über alle relevanten Risiken, die mit einem empfohlenen Produkt oder einer Anlage verbunden sind. Wenn beispielsweise ein Produkt hohe Renditechancen bietet, aber auch ein hohes Verlustrisiko birgt, muss dies unmissverständlich kommuniziert werden. Ihnen müssen die möglichen Nachteile oder Gefahren klar vor Augen geführt werden, damit Sie das Risiko abschätzen können.
  • Hinweis auf Alternativen: Der Berater sollte nicht nur ein Produkt vorstellen, sondern Ihnen auch mögliche Alternativen aufzeigen, die zu Ihren Bedürfnissen passen könnten. Selbst wenn er glaubt, eine optimale Lösung gefunden zu haben, ist es seine Aufgabe, Ihnen eine Auswahl zu präsentieren und die Vor- und Nachteile der verschiedenen Optionen zu erläutern. Dies ermöglicht es Ihnen, selbst eine informierte Wahl zu treffen.

Bedeutung für Sie als Kunde

Diese Pflichten sind gesetzlich verankert, zum Beispiel im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) für Versicherungsvermittler oder in der Gewerbeordnung (GewO) für Finanzanlagenvermittler. Sie dienen dazu, Sie als Verbraucher zu schützen und eine „beratungsgerechte“ Entscheidung zu ermöglichen. Das bedeutet, dass die Empfehlung des Beraters zu Ihren vorher festgelegten Zielen und Ihrer Risikobereitschaft passen muss. Wenn Sie das Gefühl haben, dass diese Punkte in Ihrer Beratung nicht ausreichend beachtet wurden, kann dies ein Hinweis darauf sein, dass die Beratung nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat.


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Woran erkenne ich, ob die Finanzberatung, die ich erhalten habe, mangelhaft oder unvollständig war?

Eine Finanzberatung gilt als mangelhaft oder unvollständig, wenn sie nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße und anlegergerechte Beratung entspricht. Für juristische Laien gibt es mehrere Anhaltspunkte, die auf eine solche Mangelhaftigkeit hindeuten können.

Fehlende oder unzureichende Risikohinweise

Ein zentrales Merkmal einer umfassenden Finanzberatung ist die detaillierte und verständliche Aufklärung über alle relevanten Risiken einer Anlage. Wenn Sie beispielsweise auf Anraten einer Finanzmaklerin eine vermeintlich sichere Anlage wie eine Lebensversicherung für eine hochriskante Investition verkaufen, muss klar und nachvollziehbar auf die damit verbundenen Gefahren hingewiesen werden.

  • Totalverlustrisiko: Wurden Sie ausdrücklich darüber informiert, dass bei der neuen Anlage ein Totalverlust des eingesetzten Kapitals möglich ist? Gerade bei spekulativen Produkten ist dieser Hinweis unerlässlich. Erfahrene Anleger wissen, dass auch bei scheinbar sicheren Geschäften Restrisiken bestehen, die dem Laien aber nicht immer bewusst sind.
  • Weitere Verlustrisiken: Wurden Ihnen neben den Chancen auch alle relevanten Verlustrisiken (z.B. Währungsschwankungen, Marktrisiken, Liquiditätsrisiken oder das Risiko der Pleite des Anbieters) verständlich erläutert, bevor Sie eine Entscheidung getroffen haben? Eine gute Beratung beleuchtet immer beide Seiten einer Investition.

Mangelnde Berücksichtigung Ihrer persönlichen Situation

Jede Finanzberatung sollte auf Ihre individuellen Verhältnisse zugeschnitten sein. Der Berater ist gesetzlich verpflichtet, Ihr sogenanntes Anlageprofil zu erfassen. Dieses Profil umfasst mehrere wichtige Punkte:

  • Ihre finanzielle Situation: Dazu gehören Ihr Einkommen, Ihre Ausgaben, vorhandenes Vermögen und mögliche Schulden. Es geht darum, ob Sie sich eine bestimmte Investition leisten können oder ob sie Sie finanziell überfordern würde.
  • Ihre Anlageziele: Was möchten Sie mit der Investition erreichen? Sparen Sie für die Altersvorsorge, einen Hauskauf oder kurzfristige Gewinne?
  • Ihre Risikobereitschaft: Sind Sie bereit, Verluste in Kauf zu nehmen, um höhere Gewinne zu erzielen, oder bevorzugen Sie maximale Sicherheit, auch wenn die Rendite geringer ausfällt?
  • Ihre Kenntnisse und Erfahrungen: Haben Sie bereits Erfahrung mit Finanzprodukten oder sind Sie ein unerfahrener Anleger, der eine besonders einfache und risikoarme Anlage bevorzugt?

Wenn die Beratung eine standardisierte Empfehlung enthielt, die Ihre persönliche Lage, Ihre Ziele und Ihre Risikobereitschaft nicht oder nur unzureichend berücksichtigt hat, kann dies ein starkes Zeichen für eine unzureichende Beratung sein.

Nichtaufzeigen relevanter Alternativen

Ein guter Finanzberater sollte Ihnen nicht nur die von ihm präferierte Lösung präsentieren, sondern auch geeignete Alternativen aufzeigen. Dies ist besonders wichtig, wenn Sie eine bestehende, möglicherweise gut funktionierende Anlage (wie eine Lebensversicherung mit garantierter Verzinsung) zugunsten einer neuen, risikoreicheren Anlage umschichten sollen.

Wenn Ihnen wichtige Optionen, die Ihren Bedürfnissen besser entsprochen hätten oder weniger riskant gewesen wären, verschwiegen oder nicht ausreichend erläutert wurden, kann dies auf eine mangelhafte Beratung hindeuten. Beispiele für Alternativen, die in einem solchen Fall hätten besprochen werden müssen, sind:

  • Ein Policendarlehen, bei dem Sie die Lebensversicherung beleihen, ohne sie kündigen zu müssen und so die Vorteile und Sicherheiten der alten Police erhalten bleiben.
  • Eine Beitragsfreistellung, bei der keine weiteren Beiträge gezahlt werden, die Versicherung aber mit den bisher angesammelten Werten bestehen bleibt.
  • Die (Teil-)Kündigung der Lebensversicherung mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen, die oft darin liegen, dass alte Zinsgarantien verloren gehen und Gebühren anfallen können.

Das Ziel einer ordnungsgemäßen Finanzberatung ist immer, die für Sie passendste Lösung zu finden, nicht die für den Berater vorteilhafteste.


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Welche Bedeutung hat eine schriftliche Dokumentation der Beratung, und was, wenn diese fehlt?

Eine schriftliche Dokumentation der Beratung ist von großer Bedeutung, da sie wie ein Gedächtnisprotokoll dient. Sie hält fest, was zwischen Ihnen und Ihrem Berater besprochen wurde, welche Empfehlungen gegeben wurden und welche Entscheidungen Sie getroffen haben. Dies ist besonders wichtig bei komplexen finanziellen Angelegenheiten wie der Anlageberatung.

Warum ist eine schriftliche Dokumentation so wichtig?

Das Gesetz sieht für bestimmte Arten von Beratungen, insbesondere im Bereich von Finanzprodukten wie Wertpapieren oder hochriskanten Anlagen, eine Pflicht zur Protokollierung vor. Das bedeutet, der Berater ist dazu verpflichtet, ein sogenanntes Beratungsprotokoll zu erstellen. Dieses Protokoll soll sicherstellen, dass die Beratung nachvollziehbar und transparent ist. Für Sie als Kunde bietet es Schutz und Klarheit, da Sie im Nachhinein überprüfen können, was genau besprochen und vereinbart wurde.

Ein solches Protokoll enthält üblicherweise:

  • Die Empfehlungen des Beraters
  • Die Gründe für diese Empfehlungen
  • Eine Einschätzung, ob die vorgeschlagene Anlage zu Ihren persönlichen Zielen und Ihrer Risikobereitschaft passt
  • Hinweise auf Risiken der empfohlenen Produkte

Was passiert, wenn die schriftliche Dokumentation fehlt?

Fehlt eine gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Dokumentation der Beratung vollständig, ist sie unvollständig oder fehlerhaft, kann dies erhebliche Auswirkungen haben, insbesondere im Streitfall. Normalerweise müsste die Person, die sich falsch beraten fühlt, beweisen, dass die Beratung fehlerhaft war. Das kann schwierig sein, da es oft „Wort gegen Wort“ steht.

In Fällen, in denen ein Berater seiner Pflicht zur ordnungsgemäßen Dokumentation nicht nachkommt, kann sich die Beweislast umkehren. Das bedeutet, dass nicht Sie als Kunde beweisen müssen, dass die Beratung falsch war, sondern der Berater beweisen muss, dass er Sie korrekt und umfassend beraten hat. Für Sie als Verbraucher stärkt dies Ihre Position erheblich.

Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Lebensversicherung auf Empfehlung eines Finanzmaklers für eine hochriskante Anlage verkauft und es gibt keine oder nur eine mangelhafte schriftliche Dokumentation der Beratung. In einem solchen Fall könnte der Berater nachweisen müssen, dass er Sie über alle Risiken vollständig aufgeklärt und die hochriskante Anlage Ihren Bedürfnissen entsprochen hat. Gelingt ihm dies nicht, kann dies zu seinen Lasten gehen.


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Welche rechtlichen Schritte kann ich einleiten, wenn ich durch eine schlechte Finanzberatung Geld verloren habe?

Wenn Sie durch eine Finanzberatung Geld verloren haben, weil die Beratung Mängel aufwies, können rechtliche Schritte zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in Betracht kommen. Das Ziel solcher Schritte ist es, den finanziellen Zustand wiederherzustellen, der ohne die fehlerhafte Beratung bestanden hätte.

Die Grundlage: Eine Pflichtverletzung der Finanzberatung

Die Möglichkeit, Geld zurückzufordern, basiert auf dem Gedanken, dass Finanzberater Beratungspflichten haben. Diese Pflichten umfassen unter anderem, Sie umfassend über die Risiken und Chancen einer Anlage zu informieren, die Empfehlung auf Ihre persönliche Situation (wie Risikobereitschaft, Finanzlage und Kenntnisse) abzustimmen und Ihnen nur geeignete Produkte vorzuschlagen. Stellen Sie sich vor, eine Finanzmaklerin rät Ihnen, Ihre sichere Lebensversicherung zu verkaufen und das Geld in ein hochriskantes Produkt zu stecken, obwohl dies gar nicht zu Ihrer Anlagestrategie passt. Wenn dadurch Verluste entstehen, könnte eine Beratungspflichtverletzung vorliegen. Für einen solchen Verstoß, der zu einem Schaden führt, kann der Berater unter Umständen haftbar gemacht werden.

Der Weg zum Schadensersatz

Das Hauptziel ist es, einen Schadensersatzanspruch durchzusetzen. Das bedeutet, dass der Berater den finanziellen Nachteil, den Sie erlitten haben, ausgleichen soll. Im Kern geht es darum, Sie so zu stellen, als hätten Sie die fehlerhafte Beratung nicht erhalten oder die empfohlene Anlage nicht getätigt. Dies kann beispielsweise die Rückzahlung des verlorenen Anlagebetrags oder den Ausgleich von Mindererträgen umfassen. Für einen Anspruch ist es wichtig, dass der Berater die Pflichtverletzung zu verschulden hat, also fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat.

Allgemeine Schritte zur Klärung

Bevor es zu einer Klage kommt, wird häufig versucht, eine außergerichtliche Klärung zu erreichen. Dies bedeutet, dass Sie oder jemand, der Sie rechtlich vertritt, den Finanzberater oder dessen Unternehmen schriftlich über die vermeintliche Pflichtverletzung und den entstandenen Schaden informiert und zur Zahlung auffordert. Oft wird eine Frist gesetzt, innerhalb derer eine Einigung erzielt werden soll. Ziel ist es, eine langwierige und kostenintensive gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden.

Sollte eine außergerichtliche Einigung nicht möglich sein, kann der nächste Schritt eine gerichtliche Klage sein. Hierbei wird der Fall einem Gericht zur Entscheidung vorgelegt. In einem solchen Verfahren müssen Sie die Beratungspflichtverletzung, den Ihnen entstandenen Schaden und den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Beratung und dem Schaden beweisen. Dies kann eine Herausforderung sein, da detaillierte Aufzeichnungen der Beratung, Schriftverkehr und Zeugenaussagen wichtig sein können. Auch sollten Sie beachten, dass solche Ansprüche Verjährungsfristen unterliegen, innerhalb derer sie geltend gemacht werden müssen.


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Bekomme ich auch dann Schadenersatz, wenn ich den Vertrag vielleicht auch bei richtiger Aufklärung abgeschlossen hätte?

Ja, es ist in solchen Fällen oft möglich, Schadenersatz zu erhalten, selbst wenn Sie den Vertrag unter Umständen auch bei richtiger Aufklärung abgeschlossen hätten. Dies liegt an einem wichtigen Rechtsgrundsatz, der die Position von Kundinnen und Kunden stärkt, die falsch beraten wurden.

Der Zusammenhang zwischen Falschberatung und Schaden

Damit Sie Schadenersatz fordern können, muss ein direkter Zusammenhang, die sogenannte Kausalität, zwischen der Pflichtverletzung – also der fehlerhaften oder unvollständigen Beratung – und dem entstandenen Schaden bestehen. Normalerweise muss der Geschädigte beweisen, dass der Schaden gerade durch das Fehlverhalten verursacht wurde.

Die „Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens“

Im Bereich der Falschberatung gibt es eine besondere Regel, die Ihnen zugutekommt: die sogenannte „Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens“. Das bedeutet:

  • Das Gesetz geht grundsätzlich davon aus, dass Sie sich als Kunde vernünftig und im eigenen Interesse entschieden hätten, wenn Sie vollständig und richtig über alle relevanten Umstände aufgeklärt worden wären.
  • Im Klartext heißt das: Es wird angenommen, dass Sie den Vertrag oder die riskante Anlage nicht abgeschlossen hätten, wenn Sie alle notwendigen Informationen erhalten und alle Risiken richtig eingeschätzt hätten.

Die Beweislast verschiebt sich

Diese Vermutung ist für Sie als Betroffenen sehr vorteilhaft. Sie müssen nicht selbst beweisen, dass Sie den Vertrag bei richtiger Aufklärung nicht abgeschlossen hätten. Stattdessen muss die Finanzmaklerin oder der Berater beweisen, dass Sie den Vertrag oder die riskante Anlage trotz einer korrekten Aufklärung trotzdem abgeschlossen hätten.

Wenn Sie also beispielsweise auf den Rat Ihrer Finanzmaklerin hin Ihre Lebensversicherung für eine hochriskante Anlage verkauft haben und dabei nicht richtig aufgeklärt wurden, geht das Gericht zunächst davon aus, dass Sie dies bei vollständiger und korrekter Aufklärung nicht getan hätten. Die Finanzmaklerin müsste dann darlegen und beweisen, dass Sie diese Entscheidung unabhängig von der fehlenden Aufklärung getroffen hätten, was in der Praxis oft schwierig ist.

Dieser Grundsatz nimmt vielen Betroffenen eine große Sorge und erleichtert es, berechtigte Ansprüche auf Schadenersatz durchzusetzen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Illustration zum Glossar Versicherungsrecht: Waage, aufgeschlagenes Buch und Siegelrolle.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Versicherungsmaklervertrag

Ein Versicherungsmaklervertrag ist ein Vertrag zwischen einem Kunden und einem Versicherungsmakler, in dem sich der Makler verpflichtet, den Kunden bei der Auswahl von Versicherungsprodukten zu beraten und diese zu vermitteln. Im Gegensatz zu einem Vertreter arbeitet der Makler unabhängig und kann Produkte verschiedener Versicherungsgesellschaften anbieten. Nach dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG) beinhaltet dieser Vertrag auch Pflichten zur umfassenden und bedarfsgerechten Beratung, die auf die individuellen Wünsche und Bedürfnisse des Kunden abgestimmt sein muss.

Beispiel: Sie möchten eine Lebensversicherung abschließen und beauftragen einen Versicherungsmakler, der Ihnen verschiedene Angebote verschiedener Anbieter vorstellt und erklärt, welches Produkt am besten zu Ihrer Situation passt.

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Beweislastumkehr

Die Beweislastumkehr beschreibt eine rechtliche Ausnahme vom Grundsatz, dass der Kläger (also z. B. der Kunde) beweisen muss, dass die Gegenseite (z. B. der Makler) einen Fehler gemacht hat. Im Versicherungsberatungsrecht sieht das Gesetz vor, dass Versicherungsmakler ihre Beratung ordnungsgemäß dokumentieren müssen. Fehlt eine solche Dokumentation, kehrt sich die Beweislast um: Dann muss der Makler beweisen, dass er den Kunden korrekt und vollständig beraten hat, statt der Kunde eine Fehlberatung zu beweisen. Dies stärkt die Position von Kunden in Streitfällen erheblich.

Beispiel: Wenn ein Makler kein schriftliches Beratungsprotokoll vorlegt, muss er nachweisen, dass er den Kunden über alle Risiken gründlich aufgeklärt hat; sonst kann man davon ausgehen, dass er seine Pflichten verletzt hat.

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Widerklage

Eine Widerklage ist ein rechtliches Mittel, mit dem der Beklagte (hier der Makler) im selben Gerichtsverfahren eigene Ansprüche gegen den Kläger geltend machen kann. Die Widerklage dient dazu, sich gegen die ursprüngliche Klage zu verteidigen oder eigene Forderungen direkt mit dieser zu verbinden, um beide Streitfragen gemeinsam zu klären. Voraussetzung ist, dass der Zusammenhang der Ansprüche ausreichend eng ist, damit sie in einem Verfahren verhandelt werden können.

Beispiel: Wenn ein Kunde beim Makler Schadensersatz fordert, kann der Makler mit einer Widerklage zum Beispiel Auskunft darüber verlangen, ob der Kunde schon Gelder aus dem insolventen Unternehmen erhalten hat, um zu prüfen, ob der Schaden wirklich entstanden ist.

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Kausalität (im Zusammenhang mit Schadenersatz)

Kausalität bedeutet, dass zwischen einer Pflichtverletzung (z. B. falsche oder unvollständige Beratung) und dem entstandenen Schaden ein ursächlicher Zusammenhang bestehen muss. Für Schadenersatzansprüche muss bewiesen werden, dass der Schaden gerade durch die fehlerhafte Handlung verursacht wurde. Im Recht gibt es dabei oft die sogenannte „Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens“, wonach angenommen wird, dass der Kunde bei richtiger und vollständiger Aufklärung die riskante Entscheidung nicht getroffen hätte.

Beispiel: Wenn ein Kunde wegen falscher Beratung seine Lebensversicherung verkauft und dadurch Geld verliert, wird vermutet, dass er dies bei richtiger Beratung nicht getan hätte. Der Makler muss demnach nachweisen, dass der Kunde auch bei vollständiger Information verkauft hätte.

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Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens

Diese Vermutung ist eine rechtliche Annahme, die den Kunden bei Falschberatung schützt. Sie besagt, dass davon ausgegangen wird, dass ein Kunde sich vernünftig verhält und bei vollständiger und korrekter Aufklärung keine riskante oder nachteilige Entscheidung getroffen hätte. Das bedeutet, der Kunde muss nicht selbst beweisen, dass er den Vertrag ohne Fehler nicht abgeschlossen hätte; vielmehr muss der Berater das Gegenteil beweisen, also dass die Entscheidung unabhängig von der Beratung getroffen worden wäre.

Beispiel: Wurde ein Kunde nicht über ein mögliches Totalverlustrisiko aufgeklärt, so wird vermutet, dass er den Vertrag nicht unterschrieben hätte, wenn er über die Risiken informiert gewesen wäre. Der Berater muss dann beweisen, dass trotzdem unterschrieben worden wäre.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Versicherungsvertragsgesetz (VVG), insbesondere § 60 VVG: Das Versicherungsvertragsgesetz regelt die Pflichten von Versicherungsvermittlern, wozu auch Versicherungsmakler zählen. Gemäß § 60 VVG muss ein Makler seinen Kunden umfassend und bedarfsgerecht beraten, die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden erfragen und seine Empfehlungen verständlich begründen. Diese Beratungspflicht ist besonders streng bei komplexen Produkten wie Lebensversicherungen und erstreckt sich auch auf die Beendigung oder Verwertung bestehender Verträge. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Versicherungsmakler hatte die Pflicht, den Kläger umfassend über die Risiken des Verkaufs seiner Lebensversicherungen und über sichere Alternativen wie ein Policendarlehen oder die einfache Kündigung zu informieren. Diese Pflicht hat er verletzt.
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere § 280 BGB: § 280 BGB ist die zentrale Norm im deutschen Zivilrecht für den Schadensersatz bei Pflichtverletzungen. Wenn eine Partei eine Pflicht aus einem Schuldverhältnis, wie einem Vertrag, verletzt, kann die andere Partei Schadensersatz verlangen. Voraussetzung ist, dass die Pflichtverletzung zu einem Schaden geführt hat und die verursachende Partei die Verletzung zu vertreten hat, also schuldhaft (fahrlässig oder vorsätzlich) gehandelt hat. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Verletzung der Beratungspflichten des Versicherungsmaklers aus dem Maklervertrag stellt eine solche Pflichtverletzung dar, die den Anspruch des Klägers auf Schadensersatz gemäß § 280 BGB begründet.
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere § 249 BGB: Diese Vorschrift legt den Grundsatz der Naturalrestitution fest: Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Das bedeutet, der Geschädigte soll so gestellt werden, als wäre der Schaden nie entstanden. Ist eine Naturalrestitution nicht möglich oder unverhältnismäßig, ist der Schaden finanziell zu ersetzen. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Kläger wurde durch die Falschberatung um den Wert seiner Lebensversicherungen gebracht. Gemäß § 249 BGB musste der Makler den Kläger so stellen, als hätte er seine Policen nicht an die insolvente Firma verkauft, indem er den vollen Wert der Policen erstattete.
  • Versicherungsvertragsgesetz (VVG), insbesondere § 60 Abs. 2 VVG in Verbindung mit Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere § 280 Abs. 1 S. 2 BGB: § 60 Abs. 2 VVG verpflichtet den Versicherungsmakler, seine Beratung zu dokumentieren, in der Regel durch ein Beratungsprotokoll. Wird diese Dokumentation nicht erstellt oder nicht vorgelegt, kehrt sich die Beweislast um. Das bedeutet, nicht der Kunde muss die Falschberatung beweisen, sondern der Makler muss beweisen, dass er den Kunden ordnungsgemäß und vollständig beraten hat. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Fehlen eines Beratungsprotokolls durch den Makler führte zur Umkehr der Beweislast, was dem Kläger entscheidend zum Erfolg verhalf, da der Makler seine ordnungsgemäße Aufklärung nicht beweisen konnte.
  • Grundsatz des aufklärungsrichtigen Verhaltens (rechtliche Vermutung): Dieser Grundsatz besagt, dass bei einer schuldhaften Verletzung der Aufklärungspflicht zugunsten des Geschädigten vermutet wird, dass er sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung so verhalten hätte, dass der Schaden nicht eingetreten wäre. Es wird also angenommen, der Geschädigte hätte bei richtiger Information eine für ihn nachteilige Handlung unterlassen oder eine vorteilhafte Alternative gewählt. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht vermutete, dass der Kläger das riskante Geschäft mit der insolventen Firma nicht abgeschlossen hätte, wäre er über die Alternativen und das Totalverlustrisiko korrekt aufgeklärt worden. Diese Vermutung konnte der Makler nicht widerlegen.

Das vorliegende Urteil


OLG Dresden – Az.: 4 U 942/17 – Urteil vom 29.01.2019


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Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

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