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Berufsunfähigkeitsversicherung – Klausel über Leistungsbefristung auf 12 Monate

Berufsunfähigkeit: Bedeutsame Klärung zur Befristung von Versicherungsleistungen

Im Fall des Oberlandesgerichts Saarbrücken (Az.: 5 U 67/14) wurde entschieden, dass die Einstellung von Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung für den Zeitraum Januar bis einschließlich Dezember 2011, ab Januar 2012 nicht gerechtfertigt war, da die Klägerin weiterhin Anspruch auf Leistungen bis Oktober 2012 hatte. Eine Vereinbarung zwischen Versicherer und Versicherungsnehmerin, die Leistungen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht nur bis Ende 2011 zu gewähren, wurde als treuwidrig beurteilt, da sie wesentliche Rechte der Versicherungsnehmerin beeinträchtigte und die Beklagte nicht aufgrund eines einmaligen befristeten Anerkenntnisses nach § 173 Abs. 2 VVG ihre Leistungspflicht beenden konnte.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 5 U 67/14 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat entschieden, dass die Einstellung der Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ab Januar 2012 nicht gerechtfertigt war und die Klägerin Anspruch auf Leistungen bis Oktober 2012 hatte.
  • Eine Vereinbarung, die Leistungen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht nur bis Ende 2011 zu gewähren, wurde als treuwidrig beurteilt.
  • Die Beklagte konnte sich nicht auf ein befristetes Anerkenntnis nach § 173 Abs. 2 VVG berufen, um ihre Leistungspflicht zu beenden.
  • Die Revision wurde zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

Berufsunfähigkeit – Leistungen der Versicherung umstritten

Die Berufsunfähigkeitsversicherung zählt zu den wichtigsten Absicherungen für Berufstätige. Sie sichert den Verdienstausfall bei dauerhafter Berufsunfähigkeit. Allerdings kommt es häufig zu Streitigkeiten über die konkrete Leistungspflicht des Versicherers.

Auslegungsbedürftig sind oft die Vertragsbedingungen und Klauseln zur Leistungsdauer. Versicherer versuchen Leistungen zeitlich zu begrenzen, beispielsweise über eine 12-Monatsklausel. Der Streit darüber, ob derartige Befristungen wirksam sind, läuft letztendlich auf eine Auslegung des Vertragstextes hinaus.

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➜ Der Fall im Detail


Der Rechtsstreit um Berufsunfähigkeitsleistungen: Ein Überblick

BU.Versicherung Befristung
Versicherung zahlt BU-Rente: Trotz Befristung nach 12 Monaten (Symbolfoto: mozakim /Shutterstock.com)

Im Kern des Falls steht der Konflikt zwischen einer Klägerin und ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Klägerin, eine Verkäuferin, die aufgrund einer depressiven Erkrankung seit Januar 2011 arbeitsunfähig geschrieben wurde, sieht sich mit der Einstellung ihrer Berufsunfähigkeitsrente durch die Versicherung konfrontiert. Der Versicherungsbeginn war der 1. Oktober 2009, mit einer monatlich vereinbarten Berufsunfähigkeitsrente von 535 €. Die Auseinandersetzung entzündete sich daran, ob die Versicherung berechtigt war, die Leistungen nach einem Jahr der Zahlung einzustellen.

Die Urteilsfindung des Gerichts

Das Oberlandesgericht Saarbrücken gab der Klägerin teilweise Recht und entschied, dass die Versicherung für den Zeitraum von Januar bis Oktober 2012 zur Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente sowie zur Rückerstattung der Beiträge verpflichtet ist. Dies begründete das Gericht damit, dass die von der Versicherung vorgebrachte Befristung der Leistungszahlung aufgrund einer speziellen Vereinbarung rechtlich nicht haltbar sei. Die Versicherung hätte sich auf diese Vereinbarung nicht berufen dürfen, da sie die Klägerin nicht hinreichend über die daraus resultierenden Nachteile aufgeklärt hatte.

Die Rolle der Vereinbarung zwischen Klägerin und Versicherung

Die Versicherung hatte mit der Klägerin eine Vereinbarung getroffen, nach der Leistungen zunächst nur bis Ende Dezember 2011 gewährt wurden, mit der Option, diese Frist nach erneuter Prüfung zu verlängern. Das Gericht befand jedoch, dass diese Vereinbarung der Klägerin gegenüber nicht fair kommuniziert wurde und ihr dadurch wesentliche Rechte vorenthalten wurden. Insbesondere wurde kritisiert, dass die Versicherung ihre Verpflichtungen aus dem ursprünglichen Versicherungsvertrag durch diese Vereinbarung unzulässig einzuschränken suchte.

Die Entscheidung des Gerichts und ihre Begründung

Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin tatsächlich bis Dezember 2011 berufsunfähig war und somit Anspruch auf die Leistungen hatte. Für die Zeit danach sei die Einstellung der Leistungen durch die Versicherung nur im Rahmen eines ordnungsgemäßen Nachprüfungsverfahrens zulässig gewesen. Eine solche Nachprüfung habe jedoch nicht in der von der Versicherung gewählten Form stattgefunden.

Die Bedeutung des Urteils für die Praxis

Das Urteil unterstreicht die Bedeutung einer transparenten Kommunikation zwischen Versicherungen und Versicherten, insbesondere wenn es um die Modifikation von Vertragsbedingungen geht. Es zeigt auf, dass Versicherungsunternehmen nicht willkürlich Leistungen befristen oder einstellen können, ohne die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Informationspflichten gegenüber den Versicherten zu beachten.

Dieser Fall verdeutlicht die Notwendigkeit für Versicherte, sich bei Unklarheiten oder Streitigkeiten mit ihrer Versicherung rechtlichen Beistand zu suchen, um ihre Ansprüche effektiv durchzusetzen. Es zeigt zudem die Rolle der Gerichte bei der Wahrung der Rechte von Versicherten und der Überprüfung von Versicherungspraktiken auf ihre Rechtmäßigkeit.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Welche Voraussetzungen müssen für den Bezug von Berufsunfähigkeitsleistungen erfüllt sein?

Um Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) zu erhalten, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Diese sind in den Versicherungsbedingungen des jeweiligen Anbieters festgelegt und können variieren. Grundsätzlich gilt jedoch:

  • Definition von Berufsunfähigkeit: Eine Person ist berufsunfähig, wenn sie ihren zuletzt ausgeübten Beruf aufgrund von Krankheit, Körperverletzung oder einem mehr als altersentsprechenden Kräfteverfall ganz oder teilweise und voraussichtlich dauerhaft nicht mehr ausüben kann. Die Berufsunfähigkeit muss in der Regel mindestens 50 Prozent betragen.
  • Nachweis der Berufsunfähigkeit: Der Versicherungsnehmer muss die Berufsunfähigkeit nachweisen, was in der Regel durch ärztliche Gutachten erfolgt. Diese Gutachten müssen aktuell sein und die Ursache sowie die voraussichtliche Dauer der Berufsunfähigkeit dokumentieren.
  • Ärztliche Begutachtung: Der Versicherer kann eine ärztliche Begutachtung verlangen, um das Vorliegen und den Grad der Berufsunfähigkeit zu prüfen. Der Gutachter bewertet, inwieweit Krankheiten und Beschwerden zu einer Leistungsminderung im Berufsalltag geführt haben.
  • Vertragliche Regelungen: Die genauen Voraussetzungen für den Bezug von Berufsunfähigkeitsleistungen sind in den Versicherungsbedingungen festgelegt. Dazu gehören auch Regelungen zur sogenannten „Verweisung“, also ob und unter welchen Umständen der Versicherer den Versicherten auf eine andere Tätigkeit verweisen kann.
  • Meldepflichten: Der Versicherungsnehmer muss bestimmte Veränderungen, wie zum Beispiel die Aufnahme einer anderen Tätigkeit während des Bezugs von Berufsunfähigkeitsrente, an den Versicherer melden.
  • Wartezeiten: Es kann Wartezeiten geben, die erfüllt sein müssen, bevor Leistungen aus der BU-Versicherung bezogen werden können.
  • Ausschlussfristen: Manche Versicherungsverträge enthalten Ausschlussfristen, innerhalb derer ein Anspruch auf Berufsunfähigkeitsleistungen geltend gemacht werden muss.

Es ist wichtig, dass der Versicherungsnehmer die Versicherungsbedingungen genau kennt und bei Unklarheiten eine Beratung in Anspruch nimmt, um sicherzustellen, dass alle Voraussetzungen für den Leistungsbezug erfüllt sind.

Was bedeutet eine Leistungsbefristung in der Berufsunfähigkeitsversicherung?

Eine Leistungsbefristung in der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) bedeutet, dass die Versicherungsleistungen nur für einen vorab festgelegten Zeitraum gezahlt werden. Dieser Zeitraum kann je nach Vertragsgestaltung variieren. Die Befristung der Leistungen ist ein wichtiges Merkmal, das bei Abschluss einer BU-Versicherung berücksichtigt werden sollte, da es die Dauer des Leistungsbezugs direkt beeinflusst.

Warum gibt es Leistungsbefristungen?

Leistungsbefristungen werden aus verschiedenen Gründen in BU-Versicherungsverträge aufgenommen:

  • Risikomanagement für den Versicherer: Durch die Begrenzung der Leistungsdauer kann der Versicherer das Risiko kalkulierbarer halten. Dies kann sich auch auf die Prämienhöhe auswirken, da unbefristete Leistungen in der Regel zu höheren Beiträgen führen.
  • Überprüfung des Leistungsfalls: Eine Befristung ermöglicht es dem Versicherer, den Gesundheitszustand des Versicherten nach Ablauf der Befristung erneut zu überprüfen. Sollte der Versicherte weiterhin berufsunfähig sein, kann die Leistung nach erneuter Prüfung fortgesetzt werden.

Rechte der Versicherten

Versicherte haben bestimmte Rechte im Zusammenhang mit der Leistungsbefristung:

  • Verlängerung der Leistungen: Ist der Versicherte am Ende der Befristung weiterhin berufsunfähig, kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Verlängerung der Leistungen beantragt werden. Hierfür ist in der Regel eine erneute Prüfung des Gesundheitszustandes erforderlich.
  • Transparenz und Information: Versicherer sind verpflichtet, ihre Kunden klar und verständlich über die Bedingungen und die Dauer der Leistungsbefristung zu informieren.

Die Leistungsbefristung in der BU-Versicherung ist ein wesentliches Vertragsmerkmal, das die Dauer des Leistungsbezugs begrenzt. Versicherte sollten sich vor Vertragsabschluss genau über die Bedingungen und die möglichen Auswirkungen einer solchen Befristung informieren. Im Falle einer andauernden Berufsunfähigkeit besteht unter Umständen die Möglichkeit, eine Verlängerung der Leistungen zu beantragen.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 173 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) – Anerkenntnis und Befristung von Leistungen durch den Versicherer Regelt, unter welchen Voraussetzungen ein Versicherer seine Leistungspflicht anerkennen oder befristet anerkennen darf. Im vorliegenden Fall relevant für die Frage, ob und wie die Versicherung ihre Leistungen im Kontext einer Berufsunfähigkeitsversicherung befristet zusagen kann.
  • Allgemeine Bedingungen für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BBUZ) Enthalten spezifische Regelungen zur Berufsunfähigkeitsversicherung, unter anderem zur Definition von Berufsunfähigkeit, zur Leistungspflicht des Versicherers und zu Nachprüfungsverfahren. Diese Bedingungen sind entscheidend für die Beurteilung des Versicherungsfalls und der daraus resultierenden Leistungen.
  • § 307 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) – Inhaltskontrolle bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen Dieser Paragraph ist relevant für die Beurteilung der Wirksamkeit der Klauseln über befristete Anerkenntnisse in den Versicherungsbedingungen. Er schützt den Vertragspartner vor unangemessenen Benachteiligungen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen.
  • § 242 BGB (Grundsatz von Treu und Glauben) Dieser Grundsatz ist wichtig für die Beurteilung des Verhaltens der Versicherung im Hinblick auf die Vereinbarung mit der Versicherungsnehmerin, insbesondere ob sich die Versicherung auf diese Vereinbarung berufen kann.
  • § 14 VVG (Fälligkeit von Geldleistungen) Bestimmt den Zeitpunkt, zu dem Leistungen des Versicherers fällig werden. Dies ist relevant für die Beurteilung, ab wann die Versicherungsleistungen zu zahlen sind und ab wann eventuell Verzugszinsen anfallen.
  • §§ 280, 286 BGB (Schadensersatz wegen Pflichtverletzung und Verzug) Sind relevant für die Beurteilung von Schadensersatzansprüchen und Verzugszinsen, die der Versicherungsnehmerin aufgrund verzögerter Leistungen durch die Versicherung zustehen können.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 U 67/14 – Urteil vom 29.04.2015

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 02.10.2014 – 14 O 295/12 -abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt,

1. an die Klägerin 5.350 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.10.2012 zu zahlen,

2. an die Klägerin weitere 456,68 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 23.10.2012 zu zahlen.

II. Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 81 %, die Beklagte zu 19 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsgläubiger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsschuldner zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

V. Die Revision wird zugelassen

VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.338,72 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte berechtigt gewesen ist, Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Versicherungsschein Nr. …-… vom 15.09.2009, Bl. 7 d.A.), die für den Zeitraum Januar 2011 bis einschließlich Dezember 2011 erbracht worden waren, ab Januar 2012 einzustellen.

Versicherungsbeginn des Vertrags war der 01.10.2009. Die versicherte Berufsunfähigkeitsrente beträgt monatlich 535 €, die monatlich geschuldete Versicherungsprämie belief sich auf 45,44 € für den Zeitraum Januar 2012 bis einschließlich September 2012 und auf 47,72 € ab Oktober 2012 (Bl. 3 d.A.).

Dem Vertrag liegen unter anderem die Bedingungen der Beklagten für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zu Grunde (im Folgenden: BBUZ, Bl. 32 d.A.). Sie lauten – auszugsweise – wie folgt:

„1.1 Wann liegt vollständige Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen vor?

1.1.1 Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung, Pflegebedürftigkeit oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, 6 Monate ununterbrochen außer Stande war oder voraussichtlich 6 Monate ununterbrochen außer Stande ist, ihren zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, auszuüben.

1.1.2. Die Verweisung auf eine andere Tätigkeit erfolgt nicht, es sei denn, die versicherte Person übt eine berufliche Tätigkeit konkret aus, die mit der bisherigen beruflichen Tätigkeit vergleichbar ist…

[…]

2.4 Ab wann und an wen werden Leistungen gewährt?

Karenzzeit

2.4.1 Der Anspruch auf Leistungen entsteht mit Beginn des Kalendermonats nach Eintritt der Berufsunfähigkeit (= Beginn des sechsmonatigen Zeitraums gemäß Abschnitt 1.1.1) und Ablauf einer vereinbarten Karenzzeit.

[…]

2.5 Wann geben wir eine Erklärung zu unserer Leistungspflicht ab?

2.5.1 Während der Prüfung Ihres Anspruchs auf Leistung aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung werden wir Sie jeweils innerhalb von 4 Wochen nach Eingang von Unterlagen gemäß 3.1 über erforderliche weitere Prüfungsschritte informieren oder Ihnen regelmäßig eine Zwischeninformation zukommen lassen. Zusätzlich erinnern wir in regelmäßigen Abständen – spätestens alle 6 Wochen – an fehlende Unterlagen bzw. Informationen und setzen Sie darüber in Kenntnis.

2.5.2 Liegen uns alle Unterlagen und die von uns eingeholten Informationen (siehe 3.1.2) vor, erklären wir innerhalb von 4 Wochen, ob wir bis zum Ablauf der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (vergleiche 4.1) Leistungen anerkennen.

Befristetes Anerkenntnis

2.5.3 Grundsätzlich sprechen wir kein befristetes Anerkenntnis aus. In begründeten Einzelfällen können wir einmalig ein zeitlich begrenztes Anerkenntnis bis zu 12 Monaten in Textform aussprechen.

2.5.4 Gründe für ein befristetes Anerkenntnis liegen z.B. vor, wenn für ein unbefristetes Leistungsanerkenntnis noch Erhebungen oder Untersuchungen oder deren Auswertung erforderlich sind oder aus medizinischen oder beruflichen bzw. betrieblichen Gründen […] ein Ende der Berufsunfähigkeit zu erwarten ist.

2.5.5 Die Prüfung der Fortdauer der Berufsunfähigkeit bei befristetem Anerkenntnis erfolgt nach Ablauf der Frist nach den Grundsätzen der Erstprüfung gemäß Ziffer 1.1 dieser Bedingungen; die Regelungen für das Nachprüfungsverfahren gemäß 4.1 gelten insoweit nicht. Die hierfür erforderlichen Kosten werden von uns getragen. Bis zum Ablauf der Frist ist das zeitlich begrenzte Anerkenntnis für uns bindend. […]“

Das Nachprüfungsverfahren ist in Nr. 4 BBUZ wie folgt geregelt:

„4.1 Was gilt für Sie und uns bei der Nachprüfung der Berufsunfähigkeit?

4.1.1 Wir sind berechtigt, die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch und den Grad der Berufsunfähigkeit nachzuprüfen. […]

[…]

4.1.5 Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen oder hat sich der Grad auf weniger als 50 % bei der Regelung bzw. 75 % bei der Staffelregelung vermindert, passen wir die Leistung entsprechend der gewählten Leistungsregelung (siehe 2.2.2) an. In diesem Fall informieren wir den Anspruchsberechtigten schriftlich über die Veränderungen oder die Einstellung der Leistungen. […]

Die Einstellung unserer Leistungen wird mit dem Ablauf des 3. Monats nach Zugang unserer Erklärung bei Ihnen wirksam. […]“

Der Versicherungsschein (Anlage B 1) sieht vor, dass der Anspruch auf die Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung besteht, wenn die versicherte Person während der Vertragsdauer zu mindestens 50% berufsunfähig wird.

Die Klägerin war vollschichtig als Verkäuferin in der Spielwarenabteilung des Kaufhofs K. tätig gewesen (siehe die Tätigkeitsbeschreibung Bl. 91 d.A.). Sie entwickelte eine depressive Erkrankung und wurde ab dem 07.01.2011 arbeitsunfähig geschrieben (Bl. 118 d.A.). Mit Schreiben vom 07.06.2011 machte sie Ansprüche auf Leistungen wegen Berufsunfähigkeit ab dem 06.01.2011 geltend und berief sich auf die seit diesem Zeitpunkt bestehende Arbeitsunfähigkeit wegen Depressionen und Anpassungsstörungen (siehe zum Regulierungsverlauf die Beschreibung der Beklagten im Schriftsatz vom 17.12.2012, Bl. 70 ff. d.A.). Im Rahmen der Leistungsprüfung forderte die Beklagte ärztliche Unterlagen an. Mit Schreiben vom 16.07.2011 übersandte die Klägerin eine Bescheinigung der Arztpraxis Dr. M./Sch., in welcher die Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum 07.02.2011 bis 06.06.2011 bestätigt war. Mit Schreiben vom 25.07.2011 (Bl. 290 d.A.) teilte die Beklagte mit, sie habe ärztliche Auskünfte vom MVZ M., Dr. F., und der Praxis M./Sch. erbeten. Sie erhielt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der MVZ M. gGmbH für den Zeitraum 06.06.2011 bis 30.08.2011 und einen ärztlichen Bericht der MVZ M. gGmbH vom 15.08.2011 (Bl. 291 d.A.). Darin ist von einer ersten Vorstellung der Patientin am 06.06.2011 die Rede und neben einer Wiedergabe der von der Klägerin geschilderten Beschwerden als Diagnose u.a. eine depressive Episode vermerkt; weiter heißt es, es sei besprochen worden, dass die Klägerin ab dem 01.09.2011 wieder für den allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe; es bleibe abzuwarten, ob die psychische Verfassung sich dafür hinreichend stabilisiere. Die Beklagte erhielt außerdem einen unter dem 24.08.2011 ausgefüllten Fragebogen des Dr. S. M. (Bl. 294 d.A.). Dort ist eine ersten Befunderhebung am 22.03.2011 erwähnt; als Diagnose ist eine medikamentös behandelte „Major Depression“ angegeben, als Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit ist der 07.02.2011 bis 06.06.2011 mitgeteilt; für die Prognoseeinschätzung wird auf den Neurologen verwiesen. Die Klägerin übersandte der Beklagten unter dem 29.09.2011 unter anderem noch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Monat Januar 2011 sowie ein für die Bundesagentur für Arbeit erstelltes „Gutachten mit umfänglicher Untersuchung“ (Bl. 301, 304 d.A.). Darin ist als Gesundheitsstörung eine „verminderte psychische Belastbarkeit bei depressiver Anpassungsstörung mit psychosomatischen Beschwerden“ festgestellt; der zeitliche Umfang der Leistungsfähigkeit ist dort auf unter drei Stunden täglich beziffert, die verminderte Leistungsfähigkeit für einen Zeitraum von voraussichtlich länger als sechs Monaten prognostiziert; es drohe eine dauerhafte gesundheitliche Einschränkung; nach Abschluss medizinischer Maßnahmen solle eine erneute agenturärztliche Stellungnahme erfolgen. Mit dem Gutachten erhielt die Beklagte ein Schreiben der Bundesagentur für Arbeit vom 14.09.2011 (Bl. 306 d.A.), in dem es heißt, die Klägerin sei in ihrer Leistungsfähigkeit so weit gemindert, dass sie nur noch weniger als 15 Stunden wöchentlich arbeiten könne.

Mit Schreiben vom 17.10.2011 (Bl. 59 d.A.) erklärte die Beklagte zu dem Leistungsantrag:

„[…] Gemäß den Vertragsbestimmungen ist eine leistungspflichtige Berufsunfähigkeit ärztlich nachzuweisen. Für den Zeitraum ab dem 06.01.2011 liegen zwar Bescheinigungen zur Arbeitsunfähigkeit vor, leider jedoch keine zweifelsfreie ärztliche Einschätzung zum Grad der Berufsunfähigkeit.

Aus diesem Grund wäre nun eine Begutachtung erforderlich, welche einen nicht unerheblichen Zeitraum in Anspruch nehmen würde. Wir haben daher geprüft, inwieweit wir Ihnen entgegenkommen können, da wir nicht verkennen, dass Arbeitsunfähigkeitszeiten vorliegen.

Wir möchten Ihnen daher die in der Anlage beigefügte Vergleichsvereinbarung unterbreiten und stellen unser Recht auf Begutachtung bis zum Abschluss der geplanten Reha-Maßnahme zurück. Insofern nehmen wir Bezug auf den Bescheid der Agentur für Arbeit vom 14.09.2011 und gehen davon aus, dass Sie bis zum 20.10.2011 einen Antrag zur Reha-Maßnahme (oder Rentenantrag bei der Deutschen Rentenversicherung) gestellt haben. Den Nachweis hierzu bitten wir der Vereinbarung beizulegen.

Wir sind der Ansicht, Ihnen mit dieser Vereinbarung ein interessengerechtes Angebot machen zu können. Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung können somit zunächst sofort erbracht werden und müssen auch dann nicht zurückgezahlt werden, falls eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht vorliegt bzw. nicht vorgelegen hat. Zum Zeitpunkt der neuen Prüfung kann der Umfang einer dann eventuell noch bestehenden Berufsunfähigkeit möglicherweise schon besser beurteilt werden als zum jetzigen Zeitpunkt.

[…]“

Dem Schreiben war der Entwurf einer „Vereinbarung zwischen der S. AG und J.P.“ beigelegt (Bl. 61 d.A.):

„1.) Wir erklären uns bereit, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage, Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Rente und Beitragsbefreiung) in Höhe von 100 % für die Dauer vom 01.02.2011 bis 31.12.2011 zu erbringen. Grundlage hierfür ist der Nachweis zur Beantragung einer Reha-Maßnahme oder Rentenantrag bei der Deutschen Rentenversicherung.

2.) Diese zeitlich befristete Leistungserbringung erfolgt unabhängig von den geltenden Versicherungsbedingungen.

3.) Diese Vereinbarung enthält keine bedingungsgemäße Anerkennung einer Berufsunfähigkeit.

4.) Zum Ablauf der vereinbarten Leistungszeit zum 01.01.2012 erfolgt eine Prüfung der Leistungsvoraussetzungen nach den Grundsätzen der Erstprüfung. Die bedingungsgemäßen Regelungen zum Nachprüfungsverfahren gelten hierfür nicht.

5.) Jede Partei trägt die ihr entstandenen Kosten selbst.

Der Leistungsbeginn ergibt sich unter Berücksichtigung einer Karenzzeit von null Monaten.“

Die Klägerin unterschrieb am 28.10.2011 (Anlage B3, Anlagenband Beklagte).

Zwischen dem 08.11.2011 und dem 20.12.2011 begab sich die Klägerin in eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der V.-Klinik in G. Im Entlassungsbericht vom 09.02.2012 (Anlage B4, Anlagenband Beklagte) ist die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode bei emotional instabilem Persönlichkeitstil gestellt, die geistig-psychische Belastbarkeit wird als eingeschränkt erachtet. In der „Beschreibung des Leistungsvermögens“ heißt es:

„Einschränkungen des Umstellungs- und Anpassungsvermögens

Keine gehobene Verantwortung für Personen und Maschinen..

Keine erhöhte Stressbelastung.

Kein ständiger Publikumsverkehr.“

Die Beklagte, die auf der Grundlage der Vereinbarung vom Oktober 2011 eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente bis einschließlich Dezember 2011 gezahlt hatte, stellte ab Januar 2012 ihre Leistungen ein. Sie ließ die Klägerin fachärztlich begutachten (Gutachten Dr. A. vom 21.06.2012, Anlage B5, Anlagenband Beklagte). Der Sachverständige diagnostizierte für den Untersuchungszeitpunkt eine leichte depressive Episode, kombiniert mit einer Persönlichkeitsstörung (S. 29 des Gutachtens). Ferner hieß es, die Klägerin sei Ende 2009/Anfang 2010 depressiv erkrankt; die Symptomatik habe über das gesamte Jahr 2010 und auch über große Teile des Jahres 2011 zu einer mittelgradigen depressiven Episode geführt, weshalb in einem Gutachten der Agentur für Arbeit von einem voraussichtlich länger als sechs Monate aufgehobenen Leistungsvermögen ausgegangen worden sei (S. 31 des Gutachtens); durch ein psychosomatisches Heilverfahren vom 08.11.2011 bis zum 20.12.2011 sei es zu einer Stabilisierung mit Abnahme der depressiven Symptomlast gekommen (S. 30 des Gutachtens). Soweit die Rehabilitationsklinik Ende 2011 für die bisherige Tätigkeit als Einzelhandelskauffrau eine aufgehobene Leistungsfähigkeit festgestellt habe, sei das durch die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode zu erklären. Das sei aufgrund der jetzigen Befunde, die eine nur noch leichte depressive Episode belegten, zweifellos nicht mehr der Fall.

Im Hinblick darauf teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 11.07.2012 mit (Anlage B6, Anlagenband Beklagte):

„[…] das Gutachten zur Beurteilung des Grades der Berufsunfähigkeit liegt uns zwischenzeitlich vor.

Eine Kopie fügen wir zu Ihrer Kenntnisnahme in der Anlage bei.

Nach den dortigen Ausführungen ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Derzeit hat sich Ihr Gesundheitszustand gebessert, dass nur noch von einer leichten depressiven Episode auszugehen ist.

Auf nervenärztlichem Fachgebiet ist eine vollschichtige Tätigkeit daher grundsätzlich wieder möglich. Insgesamt sind Tätigkeiten unter erhöhtem psychomentalem Druck allenfalls leicht eingeschränkt, so dass insgesamt von einem Grad der Berufsunfähigkeit noch maximal 20 % auszugehen ist. Es liegen weitgehend blande Befunde vor, aus denen keine schwerwiegenden Leistungseinschränkungen abgeleitet werden können. Eine Einschränkung kann bis zur Entlassung aus der V.-Klinik angenommen werden. Leistungen im Rahmen eines Vergleiches haben wir diesbezüglich bis zum 31.12.2011 zur Verfügung gestellt.

Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung werden erbracht, wenn ein Grad der Berufsunfähigkeit von mindestens 50 % besteht.

Dies kann jedoch aufgrund der jetzt erfolgten ausführlichen Untersuchung und Begutachtung nicht mehr bestätigt werden.

Leistungen aus der BUZ können wir daher über den 01.01.2012 aufgrund der ärztlichen Feststellungen nicht mehr zur Verfügung stellen. […]“

Die Klägerin verlangte von der Beklagten unter dem 08.10.2012 (Bl. 62 d.A.) unter Fristsetzung auf den 22.10.2012, die ab Januar 2012 weiter aufgelaufenen Renten zu zahlen. Die Beklagte verweigerte das (Schreiben vom 31.10.2012, Bl. 64 d.A.).

Die Klägerin hat mit der im November 2012 erhobenen Klage Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung für den Zeitraum ab dem 06.01.2012 geltend gemacht (Bl. 4 d.A.). Rückständige Renten hat sie ab Januar 2012 bis einschließlich November 2012 verlangt (Klageantrag zu 1), ferner die Weiterzahlung von Renten ab dann bis zum Vertragsende (Klageantrag zu 2), die Beitragsbefreiung ab Dezember 2012 (Klageantrag zu 3) und die Rückzahlung der von Januar 2012 bis einschließlich November 2012 gezahlten Beiträge (Klageantrag zu 4).

Seit dem 01.04.2013 arbeitet die Klägerin als Lageristin (S. 2 der Sitzungsniederschrift des Landgerichts vom 11.07.2013, Bl. 110 d.A.). Dort verdient sie deutlich weniger als in ihrem früheren Beruf (siehe die Einkommensnachweise Bl.120 f., Bl. 138-147 und Bl. 162 f. d.A.).

Die Klägerin hat behauptet, im Beruf der Verkäuferin wegen einer depressiven Erkrankung noch immer berufsunfähig zu sein (Bl. 89 d.A.). Sie hat ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit gemäß Anlage zum Schriftsatz vom 23.01.2013 im Einzelnen beschrieben und die dabei auftretenden Beschwerden geschildert (Bl. 91-95 d.A.).

Die Beklagte hat ihre Leistungspflicht ab Januar 2012 in Abrede gestellt (Bl. 73, 98 d.A.) und behauptet, nach dem 20.12.2011 habe nur noch eine leichte depressive Episode bestanden, die einer Ausübung des Berufs der Verkäuferin nicht entgegenstehe (Bl. 99 d.A.).

Die Beklagte hat die Klägerin auf die aktuell ausgeübte Berufstätigkeit als Lageristin verwiesen (Bl. 123 d.A.).

Das Landgericht hat mit Hinweis- und Beweisbeschluss vom 09.01.2014 (Bl. 170 d.A.) darauf hingewiesen, dass es eine Verweisung mit Blick auf die erheblichen Verdiensteinbußen als ausgeschlossen erachte, und die Einholung eines medizinisches Sachverständigengutachten zu der Frage angeordnet, ob die Klägerin bei rückschauender Betrachtung ab Januar 2011 oder zu einem späteren Zeitpunkt unter Berücksichtigung eines Prognosezeitraums von sechs Monaten berufsunfähig bzw. ob sie für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten tatsächlich berufsunfähig gewesen ist (Gutachten des Dr. med. Dipl.-Psych. Ho. vom 18.03.2014, Bl. 183 d.A.).

Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin sei zwischen dem 06.01.2011 bis zum 20.12.2011 aufgrund ihrer krankhaften depressiven Störung durchgehend in ihrem früheren Arbeitsfeld der Verkäuferin berufsunfähig gewesen (S. 22 des Gutachtens, Bl. 204 d.A.). Inzwischen sei die Erkrankung voll ausgeheilt. Keine der Parteien hat gegen die gutachterlichen Feststellungen Einwände erhoben (Bl. 217 d.A., Bl. 219 d.A.).

Mit dem am 02.10.2014 verkündeten Urteil hat das Landgericht Saarbrücken die Klage abgewiesen. Es stehe fest, dass zwischen dem 06.01.2011 bis 20.12.2011 eine Berufsunfähigkeit im Sinne von Ziffer 1.1.1 BBUZ vorgelegen habe, diese aber ab Beginn des Jahres 2012 weggefallen sei. Das führe mit Blick auf die Vereinbarung vom Oktober 2011, welche die Regeln über das Nachprüfungsverfahren wirksam abbedungen habe, zum Wegfall der Leistungspflicht. Abgesehen davon habe die Beklagte auch bewiesen, dass ab Januar 2012 keine Berufsunfähigkeit mehr vorgelegen habe. Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils Bezug.

Die Klägerin hat Berufung eingelegt.

Die Vereinbarung vom 28.10.2011 hält die Klägerin für unwirksam und meint, die Beklagte hätte sich allenfalls im Wege eines Nachprüfungsverfahrens von der Verpflichtung zur Zahlung der monatlichen Rente lösen können (Bl. 273 d.A.). Nach Ansicht der Klägerin war die Vereinbarung vom 28.10.2011 als vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingung zu betrachten und als solche nicht nur wegen der Umgehung des Nachprüfungsverfahrens unwirksam, sondern auch wegen ihrer Überraschungswirkung und Intransparenz (Bl. 274 d.A.).

Nach Einschätzung der Klägerin hat es zum Zeitpunkt der Vereinbarung keine Unsicherheit über den Eintritt des Versicherungsfalls mehr gegeben, insbesondere nicht im Zusammenhang mit der erst im November 2011 begonnenen stationären Rehabilitationsmaßnahme (Bl. 275 d.A.).

Zu ihrem aktuellen Gesundheitszustand räumt sie eine Verbesserung ein, sieht deren Ursache allerdings im Wegfall der belastenden Situation am Arbeitsplatz und hält sich aus diesem Grund nach wie vor im früher ausgeübten Beruf einer Verkäuferin für berufsunfähig (Bl. 276 d.A.).

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 02.10.2014 – 14 O 295/12 – zu verurteilen,

1. an sie 5.885 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB aus 5.350 € seit dem 23.10.2012 und aus weiteren 535 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. an sie ab dem 01.12.2012 eine monatliche Rente in Höhe von 535 €, zahlbar monatlich im Voraus, längstens bis zum 01.10.2036 zu zahlen,

3. sie von der Verpflichtung Beiträge aus dem Versicherungsvertrag mit der Versicherungsschein-Nummer …-… zu zahlen ab dem 01.12.2012, längstens bis zum Ablauf des 01.10.2036 freizustellen,

4. an sie 504,40 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB aus 456,68 € ab dem 23.10.2012 und aus 47,72 € ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Vereinbarung vom 27.10.2011 für wirksam und erklärt, die ihr im Rahmen der Leistungsprüfung vorgelegten ärztlichen Unterlagen seien nicht geeignet gewesen, eine Berufsunfähigkeit zu belegen, und hätten zudem darauf hingedeutet, dass die psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin vorübergehender Natur gewesen seien (Bl. 280 d.A.). Die Beklagte hat insoweit unter anderem aus dem ärztlichen Bericht der MVZ M. gGmbH vom 15.08.2011 zitiert, wonach eine Wiederaufnahme der Arbeit ab dem 01.09.2011 besprochen worden sei und eine Stabilisierung der psychischen Verfassung der Klägerin habe abgewartet werden sollen (Bl. 281 d.A. i.V.m. Bl. 292 d.A.).

Die Beklagte macht darauf aufmerksam, dass sie selbst ein Gutachten hätte in Auftrag geben können. Eine Begutachtung sei aber vor Beginn der von der Klägerin geplanten sechswöchigen Reha Maßnahme (08.11.2011 bis 20.12.2011) nicht abzuschließen gewesen. Im Übrigen habe sie damit rechnen dürfen, dass die Reha-Maßnahme den Gesundheitszustand der Klägerin bessern und eine etwa bestehende Berufsunfähigkeit beheben könne. Die Beklagte ist der Ansicht, sie hätte gemäß Nrn. 2.5.3-2.5.5 ein zeitlich begrenztes Anerkenntnis von bis zu zwölf Monaten aussprechen dürfen. Dass sie stattdessen mit Schreiben vom 17.10.2011 angeboten habe, ohne Anerkennung einer Berufsunfähigkeit für die Dauer zwischen 01.02.2011 bis 31.12.2011 Leistungen zu erbringen und danach eine Erstprüfung unter Ausschluss der Regelungen des Nachprüfungsverfahrens vorzunehmen, erachtet sie vor diesem Hintergrund als rechtlich unproblematisch. Sie meint, der Abschluss der Vereinbarung sei sie für die Klägerin sogar günstig gewesen, weil die Beauftragung eines Gutachtens die Leistungsprüfung verzögert und insoweit auch das Risiko eines ihr nachteiligen Ergebnisses bestanden hätte mit der Folge, dass auch für das Jahr 2011 nichts gezahlt worden wäre (Bl. 283 d.A.).

Vorsorglich beruft die Beklagte sich darauf, dass ihr Schreiben vom 11.07.2012 auch den Anforderungen an eine wirksame Leistungseinstellungsmitteilung genügt hätte (Bl. 284 d.A.).

Soweit das Landgericht die Frage der Berufsunfähigkeit bezogen auf den Beruf der Verkäuferin beurteilt und eine konkrete Verweisung (Nr. 1.1.2 BBUZ) auf den Beruf der Lageristin wegen der deutlichen Einkommensdifferenz verworfen hat (S. 5/6 des Urteils, Bl. 235/236 d.A.), nimmt die Beklagte das in der Berufung hin.

Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 11.07.2013 (Bl. 109 d.A.) und vom 24.07.2014 (Bl. 225 d.A.) und des Senats vom 25.03.2015 sowie auf das Urteil des Landgerichts vom 02.10.2014 (Bl. 231 d.A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist teilweise begründet.

Die Beklagte schuldet die Erbringung weiterer Leistungen aus der streitgegenständlichen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung gemäß Nr. 2.1.1 und 2.1.2 in Verbindung mit den Regelungen auf S. 3 des Versicherungsscheins vom 15.09.2009, allerdings nur bis zum Ende Oktober 2012. Mit jenem Zeitpunkt ist die dem Schreiben der Beklagten vom 11.07.2012 zu entnehmende Einstellungsmitteilung wirksam geworden (§ 174 VVG, Nr. 4.1.5 Satz 4 BBUZ). Darüber hinaus gehende Leistungen – bis zum Ende der vertraglich vereinbarten Leistungsdauer – schuldet sie nicht.

1.

Die Berufung der Klägerin hat insoweit Erfolg, als das Landgericht ihr Ansprüche für die Monate Januar 2012 bis einschließlich Oktober 2012 abgesprochen hat.

a.

Grundlage der Ansprüche auf die bedingungsgemäßen Versicherungsleistungen – Befreiung von der Prämienzahlungspflicht (Nr. 2.1.1 BBUZ) und Zahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente (Nr. 2.1.2 BBUZ) – für jenen Zeitraum sind die Vereinbarungen gemäß Versicherungsschein vom 15.09.2009 (Bl. 7 d.A.) in Verbindung mit den allgemeinen Vertragsbedingungen zum Eintritt des Versicherungsfalls (Nr. 1.1.1 BBUZ) und zum Leistungsbeginn (Nr. 2.4.1 BBUZ).

(1)

Nach den „Erläuterungen zur Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung“ auf S. 3 des Versicherungsscheins (Bl. 9 d.A.) werden die Versicherungsleistungen in vollem Umfang erbracht, wenn die versicherte Person zu mindestens 50 % berufsunfähig im Sinne der Versicherungsbedingungen geworden ist. Gemäß Nr. 1.1.1 BBUZ liegt ein solcher Zustand dann vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit für eine Zeit von sechs Monaten ununterbrochen außer Stande war oder voraussichtlich 6 Monate außerstande ist, ihren zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen ausgestaltet war, auszuüben.

Die Voraussetzungen des so beschriebenen Versicherungsfalls lagen vor. Die Klägerin war im Jahr 2011 wegen Depressionen mittelschwerer Ausprägung ununterbrochenen für eine Zeit von sechs Monaten zu mindestens 50 % in ihrer zuvor ausgeübten beruflichen Tätigkeit eingeschränkt gewesen.

Das folgt aus den bindenden, auf der Grundlage des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen des Landgerichts (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), wonach die Klägerin ab dem 06.01.2011 bis zum Zeitpunkt der Entlassung aus der V.-Klinik am 20.12.2011 im Sinne von Nr. 1.1.1 BBUZ im maßgeblichen Beruf der Verkäuferin berufsunfähig gewesen ist. Die jener Feststellung zu Grunde liegenden Erwägungen des psychiatrischen Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Ho. vom 18.03.2014 hat keine der Parteien in Zweifel gezogen. Der Sachverständige hat es mit Blick auf die Krankschreibung ab dem Januar 2011 und den Rehabilitationsbericht der V.-Klinik als belegt erachtet, dass die Klägerin aufgrund ihrer depressiven Störung im genannten Zeitraum durchgängig in ihrem früheren Arbeitsfeld der Verkäuferin nicht mehr habe tätig sein können. Entsprechendes hatte schon der von der Beklagten beauftragte Sachverständige Dr. A. vertreten, der in seinem Gutachten vom 21.06.2012 (Anlage B5) die Feststellung der V.-Klinik, die Leistungsfähigkeit der Klägerin sei bis Ende des Jahres 2011 wegen der Auswirkungen einer mittelgradigen depressiven Episode aufgehoben gewesen, nicht in Zweifel gezogen hatte. Vor diesem Hintergrund hatte die Beklagte selbst in der vorgerichtlichen Korrespondenz unter Berufung auf die Erkenntnisse des Sachverständigen Dr. A. erklärt, eine „Einschränkung“ könne bis zur Entlassung aus der V.-Klinik angenommen werden (Schreiben vom 11.07.2012, Anlage B6). Die Beklagte stellt in der Berufungsinstanz die Richtigkeit der Annahme des Landgerichts zu einer – zunächst einmal – gegebenen bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit von Januar 2011 bis 20.12.2012 nicht in Frage. Sie hatte in dieser Hinsicht auch in erster Instanz nichts Gegenteiliges vorgetragen.

(2)

Unter dieser Prämisse setzte die Leistungspflicht der Beklagten – unabhängig von der später getroffenen außervertraglichen Vereinbarung vom 28.10.2011 – mit Beginn des Kalendermonats nach Eintritt der Berufsunfähigkeit ein (Nr. 2.4.1 BBUZ), mithin zum 01.02.2011. Weiterer Voraussetzungen bedurfte es nicht, um die Leistungspflicht der Beklagten auszulösen, insbesondere nicht einer Anerkenntniserklärung gemäß § 173 Abs. 1 VVG.

Der Versicherer ist zwar gemäß § 173 Abs. 1 VVG gehalten, bei Fälligkeit in Textform zu erklären, ob er seine Leistungspflicht anerkennt. Eine konstitutive Wirkung in Bezug auf die Pflichten des Versicherers und die damit korrespondierenden Rechte des Versicherungsnehmers kommt dieser Erklärung indessen nicht zu (vgl. Rixecker in: Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl. 2014, § 173 Rdn. 1). Die Vorschrift des § 173 Abs. 1 VVG trägt den Besonderheiten der für den Versicherungsnehmer existenziell bedeutsamen Berufsunfähigkeitsversicherung Rechnung. Dieser soll durch die Anerkenntniserklärung alsbald Klarheit und Sicherheit über die ihm im Versicherungsfall zustehenden Ansprüche erhalten. Aus diesem Grund gewährt ihm § 173 Abs. 1 VVG einen Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung, auf deren Grundlage er disponieren kann, entweder indem er – im Ablehnungsfall – über eine etwaige Klageerhebung entscheidet oder indem er sich – im Falle eines Anerkenntnisses – nunmehr auf seine Absicherung verlassen kann. Das (unbedingte, unbefristete) Anerkenntnis entfaltet nämlich Bindungswirkung: Der Versicherer kann sich nach seiner Abgabe nur noch im Wege des Nachprüfungsverfahrens von seiner Leistungspflicht lösen. Von den Fällen eines ihm zustehenden Anfechtungsrechts abgesehen darf er sich später auch nicht mehr darauf berufen, es sei von Anfang an kein Versicherungsfall eingetreten gewesen.

Weitergehende, konstitutive Wirkungen sind mit dem Anerkenntnis indessen nicht verbunden. Insbesondere geht der Regelungsgehalt des § 173 Abs. 1 VVG nicht dahin, dass der Versicherer erst leisten muss, wenn er seine Leistungspflicht anerkannt hat.

b.

Die Leistungspflicht der Beklagten ist nicht dadurch von selbst entfallen, dass nach den insoweit maßgeblichen Feststellungen des Landgerichts die krankheitsbedingten Leistungseinschränkungen der Klägerin ab Januar 2012 keine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit zu einem Grad von mindestens 50 Prozent mehr begründeten. Ein „automatisches“ Ende der Leistungspflicht bei Herabsinken des Grad der Berufsunfähigkeit unter die vertraglich festgelegte Grenze ist weder nach den hier einschlägigen Vertragsbedingungen noch nach dem Gesetz vorgesehen.

Veränderungen des Gesundheitszustands nach Eintritt der Berufsunfähigkeit kann nur im Wege des Nachprüfungsverfahrens gemäß Nr. 4.1.1 bis Nr. 4.1.5 BBUZ, § 174 VVG Rechnung getragen werden. Dessen unerlässlicher Bestandteil ist die Mitteilung an den Versicherungsnehmer, dass die zuvor bestehende Leistungspflicht wieder enden soll; erst danach kann die Leistungspflicht wieder entfallen (vgl. BGH, Urt. v. 03.11.1999 – IV ZR 155/98 – VersR 2000, 171; Urt. v. 12.6.1996 – IV ZR 106/95 – VersR 1996, 958; Urt. v. 17.2.1993 – IV ZR 206/91 – VersR 1993, 562; Senat, Urt. v. 06.06.2012 – 5 U 163/08). Das gilt selbst dann, wenn ein Versicherer bestreitet, dass (irgendwann einmal) Berufsunfähigkeit eingetreten war, später in einem Rechtsstreit rückwirkend seine Leistungspflicht festgestellt wird und diese zwischenzeitlich der Sache nach nicht mehr besteht. Auch in einem solchen Fall kann der Versicherer seine Leistungen nur im Wege des Nachprüfungsverfahrens einstellen: Er muss eine Einstellungsmitteilung fertigen und bis zum Ablauf der hierfür geltenden Frist (§ 174 Abs. 2 VVG, Nr. 4.1.5 Satz 4 BBUZ) weiter leisten (vgl. Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 3. Aufl. 2014, G Rdn. 250c; Senat, Urt. v. 06.06.2012 – 5 U 163/08).

c.

Die Leistungspflicht der Beklagten endete – auf dieser rechtlichen Grundlage – jedoch durch die Mitteilung über die Einstellung der Versicherungsleistungen vom 11.07.2012 gemäß Nr. 4.1.5 Satz 4 BBUZ, § 174 Abs. 2 VVG mit Wirkung zum Ablauf des dritten Monats nach ihrem Zugang, mithin zum Ende Oktober 2012. Zahlungsansprüche der Klägerin sind folglich in Höhe von 5.350 € (10 x 535 €) – Rentenleistungen – sowie in Höhe von 456,68 € (9 x 45,44 € + 1 x 47,72 €) – Beitragsrückerstattungen gemäß § 812 Abs.1 Satz 1 BGB – gerechtfertigt.

(1)

Die Einstellungsmitteilung entsprach den dafür geltenden formalen Anforderungen. Eine im Nachprüfungsverfahren zu Tage getretene Verbesserung des Gesundheitszustands des Versicherten berechtigt den Versicherer nur dann zur Einstellung seiner Leistungen, wenn er die Veränderung ordnungsgemäß darlegt (§ 174 Abs. 1 VVG, Nr. 4.1.5 Satz 2 BBUZ). Die Begründung muss für den Versicherungsnehmer nachvollziehbar sein (BGH, Urt. v. 15.10.1997 – IV ZR 216/96 – r+s 1998, 37). Nur dann ist sie geeignet, den ihr zugedachten Zweck zu erfüllen: dem Versicherungsnehmer die für die Einschätzung seines Prozessrisikos erforderlichen Informationen zu geben (Rixecker in: Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl. 2014, §174 Rdn. 23, m.w.N.; BGH, Urt. v. 17.02.1993 – IV ZR 162/91 – VersR 1993, 559).

Geht es um eine Genesung der versicherten Person, muss der Versicherer folglich den gesundheitlichen Zustand, der aus seiner Sicht den Eintritt des Versicherungsfalls begründet hat, mit jenem des späteren Zeitpunkts der Besserung vergleichen und die aus dem Vergleich von ihm abgeleiteten Folgerungen aufzeigen. Ist in einem ärztlichen Gutachten, aus dem der Versicherer seine Leistungsfreiheit herleiten will, nur zu dem gegenwärtigen gesundheitlichen Zustand der versicherten Person Stellung genommen, so ist die Mitteilung nur dann formal korrekt, wenn der Versicherer darlegt, dass die Gegenüberstellung der Ergebnisse des Gutachtens mit den Bewertungen, aufgrund deren zuvor eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit anzunehmen war, eine nach den Versicherungsbedingungen erhebliche Besserung ergeben hat (vgl. BGH, Urt. v. 28.04.1999 – IV ZR 123/98 – VersR 1999, 958; Senat, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 343/10 – VersR 2013, 1030; OLG München, NJW-RR 2010, 1619). Ärztliche Gutachten, auf die der Versicherer sich stützt, muss er dem Versicherungsnehmer zudem unverkürzt zugänglich machen, soweit dieser sie nicht schon besitzt (Rixecker in: Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl. 2014, § 174 Rdn. 24).

Wird eine Mitteilung des Versicherers dem gerecht, wäre es indessen ein von berechtigten Interessen des Versicherungsnehmers nicht mehr getragener Formalismus, würde man darüber hinaus verlangen, dass der Versicherer seine Mitteilung auch erkennbar als „Nachprüfungsentscheidung“ im Sinne des § 174 VVG (und nicht wie hier als Hinweis auf ein nach vermeintlich nur „außervertraglich“ erbrachten Leistungen eingetretenes Zahlungsende) verstanden oder gar eine bestimmte Begrifflichkeit verwandt sowie den Nachleistungszeitraum ausdrücklich beachtet haben müsse.

Der Senat teilt die in der Berufungserwiderung dargelegte Einschätzung der Beklagten, das Schreiben vom 11.07.2012 entspreche den vorstehend dargelegten Anforderungen.

Die Beklagte hat sich in dem Schreiben auf das von ihr eingeholte Gutachten des Dr. A. berufen und dieses der Klägerin zur Verfügung gestellt. Mit der Erklärung, eine (berufliche) „Einschränkung“ könne „bis zur Entlassung aus der V.-Klinik angenommen werden“ und Leistungen seien „diesbezüglich bis zum 31.12.2011 zur Verfügung gestellt“ worden, hat sie zum Ausdruck gebracht, der Grad der Berufsunfähigkeit habe aus ihrer Sicht bis Dezember 2011 mindestens 50 % betragen. Ausgehend davon hat sie dargelegt, der Gesundheitszustand habe sich nunmehr „gebessert“, so dass „nur noch von einer leichten depressiven Episode“ auszugehen sei und aus psychiatrischer Sicht „eine vollschichtige Tätigkeit daher grundsätzlich wieder möglich“ sei; aufgrund dessen könnten Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht mehr erbracht werden.

Diesen Ausführungen ist die Annahme einer Besserung des Gesundheitszustands seit Eintritt des Versicherungsfalls im Sinne einer Minderung des Grades der Berufsunfähigkeit unter die in den Bedingungen vorgesehene Grenze ohne weiteres zu entnehmen, weil die Klägerin der Gesamtheit der ihr zur Verfügung gestellten Informationen der Beklagten unschwer entnehmen konnte, dass diese von einem im Jahr 2011 eingetretenen, einen bestimmten gesundheitlichen Zustand zugrunde legenden Versicherungsfall ausgehen und nunmehr dessen gesundheitliche Voraussetzungen auf der Grundlage eines ärztlichen Gutachtens als nicht mehr vorliegend betrachten wollte.

(2)

Auch die materiellen Voraussetzungen für eine Leistungseinstellung gemäß Nr. 4.1.5 BBUZ lagen vor.

Wie sich schon aus der halbzwingenden Regelung des § 174 Abs. 1 VVG ergibt, müssen die Voraussetzungen der Leistungspflicht „entfallen“ sein. Die tatsächlichen Umstände müssen sich folglich zu Gunsten des Versicherers so verändert haben, dass – im Vergleich zu der im Zeitpunkt des Leistungsbeginns bestehenden Lage – Berufsunfähigkeit nicht mehr besteht (vgl. BGH, Urt. v. 27.05.1987 – IVa ZR 56/86 – VersR 1987, 808; Urt. v. 12.06.1996 – IV ZR 106/95 – VersR 1996,158; Dörner in: MünchKommVVG, 2011, § 174 Rdn. 8; Lücke in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, § 174 Rdn. 3). Dies hat der Versicherer zu beweisen (Rixecker in: Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl. 2014, § 174 Rdn. 2 f.).

Das Landgericht hat festgestellt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest dass die Klägerin ab dem Beginn des Jahres 2012 nicht mehr berufsunfähig gewesen sei. Es hat die maßgeblichen Erkenntnisse des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Ho. wiedergegeben und dargelegt, bei der Klägerin hätten zum Untersuchungszeitpunkt keine psychiatrisch krankheitswertigen Befunde vorgelegen, insbesondere sei die Depression voll ausgeheilt. Die frühere depressive Störung habe (nur) bis zum Entlassungszeitpunkt am 20.12.2011 bestanden.

Der Senat ist an jene Feststellungen gebunden. Er sieht keine Anhaltspunkte, die Zweifel an ihrer Vollständigkeit und Richtigkeit begründen würden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Klägerin hat sie in ihrer Berufung der Sache nach auch nicht angegriffen.

Das Vorbringen der Klägerin, die Besserung ihres Gesundheitszustands beruhe (auch) auf dem Wegfall der belastenden Auswirkungen ihrer früheren Arbeitsumgebung, bei einer erneuten Aufnahme der früheren Tätigkeit sei eine erneute Dekompensation zu erwarten, vermag nicht in Frage zu stellen, dass sie nach sachverständiger unangegriffener Beurteilung die volle Leistungsfähigkeit wieder erlangt hat.

Zwar mag es sein, dass von einer fortbestehenden Berufsunfähigkeit auszugehen sein kann, wenn mit hinreichender Sicherheit anzunehmen ist, dass die Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit zu einer Aktualisierung der gesundheitlich bedingten beruflichen Einschränkungen führen wird (Senat, Urt.v. 13.04.2005 – 5 U 842/01 – NJW-RR 2006, 250; VersRHdb-Rixecker, 2. Aufl., § 46 Rdn. 67). Das ist im Streitfall schon deshalb anders, weil der gerichtliche Sachverständige Dr. Ho. bereits das – fortbestehende – Vorliegen einer „Krankheit“ (die ein tatbestandliches Element des Versicherungsfalls ist) verneint hat, nicht aber unter deren Annahme lediglich daraus folgende funktionelle Einbußen. Dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. Ho. war bewusst, dass die Klägerin selbst die Ursache ihrer vorangegangenen depressiven Verstimmungen nach ihrem „persönlichen, subjektiven Krankheitsmodell“ (S. 20 des Gutachtens, Bl. 202 d.A.) in ihrem früheren Arbeitsfeld sieht. Gleichwohl vermochte er mangels jedweder objektiver krankheitswertiger Symptome gerade keine krankheitsbedingte Berufsunfähigkeit (im früheren Beruf als Verkäuferin) zu erkennen (S. 20 f. des Gutachtens, Bl. 202 f. d.A.).

Die bloße Befürchtung, eine – wie hier ausgeheilte – Krankheit könne noch einmal auftreten, weil, möglicherweise, eine Disposition (vgl. dazu BGH, Urt.v. 27.09.1995 – IV ZR 319/94 – VersR 1995, 1431; VersRHdb.-Rixecker, 2. Aufl., § 46 Rdn. 61) zu bestimmten Leiden bestehe, stellt von vornherein keinen Versicherungsfall (mehr) dar. Ebenso wenig wie die Erwartung künftiger Gesundheitsverbesserungen eine vorab erfolgende Leistungseinstellung zum Nachteil des Versicherten rechtfertigt (dazu BGH, Urt. v. 11.12.1996 – IV ZR 238/95 – VersR 1997,436), kann die bloße Möglichkeit erneuter Verschlechterungen dem Versicherer das Recht, Zahlungen an einen aktuell stabil Gesunden einzustellen, abschneiden.

2.

Ansprüche der Klägerin für den Zeitraum Januar bis Oktober 2012 entfallen nicht auf der Grundlage der Vereinbarung der Parteien vom 17.10./28.10.2011. Danach verpflichtete sich die Beklagte allerdings nur, für die Dauer vom 01.02.2011 bis 31.12.2011 „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage“, die vollen Leistungen zu erbringen. Sie behielt sich im Anschluss daran eine „Erstprüfung“ vor, die sie – nach den sachverständigen Feststellungen – zu einer Ablehnung weiterer Leistungen ab Januar 2012 berechtigt hätte.

Auf die Vereinbarung vom 17.10./28.10.2011 kann sich die Beklagte indessen nach Treu und Glauben nicht berufen. Sie vermochte sich folglich nur auf der Grundlage eines Nachprüfungsverfahrens von ihrer Leistungspflicht zu befreien.

a.

Obgleich die Regelung des § 173 VVG nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abbedungen werden darf (§ 175 VVG), sind Vereinbarungen zwischen den Parteien eines Versicherungsvertrages über die sachliche oder zeitliche Ausgestaltung der Leistungspflicht des Versicherers auch nach neuem Recht grundsätzlich zulässig (Rixecker in: Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl. 2014, § 173 Rdn. 10; Begründung des RegE, BT-Drucks. 16/3945, S. 106). Abgesehen von Einzelfällen, in denen sich ihre Unwirksamkeit aus den §§ 305 ff. BGB oder aus § 134 oder § 138 BGB ergeben kann, unterliegen sie allerdings Einschränkungen nach § 242 BGB. Im Hinblick darauf, dass sie – schon aufgrund ihrer regelmäßigen Bezeichnung als „außervertragliche“ Abreden – nahe legen, der Versicherer habe seine Verhandlungsmacht ungeachtet vertraglich anderweitiger Regelungen gegenüber dem auf seine Leistungen angewiesenen, unerfahrenen Versicherungsnehmer eingesetzt, um sich durch ein Hinausschieben der Erstprüfung einen Vorteil zu verschaffen, kann der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) einen Versicherer in besonderem Maße hindern, sich auf eine solche Abrede zu berufen.

Das ist nur dann anders, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer vor dem Abschluss einer solchen Vereinbarung in den Stand versetzt hat, ihre Vor- und Nachteile im Vergleich zu einem regulären Fortführen der Leistungsprüfung mit einer abschließenden Erklärung über ein Anerkenntnis gegeneinander abzuwägen. Aus diesem Grund müssen bestimmte verfahrensmäßige und inhaltliche Anforderungen erfüllt sein (siehe Rixecker in: Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl. 2014, § 173 Rdn. 10 f.; Lücke in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, § 173 Rdn. 16-19). Vereinbarungen der in Rede stehenden Art müssen auf einem lauteren und vertrauensvollen Zusammenwirken der Vertragspartner beruhen. Sie müssen folglich vor dem Hintergrund einer noch unklaren Sach- oder Rechtslage geschlossen worden sein und auf ein Ergebnis zielen, das der wahren tatsächlichen und rechtlichen Lage entspricht. Der Versicherer muss den Versicherungsnehmer – nachvollziehbar und unmissverständlich – darauf hinweisen, wie sich seine vertragliche Rechtsposition darstellt und in welcher Weise sie durch die Abrede verändert oder beeinträchtigt wird (BGH, Urt. v. 07.02.2007 – IV ZR 244/03 – VersR 2007, 633; BGH, Urt. v. 28.2.2007 – IV ZR 46/06 – VersR 2007, 777; Senat, Urt. v. 08.12.2010 – 5 U 8/10 – VersR 2011, 1166).

Auch wenn der Beklagten zuzugeben ist, dass sie im Zeitpunkt der Vereinbarung vom 17.10./28.10.2011 auch aus der Sicht eines Versicherungsnehmers verständliche Gründe gehabt haben mag, der Klägerin eine Vereinbarung vorzuschlagen, die dieser auch Vorteile – einen sofortigen Leistungsbezug vor Abschluss der Erhebungen (§ 14 VVG) durch sachverständige Begutachtung im Angesicht einer bevorstehenden Erfolg versprechenden stationären Behandlung sowie im Hinblick auf den Verzicht der Beklagten auf Rückzahlung etwa ohne Rechtsgrund geleisteter Renten – versprach, der Beklagten also keineswegs ein die Klägerin gar arglistig „übervorteilendes“ Verhalten vorzuwerfen ist, fehlt es an den Voraussetzungen einer Treu und Glauben gerecht werdenden Abrede.

Zwar war der Beklagten zum Zeitpunkt der Vereinbarung unbenommen, noch keine Leistungen zu erbringen und – unabhängig von den von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Berichten – die Klägerin selbst sachverständig untersuchen zu lassen. Darüber hat sie die Klägerin korrekt unterrichtet. Weitere Informationen über die die Klägerin durch eine spätere Berufung der Beklagten auf die Vereinbarung treffenden Nachteile – vor allem die Verschiebung des Zeitpunkts der Erstprüfung mit ihren beweisrechtlichen Konsequenzen sowie den damit möglicherweise eintretenden Verlust des dreimonatigen Nachleistungsanspruchs – hat sie indessen nicht offenbart. Das zu tun lag aber nach der vertragsrechtlichen Stellung der Klägerin und den der Beklagten vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen mehr als nahe.

Die Beklagte verspricht Leistungen, wenn die versicherte Person sechs Monate ununterbrochen lang berufsunfähig gewesen ist und auch schon dann, wenn sie voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen außerstande sein wird, den in gesunden Tagen zuletzt ausgeübten Beruf in bedingungsgemäßem Maße auszuüben (Nr. 1.1.1 BBUZ). Damit hat sie sich dahin gebunden, dass es ihr im Rahmen der ersten Leistungsprüfung nach Anmeldung vertraglicher Ansprüche versagt ist, auch nur die Frage aufzuwerfen, ob eine krankheitsbedingte Leistungseinschränkung in Rede steht, die – vielleicht sogar mit hoher Wahrscheinlichkeit – typischerweise nicht länger als sechs Monate andauert. Sie befreit den Versicherungsnehmer davon, mehr belegen zu müssen als eine (auch nur voraussichtlich) ein halbes Jahr andauernde, den bedingungsgemäßen Grad erreichende Beeinträchtigung seiner beruflichen Leistungsfähigkeit. Ab jenem Zeitpunkt liegt die Last, eine relevante Verbesserung des Gesundheitszustandes nachzuweisen, um ihre Leistungen einstellen zu können, bei ihr.

Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung der Parteien lag aber nahe, den vertraglich so geregelten Versicherungsfall bereits als eingetreten zu betrachten. Denn nach dem für die Bundesagentur für Arbeit erstellten, der Beklagten vorliegenden medizinischen Gutachten vom 14.09.2011 – das die Beklagte nicht von vornherein offensichtlich in Zweifel gezogen hat oder wegen fehlender Plausibilität ziehen durfte – musste sie von einer wahrscheinlichen, bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit, also vom Eintritt des Versicherungsfalls, ausgehen. Die Formulierung des Schreibens vom 17.10.2011 zeigt zudem, dass die Beklagte – offenbar ohne das versicherungsvertragliche Versprechen der Annahme eines Versicherungsfalls schon bei voraussichtlich sechsmonatiger Berufsunfähigkeit zu bedenken – mit einer Verbesserung des Gesundheitszustands „bis zum Abschluss der geplanten Reha-Maßnahme“ rechnete, mithin eine Veränderung erwartete, die allerdings erst nach Ablauf des Sechsmonatszeitraums eintreten würde. In diesem Sinne hat sie im Übrigen noch in der Berufungserwiderung erklärt, sie habe damit rechnen können, dass der Klinikaufenthalt die psychischen Probleme der Klägerin so weit bessern könne, dass sie ihre frühere Tätigkeit wieder zu mehr als 50 Prozent auszuüben in der Lage sein würde. Sie musste aber wissen, dass solches zu klären richtigerweise Sache des Nachprüfungsverfahrens gewesen wäre.

Die Beklagte konnte sich auch nicht darauf berufen, dass sie die Klägerin nicht während eines begrenzten Zeitraums von stattfindenden oder geplanten ärztlichen Behandlungen auf eine andere, ihr zumutbare Tätigkeit hätte verweisen wollen. Denn nach dem Vertrag der Parteien war lediglich eine konkrete Verweisung statthaft, die zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung nicht in Rede stand.

Stand folglich im Oktober 2011 für die Beklagte zwar mangels selbst veranlasster Untersuchungen nicht zweifelsfrei fest, ob der Versicherungsfall eingetreten war, sprachen dafür aber – auf der Grundlage des vertraglichen Versprechens – sehr gewichtige Anhaltspunkte, so verschwieg die Beklagte der Klägerin die wahre Sach- und Rechtslage und bewirkte so den Abschluss einer ihr mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ungünstigen „außervertraglichen“ Vereinbarung. Sie darf sich folglich auf sie nicht berufen.

b.

Gegen ein treuwidriges Verhalten der Beklagten kann sie auch nicht einwenden, sie hätte die Klägerin durch den Abschluss der Vereinbarung nicht schlechter gestellt als wenn sie von ihrem Recht auf Erklärung eines befristeten Anerkenntnisses gemäß Nr. 2.5.3-Nr. 2.5.5 BBUZ, § 173 Abs. 2 VVG Gebrauch gemacht hätte.

(1)

Ein solches Recht folgt allerdings nicht aus Nr. 2.5.3, 2.5.4 und 2.5.5 BBUZ. Die Klauseln sind nämlich unwirksam nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Mit diesen Klauseln bemüht sich die Beklagte zwar – dem ersten Anschein nach – lediglich, die Voraussetzungen eines ihr gesetzlich nach § 173 Abs. 2 VVG zustehenden Befristungsrechts sachgerecht zu konkretisieren. Zugleich schränkt sie jedoch – auf den ersten Blick nicht erkennbar – ihr eigenes Leistungsversprechen in einer wesentliche Rechte des Versicherungsnehmers zurücknehmenden, also den Vertragszweck teilweise aushöhlenden Weise ein.

In dem hier zu beurteilenden Vertrag verspricht die Beklagte dem Versicherungsnehmer Leistungen nicht nur und erst dann, wenn das Ergebnis ihrer Leistungsprüfung die Prognose zulässt, die versicherte Person sei wegen krankheitsbedingter Einschränkungen voraussichtlich auf Dauer zur Ausübung ihres letzten Berufs – und eines ihr zumutbaren Verweisungsberufs – zu mindestens 50 % außer Stande. Vielmehr betrachtet sie den Versicherungsfall in einer besonders kundenfreundlichen Weise schon zu dem Zeitpunkt als eingetreten, wenn die versicherte Person voraussichtlich sechs Monate zu einer mehr als halbschichtigen Fortführung ihrer letzten beruflichen Tätigkeit außerstande ist und auch – zu diesem Prognosezeitpunkt – keine konkrete andere ihr zumutbare Tätigkeit ausübt.

Wenn ein Versicherer auf der Grundlage solcher vertraglicher Zusagen, die ihm eine Lösung von seiner so begründeten Leistungspflicht nur noch im Wege der Nachprüfung erlauben, sich zugleich das Recht einräumt, seine Leistungspflicht auf ein Jahr mit der Folge zu befristen, dass dann – ohne Nachleistungspflicht – Ansprüche entfallen, und der eine fortdauernde Berufsunfähigkeit behauptende Versicherungsnehmer ihr Bestehen beweisen muss, nimmt er, ohne dass dies auch einem verständigen Versicherungsnehmer ohne Weiteres erkennbar wäre, sein – regelmäßig auch seine Werbung für das Produkt und dessen Rating beeinflussendes – Versprechen in gewichtigem Umfang zurück. Das kann keine rechtliche Anerkennung beanspruchen.

(2)

Die Beklagte kann auch nicht geltend machen, ihre Berufung auf die Vereinbarung vom 17.10./28.10.2011 sei nicht treuwidrig, weil sie – bei Unwirksamkeit der vertraglichen Befristungserlaubnis – nach § 173 Abs. 2 VVG ein befristetes Anerkenntnis hätte aussprechen dürfen.

§ 173 Abs. 2 VVG gewährt dem Versicherer allerdings das Recht, sein Anerkenntnis, zu dem er nach Abschluss seiner Erhebungen bei Bestehen einer Leistungspflicht verpflichtet ist, einmal zeitlich zu begrenzen. Diese Befugnis ist nicht davon abhängig, dass der Versicherungsvertrag eine entsprechende Regelung enthält. Lediglich dann, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer günstigere Regelungen angeboten hat – beispielsweise bei Vereinbarung einer Klausel, die nach Ablauf einer Befristung lediglich die Prüfung einer Verweisung erlaubt, oder die eine zeitliche Begrenzung der Befristung vorsieht, hat sich der Versicherer des vollen Rechts nach § 173 Abs. 2 VVG begeben (vgl. LG Berlin VersR 2014, 1196).

Wie jede Befugnis zur einseitigen Leistungsbestimmung muss die Befristung eines Anerkenntnisses jedoch willkürfrei erfolgen, bedarf also eines sachlichen Grundes. Sachlich gerechtfertigt ist es aber nicht, wenn ein Versicherer einerseits in seinen Allgemeinen Versicherungsbedingungen den Eintritt der Berufsunfähigkeit an einen verkürzten Zeitraum – hier sogar an die Prognose einer sechsmonatigen Berufsunfähigkeit – knüpft, sich dem jedoch über § 173 Abs. 2 VVG dadurch entziehen will, dass er ein Anerkenntnis für eine diesen Zeitraum überschreitende Frist ausspricht (vgl. LG Dortmund, Urt.v. 04.12.2014 – 2 O 124/14; Rixecker in: Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl. 2014, § 173 Rn. 6). Abgesehen davon gelten hier die oben dargestellten Erwägungen im Zusammenhang mit den Zulässigkeitsgrenzen von Leistungsvereinbarungen entsprechend: Eine Befristung auf der Grundlage des § 173 Abs. 2 VVG ist nicht mehr möglich, wenn nach den Vertragsbedingungen eine zeitlich unbeschränkte, nur der Nachprüfung unterliegende Leistungspflicht bereits entstanden ist und der Versicherer über die Befristung seines Anerkenntnisses die Erstprüfung über 173 Abs. 2 VVG hinausschieben möchte (vgl. zur Grenze befristeter Anerkenntnisse in den Fällen der – typischerweise nach sechs Monaten – „fingierten“ Berufsunfähigkeit LG Dortmund a.a.O.; Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 3. Aufl. 2014, L. Rdn. 41; Rixecker in: Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl. 2014, § 173 Rdn. 8).

Daran ändert sich im Streitfall auch nichts dadurch, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Vereinbarung vom 17.10./28.10.2011 noch nicht aufgrund eigener sachverständiger Feststellungen sicher davon ausgehen musste, dass Berufsunfähigkeit im Sinne der Bedingungen eingetreten war, sondern sich dies erst durch das Gutachten Dr. A. und, letztlich, das gerichtliche Sachverständigengutachten – gewissermaßen im Nachhinein – ergeben hat. Denn alle der Beklagten zum Zeitpunkt ihres Vorschlags einer Vereinbarung vorliegenden Unterlagen, vor allem das gewissermaßen neutrale, von der Bundesagentur für Arbeit eingeholte ärztliche Gutachten vom 12.09.2011 sprachen dafür, dass der Versicherungsfall – auf der Grundlage seiner vertraglichen Voraussetzungen – längst eingetreten war. Unter diesen besonderen Umständen hätte die Beklagte im Oktober 2011 auch keine Befristung mehr aussprechen dürfen.

d.

Aus diesen Gründen kann der Mitteilung der Beklagten vom 11.07.2012 über die Einstellung ihrer Leistungen ab dem 01.01.2012 auch kein rückwirkend befristetes Anerkenntnis entnommen werden. Ob ein solches rückwirkend befristetes Anerkenntnis überhaupt zulässig wäre (verneinend LG Berlin VersR 2014, 1196), kann dahinstehen. Jedenfalls dann, wenn auf eine solche Weise eine unbefristet bestehende, nur durch eine Nachprüfungsentscheidung zu beseitigende Leistungspflicht befristet werden würde, fehlt es an einer entsprechenden Befugnis des Versicherers.

3.

Der Anspruch auf Verzinsung der ausgeurteilten Zahlungsbeträge ab dem 23.10.2012 folgt aus den §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte wurde – spätestens – mit dem Anwaltsschreiben vom 08.10.2012, in dem eine Zahlungsfrist auf den 22.10.2012 gesetzt wurde, in Verzug gesetzt.

Die Fälligkeit des vertraglichen Anspruchs der Klägerin darauf, auch für die Monate Januar bis Oktober 2012 von der Beitragszahlungspflicht befreit zu werden und monatliche Renten gezahlt zu erhalten, war eingetreten. Die Fälligkeit ist vom Leistungsbeginn zu unterscheiden (dazu Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 3. Aufl. 2014, E. Rdn. 179). Soweit im Versicherungsvertrag nichts Anderes geregelt ist, richtet sie sich nach § 14 Abs. 1 VVG. Danach sind Geldleistungen des Versicherers fällig mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfanges der Leistung notwendigen Erhebungen. Sind diese abgeschlossen und damit die Fälligkeit ausgelöst, ist der Versicherer zur Zahlung verpflichtet, wobei die Zahlungen sich auch auf den Zeitraum erstrecken, der zwischen dem Beginn der Leistungspflicht – hier Februar 2011 – und dem Ende des Prüfungszeitraums verstrichen ist.

Ungeachtet der Frage, welche Maßnahmen im Rahmen der Leistungsprüfung hier im Einzelnen notwendig gewesen sind und ob die Beklagte sie ohne Grund in die Länge gezogen hat, waren ihre Erhebungen jedenfalls mit dem Erhalt des Gutachtens Dr. A. vom 21.06.2012 und nach Ablauf einer gewissen Überlegungsfrist (siehe Nr. 2.5.2 BBUZ) abgeschlossen (Senat, Urt. v. 26.07.2004 – 5 W 85/04 – VersR 2004, 1301). Spätestens mit dem Schreiben der Beklagten vom 11.07.2012 (Anlage B6), mit welchem Leistungen über den 31.12.2011 hinaus endgültig abgelehnt wurden, war die Leistungsprüfung beendet (vgl. BGH, Urt. v. 22.03.2000 – IV ZR 233/99 – VersR 2000, 753).

Die Fälligkeit im vorgenannten Sinne betraf das sog. „Stammrecht“ im Sinne des „Gesamtanspruchs“ (dazu – jeweils im Zusammenhang mit Fragen der Verjährung – OLG Stuttgart, VersR 2014, 1155; OLG K., VersR 2011, 1294). Die darauf aufbauende Fälligkeit der aus einzelnen Renten- und Befreiungsansprüche setzte jeweils monatlich ein (S. 3 des Versicherungsscheins, unter „Leistungsdauer“, Bl. 9 d.A.).

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, wobei die Kostenquote sich daran orientiert, in welchem Umfang die Parteien gemessen am Gesamtstreitwert jeweils unterlegen sind. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, soweit der Klägerin ein Anspruch auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung von Januar bis Oktober 2012 unter Versagung einer Befristungsbefugnis der Beklagten zugesprochen worden ist. Insoweit würde auch die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts angesichts einer Vielzahl in der Rechtspraxis auftretender vergleichbarer Streitfälle erfordern.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt – entsprechend der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung im Beschluss vom 10.10.2014 – 30.338,72 €.

[Hinweis der Dokumentationsstelle: Der Berichtigungsbeschluss vom 02.06.2015 wurde in den Entscheidungstext eingearbeitet und lautet:

Ziffer V des Tenors des Urteils des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 29.4.2015 wird wegen eines offensichtlichen Schreibfehlers wie folgt berichtigt:

„Die Revision wird zugelassen“.

Gründe

Dass es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler bei der Formulierung des Tenors handelt, geht zwingend aus dem vorletzten Absatz der Gründe hervor, nachdem die Revision zugelassen worden ist.]

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