BGH-Urteil erschwert Klagen gegen Beitragserhöhungen bei privaten Krankenversicherungen
Das BGH-Urteil IV ZR 68/22 vom 20. März 2024 markiert einen bedeutenden Wendepunkt für die rechtliche Bewertung von Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung (PKV). Die höchstrichterliche Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen sowohl für Versicherungsunternehmen als auch für die rund 8,7 Millionen privat Krankenversicherten in Deutschland.
Übersicht
- BGH-Urteil erschwert Klagen gegen Beitragserhöhungen bei privaten Krankenversicherungen
- ✔ Das Wichtigste in Kürze
- Hintergrund des Rechtsstreits
- Kernaussagen des BGH-Urteils
- Auswirkungen auf private Krankenversicherungen
- Folgen für privat Krankenversicherte
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche konkreten Fehler bei Limitierungsmaßnahmen können Beitragserhöhungen unwirksam machen?
- Wie detailliert müssen Versicherer Kalkulationen und Limitierungen offenlegen?
- Wie können privat Krankenversicherte nach dem BGH-Urteil ihre Rechte effektiv wahren, wenn sie eine Beitragserhöhung als unbegründet ansehen?
✔ Das Wichtigste in Kürze
- Das BGH-Urteil IV ZR 68/22 vom 20. März 2024 stärkt die Position von Versicherungsunternehmen bei Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung (PKV).
- Die Beweislast für fehlerhafte Limitierungsmaßnahmen liegt bei den Versicherten.
- Eine vollständige Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen durch die Versicherer ist nicht erforderlich.
- Beitragserhöhungen bleiben wirksam, solange gesetzliche Anforderungen im Wesentlichen erfüllt sind, auch bei Fehlern in den Limitierungsmaßnahmen, die keine gravierenden Auswirkungen haben.
- Versicherte müssen substantielle Fehler in den Limitierungsmaßnahmen nachweisen, um Erfolg gegen Beitragserhöhungen zu haben.
- Geringfügige Mängel reichen nicht aus, um die Unwirksamkeit einer Beitragsanpassung zu begründen.
- Das Urteil dürfte die Erfolgsaussichten von Klagen gegen Beitragserhöhungen erheblich verringern.
- Bereits anhängige Klageverfahren müssen unter Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung neu bewertet werden.
- Versicherungsunternehmen erhalten einen größeren Gestaltungsspielraum bei der Festlegung von Beitragsanpassungen.
- Die Hürden für eine gerichtliche Aufhebung von Prämienerhöhungen sind gestiegen.
- Versicherte haben weiterhin die Möglichkeit, die Angemessenheit ihrer Beiträge kritisch zu hinterfragen und überhöhte Steigerungen anzufechten.
- Eine sorgfältige Prüfung der Erfolgsaussichten und fachkundige Beratung sind dafür essentiell.
Kernaussagen des Urteils
Der Bundesgerichtshof stellte in seinem Urteil klar, dass die gerichtliche Kontrolle von sogenannten Limitierungsmaßnahmen, mit denen Versicherer die Höhe von Beitragserhöhungen begrenzen, stark eingeschränkt ist.
Eine vollumfängliche Überprüfung der Motive und Begründungen für diese Maßnahmen findet demnach nicht statt. Vielmehr müssen Versicherte, die gegen Beitragsanpassungen klagen, beweisen, dass die Limitierung mit schwerwiegenden Fehlern behaftet ist und ihre Interessen in besonderem Maße verletzt.
Zudem erteilte der BGH einer detaillierten Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen durch die Versicherer eine Absage. Solange die Prämienkalkulation den gesetzlichen Anforderungen genügt, bleibt eine Beitragserhöhung auch dann wirksam, wenn bei den Limitierungsmaßnahmen Fehler unterlaufen sind, die keine gravierenden Auswirkungen haben.
Auswirkungen auf Beitragserhöhungen und Klagemöglichkeiten
Das Urteil dürfte die Erfolgsaussichten von Versicherten, gegen Beitragserhöhungen juristisch vorzugehen, erheblich schmälern. Bislang anhängige Klageverfahren, deren Zahl laut BGH sogar jene im Dieselskandal übersteigt, müssen nun unter Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung neu bewertet werden.
Für die PKV-Branche bedeutet die Entscheidung eine spürbare Stärkung ihrer Rechtsposition. Versicherer müssen zwar weiterhin die Gründe für Beitragsanpassungen nachvollziehbar darlegen, können dabei aber auf einen größeren Gestaltungsspielraum vertrauen. Die Hürden für eine gerichtliche Aufhebung von Prämienerhöhungen sind deutlich gestiegen.
Dennoch bleiben Versicherten Möglichkeiten, die Angemessenheit ihrer PKV-Beiträge kritisch zu hinterfragen und überhöhte Steigerungen anzufechten. Dazu bedarf es allerdings einer sorgfältigen Prüfung der Erfolgsaussichten und einer fachkundigen Beratung im Einzelfall.
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Hintergrund des Rechtsstreits
Details zum Ausgangsfall zwischen Versichertem und Axa Krankenversicherung
Ausgangspunkt des BGH-Verfahrens war ein Rechtsstreit zwischen einem privat Krankenversicherten und der Axa Krankenversicherung AG. Der Kläger hatte eine Beitragsanpassung seiner Krankheitskostenvollversicherung zum 1. Januar 2020 erhalten, die eine Erhöhung der Prämie um 14,7 Prozent vorsah. Dagegen legte er Widerspruch ein und machte geltend, dass die Beitragsanpassung aufgrund fehlerhafter Limitierungsmaßnahmen unwirksam sei.
Streitpunkte: Limitierungsmaßnahmen und Verwendung von Rückstellungen
Im Kern drehte sich der Rechtsstreit um die Frage, ob die von der Axa ergriffenen Limitierungsmaßnahmen den gesetzlichen Anforderungen genügten. Der Versicherer hatte bei der Beitragsanpassung unter anderem Rückstellungen verwendet, um die Prämiensteigerung abzumildern. Der Kläger argumentierte, dass diese Verwendung nicht den Vorgaben entsprach und die Limitierung daher insgesamt fehlerhaft war.
Zudem kritisierte er, dass die Axa bei der Berechnung der Limitierungsparameter nicht sämtliche gesetzlich vorgeschriebenen Faktoren berücksichtigt habe. Insbesondere seien die Auswirkungen der Kostensteigerungen im Gesundheitswesen nicht korrekt eingeflossen.
Bisheriger Verfahrensgang in den Vorinstanzen
In erster Instanz hatte das Landgericht Düsseldorf der Klage stattgegeben und die Beitragsanpassung für unwirksam erklärt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigte diese Entscheidung im Berufungsverfahren. Beide Gerichte sahen es als erwiesen an, dass die Limitierungsmaßnahmen der Axa mit Fehlern behaftet waren, die eine Unwirksamkeit der Prämienerhöhung nach sich zogen.
Gegen das OLG-Urteil legte der Versicherer Revision zum Bundesgerichtshof ein. Dort wurde der Fall unter dem Aktenzeichen IV ZR 68/22 verhandelt. Mit Spannung wurde die Entscheidung des BGH erwartet, da sie richtungsweisend für eine Vielzahl anhängiger Klageverfahren gegen Beitragsanpassungen in der PKV sein würde.
Kernaussagen des BGH-Urteils
Beweislast der Versicherten für fehlerhafte Limitierung
In seinem Urteil vom 20. März 2024 stellte der Bundesgerichtshof klar, dass die Beweislast für eine fehlerhafte Limitierung von Beitragsanpassungen bei den Versicherten liegt. Sie müssen konkret darlegen und nachweisen, dass die vom Versicherer ergriffenen Maßnahmen zur Begrenzung der Prämienerhöhung mit schwerwiegenden Mängeln behaftet sind.
Dabei reichen einzelne Ungenauigkeiten oder Abweichungen von den gesetzlichen Vorgaben nicht aus, um die Unwirksamkeit der Beitragsanpassung zu begründen. Vielmehr muss es sich um gravierende Fehler handeln, die zu einer erheblichen Benachteiligung der Versicherten führen.
Offenlegungspflichten der Versicherer bezüglich Limitierungsparameter
Hinsichtlich der Offenlegungspflichten der Versicherer bezüglich der Limitierungsparameter entschied der BGH, dass keine vollumfängliche Transparenz erforderlich ist. Die Unternehmen müssen zwar die wesentlichen Grundlagen und Faktoren ihrer Beitragsanpassung darlegen, jedoch keine detaillierten Kalkulationen vorlegen.
Es genügt, wenn die Versicherer nachvollziehbar begründen, welche Maßnahmen sie zur Begrenzung der Prämienerhöhung ergriffen haben und dass diese den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Eine Offenlegung sämtlicher Berechnungsschritte und Einzelheiten ist nicht notwendig.
Eingeschränkte gerichtliche Kontrolle der Limitierungsmaßnahmen
Eng damit verbunden ist die Aussage des BGH zur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle der Limitierungsmaßnahmen. Die Gerichte dürfen die Entscheidungen der Versicherer nur daraufhin überprüfen, ob sie auf sachfremden Erwägungen beruhen oder mit schwerwiegenden Fehlern behaftet sind.
Eine vollumfängliche inhaltliche Kontrolle der Limitierung findet nicht statt. Solange die Versicherer die gesetzlichen Vorgaben beachten und ihre Maßnahmen nachvollziehbar begründen, haben die Gerichte deren unternehmerische Entscheidungen zu respektieren.
Voraussetzungen für Unwirksamkeit von Beitragserhöhungen
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Beitragserhöhungen in der PKV nach dem BGH-Urteil nur dann unwirksam sind, wenn die Versicherten beweisen können, dass
- die Limitierungsmaßnahmen mit gravierenden Fehlern behaftet sind,
- diese Fehler zu einer erheblichen Benachteiligung der Versicherten führen und
- die Voraussetzungen für eine sachgerechte Limitierung eindeutig verfehlt wurden.
Geringfügige Mängel oder Abweichungen von den Idealvorstellungen der Versicherten reichen dagegen nicht aus, um die Unwirksamkeit einer Prämienanpassung zu begründen. Maßgeblich ist, ob die gesetzlichen Anforderungen im Wesentlichen erfüllt wurden.
Auswirkungen auf private Krankenversicherungen
Stärkung der Position der Versicherungsunternehmen
Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. März 2024 hat weitreichende Konsequenzen für die Branche der privaten Krankenversicherungen. Insbesondere stärkt es die Position der Versicherungsunternehmen gegenüber den Versicherten bei Beitragsanpassungen. Durch die hohen Hürden für den Nachweis fehlerhafter Limitierungsmaßnahmen wird es für Versicherte deutlich schwieriger, erfolgreich gegen Prämienerhöhungen vorzugehen.
Zugleich gewinnen die Versicherer größeren Spielraum bei der Gestaltung ihrer Beitragsanpassungen. Solange sie die gesetzlichen Anforderungen im Wesentlichen erfüllen und ihre Maßnahmen nachvollziehbar begründen, müssen sie keine gerichtliche Aufhebung der Erhöhungen befürchten. Dies gibt ihnen mehr Planungssicherheit und reduziert das Risiko kostspieliger Rechtsstreitigkeiten.
Geringere Anforderungen an Offenlegung von Kalkulationen
Ein weiterer Vorteil für die Versicherungsunternehmen liegt in den geringeren Anforderungen an die Offenlegung ihrer Kalkulationsgrundlagen. Nach dem BGH-Urteil müssen sie zwar die wesentlichen Faktoren ihrer Beitragsanpassung transparent machen, jedoch keine detaillierten Berechnungen vorlegen. Dies wahrt ihre Geschäftsgeheimnisse und schützt sie vor einer übermäßigen Kontrolle durch Versicherte und Gerichte.
Gleichzeitig erschwert es den Versicherten, mögliche Fehler oder Unstimmigkeiten in den Limitierungsmaßnahmen aufzudecken. Ohne Einblick in die genauen Kalkulationen fällt es schwer, substantiierte Einwände gegen die Beitragserhöhungen zu erheben. Insofern stärkt die eingeschränkte Offenlegungspflicht die Verhandlungsposition der Versicherer.
Spielraum der Versicherer bei Limitierungsmaßnahmen
Das BGH-Urteil räumt den Versicherungsunternehmen zudem einen größeren Spielraum bei der Ausgestaltung ihrer Limitierungsmaßnahmen ein. Sie können die gesetzlichen Vorgaben zur Begrenzung von Beitragsanpassungen im Rahmen ihres unternehmerischen Ermessens umsetzen, ohne eine vollumfängliche gerichtliche Kontrolle befürchten zu müssen.
Dabei müssen sie zwar die wesentlichen Faktoren wie die Kostensteigerung im Gesundheitswesen und die Entwicklung der Lebenserwartung berücksichtigen, haben aber einen gewissen Gestaltungsspielraum bei der konkreten Anwendung. Dies ermöglicht es ihnen, ihre Limitierungsmaßnahmen an die spezifischen Gegebenheiten ihres Versichertenkollektivs anzupassen.
Reaktionen der Versicherungsbranche auf das Urteil
In der Versicherungsbranche stieß das BGH-Urteil auf ein positives Echo. Führende Vertreter der PKV-Unternehmen begrüßten die Entscheidung als wichtigen Schritt zur Stärkung der Rechtssicherheit und Planbarkeit. Sie betonten, dass die Versicherer auch weiterhin verantwortungsvoll mit Beitragsanpassungen umgehen und die Interessen ihrer Kunden im Blick behalten würden.
Zugleich kündigten einige Unternehmen an, ihre Limitierungsmaßnahmen vor dem Hintergrund des Urteils zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Dabei gehe es darum, die gesetzlichen Vorgaben bestmöglich umzusetzen und zugleich eine faire Lastenverteilung zwischen den Generationen zu gewährleisten.
Insgesamt zeigt sich die PKV-Branche durch das BGH-Urteil gestärkt und sieht sich für die Herausforderungen der Zukunft gut gerüstet. Mit mehr Rechtssicherheit und Gestaltungsspielraum bei Beitragsanpassungen können die Unternehmen ihre Tarife nachhaltig kalkulieren und die Leistungsfähigkeit der privaten Krankenversicherung langfristig sichern.
Folgen für privat Krankenversicherte
Erschwerte Erfolgsaussichten bei Klagen gegen Beitragserhöhungen
Das BGH-Urteil vom 20. März 2024 hat nicht nur für die Versicherungsunternehmen, sondern auch für die privat Krankenversicherten erhebliche Konsequenzen. Insbesondere erschwert es die Erfolgsaussichten bei Klagen gegen Beitragserhöhungen. Durch die hohen Anforderungen an den Nachweis fehlerhafter Limitierungsmaßnahmen wird die Beweislast faktisch auf die Versicherten verlagert.
Um eine Prämienanpassung gerichtlich aufheben zu lassen, müssen die Kläger nunmehr konkret darlegen und beweisen, dass die Limitierung mit gravierenden Mängeln behaftet ist. Einzelne Ungenauigkeiten oder Abweichungen von den Idealvorstellungen reichen dafür nicht aus. Vielmehr bedarf es schwerwiegender Verstöße, die zu einer erheblichen Benachteiligung der Versicherten führen.
Notwendigkeit schwerwiegender Verstöße für Unwirksamkeit der Erhöhungen
Das Urteil stellt klar, dass die Hürden für die Unwirksamkeit von Beitragserhöhungen hoch sind. Selbst wenn die Limitierungsmaßnahmen der Versicherer nicht in allen Punkten optimal sind, bleibt die Prämienanpassung wirksam, solange die gesetzlichen Anforderungen im Wesentlichen erfüllt wurden. Für Versicherte bedeutet dies, dass sie sich auf langwierige und kostspielige Rechtsstreitigkeiten einstellen müssen, wenn sie gegen Erhöhungen vorgehen wollen.
Zugleich müssen sie damit rechnen, dass ihre Klagen in vielen Fällen erfolglos bleiben. Ohne den Nachweis schwerwiegender Verstöße gegen die Limitierungsvorgaben haben sie kaum Aussicht auf eine gerichtliche Aufhebung der Beitragsanpassung. Dies kann zu erheblichen finanziellen Belastungen führen, wenn die Versicherten die erhöhten Prämien zunächst unter Vorbehalt zahlen und später nicht erstattet bekommen.
Mögliche Auswirkungen auf die aktuelle Klagewelle von Versicherten
Das BGH-Urteil könnte auch Auswirkungen auf die aktuelle Klagewelle von privat Krankenversicherten haben. In den vergangenen Jahren hatten zahlreiche Versicherte gegen Beitragserhöhungen geklagt und dabei teilweise Erfolge erzielt. Viele dieser Klagen stützten sich auf vermeintliche Fehler in den Limitierungsmaßnahmen der Versicherer.
Durch die Klarstellungen des Bundesgerichtshofs dürften die Erfolgsaussichten solcher Klagen nun deutlich sinken. Versicherte müssen genau prüfen, ob die von ihnen gerügten Mängel tatsächlich so schwerwiegend sind, dass sie die hohen Anforderungen des BGH erfüllen. In Zweifelsfällen kann es sinnvoll sein, von einer Klage abzusehen und alternative Optionen zur Beitragsreduzierung zu prüfen.
Zugleich ist damit zu rechnen, dass einige laufende Verfahren vor dem Hintergrund des Urteils neu bewertet werden. Gerichte dürften ihre bisherige Rechtsprechung an die Vorgaben des BGH anpassen und strengere Maßstäbe an die Unwirksamkeit von Beitragserhöhungen anlegen. Für Versicherte, die bereits geklagt haben, könnte dies bedeuten, dass sie ihre Argumentation überdenken und gegebenenfalls nachjustieren müssen.
Fazit: Versicherte müssen Handlungsoptionen sorgfältig abwägen
Insgesamt stellt das BGH-Urteil privat Krankenversicherte vor neue Herausforderungen. Sie müssen noch genauer als bisher prüfen, ob sich eine Klage gegen Beitragserhöhungen lohnt und welche Erfolgsaussichten bestehen. Dabei gilt es, die konkrete Begründung der Prämienanpassung sorgfältig zu analysieren und mögliche Fehler in den Limitierungsmaßnahmen zu identifizieren.
Zugleich müssen Versicherte alternative Optionen zur Beitragsreduzierung in Betracht ziehen. Dazu können individuelle Vereinbarungen mit dem Versicherer, Tarifwechsel oder Leistungsanpassungen gehören. In jedem Fall ist eine sorgfältige Abwägung der Vor- und Nachteile sowie eine qualifizierte Beratung durch unabhängige Experten ratsam.
Nur wenn Versicherte ihre Handlungsoptionen genau kennen und die Konsequenzen des BGH-Urteils berücksichtigen, können sie ihre Interessen bestmöglich wahren. Dazu gehört auch, sich mit den langfristigen Perspektiven der privaten Krankenversicherung auseinanderzusetzen und frühzeitig vorzusorgen. Denn trotz der aktuellen Herausforderungen bleibt die PKV für viele Versicherte eine sinnvolle Alternative zum gesetzlichen System.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche konkreten Fehler bei Limitierungsmaßnahmen können Beitragserhöhungen unwirksam machen?
Laut dem BGH-Urteil IV ZR 68/22 vom 20. März 2024 können nur besonders schwerwiegende Fehler bei den Limitierungsmaßnahmen der Versicherer eine Beitragserhöhung insgesamt unwirksam machen:
- Es müssen grobe Fehler vorliegen, die den Versicherer begünstigen und den Versicherungsnehmer in seinen Rechten beeinträchtigen. Formale Fehler reichen dafür nicht aus.
- Beispiele wären eine vollkommen unzureichende Verwendung vorhandener Mittel aus den Rückstellungen zur Begrenzung der Erhöhung oder eine Verteilung der Mittel, die ältere Versicherte unangemessen benachteiligt.
- Einfache Kalkulationsfehler oder Verstöße gegen Dokumentationspflichten machen die Beitragserhöhung noch nicht unwirksam, solange die Prämienkalkulation an sich korrekt ist.
- Auch eine unvollständige Offenlegung des Limitierungskonzepts gegenüber dem Versicherungsnehmer führt nicht automatisch zur Unwirksamkeit.
Der BGH betont, dass die Versicherer bei der Limitierung einen Spielraum haben, den die Gerichte nicht im Detail überprüfen sollen. Nur besonders extreme Verstöße gegen die Interessen der Versicherten sind relevant.
Liegt kein derart schwerwiegender Fehler vor, bleibt dem einzelnen Versicherten nur ein Anspruch auf individuelle Korrektur seiner Prämie, nicht aber auf Unwirksamkeit der gesamten Beitragsanpassung.
Wie detailliert müssen Versicherer Kalkulationen und Limitierungen offenlegen?
Laut dem BGH-Urteil müssen private Krankenversicherer bei Beitragserhöhungen nicht alle Details ihrer Kalkulation und Limitierung offenlegen:
- Die Versicherer müssen die Gründe für eine Beitragsanpassung nachvollziehbar darlegen und belegen, dass ihre Nachkalkulation der Prämie korrekt ist und den gesetzlichen Anforderungen entspricht.
- Eine vollständige Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen können die Versicherten aber nicht verlangen. Der BGH billigt den Versicherern hier einen Spielraum zu.
- Bei den Maßnahmen zur Begrenzung der Beitragserhöhung (Limitierung), insbesondere der Verwendung von Rückstellungen, müssen die Versicherer auf Nachfrage des Versicherten die Parameter offenlegen, die der Entscheidung zugrunde lagen.
- Sie müssen aber kein umfassendes Limitierungskonzept vorlegen, das alle Tarife umfasst, die parallel mit Limitierungsmitteln bedacht wurden. Eine detaillierte Offenlegung der Mittelverteilung über alle Tarife hinweg ist nicht erforderlich.
- Es liegt am Versicherten zu beweisen, dass er durch die Limitierung in seinen Rechten beeinträchtigt wurde. Da er die internen Verhältnisse des Versicherers nicht kennt, muss dieser aber die Grundlagen seiner Limitierungsentscheidung in gewissem Umfang darlegen.
Insgesamt stärkt das Urteil die Position der Versicherer. Sie müssen die Gründe für Beitragserhöhungen und deren Kalkulation zwar nachvollziehbar erläutern, eine vollständige Offenlegung aller Details ist aber nicht erforderlich. Bei der Limitierung reicht es aus, die maßgeblichen Parameter auf Nachfrage darzulegen.
Wie können privat Krankenversicherte nach dem BGH-Urteil ihre Rechte effektiv wahren, wenn sie eine Beitragserhöhung als unbegründet ansehen?
Nach dem BGH-Urteil IV ZR 68/22 vom 20. März 2024 haben es privat Krankenversicherte zwar schwerer, gegen Beitragserhöhungen vorzugehen. Dennoch gibt es einige Möglichkeiten, die eigenen Rechte effektiv zu wahren, wenn man eine Erhöhung für unbegründet hält:
- Als ersten Schritt sollten Versicherte die Begründung für die Beitragsanpassung in der Mitteilung des Versicherers genau prüfen. Der Versicherer muss die Gründe nachvollziehbar darlegen, auch wenn er die Kalkulation nicht vollständig offenlegen muss.
- Bei Zweifeln an der Korrektheit der Erhöhung ist es ratsam, sich von spezialisierten Verbraucherschutzorganisationen wie dem Bund der Versicherten (BdV) oder den Verbraucherzentralen beraten zu lassen. Diese bieten oft kostengünstige Prüfungen der Beitragsanpassungen an.
- Bestehen konkrete Anhaltspunkte für Fehler, z.B. bei den Rechnungsgrundlagen, der Kalkulation oder den Limitierungsmaßnahmen, empfiehlt sich die Beauftragung eines spezialisierten Rechtsanwalts für Versicherungsrecht. Dieser kann die Erfolgsaussichten einer Klage fundiert einschätzen.
- Versicherte müssen laut BGH beweisen, dass die Limitierung der Erhöhung grob fehlerhaft war und sie benachteiligt. Dafür muss der Versicherer auf Nachfrage die Parameter offenlegen, die der Limitierungsentscheidung zugrunde lagen.
- Eine Klage sollte gut abgewogen werden. Zwar können zu Unrecht erhobene Beiträge samt Zinsen zurückgefordert werden, jedoch müssen schwerwiegende Fehler nachgewiesen werden. Formale Fehler oder einfache Kalkulationsfehler reichen nicht.
- Zu beachten ist auch die Verjährungsfrist von drei Jahren für Rückforderungsansprüche. Eine Klage oder Geltendmachung sollte daher zeitnah erfolgen.
- Als Alternative zu einer Klage kann auch ein Tarifwechsel oder eine individuelle Begrenzung der Prämie mit dem Versicherer besprochen werden, um Beiträge zu reduzieren. Dabei ist aber Vorsicht geboten, um nicht unnötig Leistungen zu verlieren.
Insgesamt sollten Versicherte also die Beitragserhöhung kritisch prüfen, fachkundige Beratung einholen und dann abwägen, ob sich eine Klage lohnt. Das BGH-Urteil erschwert zwar den Erfolg, schließt ihn aber nicht aus, wenn grobe Fehler nachgewiesen werden können.