Skip to content

Teilkaskoversicherung – Rückdatierung Versicherungsbeginn – Schadensverschweigung

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 W 62/16 – Beschluss vom 27.10.2016

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 18.07.2016 gegen den Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 13.06.2016 – Az: 14 O 21/16 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Zahlung einer Kaskoentschädigung nach einem Brand seines versicherten Fiat Ducato.

Der Antragsteller hatte unter dem 17.10.2013 bei der Antragsgegnerin den Abschluss eines Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsvertrages beantragt. Die Beratungsdokumentation vermerkte, dass er den Einschluss von Kaskoversicherungsschutz nicht wünschte. Dementsprechend policierte die Antragsgegnerin den Vertrag unter dem 18.10.2013.

Am 15.08.2014 erlitt der Antragsteller in alkoholisiertem Zustand einen Verkehrsunfall mit dem versicherten Kraftfahrzeug durch Kollision mit einer Straßenlaterne, bei dem es zu leichten Beschädigungen einer Zierleiste am Reifen vorne rechts und zu Kratzspuren an der Beifahrertür – die den Verkehrsunfall aufnehmenden Polizeibeamten schätzten den Sachschaden an dem versicherten Kraftfahrzeug auf 500 € – kam. Allerdings war der Wagen nicht fahrbereit, weil die Zündung nicht reagierte. Am gleichen Tag kam es zu einem Brandschaden. Die nach Meldung des Schadens von der Antragsgegnerin in der Schadenanzeige gestellte Frage nach Vorschäden verneinte er.

In dem Prozesskostenhilfeverfahren hat der Antragsteller ein unter dem 06.10.2013 datierendes Schreiben an die Antragsgegnerin selbst vorgelegt, nach dem ihm aufgefallen sei, dass anders als von ihm gewünscht keine Teilkaskoversicherung bestehe und er darum bitte, eine solche in den Versicherungsvertrag „ab heute“ miteinzuschließen. Dieses Schreiben will die Antragsgegnerin mit einer Mailnachricht ihrer Versicherungsagentur am 03.11.2014 erhalten haben. Sie schloss daraufhin mit Nachtragsversicherungsschein vom 05.11.2014 – rückwirkend zum 06.12.2013 – eine Teilkaskoversicherung in den Versicherungsschutz ein.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 13.06.2016 hat das Landgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, weil die Antragsgegnerin gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 VVG und § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG nicht zur Leistung verpflichtet sei.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die ausführliche Darstellung im Beschluss des Landgerichts vom 13.06.2016 verwiesen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht eine Prozesskostenhilfebewilligung verweigert, weil die beabsichtigte Klage keine hinreichende Erfolgsaussicht hat.

(1.)

Der Antragsteller verfügt – auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands – nicht über Versicherungsschutz aus einer Teilkaskoversicherung. Zwar besteht zwischen den Parteien aufgrund des von der Antragsgegnerin unter dem 05.11.2014 ausgestellten Nachtragsversicherungsschein – auch – eine Teilkaskoversicherung. Die Antragsgegnerin ist jedoch nach § 2 Abs. 2 Satz 2 VVG leistungsfrei.

Danach ist einer Versicherer nicht leistungspflichtig, wenn der Versicherungsnehmer bei Abgabe seiner Vertragserklärung davon Kenntnis hatte, dass ein Versicherungsfall schon eingetreten ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift muss allerdings der Versicherer beweisen (BGH Urt.v. 21.04.2000 – IV ZR 157/99 – VersR 2000, 1133). Den Beweis der Kenntnis des Eintritts des Versicherungsfalls vor Abgabe der Vertragserklärung kann ein Versicherer indessen nur beweisen, wenn feststeht, wann der Versicherungsnehmer seine Vertragserklärung abgegeben hat oder jedenfalls von einem bestimmten, vom Versicherungsnehmer behaupteten Zeitpunkt ausgegangen werden kann. Insoweit kann dahinstehen, ob sich die Darlegungs- und Beweislast des Versicherers, der sich auf § 2 Abs. 2 Satz 2 VVG beruft, nur auf den Zeitpunkt der Kenntnis des Versicherungsnehmers vom Eintritt des Versicherungsfalls erstreckt oder auch auf jenen der Abgabe der Vertragserklärung. Da sich dieser Zeitpunkt der Wahrnehmung des Versicherers regelmäßig entzieht – im Streitfall hat die Antragsgegnerin behauptet, sie habe die Vertragserklärung nicht vor dem 03.11.204 erhalten – ist der Versicherungsnehmer in jedem Fall gehalten, substantiiert und plausibel darzulegen, wann und unter welchen Umständen er seine Vertragserklärung abgegeben haben will. Würde man das anders sehen, könnte sich ein Versicherungsnehmer der Rechtsfolge des § 2 Abs. 2 Satz 2 VVG jederzeit dadurch entziehen, dass er schlicht einen vor dem Eintritt des Versicherungsfalls erfolgten – schriftlichen oder auch nur mündlichen – Antrag behauptet.

Der Antragsteller hat die Abgabe einer Vertragserklärung vor dem 03.11.2014 nicht schlüssig dargelegt. Im Gegenteil spricht alles dafür, dass es sich bei dem vorgelegten Schreiben vom 06.10.2013 um ein nachträglich – nämlich nach dem Versicherungsfall – gefertigtes Schriftstück handelt. Das ergibt sich aus Folgendem: Die von der Antragsgegnerin vorgelegte Beratungsdokumentation zum Vertragsschluss im Oktober 2013 und der im Oktober 2013 dem Antragsteller übersandte Versicherungsschein weisen – ausdrücklich – keinen Teilkaskoversicherungsschutz aus. Das von dem Antragsteller vorgelegte – angebliche – Schreiben vom 06.10.2013 blieb – aus seiner Sicht – rund 11 Monate bis zum 03.11.2014 unbeantwortet. Warum er auf seine Bitte um „Erweiterung“ des Versicherungsschutzes eine solch lange Zeit nicht zurückgekommen ist, hat er nicht erklärt. Darüber hinaus fällt auf, dass er den Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsvertrag über seinen Versicherungsvermittler beantragt hat, der ihm noch unter dem 18.10.2013 die – Teilkaskoversicherungsschutz ausdrücklich als nicht gewünscht bezeichnende – Beratungsdokumentation übermittelt hat. Nichts hätte näher gelegen, als dass der Antragsteller sein angebliches Schreiben vom 06.10.2013 der Antragsgegnerin nicht an die Postanschrift ihres Hauptsitzes zugeleitet, sondern gleichfalls – wie später im November 2014 – über den ortsnahen Versicherungsvermittler übersandt und diesen – nach dem 18.10.2013 selbst an sein angebliches Anliegen erinnert hätte. Vor diesem Hintergrund genügt es nicht einmal ansatzweise, wenn er als Versicherungsnehmer nach Schadenseintritt lediglich behauptet, er habe einen entsprechenden Versicherungsschutz bereits vorher beantragt.

Hinzu kommt, worauf das Landgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss abgestellt hat, dass der Vertragsschluss zwischen den Parteien nicht aufgrund des nach den §§ 146,147 BGB erloschenen Antrags vom 06.10.2013 – unterstellt es habe diesen gegeben –, sondern vielmehr aufgrund des neuen Antrages, den er Anfang November 2014 gestellt hat, zu Stande gekommen ist. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Antragsteller bereits Kenntnis des am 15.8.2014 eingetretenen Schadens.

(2.)

Ob sich die Antragsgegnerin – wie das Landgericht meint – darauf berufen könnte, dass der Antragsteller neben der Beantwortung der Fragen in dem übersandten Schadensformular eine spontan zu erfüllende Aufklärungsobliegenheit durch die unterlassene Information der Antragsgegnerin über den Vorunfall verletzt hat, ist fraglich. Zwar wird in besonders gelagerten Fällen eine von den Fragen eines Versicherers nicht erfasste Obliegenheit eines Versicherungsnehmers zur „spontanen“ Aufklärung grundlegender, für einen Versicherer erkennbar bedeutsamer Umstände angenommen (BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IV ZR 254/10 – VersR 2011, 1549 zur Anzeige einer Insolvenz). Geht es indessen um typische regulierungsrelevante Informationen wie vor dem gemeldeten Versicherungsfall geschehene „Vorunfälle“, so darf der Versicherungsnehmer im Allgemeinen darauf vertrauen, dass der Versicherer sein Aufklärungsinteresse hinreichend klar und umfassend definiert. Das kann jedoch dahinstehen.

Die Antragsgegnerin ist nämlich in jedem Fall nach § 28 Abs. 2 – 4 VVG leistungsfrei, weil der Antragsteller den – wenn auch geringen – fest stehenden Vorschaden in der Schadenanzeige, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, arglistig verschwiegen hat.

Auch im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren ist in engen Grenzen eine Beweisantezipation zulässig. Prozesskostenhilfe darf allerdings nicht versagt werden, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen würde (BVerfG, Beschl. v. 16.6.2016 – 1 BvR 2509/15 – NZA-RR 2016, 495).

Die im Rahmen der Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung vorzunehmende Prognose führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass angesichts der in der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Limburg (6 Js 13088/14) dokumentierten Feststellungen der zum Unfallort gerufenen Polizeibeamten und der neutralen Zeugen K. und B. kein Zweifel daran verbleiben wird, dass das versicherte Fahrzeug bei dem Zusammenstoß mit dem Verkehrsschild vor dem Brandschaden Vorschäden erlitten hat, die der Antragsteller bei Ausfüllen des Schadensformulars der Beklagten verschwiegen hat. Es ist kein Grund ersichtlich, aus dem die neutralen Zeugen fälschlicherweise einen Zusammenstoß mit einem Verkehrsschild behaupten und die Polizeibeamten an der Unfallstelle tatsächlich nicht vorhandene Schäden am versicherten Fahrzeug dokumentieren sollten. Außerdem liegt es fern, dass bei einem Zusammenstoß mit einem Verkehrsschild keine Schäden am versicherten Fahrzeug entstehen. Am Fahrzeug vorhandene Radkappen sind mitversichert (Ziffer A.2.1.1. b 1. Spiegelstrich AKB NF). Eine Befestigung am Fahrzeug setzt nicht voraus, dass sie nur mittels Werkzeug zu lösen ist. Eine Klemmhalterung genügt (Knappmann in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 29.Aufl., AKB 2008 A.2 Rdn. 4).

Daher bestehen konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür, dass eine Beweisaufnahme zum Vorliegen von Vorschäden mit größter Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen würde.

(3.)

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 u. 2 ZPO).

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Versicherungsrecht

Egal ob Ihre Versicherung die Zahlung verweigert oder Sie Unterstützung bei der Schadensregulierung benötigen. Wir stehen Ihnen zur Seite.

 

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Versicherungsrecht

Urteile aus dem Versicherungsrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!