Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Falsche Angaben bei der Cyber-Versicherung: Warum „ins Blaue hinein“ antworten teuer werden kann
- Ein Cyberangriff und die verweigerte Zahlung
- Der Vorwurf der Täuschung: Streit um die Antworten im Antragsformular
- Die Argumente des Unternehmens: Ein Mitarbeiter ohne Fachwissen?
- Die Entscheidung des Gerichts: Keine Versicherungsleistung für das Unternehmen
- Warum das Gericht von einer bewussten Täuschung ausging
- Die Konsequenzen der Anfechtung: Ein Vertrag, der nie existierte
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wann kann eine Versicherung einen Vertrag wegen Falschaussagen nachträglich für ungültig erklären?
- Macht es einen Unterschied, ob ich unwissend oder absichtlich falsche Angaben gemacht habe?
- Was muss ich beachten, wenn ich einen Versicherungsantrag ausfülle und die Antworten nicht genau weiß?
- Welche Folgen hat es, wenn ein Versicherungsvertrag rückwirkend für ungültig erklärt wird?
- Gibt es bei bestimmten Versicherungen, wie z.B. Cyberversicherungen, besondere Anforderungen an die Sorgfalt beim Ausfüllen der Anträge?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 16 U 63/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Schleswig
- Datum: 09.01.2025
- Aktenzeichen: 16 U 63/24
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Versicherungsrecht, Zivilrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ein Unternehmen, das nach einem Schadensfall Leistungen aus einer Cyber-Versicherung forderte.
- Beklagte: Die Versicherungsgesellschaft, die den Versicherungsvertrag wegen mutmaßlich arglistiger Täuschung angefochten hatte.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Ein Unternehmen (Klägerin) beantragte Leistungen aus einer Cyber-Versicherung nach einem Schadensfall im Oktober 2020. Die Versicherungsgesellschaft (Beklagte) focht den Versicherungsvertrag an, da sie der Ansicht war, dass der für das Unternehmen handelnde Vertreter (Zeuge J.) bei den Antragsfragen zur IT-Sicherheit unzutreffende Angaben gemacht hatte. Das Landgericht hatte die Klage des Unternehmens bereits abgewiesen, woraufhin das Unternehmen Berufung einlegte.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale juristische Frage war, ob dem Unternehmen Entschädigungsansprüche aus der Cyber-Versicherung zustehen, nachdem die Versicherungsgesellschaft den Vertrag wegen arglistiger Täuschung bei der Beantwortung von Antragsfragen zur IT-Sicherheit angefochten hatte und ob diese Anfechtung wirksam war.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Berufung des Unternehmens (Klägerin) gegen das Urteil der Vorinstanz wurde zurückgewiesen. Das Unternehmen trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
- Begründung: Das Gericht bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Berufung zurück, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hatte. Es befand, dass dem Unternehmen keine Entschädigungsansprüche zustehen, weil die Versicherungsgesellschaft den Vertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten hat. Das Erklärungsverhalten des Vertreters des Unternehmens (Zeuge J.) wurde als arglistig bewertet, was den Vertrag von Anfang an nichtig macht.
- Folgen: Der Versicherungsvertrag ist aufgrund der wirksamen Anfechtung als von Anfang an nichtig anzusehen. Dies hat zur Folge, dass das Unternehmen keine Ansprüche auf Leistungen aus der Cyber-Versicherung für den gemeldeten Schaden hat. Das Unternehmen muss die Kosten des Berufungsverfahrens tragen.
Der Fall vor Gericht
Falsche Angaben bei der Cyber-Versicherung: Warum „ins Blaue hinein“ antworten teuer werden kann
Jeder, der schon einmal eine Versicherung abgeschlossen hat, kennt das Prozedere: Bevor die Versicherung den Schutz zusagt, stellt sie Fragen. Bei einer Autoversicherung geht es um die gefahrenen Kilometer, bei einer Lebensversicherung um den Gesundheitszustand. Es ist allgemein bekannt, dass diese Fragen wahrheitsgemäß beantwortet werden müssen. Doch was passiert, wenn die Fragen so technisch und spezifisch sind, dass man die Antwort gar nicht genau kennt? Darf man dann schätzen oder einfach davon ausgehen, dass schon alles in Ordnung sein wird? Genau mit dieser Frage musste sich das Oberlandesgericht Schleswig in einem Fall rund um eine Cyber-Versicherung für ein großes Unternehmen befassen.
Ein Cyberangriff und die verweigerte Zahlung

Die Ausgangslage war für das betroffene Unternehmen eine Katastrophe. Es handelte sich um eine große Firma mit über 400 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von rund 143 Millionen Euro, die einen erheblichen Teil ihres Geschäfts online abwickelte. Um sich gegen die Risiken des Internets wie Hackerangriffe abzusichern, schloss das Unternehmen eine sogenannte Cyber-Versicherung ab. Kurze Zeit später, im Oktober 2020, trat der Ernstfall ein: Ein Cyberangriff verursachte einen erheblichen Schaden.
Das Unternehmen wandte sich daraufhin an seine Versicherung und forderte die vereinbarte Entschädigung. Doch die Versicherung weigerte sich zu zahlen. Ihre Begründung war ein schwerwiegender Vorwurf: Das Unternehmen habe bei Abschluss des Vertrags gelogen und wichtige Informationen zur IT-Sicherheit falsch dargestellt. Deshalb sei der gesamte Versicherungsvertrag ungültig. Der Fall landete vor Gericht. Nachdem bereits die erste Instanz, das Landgericht Kiel, gegen das Unternehmen entschieden hatte, legte dieses Berufung ein. Das bedeutet, es forderte eine Überprüfung des Urteils durch die nächsthöhere gerichtliche Instanz, das Oberlandesgericht.
Der Vorwurf der Täuschung: Streit um die Antworten im Antragsformular
Der Kern des Problems lag im Antragsformular für die Versicherung. Bevor der Vertrag zustande kam, musste ein Mitarbeiter des Unternehmens, Herr J., einen detaillierten Fragebogen zur IT-Sicherheit ausfüllen. Die Versicherung war der Ansicht, dass die dort gemachten Angaben nicht der Wahrheit entsprachen. Aus diesem Grund erklärte sie die sogenannte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.
Was bedeutet dieser juristische Begriff? Eine Anfechtung ist ein rechtliches Mittel, um einen Vertrag rückwirkend für ungültig zu erklären. Wenn eine Vertragspartei beweisen kann, dass sie von der anderen Seite absichtlich getäuscht wurde und den Vertrag nur aufgrund dieser Täuschung abgeschlossen hat, kann sie ihn anfechten. Gelingt dies, wird der Vertrag so behandelt, als hätte es ihn nie gegeben. Man kann es sich wie den Kauf eines Gebrauchtwagens vorstellen, der als „unfallfrei“ beworben wurde. Stellt sich später heraus, dass es sich um einen reparierten Unfallwagen handelt, kann der Käufer den Kaufvertrag anfechten und sein Geld zurückverlangen. Genau das tat die Versicherung hier mit dem Versicherungsvertrag.
Die Argumente des Unternehmens: Ein Mitarbeiter ohne Fachwissen?
Das Unternehmen verteidigte sich gegen den Vorwurf. Es argumentierte, dass der zuständige Mitarbeiter, Herr J., gar nicht die Absicht hatte, jemanden zu täuschen. Er habe schlichtweg keine tiefgehenden Kenntnisse über die technischen Details von Cyber-Versicherungen oder die spezifischen Anforderungen der IT-Sicherheit gehabt. Die Firma hatte für die Gestaltung ihrer IT-Systeme externe Fachfirmen beauftragt und Herr J. habe sich darauf verlassen, dass diese ihre Arbeit gut machen.
Sein Gedanke sei schlicht gewesen: „Es ist alles in Ordnung.“ Er habe keinen Grund gehabt anzunehmen, dass für seinen Arbeitgeber eine Gefahr bestünde, und habe die Fragen nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet. Aus Sicht des Unternehmens handelte es sich also, wenn überhaupt, um ein Versehen oder eine Fehleinschätzung, aber keinesfalls um eine bewusste Lüge. Die zentrale Frage für das Gericht lautete daher: Reicht der Glaube, dass alles in Ordnung sei, aus, oder hätte der Mitarbeiter die Fragen gar nicht beantworten dürfen, wenn er die Antworten nicht sicher wusste?
Die Entscheidung des Gerichts: Keine Versicherungsleistung für das Unternehmen
Das Oberlandesgericht Schleswig schloss sich der Meinung der Vorinstanz an und wies die Berufung des Unternehmens zurück. Das bedeutet, das erste Urteil bleibt bestehen: Die Versicherung muss nicht zahlen. Die Richter bestätigten, dass die Anfechtung des Versicherungsvertrags wirksam war.
Die Entscheidung wurde in einem sogenannten Beschlussverfahren nach § 522 der Zivilprozessordnung (die Sammlung von Regeln für Gerichtsverfahren in Zivilsachen) getroffen. Das Gericht kann so entscheiden, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Eine erneute mündliche Verhandlung fand daher nicht statt. Für das Unternehmen bedeutete dies nicht nur, dass es den Schaden durch den Cyberangriff selbst tragen muss, sondern auch die gesamten Kosten des Berufungsverfahrens.
Warum das Gericht von einer bewussten Täuschung ausging
Aber wie kam das Gericht zu dem Schluss, dass hier eine bewusste Täuschung vorlag, obwohl der Mitarbeiter doch angab, er habe nur geglaubt, alles sei in Ordnung? Die richterliche Begründung folgte einer klaren Logik, die sich Schritt für Schritt nachvollziehen lässt.
Der richtige Maßstab für die Sorgfalt
Zuerst stellte das Gericht klar, dass man die Situation nicht aus den Augen eines beliebigen Laien betrachten kann. Hier ging es um den Abschluss einer hochspezialisierten Cyber-Versicherung für ein großes, im Online-Geschäft tätiges Unternehmen. Der Versicherer darf bei einem solchen Kunden und einem solchen Vertrag erwarten, dass die Antworten auf sehr spezifische, technische Fragen mit einer gewissen Sorgfalt gegeben werden. Die Ausrede „davon hatte ich keine Ahnung“ wiegt hier schwerer als bei einer einfachen Haushaltsversicherung.
Der Unterschied zwischen Glauben und Wissen
Der entscheidende Punkt in der Argumentation des Gerichts war die Unterscheidung zwischen dem, was der Mitarbeiter J. glaubte, und dem, was er wusste. Selbst wenn das Gericht ihm zubilligte, dass er fest daran glaubte, die IT-Sicherheit sei ausreichend, so änderte das nichts an einer anderen Tatsache: Er wusste, dass er über die in den Fragen abgefragten technischen Details keine genauen Kenntnisse besaß.
Das Gericht formulierte es so, dass Herr J. die Fragen „praktisch auf gut Glück“ oder „ins Blaue hinein“ beantwortet hatte. Wer auf eine konkrete Frage eine konkrete Antwort gibt, obwohl er weiß, dass er die Antwort eigentlich nicht kennt, handelt bewusst unrichtig. Stellen Sie sich vor, ein Arzt fragt Sie vor einer Operation: „Haben Sie eine seltene Allergie gegen das Narkosemittel X?“ Wenn Sie einfach „Nein“ antworten, obwohl Sie es nicht wissen, weil Sie noch nie getestet wurden, ist das eine Falschaussage. Richtig wäre die Antwort: „Das weiß ich nicht.“ Indem Herr J. feste Zusicherungen machte, ohne eine Wissensgrundlage zu haben, täuschte er die Versicherung über den Grad seiner Kenntnis. Genau dieses Verhalten wertete das Gericht als Arglist.
Die Bedeutung des Fragebogens
Zusätzlich war aus dem Antragsformular klar ersichtlich, dass die Fragen direkt vom Risikoträger, also der Versicherung selbst oder einem von ihr beauftragten Spezialisten, stammten. Angesichts der Detailtiefe der Fragen hätte Herrn J. klar sein müssen, dass seine Antworten die Grundlage für die Risikobewertung und damit für die Entscheidung der Versicherung waren, den Vertrag überhaupt anzubieten. Einfach anzunehmen, allgemeine Aussagen würden genügen, war unter diesen Umständen nicht vertretbar.
Die Konsequenzen der Anfechtung: Ein Vertrag, der nie existierte
Durch die erfolgreiche Anfechtung wurde der Versicherungsvertrag gemäß § 142 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als von Anfang an nichtig angesehen. Nichtig bedeutet, dass der Vertrag rechtlich so behandelt wird, als wäre er niemals geschlossen worden. Alle Wirkungen, die er entfaltet hat, werden rückgängig gemacht.
Für das Unternehmen hatte dies eine verheerende Folge: Im Moment des Cyberangriffs existierte rechtlich gesehen kein gültiger Versicherungsschutz. Die jahrelang gezahlten Beiträge begründeten keinen Anspruch mehr, da die Grundlage dafür – der Vertrag – durch die Täuschung weggefallen war. Die Entscheidung des Gerichts zementierte somit den Standpunkt der Versicherung und ließ das Unternehmen auf seinem Millionenschaden sitzen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt eindeutig, dass bei Versicherungsanträgen das Prinzip „Unwissen schützt vor Nachteilen nicht“ gilt – wer technische Fragen zu IT-Sicherheit ohne echtes Wissen beantwortet, riskiert den kompletten Versicherungsschutz. Das Gericht stellte klar, dass es nicht ausreicht zu glauben, alles sei in Ordnung, sondern bei spezialisierten Versicherungen wie Cyber-Policen müssen die Antworten auf einer soliden Wissensgrundlage basieren oder ehrlich mit „weiß ich nicht“ beantwortet werden. Die Entscheidung hat weitreichende Bedeutung für alle Unternehmen, die komplexe Versicherungen abschließen: Sie müssen entweder selbst über das nötige Fachwissen verfügen oder Experten hinzuziehen, denn „ins Blaue hinein“ antworten kann dazu führen, dass im Schadensfall trotz jahrelanger Beitragszahlung kein Cent erstattet wird. Das Urteil macht deutlich, dass Versicherer bei bewussten Falschaussagen – auch wenn sie aus Unwissen entstehen – den gesamten Vertrag rückgängig machen können und dann so getan wird, als hätte es nie einen Versicherungsschutz gegeben.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann kann eine Versicherung einen Vertrag wegen Falschaussagen nachträglich für ungültig erklären?
Eine Versicherung kann einen Vertrag dann nachträglich für ungültig erklären – ihn also so behandeln, als hätte er nie bestanden –, wenn der Versicherungsnehmer bei Vertragsabschluss erhebliche falsche Angaben gemacht oder wichtige Informationen verschwiegen hat. Dies ist ein sehr einschneidender Schritt, der weit über eine normale Kündigung hinausgeht.
Erhebliche Falschaussagen und Täuschung
Der wichtigste Fall, in dem eine Versicherung einen Vertrag rückwirkend für ungültig erklären kann, ist die sogenannte Arglistige Täuschung. Stellen Sie sich vor, Sie beantragen eine Versicherung und machen dabei bewusst und absichtlich falsche Angaben, um die Versicherung dazu zu bringen, den Vertrag überhaupt abzuschließen oder Ihnen bessere Konditionen zu gewähren. Dies ist eine schwerwiegende Pflichtverletzung.
- Arglistige Täuschung: Wenn der Versicherungsnehmer der Versicherung bewusst und vorsätzlich falsche Tatsachen mitteilt oder wichtige Informationen verschweigt, die für den Vertragsabschluss oder die Risikobewertung entscheidend gewesen wären. Dies betrifft meist den Gesundheitszustand bei einer Kranken- oder Lebensversicherung, Vorschäden bei einer Hausrat- oder Kfz-Versicherung oder die Nutzung eines versicherten Objekts.
- Beispiel: Eine Person verschweigt bei der Beantragung einer Berufsunfähigkeitsversicherung eine bekannte, schwere chronische Krankheit, um die Versicherung überhaupt zu erhalten oder eine niedrigere Prämie zu zahlen.
Auch wenn keine direkte „arglistige Täuschung“ vorliegt, aber der Versicherungsnehmer seine sogenannte Vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt hat, kann die Versicherung unter bestimmten Voraussetzungen den Vertrag rückwirkend für unwirksam erklären oder von ihm zurücktreten. Die vorvertragliche Anzeigepflicht besagt, dass Sie alle bekannten und für die Risikobewertung der Versicherung wichtigen Umstände bei Vertragsabschluss vollständig und wahrheitsgemäß angeben müssen.
Die Bedeutung „erheblicher“ Angaben für die Risikobewertung
Damit falsche Angaben oder verschwiegene Informationen zur Ungültigkeit des Vertrages führen können, müssen sie erheblich sein. Das bedeutet, dass die Versicherung den Vertrag mit den korrekten Informationen entweder gar nicht abgeschlossen hätte, oder nur zu anderen, schlechteren Bedingungen (z.B. mit einem höheren Beitrag oder bestimmten Risikoausschlüssen).
- Relevanz für die Versicherung: Versicherungen kalkulieren ihre Beiträge und entscheiden über den Abschluss von Verträgen anhand des Risikos, das sie eingehen. Falsche oder fehlende Informationen können dieses Risikobild massiv verfälschen.
- Beispiel: Sie geben bei der Hausratversicherung an, dass Ihre Wohnung im Erdgeschoss liegt, obwohl sie im 5. Stock ist, was für das Einbruchsrisiko relevant wäre. Oder Sie verschweigen, dass Ihr Motorrad für Rennen genutzt wird, obwohl es als reines Straßenfahrzeug versichert wurde.
Wird der Vertrag aufgrund solcher Falschaussagen nachträglich für ungültig erklärt, hat dies zur Folge, dass kein Versicherungsschutz von Anfang an bestanden hat. Das bedeutet, dass die Versicherung im Schadenfall nicht leisten muss und bereits gezahlte Beiträge unter Umständen nicht oder nur teilweise zurückerstattet werden.
Die Versicherung hat für solche Schritte bestimmte Fristen, die in den Versicherungsbedingungen und im Gesetz (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) geregelt sind. Sie muss die Ungültigkeit also innerhalb einer bestimmten Zeitspanne, nachdem sie von den falschen Angaben erfahren hat, geltend machen.
Macht es einen Unterschied, ob ich unwissend oder absichtlich falsche Angaben gemacht habe?
Ja, es macht einen sehr großen und entscheidenden Unterschied, ob Sie unwissend oder absichtlich falsche Angaben gemacht haben. Für den Versicherungsvertrag und die daraus resultierenden Rechte und Pflichten der Versicherung hat dies unterschiedliche rechtliche Konsequenzen. Juristisch wird hier zwischen einem einfachen Irrtum oder Fahrlässigkeit und einer bewussten Täuschung (Arglist) unterschieden.
Unwissentlich oder fahrlässig falsche Angaben
Wenn Sie unwissend oder fahrlässig falsche Angaben machen, bedeutet das, dass Sie entweder
- sich geirrt haben,
- etwas übersehen oder vergessen haben,
- oder aber ohne gesichertes Wissen („ins Blaue hinein“) geantwortet haben, ohne die Absicht zu haben, die Versicherung bewusst zu täuschen.
Fahrlässigkeit liegt vor, wenn Sie die erforderliche Sorgfalt nicht beachtet haben. Das kann bedeuten, dass Sie sich nicht ausreichend informiert haben, obwohl Sie es hätten tun können. Auch das Beantworten von Fragen „ins Blaue hinein“, also ohne sicheres Wissen, kann als fahrlässige Fehleinschätzung oder sogar als grobe Fahrlässigkeit gewertet werden. Die Konsequenzen können hier je nach Grad der Fahrlässigkeit und der Relevanz der Information für die Versicherung gravierend sein:
- Rücktritt der Versicherung: Die Versicherung kann vom Vertrag zurücktreten. Das bedeutet, der Vertrag endet, und die Versicherung muss im Schadenfall nicht leisten. Dies ist oft der Fall, wenn die falschen Angaben für die Entscheidung der Versicherung, den Vertrag überhaupt abzuschließen oder zu den vereinbarten Bedingungen anzubieten, wichtig waren.
- Kündigung der Versicherung: Alternativ kann die Versicherung den Vertrag kündigen. Auch hier endet der Versicherungsschutz.
- Anpassung des Vertrags: Hätte die Versicherung den Vertrag bei korrekten Angaben zu anderen Bedingungen (z.B. mit höherem Beitrag oder einem Leistungsausschluss) abgeschlossen, kann sie unter Umständen eine Anpassung des Vertrags verlangen.
- Leistungsfreiheit der Versicherung: Tritt ein Schaden ein, bevor die Versicherung die Möglichkeit hatte, zurückzutreten oder zu kündigen, kann sie ganz oder teilweise von der Leistungspflicht befreit sein. Das bedeutet, die Versicherung muss den Schaden nicht bezahlen oder nur einen Teil davon.
Die Versicherungsgesellschaft muss in diesen Fällen nachweisen, dass die falschen Angaben relevant waren und sie den Vertrag bei richtigen Angaben anders oder gar nicht abgeschlossen hätte.
Absichtlich falsche Angaben (Arglistige Täuschung)
Absichtlich falsche Angaben liegen vor, wenn Sie die Versicherung bewusst täuschen wollen. Dies wird juristisch als arglistige Täuschung bezeichnet. Hier sind die Folgen wesentlich schwerwiegender:
- Anfechtung des Vertrags: Bei einer arglistigen Täuschung kann die Versicherung den Vertrag anfechten. Das bedeutet, der Vertrag wird von Anfang an als nichtig angesehen, so als hätte er niemals existiert. Der Versicherungsschutz entfällt rückwirkend.
- Kein Versicherungsschutz und keine Leistungen: In diesem Fall muss die Versicherung keinerlei Leistungen erbringen, selbst wenn ein Schaden eingetreten ist und Sie über Jahre Prämien gezahlt haben. Auch bereits geleistete Zahlungen können zurückgefordert werden.
- Keine Rückzahlung von Prämien: Die Versicherung ist in der Regel auch nicht verpflichtet, bereits gezahlte Prämien zurückzuzahlen, da Sie den Vertrag durch Ihre Täuschung unwirksam gemacht haben.
Der Unterschied zwischen fahrlässigen und arglistigen Falschangaben liegt also in der Absicht: Wollten Sie die Versicherung bewusst in die Irre führen, um sich einen Vorteil zu verschaffen? Die Beweislast für eine arglistige Täuschung liegt bei der Versicherung.
Für Sie als Versicherungsnehmer bedeutet das: Achten Sie stets auf die Wahrheit und Vollständigkeit Ihrer Angaben. Unsicherheit über die korrekte Antwort sollte ein Anlass sein, nachzufragen oder sich zu informieren, anstatt einfach „ins Blaue hinein“ zu antworten. Die rechtlichen Konsequenzen können weitreichend sein und zum Verlust des Versicherungsschutzes führen.
Was muss ich beachten, wenn ich einen Versicherungsantrag ausfülle und die Antworten nicht genau weiß?
Beim Ausfüllen eines Versicherungsantrags ist Transparenz und Genauigkeit von entscheidender Bedeutung. Ein Versicherungsvertrag baut auf Vertrauen auf. Als Antragsteller sind Sie dazu verpflichtet, alle Fragen des Versicherers wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten. Diese Pflicht wird als vorvertragliche Anzeigepflicht bezeichnet. Der Versicherer nutzt diese Informationen, um das Risiko einzuschätzen und die Bedingungen sowie den Preis für Ihren Versicherungsschutz festzulegen.
Warum präzise Angaben so wichtig sind
Wenn Sie einen Versicherungsantrag ausfüllen, stellt der Versicherer Ihnen Fragen, die sich auf Umstände beziehen, die für das Risiko relevant sind. Das können Fragen zu Ihrer Gesundheit, Ihrer beruflichen Tätigkeit, vorhandenen Vorschäden oder technischen Details zu einem versicherten Gegenstand sein. Es ist nicht ausreichend, einfach nur zu schätzen oder Annahmen zu treffen, wenn Sie eine Antwort nicht genau wissen. Auch das Weglassen von Informationen ist problematisch.
Korrektes Verhalten bei Wissenslücken
Wenn Sie eine Frage nicht genau beantworten können, weil Ihnen die exakte Information fehlt, gibt es bestimmte Vorgehensweisen, um spätere Probleme zu vermeiden:
- Informationen beschaffen: Versuchen Sie, die genaue Information zu erhalten. Das kann bedeuten, dass Sie Unterlagen prüfen, bei einer Fachperson (z.B. Arzt, Techniker) nachfragen oder den Hersteller kontaktieren. Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie dafür benötigen.
- Klare Kennzeichnung von Unsicherheiten: Sollte es Ihnen trotz Bemühungen nicht möglich sein, eine exakte Antwort zu liefern, müssen Sie dies im Antrag offen und transparent kenntlich machen. Schreiben Sie nicht einfach eine geschätzte Zahl hin oder lassen Sie ein Feld leer. Vermerken Sie stattdessen deutlich im Antrag, dass die Antwort nicht genau bekannt ist.
- Sie könnten beispielsweise schreiben: „Wert unbekannt, Schätzung ca. X Euro“ oder „Genaue Diagnose nicht erinnerlich, letzter Arztbesuch vor X Jahren wegen Symptom Y“.
- Informieren Sie den Versicherer über die Wissenslücke und schildern Sie die Umstände. Dies zeigt, dass Sie Ihrer Anzeigepflicht nachkommen möchten, auch wenn Ihnen Details fehlen.
Mögliche Folgen ungenauer oder falscher Angaben
Die Nichtbeachtung der vorvertraglichen Anzeigepflicht kann gravierende Konsequenzen haben, selbst wenn Sie die Ungenauigkeit nicht absichtlich herbeigeführt haben. Im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) sind die möglichen Reaktionen des Versicherers festgelegt:
- Rücktritt vom Vertrag: Hat der Versicherer den Vertrag bei Kenntnis der wahren Umstände nicht oder nur zu anderen Bedingungen abgeschlossen, kann er vom Vertrag zurücktreten. Der Vertrag wird dann rückwirkend unwirksam. Dies bedeutet, dass Sie im Schadenfall keinen Versicherungsschutz haben und eventuell auch bereits gezahlte Prämien nicht zurückerhalten.
- Kündigung des Vertrags: Bei einer Verletzung der Anzeigepflicht ist auch eine Kündigung des Vertrags für die Zukunft möglich.
- Leistungsfreiheit des Versicherers: Tritt ein Schadenfall ein und steht dieser in ursächlichem Zusammenhang mit einer Angabe, die Sie falsch oder unvollständig gemacht haben, kann der Versicherer unter Umständen von seiner Leistungspflicht befreit sein. Er muss dann den Schaden nicht bezahlen.
- Anfechtung bei Arglist: Wenn Sie Informationen bewusst falsch oder unvollständig angeben, um den Versicherer zu täuschen, kann der Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten werden. In diesem Fall verliert der Vertrag ebenfalls seine Gültigkeit.
Es ist daher immer ratsam, lieber eine Wissenslücke transparent zu kommunizieren und dies im Antrag zu vermerken, als ungenaue oder geschätzte Angaben zu machen, die sich später als falsch herausstellen könnten. Die Offenheit beim Ausfüllen ist ein grundlegender Baustein für einen stabilen Versicherungsvertrag.
Welche Folgen hat es, wenn ein Versicherungsvertrag rückwirkend für ungültig erklärt wird?
Wenn ein Versicherungsvertrag rückwirkend für ungültig erklärt wird, bedeutet das juristisch, dass er von Anfang an als nicht existent angesehen wird. Es ist so, als hätte dieser Vertrag niemals bestanden. Man spricht hier auch davon, dass der Vertrag „ex tunc“ – also von Beginn an – seine Gültigkeit verliert. Dies hat weitreichende und oft gravierende Folgen für den Versicherungsnehmer.
Verlust des Versicherungsschutzes
Die wichtigste und unmittelbarste Folge ist der vollständige Verlust des Versicherungsschutzes. Falls in der Zwischenzeit, also seit Vertragsbeginn, ein Schaden eingetreten ist, wird dieser von der Versicherung nicht übernommen. Stellen Sie sich vor, Sie hatten einen Verkehrsunfall, und Ihre Kfz-Versicherung wird später rückwirkend für ungültig erklärt, weil Sie beispielsweise falsche Angaben gemacht haben. Dann müssen Sie die Reparaturkosten für Ihr eigenes Fahrzeug sowie mögliche Schäden Dritter vollständig aus eigener Tasche bezahlen. Es gibt keine Leistung von der Versicherung, da der Vertrag aus rechtlicher Sicht nie gültig war.
Schicksal der gezahlten Beiträge
Auch die bereits gezahlten Versicherungsbeiträge sind in der Regel betroffen. Wenn der Vertrag beispielsweise aufgrund von falschen Angaben oder dem Verschweigen wichtiger Informationen durch den Versicherungsnehmer rückwirkend für ungültig erklärt wurde (oft durch eine sogenannte Anfechtung seitens der Versicherung), kann es sein, dass die Versicherung die erhaltenen Beiträge einbehält. Sie verlieren die gezahlten Beiträge also ebenfalls, zusätzlich zum fehlenden Versicherungsschutz. Der Grund dafür ist, dass der Versicherer über einen Zeitraum hinweg ein Risiko versichert hat, dessen wahre Umstände er aufgrund der fehlerhaften Informationen nicht kannte.
Gravierende finanzielle Belastung
Für Sie als Versicherungsnehmer bedeutet die rückwirkende Ungültigkeit eine erhebliche finanzielle Belastung. Sie stehen im Schadensfall komplett alleine da und müssen alle Kosten selbst tragen, die eigentlich von der Versicherung übernommen worden wären. Das kann von kleinen Reparaturen bis hin zu sehr hohen Schadensersatzforderungen reichen, beispielsweise bei Personenschäden, die schnell in die Hunderttausende gehen können. Da der Vertrag von Anfang an als nicht existent gilt, gibt es keine Grundlage für Leistungsansprüche gegenüber der Versicherung.
Gibt es bei bestimmten Versicherungen, wie z.B. Cyberversicherungen, besondere Anforderungen an die Sorgfalt beim Ausfüllen der Anträge?
Ja, bei spezialisierten und komplexen Versicherungen, wie beispielsweise Cyberversicherungen für Unternehmen, gelten erhöhte Anforderungen an die Sorgfalt beim Ausfüllen der Antragsfragen. Diese Erwartungen an die Genauigkeit und Vollständigkeit der Angaben unterscheiden sich deutlich von denen, die bei einfacheren, standardisierten Privatversicherungen üblich sind.
Warum eine höhere Sorgfaltspflicht?
Der Hauptgrund für diese gesteigerte Sorgfalt liegt in der Komplexität und Einzigartigkeit des versicherten Risikos. Stellen Sie sich vor: Während die Risiken bei einer privaten Haftpflicht- oder Hausratversicherung oft relativ standardisiert sind und der Versicherer hierfür umfangreiche eigene Daten und Statistiken hat, ist das bei einer Cyberversicherung anders.
- Spezifische Risikobewertung: Eine Cyberversicherung deckt hochkomplexe und sich ständig wandelnde Risiken ab, die eng mit der individuellen IT-Infrastruktur, den Geschäftsprozessen und den Sicherheitsmaßnahmen eines Unternehmens verbunden sind. Der Versicherer kann diese spezifischen Risiken nur dann korrekt einschätzen und einen angemessenen Beitrag kalkulieren, wenn er ein sehr präzises Bild der tatsächlichen Gegebenheiten erhält.
- Grundlage für den Versicherungsschutz: Ihre Angaben im Antrag bilden die Grundlage für den Versicherungsvertrag. Sie dienen dem Versicherer als maßgebliche Informationsquelle für seine Entscheidung, ob und zu welchen Konditionen er das Risiko überhaupt versichern möchte. Juristisch spricht man hier von der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Diese Pflicht bedeutet, dass Sie alle Umstände, die für die Risikobewertung des Versicherers wichtig sein könnten und Ihnen bekannt sind oder bekannt sein müssten, wahrheitsgemäß und vollständig offenlegen müssen.
Was bedeutet das für Ihre Angaben?
Bei einer Cyberversicherung bedeutet eine erhöhte Sorgfalt, dass allgemeine oder vage Antworten oft nicht ausreichen. Es wird erwartet, dass Sie detaillierte und genaue Informationen zu Aspekten wie IT-Sicherheitssystemen, Datensicherungen, Notfallplänen, Schulungen der Mitarbeiter und früheren Sicherheitsvorfällen geben. Die Fragen sind oft spezifisch auf technische und organisatorische Maßnahmen zugeschnitten. Wenn Sie zum Beispiel gefragt werden, welche Backup-Strategien Sie nutzen, reicht nicht die Antwort „Wir machen Backups“, sondern es wird erwartet, dass Sie die Art, Häufigkeit und Speicherorte der Backups präzise beschreiben.
Eine solche umfassende und exakte Offenlegung ist entscheidend, weil unvollständige oder unzutreffende Angaben weitreichende Folgen haben können. Sollte es zu einem Schadensfall kommen und sich herausstellen, dass die Angaben im Antrag nicht den Tatsachen entsprochen haben oder wichtige risikorelevante Informationen verschwiegen wurden, kann dies dazu führen, dass der Versicherer seinen Versicherungsschutz ganz oder teilweise verweigert.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Arglistige Täuschung
Arglistige Täuschung bedeutet, dass eine Person absichtlich falsche Angaben macht oder wichtige Informationen verschweigt, um eine andere Partei zu täuschen und dadurch Vorteile zu erlangen. Im Versicherungsrecht erlaubt dies der Versicherung, den Vertrag rückwirkend für nichtig zu erklären, als hätte es ihn nie gegeben (§ 123 BGB). Dabei muss die Täuschung vorsätzlich und bewusst erfolgen, also mit dem Ziel, den Vertragspartner zum Abschluss zu bewegen. Beispiel: Ein Versicherungsnehmer verschweigt bewusst eine relevante Vorerkrankung, um eine Versicherung zu günstigen Konditionen abzuschließen.
Vorvertragliche Anzeigepflicht
Die vorvertragliche Anzeigepflicht verpflichtet den Versicherungsnehmer, vor Abschluss des Versicherungsvertrags alle ihm bekannten oder erkennbaren risikorelevanten Tatsachen wahrheitsgemäß und vollständig anzugeben (§ 19 VVG). Dies dient der Risikoermittlung durch den Versicherer, der auf dieser Basis Vertragsbedingungen und Prämien festlegt. Unvollständige oder falsche Angaben können zu Vertragsänderungen, Rücktritt, Kündigung oder Leistungsfreiheit der Versicherung führen. Beispiel: Bei einer Cyberversicherung muss ein Unternehmen alle wichtigen Informationen zur IT-Sicherheit offenlegen, damit der Versicherer das Risiko beurteilen kann.
Anfechtung
Eine Anfechtung ist ein rechtliches Mittel, mit dem eine Partei einen Vertrag rückwirkend für ungültig erklärt (§ 142 BGB). Sie ist unter anderem möglich, wenn der Vertrag durch arglistige Täuschung zustande gekommen ist. Damit gilt der Vertrag von Anfang an als nichtig, und die Vertragspartner werden so gestellt, als hätte der Vertrag nie bestanden. Beispiel: Wurde bei einer Cyber-Versicherung bewusst falsche Angaben gemacht, kann die Versicherung den Vertrag anfechten und sich von allen Leistungspflichten befreien.
Nichtigkeit des Vertrags
Die Nichtigkeit eines Vertrags bedeutet, dass dieser von Anfang an keine rechtliche Wirkung entfaltet (§ 134, § 138 BGB, im Fall der Anfechtung § 142 BGB). Ein nichtiger Vertrag gilt so, als ob er nie geschlossen wurde. Daraus folgt, dass keine Ansprüche aus dem Vertrag entstehen, etwa auf Versicherungsleistungen, und bereits geleistete Zahlungen können unter Umständen einbehalten werden. Beispiel: Ist eine Cyberversicherung wegen arglistiger Täuschung nichtig, besteht kein Versicherungsschutz und der Versicherungsnehmer trägt Schäden selbst.
Beschlussverfahren (§ 522 ZPO)
Das Beschlussverfahren ist ein vereinfachtes Gerichtsverfahren der Berufungsinstanz, wenn das Gericht überzeugt ist, dass eine Berufung offensichtlich erfolglos ist (§ 522 Abs. 2 ZPO). In einem solchen Verfahren findet keine mündliche Verhandlung statt, und das Gericht trifft die Entscheidung auf Grundlage der Akten. Es dient dazu, Gerichtsressourcen zu schonen und die Verfahren zu beschleunigen. Beispiel: Das Oberlandesgericht Schleswig lehnte hier die Berufung des Unternehmens ohne mündliche Verhandlung ab, weil die Anfechtung der Versicherung als offensichtlich berechtigt erschien.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 123 BGB – Anfechtung wegen Täuschung: Dieser Paragraph regelt, dass ein Vertrag angefochten werden kann, wenn eine Partei durch arglistige Täuschung zum Vertragsabschluss verleitet wurde. Die Anfechtung führt dazu, dass der Vertrag als von Anfang an nichtig gilt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versicherung beruft sich auf § 123 BGB, um den Vertrag rückwirkend aufzuheben, weil das Unternehmen im Antragsformular falsche Angaben gemacht hat, was das Zustandekommen des Vertrags beeinflusst hat.
- § 142 BGB – Wirkung der Anfechtung: Nach dieser Vorschrift gilt ein angefochtener Vertrag als von Anfang an nichtig, das heißt, er entfaltet keine rechtlichen Wirkungen. Bereits erbrachte Leistungen können zurückgefordert werden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Durch die erfolgreiche Anfechtung entfällt der Versicherungsvertrag rückwirkend, sodass kein Versicherungsschutz besteht und die Beiträge keine Ansprüche begründen.
- Versicherungsvertragsgesetz (VVG) – vorvertragliche Anzeigepflicht (§ 19 VVG): Versicherungsnehmer sind verpflichtet, bei Vertragsabschluss alle für den Versicherer erheblichen Angaben vollständig und wahrheitsgemäß zu machen. Verletzungen dieser Pflicht können zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Unternehmen musste bei Vertragsabschluss korrekte Angaben zu seiner IT-Sicherheit machen; unrichtige oder unvollständige Angaben rechtfertigen hier den Leistungsausschluss durch die Versicherung.
- § 522 Zivilprozessordnung (ZPO) – Beschlussverfahren: Dieses Verfahren ermöglicht dem Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, wenn die Berufung offensichtlich unbegründet ist und das Gericht einstimmig entscheidet. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG Schleswig verwendete dieses Verfahren, um die Berufung des Unternehmens zurückzuweisen, weil die Täuschung und deren Folgen als klar erwiesen und eine erneute Verhandlung nicht nötig waren.
- Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB): Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz verpflichtet die Parteien, ihre Rechte und Pflichten redlich zu erfüllen und keine unlauteren Handlungen vorzunehmen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die bewusste oder zumindest wissentlich fahrlässige Falschangabe im Versicherungsantrag widerspricht diesem Grundsatz und führt zur Unwirksamkeit des Versicherungsvertrags.
- Beweislast im Zivilprozess – insbesondere bei Täuschung: Die Partei, die sich auf eine Anfechtung beruft, muss das Vorliegen der Täuschung und deren Kausalität für den Vertragsschluss nachweisen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versicherung musste und konnte ausreichend darlegen, dass der Mitarbeiter des Unternehmens die IT-Sicherheitsfragen wissentlich falsch beantwortet hat, um den Vertrag anzufechten.
Das vorliegende Urteil
OLG Schleswig – Az: 16 U 63/24 – Beschluss vom 09.01.2025
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