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Kasko-Versicherung – Kfz-Fahrer ist nicht mitversichert und grds. ein beliebiger Dritter

Kasko-Versicherung: Fahrer nicht mitversichert, Haftung für Unfall trotzdem möglich?

In der Welt des Versicherungsrechts stellt sich oft die Frage nach der Reichweite von Versicherungsschutz und den damit verbundenen Pflichten der beteiligten Parteien. Ein besonders interessanter Aspekt ist dabei die Rolle und die Verantwortung von Kfz-Fahrern im Rahmen der Kasko-Versicherung. Zentral geht es um die Klärung, inwieweit Fahrer, die im Auftrag des Versicherungsnehmers unterwegs sind, von der Kaskoversicherung des Fahrzeugs abgedeckt sind oder als Dritte betrachtet werden.

Diese Thematik gewinnt besonders dann an Bedeutung, wenn es um die Regulierung von Schäden geht, die vom Fahrer verursacht wurden. Sind Kfz-Fahrer in der Pflicht, Schäden unverzüglich dem Versicherer zu melden, oder beschränkt sich ihre Verantwortung auf die Information des Arbeitgebers? Darüber hinaus spielt die Frage, inwiefern Fahrer für Schäden haften, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit entstehen, eine entscheidende Rolle. Diese Fragen sind nicht nur für die Beteiligten von unmittelbarem Interesse, sondern haben auch grundsätzliche Bedeutung für die Auslegung von Versicherungsverträgen und die Handhabung von Versicherungsfällen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 U 476/23  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Oberlandesgericht Dresden entschied, dass ein Kfz-Fahrer in der Kasko-Versicherung nicht als mitversicherte Person gilt und somit bei einem Unfall wie ein beliebiger Dritter behandelt wird. Daher sind keine direkten Ansprüche des Versicherers gegen den Fahrer gegeben.

Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Rolle des Kfz-Fahrers: In der Kasko-Versicherung wird der Fahrer eines Fahrzeugs nicht als mitversicherte Person betrachtet, sondern als Dritter.
  2. Keine direkten Ansprüche gegen den Fahrer: Der Versicherer kann keine direkten Regressforderungen gegen den Fahrer geltend machen, da dieser nicht als Versicherungsnehmer oder versicherte Person handelt.
  3. Obliegenheiten des Fahrers: Der Fahrer ist nicht verpflichtet, Schäden unmittelbar dem Versicherer zu melden; seine Verantwortung beschränkt sich auf die Information des Arbeitgebers.
  4. Haftungsbeschränkungen im Arbeitsverhältnis: Die Haftung des Fahrers ist durch die Haftungsbeschränkungen im Arbeitsverhältnis begrenzt, die auf dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers beruhen.
  5. Keine Pflichtverletzung des Fahrers: Der Fahrer hat keine vertraglichen Pflichten gegenüber dem Versicherer verletzt.
  6. Rolle des Landgerichts: Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da es keine Verletzung von Pflichten des Fahrers sah.
  7. Rechtliche Bedeutung der Entscheidung: Das Urteil klärt die rechtliche Stellung des Kfz-Fahrers in der Kasko-Versicherung und die Grenzen seiner Verantwortung.
  8. Empfehlung zur Rücknahme der Berufung: Das OLG Dresden empfahl der Klägerin, die Berufung zurückzunehmen, um weitere Kosten zu vermeiden.

Unfall eines LKW-Fahrers und die Frage der Versicherungshaftung

Am 17. Januar 2017 kam es zu einem Verkehrsunfall, bei dem ein LKW-Fahrer, der bei der P…… Spezialtiefbau GmbH angestellt war, von der Straße abkam und mit zwei Bäumen kollidierte. Dieser Vorfall führte zu erheblichen Beschädigungen sowohl an den Bäumen als auch am LKW. Der Fahrer meldete den Vorfall seinem Arbeitgeber und am darauffolgenden Tag auch der Polizei. Infolge dieses Ereignisses wurde er wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe verurteilt, während der entstandene Schaden am LKW vom Versicherer der P…… Spezialtiefbau GmbH reguliert wurde.

Klage im Rahmen der Kasko-Versicherung

Die Klägerin, bevollmächtigt durch den Versicherer der P…… Spezialtiefbau GmbH, erhob Klage gegen den LKW-Fahrer. Sie argumentierte, dass der Fahrer seine Pflichten aus dem Versicherungsvertrag verletzt habe, indem er das Schadensereignis nicht unverzüglich gemeldet und sich nicht vollständig erklärt habe. Zudem wurde kritisiert, dass er den Unfallort verlassen hatte, was die Feststellung von möglichen weiteren Umständen, wie etwa Alkoholeinfluss, verhinderte. Diese Aspekte waren für den Versicherer von Bedeutung, da sie potenziell die Leistungspflicht beeinflussen könnten.

Die rechtliche Herausforderung und Entscheidung des Landgerichts

Der Kern des rechtlichen Problems lag in der Frage, ob der LKW-Fahrer im Rahmen der Kasko-Versicherung verpflichtet war, unmittelbar nach dem Unfall bestimmte Handlungen vorzunehmen, wie etwa die unverzügliche Meldung des Unfalls beim Versicherer. Das Landgericht wies die Klage ab, da es keinen Verstoß gegen vertragliche Pflichten sah. Der Beklagte war als Fahrer des LKW in der Kasko-Versicherung nicht als versicherte Person anzusehen und somit nicht zu Angaben gegenüber dem Versicherer verpflichtet. Auch Ansprüche aus übergegangenem Recht des Versicherungsnehmers waren nicht ersichtlich.

Berufungsverfahren und endgültiges Urteil des OLG Dresden

Die Klägerin legte gegen das Urteil des Landgerichts Berufung ein, die jedoch vom Oberlandesgericht Dresden zurückgewiesen wurde. Das Gericht bestätigte die Auffassung des Landgerichts und erklärte, dass der Beklagte als Fahrer des LKW nicht die gleichen Pflichten wie ein Versicherungsnehmer oder eine versicherte Person hatte. Zudem wurde festgestellt, dass keine Ansprüche gegen den Fahrer aus übergegangenem Recht bestanden. Das Gericht sah auch keine grobe Fahrlässigkeit oder vorsätzliche Herbeiführung des Schadens durch den Beklagten. Das Urteil betonte die Bedeutung der Privatautonomie und die Grenzen der Haftung von Arbeitnehmern im Kontext des Versicherungsrechts.

Das OLG Dresden empfahl der Klägerin, die Berufung zurückzunehmen, um weitere Gerichtskosten zu vermeiden. Dieses Urteil stellt einen wichtigen Präzedenzfall im Bereich des Versicherungsrechts dar, insbesondere in Bezug auf die Rolle und Verantwortlichkeiten von Kfz-Fahrern, die nicht als Versicherungsnehmer oder versicherte Personen agieren.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Inwiefern unterscheidet sich die Rolle eines Kfz-Fahrers in der Kasko-Versicherung von der eines Versicherungsnehmers?

Die Rolle eines Kfz-Fahrers unterscheidet sich in der Kasko-Versicherung von der eines Versicherungsnehmers in mehreren Aspekten.

Der Versicherungsnehmer ist die Person, die eine Kfz-Versicherung abschließt und diese folglich auf ihren Namen läuft. Über den Versicherungsnehmer rechnen die Versicherungen einen etwaigen Schadenfall ab. Der Versicherungsnehmer muss nicht zwingend mit dem Halter oder dem Fahrer identisch sein. Wenn mehrere Personen berechtigt sein sollen, einen Pkw zu fahren, legt der Versicherungsnehmer fest, wer hinter dem Steuer sitzen darf und leitet die Namen der Fahrer an die Kfz-Versicherung weiter. Letztere nimmt sämtliche berechtigte Fahrer in den jeweiligen Versicherungsvertrag mit auf. Versicherungen bezeichnen die versicherten Fahrer eines Pkw als Fahrerkreis. Sie genießen vollen Versicherungsschutz durch die Kfz-Versicherung.

Ein Kfz-Fahrer ist eine Person, die das Fahrzeug tatsächlich fährt. Wenn ein Fahrer, der nicht im Versicherungsvertrag des Versicherungsnehmers eingetragen ist, einen Unfall verursacht, kann dies zu zusätzlichen Kosten führen, wie beispielsweise einer Strafgebühr für die Nichtanmeldung oder einer Nachzahlung an die Versicherung des Versicherungsnehmers. Wenn ein unversicherter Fahrer einen Unfall verursacht, trägt der eingetragene Versicherungsnehmer die Verantwortung.

Die Teilkaskoversicherung bietet Schutz gegen eine Reihe von Schäden, darunter Diebstahl des Fahrzeugs, Elementarschäden, Glasbruch sowie Zusammenstoß mit Tieren, insbesondere mit Haarwild. Die Vollkaskoversicherung bietet zusätzlich Schutz für Schäden, die der Fahrer des Fahrzeugs versehentlich selbst verursacht.

Es ist daher wichtig, dass der Versicherungsnehmer sorgfältig überlegt, wer als Fahrer eingetragen wird, und dass die Fahrer sich ihrer Verantwortung bewusst sind, wenn sie das Fahrzeug fahren.


Das vorliegende Urteil

OLG Dresden – Az.: 4 U 476/23 – Beschluss vom 21.08.2023

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Die Klägerin hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 05.09.2023 wird aufgehoben.

4. Es ist beabsichtigt, den Gegenstandswert des Berufungsverfahrens auf 24.188,04 € festzusetzen.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft anstelle der K……-Logistik-Versicherungs-AG (im Folgenden: Versicherer) in Anspruch.

Die Klägerin wurde mit Vollmacht vom 02.05.2011 von dem Versicherer bevollmächtigt, unter anderem Regressforderungen aus Schadensfällen gerichtlich im eigenen Namen einzuziehen. Die P…… Spezialtiefbau GmbH (im Folgenden: Versicherungsnehmerin) hat eine Kfz-Kaskoversicherung bei dem Versicherer abgeschlossen. Der Beklagte ist bei der Versicherungsnehmerin als LKW-Fahrer angestellt. Am 17.01.2017 befuhr der Beklagte die …-Allee in L… stadtauswärts mit dem der Versicherungsnehmerin gehörenden LKW mit dem amtlichen Kennzeichen xx-xx 00. Gegen 18.10 Uhr kam er von der Straße ab und kollidierte mit zwei im Grünstreifen befindlichen Bäumen, wodurch sowohl die Bäume als auch der LKW beschädigt wurden. Nach dem Unfall fuhr der Beklagte zum Firmensitz und meldete den Schaden seinem Arbeitgeber. Am Morgen des 18.01.2017 ging der Beklagte zur Polizei und meldete den Schaden. Am 18.01.2017 meldete der Versicherungsnehmer bei dem Versicherer den Schaden. Der Beklagte wurde mit Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 26.06.2017 wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40,00 € verurteilt. Der Schaden an dem LKW wurde vom Versicherer reguliert.

Der Kläger hat vorgetragen, der Beklagte habe seine Pflichten aus dem Versicherungsvertrag verletzt, indem er das Schadensereignis nicht unverzüglich angezeigt und sich nicht vollständig erklärt habe. Darüber hinaus habe er den Unfallort entgegen seiner Verpflichtung verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. Insbesondere könne nun nicht mehr nachvollzogen werden, ob der Beklagte unter Alkoholeinfluss gestanden sei. Der Versicherer habe keine Feststellungen – auch zum Schadensumfang – treffen können.

Der Beklagte hat vorgetragen, er sei nicht Versicherungsnehmer und könne nur Angaben gegenüber seinem Arbeitgeber machen. Am Unfalltag seien keine feststellungsbereiten Dritten am Unfallort vorhanden gewesen. Insbesondere hätten sich keine Feststellungen getroffen werden können, die zur Leistungsfreiheit des Versicherers geführt hätten. Noch am Unfalltag habe er persönlich die Ehefrau seines Arbeitgebers informiert und ihr den Unfall geschildert. Am nächsten Morgen sei er um 7.00 Uhr zur zuständigen Polizeidienststelle gegangen und habe sich angezeigt. Er hätte den Schaden nicht gegenüber dem Versicherer anzeigen können, da ihm dieser überhaupt nicht bekannt gewesen sei.

Das Landgericht hat die Zeugin P…… gehört und die Klage mit Urteil vom 22.02.2023 abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie ist der Auffassung, dass die Feststellung der Fahrtüchtigkeit durch herbeigerufene Polizeibeamte für den Versicherer eine gänzlich andere Bedeutung habe als durch eine im Lager des Beklagten stehende Person. Der Versicherer wolle durch die Unfallfluchtklausel eine objektive Feststellung der Fahrtüchtigkeit sicherstellen. Dies sei durch die Unfallflucht und damit Obliegenheitspflichtverletzung des Beklagten nicht mehr möglich gewesen. Dies habe das Landgericht verkannt. Die Feststellungen hätten auch nicht bis zum frühen Vormittag des darauffolgenden Tages Zeit gehabt. Im Übrigen komme es auch nicht darauf an, welche Feststellungen der Versicherer bei einer Mitteilung am selben Abend getroffen hätte.

Die Klägerin verfolgt ihren erstinstanzlichen Antrag, der wie folgt lautet:

Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 24.188,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.09.2017, hilfsweise seit 16.05.2019, hilfsweise seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Sie bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klägerin ist prozessführungsbefugt. Sie nimmt den Beklagten im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft anstelle des Versicherers in Anspruch. Sie wurde durch die Vollmacht des Versicherers ermächtigt, im eigenen Namen dessen Ansprüche geltend zu machen. Die Klägerin hat ein schutzwürdiges Eigeninteresse an der Prozessstandschaft dargelegt, denn nach ihrem unbestritten gebliebenem Vortrag ist sie gegen Provision bevollmächtigt, offene Forderungen des Versicherers einzuziehen.

Der Klägerin steht jedoch kein Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 24.188,04 € zu. Der Beklagte hat zwar am 17.01.2017 den LKW des Versicherungsnehmers beschädigt, indem er von der Fahrbahn abkam und mit zwei Bäumen kollidierte. Dabei handelt es sich um einen Unfall im Rahmen der Kasko-Versicherung. Der Klägerin stehen aber weder Ansprüche des Versicherers noch übergegangene Ansprüche des Versicherungsnehmers gemäß § 86 Abs. 1 VVG zu. Der Beklagte hat keine Pflichten gegenüber dem Versicherer verletzt und Ansprüche aus übergegangenem Recht des Versicherungsnehmers sind nicht ersichtlich.

1.

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auf Obliegenheitsverletzungen des Beklagten aus dem zwischen dem Versicherer und der Versicherungsnehmerin bestehenden Kfz Kaskoversicherungsvertrag. Der Beklagte war gegenüber dem Versicherer zu keinen Angaben verpflichtet, denn er ist weder Versicherungsnehmer noch versicherte Person.

Die Klägerin hat die Versicherungsbedingungen nicht vollständig vorgelegt. Sie beziehen sich im Übrigen auch nicht auf den hier vorliegenden Kaskoschadensfall, sondern auf die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung. Unabhängig davon bestehen die Obliegenheiten aber lediglich für den Versicherungsnehmer und gegebenenfalls auch für Mitversicherte. In der Kasko-Versicherung ist der Fahrer eines Fahrzeuges – anders als in der Kfz-Haftpflichtversicherung – mangels eines versicherten eigenen Sachinteresses aber nicht mitversicherte Person, so dass er grundsätzlich wie ein beliebiger Dritter zu behandeln ist (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 19.09.2017 – 11 U 10/17, Rdnr. 13 – juris; vgl. BGH, Urteil vom 30.03.1965 – VI ZR 248/63 – juris). Der Beklagte hat das Kasko-versicherte Fahrzeug auf Weisung des Versicherungsnehmers – seines Arbeitgebers – genutzt. Eigene Interessen an dem Fahrzeug sind nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass er weder am Abschluss des Versicherungsvertrages mitgewirkt hat noch sonstige Kenntnis von dessen Inhalt hatte. Ihm unter diesen Umständen vertragliche Obliegenheiten aufzuerlegen, würde dem Grundsatz der Privatautonomie widersprechen (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 19.09.2017 – 11 U 10/17 – juris).

2.

Der Klägerin stehen auch keine Ansprüche aus übergegangenem Recht gemäß § 86 Abs. 1 VVG zu, denn sie hat nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, dass der Versicherungsnehmerin als Arbeitgeberin gegen den Beklagten Ansprüche aus §§ 611 ff., 280, 823 BGB zustehen, die durch Zahlung des Schadens auf den Versicherer gemäß § 86 Abs. 1 VVG übergegangen sind. Der Beklagte hat insoweit nicht in Abrede gestellt, dass der Versicherer die Reparaturkosten für den LKW an den Versicherungsnehmer in Höhe der eingeklagten Forderung bezahlt hat. Ansprüche stehen dem Versicherer jedoch nach den Haftungsbeschränkungen im Arbeitsverhältnis nicht zu. Grundlage für die Haftungsbeschränkung ist das vom Arbeitgeber – Versicherungsnehmer – zu tragende Betriebsrisiko. Denn nach den von dem Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Grundsätzen haftet der Arbeitnehmer bei leichtester Fahrlässigkeit nicht, bei normaler Fahrlässigkeit ist der Schaden in aller Regel zwischen dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu verteilen und bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer in aller Regel den gesamten Schaden zu tragen (vgl. BAG, Urteil vom 15.11.2012 – VIII AZR 705/11, Rdnr. 25 – juris). Der Umfang der Beteiligung des Arbeitnehmers an den Schadensfolgen ist durch eine Abwägung der Gesamtumstände zu bestimmen, wobei insbesondere Schadensanlass, Schadensfolgen, Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkte eine Rolle spielen (vgl. BAG, a.a.O.). Eine möglicherweise vorliegende Gefahrgeneigtheit der Arbeit ist ebenso zu berücksichtigen wie die Schadenshöhe, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes Risiko, die Risikodeckung durch eine Versicherung, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe der Vergütung, die möglicherweise eine Risikoprämie enthalten kann (so BAG, a.a.O.; vgl. Weidenkaff in Grüneberg, 82. Aufl., § 611 Rdnr. 157). Auch die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers und die Umstände des Arbeitsverhältnisses, wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Familienverhältnisse und sein bisheriges Verhalten können zu berücksichtigen sein (vgl. BAG a.a.O.).

Anhaltspunkte dafür, dass dem Beklagten mehr als nur leichteste Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann, sind von der Klägerin weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt worden.

Der Beklagte hat am 18.01.2017 vor der Polizei zum Unfallhergang Folgendes angegeben:

„Als ich dann mit dem LKW die ……-Allee/B x stadtauswärts befuhr, war sehr starker Verkehr. In Höhe des ……-Marktes überholte mich dann ein PKW und scherte sehr kurz vor mir ein. Das war so gegen 18.10 Uhr. Aufgrund dessen musste ich bremsen und hab den LKW nach rechts gelenkt, um so zu verhindern, dass ich auf den PKW auffahren oder der PKW-Fahrer mir in den LKW fährt. Als ich nach rechts ausscherte fuhr ich auf den dortigen Grünstreifen und hab dann mit dem LKW zwei Bäume im Durchmesser von ca. zehn bis 15 cm umgefahren. Ich bin dann dort erstmal ausgestiegen und hab dann gesehen, dass ich die zwei Bäume umgefahren hatte, da die Stämme auf den Fußweg ragten. Dann habe ich die größeren Teile, welche vom LKW dort rumlagen, aufgelesen und hab dann noch meine Ladung kontrolliert, ob die noch fest drauf ist. Ich habe dann den LKW angeschaut und hab gesehen, dass am LKW vorne rechts die gesamte Ecke einschließlich Windschutzscheibe, welche gesprungen ist, beschädigt war.

Ich stand dann irgendwie unter Schock und wusste nicht, was ich machen soll. Es hat niemand angehalten, das Kennzeichen von dem PKW, der so kurz vor mir einscherte, weiß ich nicht. …

Ich bin dann die B 2 weiter stadtauswärts gefahren und fuhr dann an der dortigen ARAL-Tankstelle und hielt an. Ich rief dann erstmal meinen Chef an und sagte ihm, dass ich die Bäume umgefahren habe und jetzt erstmal in die Firma komme.“

Die vor dem Landgericht vernommene Zeugin P…… – frühere Mitgeschäftsführerin der Versicherungsnehmerin – gab an, dass der Beklagte an dem Abend des Unfalls ins Büro gekommen sei und ihr von dem Unfall erzählt habe. Es sei ihm jemand „reingeschnitten“, deswegen habe er ausweichen müssen und einen Baum beschädigt. Weil er nicht gewusst habe, was er tun solle, sei er zur nächsten Tankstelle gefahren, habe dort geschaut, ob die Ladung noch sicher und ihm selber nichts passiert sei. Weil dies so war, sei er direkt in die Firma gekommen. Der Beklagte sei gefasst und ruhig gewesen, habe sich aber geärgert, dass das passiert sei. Es habe im Vorfeld dieses Ereignisses keine vergleichbaren Situationen gegeben, keine roten Ampeln, kein zu nahes Auffahren, keine Unfälle, nichts. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte nicht vollständig fahrtauglich gewesen sei, habe sie gar nicht gehabt. Sie sei mit ihrem Mann damals Geschäftsführer gewesen.

Unter Berücksichtigung der Angaben des Beklagten zu dem Unfallereignis vor der Polizei und den damit übereinstimmenden Angaben der Zeugin P……, liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Beklagten mehr als leichteste Fahrlässigkeit an dem Unfallereignis vorgeworfen werden kann.

Ersatzansprüche der Versicherungsnehmerin, die auf den Versicherer übergegangen sein könnten, ergeben sich – unbeschadet der Strafbarkeit des Beklagten – auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 142 StGB. Denn der Schutzbereich der Vorschrift ist im vorliegenden Fall nicht betroffen. § 142 StGB soll die Beweismöglichkeiten des bei einem Verkehrsunfall Geschädigten schützen. Die Vorschrift hat primär den Schutz von Vermögensinteressen, nämlich das Interesse an der Durchsetzung bereits begründeter deliktischer Ersatzansprüche, zum Zweck (vgl. BGH, Urteil vom 18.11.1980 – VI ZR 215/78 – juris). Im vorliegenden Fall betrifft dies den Unfallgegner – den Eigentümer der beschädigten Bäume – und grundsätzlich auch die Versicherungsnehmerin als Eigentümerin des LKW. Das Schutzbedürfnis der geschädigten Versicherungsnehmerin ist hier jedoch nicht berührt, denn ein Nachteil ist ihr durch die Verletzung der Wartepflicht oder die unterlassene Benachrichtigung durch einen Anruf des Beklagten unmittelbar vom Unfallort aus nicht entstanden. Wer Fahrer zum Unfallzeitpunkt des in Rede stehenden LKW gewesen ist, war ihr bekannt. Zudem hat der Beklagte unverzüglich nach dem Unfall den LKW auf dem Betriebsgelände abgestellt, sich bei der Mitgeschäftsführerin gemeldet und ihr den Unfall persönlich geschildert. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte fahruntüchtig gewesen sein könnte, hatte die Mitgeschäftsführer nach ihren eigenen Angaben nicht. Der Beklagte hat die Feststellungen durch seinen Arbeitgeber unverzüglich nachträglich ermöglicht. Insbesondere war es auch nicht erforderlich, die Feststellungen in jedem Fall durch einen Polizeibeamten zu ermöglichen. Eine solche Verpflichtung sieht auch § 142 Abs. 1 StGB nicht vor. Denn der Verpflichtung, die Feststellung zu ermöglichen, genügt der Unfallbeteiligte, wenn er dem Geschädigten die Feststellungen ermöglicht oder nachträglich den Berechtigen oder einer nahe gelegenen Polizeidienststelle mitteilt, dass er an dem Unfall beteiligt gewesen ist, § 142 Abs. 3 Satz 1 StGB.

Sollten zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer die Musterbedingungen für die Kaskoversicherung einbezogen worden sein – was mangels Vorlage der einschlägigen Bedingungen nicht beurteilt werden kann – so kommt ein Regress gegen den Fahrer nach Ziffer A 2.8 der Musterbedingungen der Kaskoversicherung ohnehin nur bei grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Herbeiführung des Schadens in Betracht. Dafür ist nichts ersichtlich. Dies kann daher letztendlich offen bleiben.

Der Senat rät zur Rücknahme der Berufung, die zwei Gerichtsgebühren erspart.

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