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Krankentagegeldversicherung – Unwirksamkeit der Herabsetzung des Krankentagegeldes

OLG Hamm – Az.: I-6 W 28/16 – Beschluss vom 28.11.2016

Die Beschwerde der Beklagten wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Krankentagegeldversicherung, wobei der versicherte Tagessatz zuletzt 130 € betrug. Mit Schreiben vom 20.10.2015 setzte die Beklagte unter Hinweis auf ein gesunkenes Nettoeinkommen des Klägers den Tagessatz mit Wirkung ab dem 01.12.2015 um 85 € auf 45 € unter Anwendung von § 4 Abs. 4 MB/KT herab. Der Kläger, der wegen einer Encephalopathie unklarer Genese seit dem 20.08.2015 arbeitsunfähig war, hat mit Klage vom 01.03.2016 neben einem Leistungsantrag i.H.v. 7.735 € für den Zeitraum vom 01.12.2015 bis einschließlich 01.03.2016 (91 Tage x 85 €) Feststellungsklage erhoben, mit dem Ziel der Feststellung, dass die Herabsetzung des versicherten Krankentagegeldes unwirksam sei.

Nachdem die Beklagte im laufenden Rechtsstreit den mit der Leistungsklage geltend gemachten Betrag von 7.735 € sowie weitere ungekürzte Krankentagegeldleistungen für die Zeit bis zum 22.04.2016 erbracht und erklärt hatte, dass auch sie davon ausgehe, dass die Herabsetzung des Krankentagegeldes zum 01.12.2015 von Anfang an unwirksam gewesen sei, haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 21.09.2016 hat das Landgericht den Streitwert auf 20.179 € festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass im Hinblick darauf, dass der Kläger die Feststellung der Leistungspflicht zum nicht herabgesetzten Tagessatz für eine ungewisse Dauer der Arbeitsunfähigkeit begehre, sei der Streitwert für die Feststellungsklage auf den Wert der Versicherungsleistung für einen Zeitraum von einem halben Jahr abzgl. 20 % festzusetzen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten vom 29.09.2016, mit der sie die Herabsetzung des Streitwertes auf 8.645,22 € begehrt. Zur Begründung macht sie geltend, dass dann, wenn der Bestand des Vertrages insgesamt infrage gestellt wäre, der Streitwert unter Zugrundelegung des 3,5 fachen Jahresbeitrags unter Vornahme eines Abschlages von 20 % zu bemessen gewesen wäre, so dass sich insoweit ein Streitwert von 29,12 € x 42 = 1.223.04 EUR x 80 % = 978,43 € ergeben hätte. Da hier jedoch nur eine Änderung des Vertrages streitgegenständlich gewesen sei, also ein Minus im Vergleich zum Streit über den Bestand des Vertrages insgesamt, könne der Streitwert für die Klage allein mit dem 3,5 fachen Jahresbetrag des Prämienunterschiedes zwischen geändertem und unverändertem Vertrag bemessen werden. Deshalb ergebe sich hier ein Streitwert für den Feststellungsantrag von 27,09 € x 42 x 80 % = 910,22 EUR.

Dieser Streitwertbeschwerde hat das Landgericht nicht abgeholfen. Es hat darauf abgestellt, dass Streitgegenstand nicht der Fortbestand des Versicherungsvertrages auf unbestimmte Dauer, sondern die Höhe des Leistungsanspruchs gewesen sei. Die Regelung des § 9 ZPO könne auch nicht entsprechend herangezogen werden, da in der Krankentagegeldversicherung regelmäßig eine kürzere Dauer des Leistungsbezugs zu erwarten sei. Im Übrigen habe der Kläger auch nach dem 01.03.2016 noch Krankentagegeld beansprucht.

II.

Die zulässige Beschwerde der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat in dem angefochtenen Beschluss den Streitwert für den Feststellungsantrag zutreffend auf (20.179 € – 7.735 € =)12.444 € festgesetzt.

Die Beklagte kann eine Herabsetzung des Streitwerts nicht mit der Erwägung erreichen, dass sich bei einer Feststellungsklage gerichtet auf Fortbestand eines Krankentagegeldvertrages der regelmäßig anzusetzende Streitwert auf die Höhe der dreieinhalbfachen Jahresprämie belaufe (BGH VersR 2011, 237). Denn die Feststellungsklage des Klägers war nicht auf die Feststellung des Vertragsfortbestands gerichtet, sondern auf die Feststellung der Unwirksamkeit einer Herabsetzung des Krankentagegeldes um kalendertäglich 85,00 €. Damit bezog sich der Feststellungsantrag des Klägers der Sache nach auf das Bestehen der ungeschmälerten Leistungsverpflichtung der Beklagten, zumal der Kläger – worauf er in seiner Klageschrift bereits hingewiesen hatte – auch zum Zeitpunkt der Klageerhebung arbeitsunfähig erkrankt war, und deshalb sein Anspruch auf Krankentagegeldzahlung über den von seinem daneben gestellten Leistungsantrag erfassten Zeitraum fortbestand; der Bestand des Versicherungsvertrages war zwischen den Parteien zu keinem Zeitpunkt im Streit.

Der Streitwert einer Klage auf Feststellung des Bestehens einer Leistungsverpflichtung aus der Krankentagegeldversicherung bemisst sich unter Berücksichtigung eines Feststellungsabschlages von 20 % nach dem Bezug von sechs Monaten (OLG Hamm NJW-RR 2013, 601; OLG Hamm r+s 2012 156 m.w.N.). Diese Bezugsdauer ist auch der Bemessung des Streitwerts einer auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Herabsetzung des Tagessatzes gerichteten Feststellungsklage zugrundezulegen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt seiner Klageerhebung weiterhin arbeitsunfähig erkrankt ist und hierauf bereits in seiner Klageschrift hinweist.

Zutreffend hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung von einer Anwendung des § 9 Satz 1 ZPO abgesehen. Denn die Heranziehung dieser Norm setzt voraus, dass das Stammrecht erfahrungsgemäß 3 1/2 Jahren dauern kann, was für den Bereich des Krankentagegeldes nicht der Fall ist (vgl. OLG Hamm r+s 2012, 156; a.A. OLG Brandenburg, Urteil vom 22.04.2014 11 U 234/12 Rn. 31 bei juris). Deshalb vermag sich der Senat auch nicht der in der Rechtsprechung teilweise vertretenen Auffassung anzuschließen, dass sich der Wert eines Klageantrages, gerichtet auf die Feststellung der Unwirksamkeit der seitens des Versicherers ausgesprochenen Herabsetzung bzw. der Fortgeltung des vor der Herabsetzungserklärung gültigen Krankentagessatzes, nach dem dreieinhalbfachen Jahresbetrags der Leistungsdifferenz richte (so OLG München, Urteil vom 27.07.2012, 25 U 4610/11Rn. 57 bei juris und LG Stuttgart, Urteil vom 19.02.2016, 16 O 142/15 Rn. 67 bei juris). Denn diese Auffassung übersieht, dass für Rechte von typischerweise wesentlich kürzerer Laufzeit der gesetzlich vorgegebene Wert des dreieinhalbfachen Jahresbezugs unangemessen ist (vgl. BGHZ 36, 144, 147).

 

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