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Krankentagegeldversicherung – Anforderungen an Nachweis für Arbeitsunfähigkeit

Strenge Nachweispflicht: Gericht bestätigt hohe Hürden für Krankentagegeldansprüche

In dem Urteil des OLG Hamm, Az.: I-20 U 104/15, ging es um die Anforderungen an den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit in der Krankentagegeldversicherung. Das Gericht entschied, dass die Klägerin nicht erfolgreich nachweisen konnte, dass sie im Sinne der Versicherungsbedingungen (MB/KT) arbeitsunfähig war. Arbeitsunfähigkeit in diesem Kontext bedeutet, dass die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit vorübergehend in keiner Weise ausüben kann. Die Entscheidung hebt hervor, dass eine ärztliche Bescheinigung allein nicht ausreicht, um den Anspruch auf Krankentagegeld zu begründen, und dass die Klägerin ihrer Beweislast für eine vollständige Arbeitsunfähigkeit nicht nachgekommen ist.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-20 U 104/15 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Das Gericht wies die Berufung der Klägerin zurück, da sie den Nachweis einer bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit nicht erbringen konnte.
  2. Eine ärztliche Bescheinigung allein genügt nicht für den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit in der Krankentagegeldversicherung.
  3. Die Klägerin konnte nicht darlegen, warum sie ihre berufliche Tätigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum in keiner Weise ausüben konnte.
  4. Teilweise Arbeitsfähigkeit schließt einen Anspruch auf Krankentagegeld aus, sofern der Versicherte seinem Beruf teilweise nachgehen kann.
  5. Der Versicherungsnehmer muss den Eintritt und die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit darlegen und beweisen.
  6. Die Berufsunfähigkeit der Klägerin (§ 15 Abs. 1 Buchstabe b MB/KT) wurde von der Beklagten bestritten und hat unterschiedliche Voraussetzungen als die Arbeitsunfähigkeit.
  7. Eine objektive Beurteilung durch neutrale Sachverständige ist erforderlich, um die medizinische Notwendigkeit der Heilbehandlung und die Arbeitsunfähigkeit zu prüfen.
  8. Das Gericht folgte nicht dem Beweisangebot der Klägerin auf Einholung eines Obergutachtens, da die Stellungnahme des behandelnden Arztes nicht mit einem abweichenden Privatgutachten vergleichbar ist.

Wenn der Job zur Pause gezwungen ist

Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit oder Unfall kann jeden treffen. In diesen Fällen sichert die Krankentagegeldversicherung das Einkommen ab, wenn man vorübergehend nicht arbeiten kann. Doch wann gilt man rechtlich als arbeitsunfähig? Und wie weist man dies gegenüber der Versicherung nach?

Arbeitnehmer erhalten bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit für eine gewisse Zeit Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber. Danach müssen sie selbst für Lohnersatzleistungen sorgen. Die Krankentagegeldversicherung springt hier ein und zahlt – je nach Vertrag – einen Teil des ausgefallenen Nettoeinkommens. Entscheidend ist, dass eine ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit vorliegt und entsprechend nachgewiesen wird. Die Anforderungen dafür sind nicht zu unterschätzen.

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Klägerin unterliegt: Strengere Anforderungen bei Krankentagegeld

Im Zentrum des Rechtsstreits vor dem Oberlandesgericht Hamm stand die Frage, inwiefern eine Versicherte ihrer Krankentagegeldversicherung gegenüber den Nachweis einer bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit erbringen muss. Die Auseinandersetzung entzündete sich, als die Versicherung die Zahlung des Krankentagegeldes verweigerte, weil sie die vorgelegten Nachweise der Klägerin für unzureichend hielt.

Der Fall: Klägerin gegen Krankentagegeldversicherung

Die Klägerin, eine Versicherte, machte Ansprüche aus ihrer Krankentagegeldversicherung geltend, nachdem sie für einen bestimmten Zeitraum ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt hatte. Diese Bescheinigungen sollten belegen, dass sie ihrer beruflichen Tätigkeit aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht nachgehen konnte. Die Krankentagegeldversicherung lehnte die Zahlung jedoch ab, da sie den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der vereinbarten Versicherungsbedingungen für nicht erbracht ansah.

Arbeitsunfähigkeit in der Krankentagegeldversicherung

Grundlegend für den Anspruch auf Krankentagegeld ist die bedingungsgemäße Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Nach den maßgeblichen Versicherungsbedingungen (MB/KT) liegt eine solche vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann. Hierbei ist es unerheblich, ob die Person tatsächlich einer anderen Erwerbstätigkeit nachgeht. Der Knackpunkt des Falles lag in der Interpretation dieser Bedingungen und der Bewertung der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen.

Juristische Feinheiten bei der Nachweisführung

Die Klägerin stand vor der Herausforderung, den Eintritt und die Fortdauer ihrer Arbeitsunfähigkeit nach den strengen Kriterien der Versicherungsbedingungen zu beweisen. Der Bundesgerichtshof hat in vergangenen Urteilen klargestellt, dass die alleinige Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht ausreichend ist, um den Anspruch auf Krankentagegeld zu begründen. Vielmehr muss der Versicherungsnehmer umfassend darlegen und beweisen, dass die Voraussetzungen für die Arbeitsunfähigkeit fortbestehen. Im vorliegenden Fall sah das Gericht diese Nachweispflicht als nicht erfüllt an.

Gerichtsentscheid stützt Versicherungsposition

Das Oberlandesgericht Hamm entschied, dass die Berufung der Klägerin offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe und wies diese zurück. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Klägerin die vollständige Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen nicht schlüssig nachweisen konnte. Darüber hinaus hielt das Gericht fest, dass die ärztlichen Bescheinigungen und Stellungnahmen allein nicht genügten, um den Versicherungsfall glaubhaft zu machen. Vielmehr sei für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit ein objektiver medizinischer Befund erforderlich, der im Zweifelsfall durch einen neutralen Sachverständigen zu erbringen ist.

In seinem Urteil betonte das Oberlandesgericht die Bedeutung einer genauen Prüfung der Arbeitsunfähigkeitsnachweise und stärkte damit die Position der Versicherer in ähnlichen Fällen. Die Entscheidung verdeutlicht die hohen Anforderungen, die an Versicherte gestellt werden, wenn sie Ansprüche aus ihrer Krankentagegeldversicherung geltend machen möchten.

Kurz gesagt, das Gericht bestätigte die Auffassung der Versicherung, dass die vorgelegten Nachweise und ärztlichen Bescheinigungen der Klägerin nicht ausreichten, um den Anspruch auf Krankentagegeld zu begründen. Diese Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit für Versicherte, ihre Arbeitsunfähigkeit gemäß den Versicherungsbedingungen umfassend zu dokumentieren und zu beweisen.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Welche Voraussetzungen gelten für die Zahlung von Krankentagegeld?

Um Krankentagegeld von der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland zu erhalten, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse: Der Anspruch auf Krankengeld besteht nur für Versicherte einer Krankenkasse, unabhängig davon, ob es sich um eine Pflichtversicherung oder eine freiwillige Versicherung handelt. Familienversicherte haben in der Regel keinen Anspruch auf Krankengeld.
  • Arbeitsunfähigkeit: Der Versicherte muss aufgrund einer Krankheit arbeitsunfähig sein. Die Arbeitsunfähigkeit muss ärztlich festgestellt und der Krankenkasse gemeldet werden.
  • Dauer der Arbeitsunfähigkeit: Krankengeld wird gezahlt, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als sechs Wochen andauert. Für die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit ist in der Regel der Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung verpflichtet.
  • Lückenlose Krankschreibung: Die Arbeitsunfähigkeit muss lückenlos durch ärztliche Bescheinigungen nachgewiesen werden. Die Krankschreibungen müssen der Krankenkasse zeitnah vorgelegt werden, um den Anspruch auf Krankengeld nicht zu verlieren.
  • Höchstbezugsdauer: Krankengeld wird für maximal 78 Wochen innerhalb einer Blockfrist von drei Jahren für dieselbe Krankheit gezahlt. Nach Ablauf dieser Zeit endet der Anspruch auf Krankengeld, was als Aussteuerung bezeichnet wird.
  • Höhe des Krankengeldes: Das Krankengeld beträgt in der Regel 70% des Bruttoeinkommens, darf aber 90% des Nettoeinkommens nicht übersteigen. Es wird auf Basis des regelmäßigen Einkommens berechnet und ist niedriger als das Nettoeinkommen.
  • Besondere Regelungen für Selbstständige: Selbstständige, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, können wählen, ob sie sich mit oder ohne Anspruch auf Krankengeld versichern lassen. Bei einer Versicherung ohne Krankengeldanspruch ist der Beitragssatz niedriger.
  • Stationäre Behandlung: Auch bei einer stationären Behandlung auf Kosten der Krankenkasse in einem Krankenhaus oder einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung besteht ein Anspruch auf Krankengeld.

Es ist wichtig zu beachten, dass diese Informationen den allgemeinen Rahmen darstellen und individuelle Fälle abweichende Regelungen aufweisen können. Bei Unsicherheiten oder spezifischen Fragen sollte man sich direkt an die eigene Krankenkasse wenden oder eine Beratungsstelle aufsuchen.

Wie wird Arbeitsunfähigkeit in der Krankentagegeldversicherung definiert?

In der Krankentagegeldversicherung wird Arbeitsunfähigkeit als Zustand definiert, in dem die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend nicht ausüben kann, sie tatsächlich auch nicht ausübt und auch keiner anderen Erwerbstätigkeit nachgeht. Diese Definition ist wichtig, um den Anspruch auf Krankentagegeld geltend zu machen. Die Arbeitsunfähigkeit muss ärztlich festgestellt und der Versicherung gemeldet werden, um Leistungen aus der Krankentagegeldversicherung zu erhalten.

Die Krankentagegeldversicherung dient als private Verdienstausfallversicherung, die vor Einkommensverlusten bei krankheits- oder unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit schützt. Sie wird in der Regel als Zusatzversicherung zu einem bestehenden privaten oder gesetzlichen Krankenversicherungsschutz abgeschlossen. Im Versicherungsfall wird für die Dauer einer Arbeitsunfähigkeit ein Krankentagegeld in vertraglichem Umfang gezahlt. Dabei ist zu beachten, dass das Krankentagegeld (zusammen mit anderen Krankentage- und Krankengeldern) das eigentliche Nettoeinkommen des Versicherten nicht übersteigen darf.

Für Arbeitnehmer bedeutet dies, dass sie ein Krankentagegeld bis zur Höhe von 100 % ihres Nettoeinkommens für die Zeit nach Ende der Gehaltsfortzahlung (in der Regel sechs Wochen nach Krankheitsbeginn) versichern können. Ein höherer Versicherungsabschluss als 100 % des Nettoeinkommens – auch in Kombination bei mehreren Versicherungsanbietern – ist verboten, um Missbrauch vorzubeugen. Bei Selbstständigen, die nicht zwangsläufig das Krankengeld bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert haben, ist die Verdienstausfallversicherung bis zur Höhe des Nettoeinkommens mit gestaffelten Karenzzeiten möglich.

Es ist wichtig, dass die versicherte Person während der Arbeitsunfähigkeit keinerlei berufliche Tätigkeiten ausführt, da dies den Anspruch auf Krankentagegeld beeinträchtigen kann. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht entfällt, wenn der Versicherte lediglich zu einzelnen Tätigkeiten in der Lage ist, die im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit liegen.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO: Dieser Paragraph regelt die Möglichkeit eines Gerichts, eine Berufung ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, wenn diese offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Im Kontext des Urteils zeigt dies, wie Gerichte Verfahren effizient gestalten können, um nur aussichtsreiche Fälle zu verhandeln.
  • § 546 ZPO: Betrifft die Rechtsverletzung als Grundlage für die Anfechtung eines Urteils. Die Feststellung, dass keine Rechtsverletzung vorliegt, stärkt die Position des ursprünglichen Urteils und unterstreicht die Bedeutung einer soliden rechtlichen Grundlage in Versicherungsfällen.
  • § 529 ZPO: Legt die Grundsätze der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren fest. Es verdeutlicht, dass die Berufungsklägerin ihre Argumentation auf einer bereits anerkannten Tatsachenbasis aufbauen muss, was im Zusammenhang mit Versicherungsstreitigkeiten die Beweislast des Versicherten hervorhebt.
  • § 1 Abs. 3 MB/KT (Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung): Definiert die Voraussetzungen für den Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, die erfüllt sein müssen, damit Versicherungsleistungen beansprucht werden können. Dies ist zentral für den Streitpunkt, da es um die Anerkennung des Versicherungsfalls selbst geht.
  • § 15 Abs. 1 Buchstabe b) MB/KT: Dieser bezieht sich auf die Berufsunfähigkeit in der Krankentagegeldversicherung und die Unterscheidung zwischen Berufs- und Arbeitsunfähigkeit. Der Fall illustriert, wie wichtig die klare Abgrenzung dieser Zustände für die Leistungsprüfung ist.
  • BGH-Urteile (z.B., IV ZR 163/09 und IV ZR 54/14): Höchstrichterliche Entscheidungen zu ähnlichen Fällen bieten Orientierungshilfe und Präzedenzfälle für die Auslegung der Versicherungsbedingungen und die Beweisführung in Streitigkeiten um die Krankentagegeldversicherung. Diese Urteile sind entscheidend für die Interpretation von Vertragsklauseln und die Bewertung von Beweismitteln.


Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: I-20 U 104/15 – Beschluss vom 12.06.2015

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.

Gründe

Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.

Die angefochtene Entscheidung hält rechtlicher Überprüfung durch den Senat stand. Sie beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere, der Klägerin günstigere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.

Das Landgericht hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin den Nachweis einer bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 1 Abs. 3 MB/KT für den klagegegenständlichen Zeitraum nicht geführt hat.

In der Krankentagegeldversicherung setzt der Eintritt eines Versicherungsfalls neben der medizinisch notwendigen Heilbehandlung eine in deren Verlauf ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit voraus (§ 1 Abs. 2 Satz 1 MB/KT). Arbeitsunfähigkeit liegt gemäß § 1 Abs. 3 MB/KT vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht.

Bereits eine nur zum Teil gegebene Arbeitsfähigkeit genügt hiernach, um den Anspruch auf Krankentagegeld auszuschließen, sofern der Versicherte seinem Beruf in seiner konkreten Ausgestaltung teilweise nachgehen kann oder tatsächlich nachgeht (vgl. nur BGH, Urt. v. 11.03.2015, IV ZR 54/14, juris, Rn.70; Urt. v. 03.04.2013, IV ZR 239/11, juris, Rn. 13, VersR 2013, 615; Senat, Urt. v. 28.01.2000, 20 U 116/99, juris, Rn. 6, r+s 2000, 342).

Dabei ist es grundsätzlich der Versicherungsnehmer, der Eintritt und Fortdauer bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit darzulegen und zu beweisen hat, also Eintritt und Fortbestand der Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 MB/KT, soweit er vom Versicherer mit dieser Begründung Versicherungsleistungen begehrt (vgl. nur BGH, Urt. v. 30.06.2010, IV ZR 163/09, juris, Rn. 20 mit weiteren Nachweisen, BGHZ 186, 115 = VersR 2010, 1171).

Gemessen hieran kann dahinstehen, ob die Klägerin in Ansehung der von ihr für den streitgegenständlichen Zeitraum behaupteten Arbeitsunfähigkeit überhaupt ihrer Darlegungslast genügt hat, wofür es (auch) Vortrags dazu bedurft hätte, warum der zuletzt konkret ausgeübte Beruf aufgrund welcher konkreten Beschwerden im streitgegenständlichen Zeitraum in keiner Weise mehr ausgeübt werden konnte (vgl. nur Tschersich, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, § 45 Rn. 103 mit weiteren Nachweisen).

Denn die Klägerin ist – wie das Landgericht zutreffend erkannt hat – für die behauptete vollständige Arbeitsunfähigkeit jedenfalls beweisfällig geblieben.

Die Rügen der Klägerin gegen das angefochtene Urteil greifen nicht durch:

1.)

Fehl geht der Einwand, die Beklagte sei gehindert gewesen, in Ansehung der von ihr behaupteten Berufsunfähigkeit der Klägerin (§ 15 Abs. 1 Buchstabe b) MB/KT) erstmals nach fehlender Feststellung von Berufsunfähigkeit durch das eingeholte Sachverständigengutachten die von der Klägerin behauptete Arbeitsunfähigkeit zu bestreiten.

Es ist bereits unzutreffend, dass die Beklagte erst nach Vorlage des Gutachtens der Sachverständigen Dr. med. C vom 24.04.2014 eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin in Abrede gestellt hat. Die Beklagte hat vielmehr bereits in ihrer Klageerwiderung ausdrücklich die Behauptung der Klägerin bestritten und sich daneben u.a. auf eine Beendigung des Versicherungsverhältnisses wegen Berufsunfähigkeit berufen.

Entgegen der bereits erstinstanzlich von der Klägerin vertretenen und mit der Berufung wiederholten Auffassung, hat sich die Beklagte hierdurch nicht zu ihrem eigenen Vortrag in Widerspruch gesetzt.

Denn der von der Beklagten eingenommene Standpunkt, ihre Leistungspflicht habe wegen Eintritts bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit geendet, enthält nicht zugleich ein Zugeständnis bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit. Die Berufsunfähigkeit schließt in einer Krankentagegeldversicherung, der die MB/KT zu Grunde liegen, die Arbeitsunfähigkeit nicht – als Minus – denknotwendig ein. Denn Berufsunfähigkeit und Arbeitsunfähigkeit im Sinne der MB/KT sind in ihren Voraussetzungen nicht deckungsgleich. Bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit ist gegeben, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht mehr absehbare Zeit mehr als 50 % erwerbsunfähig ist. Bedingungsgemäße Arbeitsunfähigkeit setzt dagegen – wie ausgeführt – voraus, dass die berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausgeübt werden kann, ferner dass sie nicht ausgeübt wird und der Versicherte auch keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. In der Abgrenzung von Berufs- und Arbeitsunfähigkeit im Sinne der MB/KT kann nicht allein auf das Vergleichspaar „vorübergehend – auf nicht mehr absehbare Zeit“ abgestellt werden (vgl. BGH, Urt. v. 30.06.2010, IV ZR 163/09, juris, Rn. 18 mit weiteren Nachweisen, BGHZ 186, 115 = VersR 2010, 1171). Schon deshalb verbietet es sich, eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum als unstreitig zu behandeln.

2.)

Die Klägerin hat ihrer Beweislast auch nicht bereits durch die Vorlage von Bescheinigungen des sie behandelnden Arztes genügt.

a)

Mit der Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach § 4 Abs. 7 MB/KT allein kann der Nachweis bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit nicht geführt werden. Zwar setzt der Eintritt des Versicherungsfalls u.a. voraus, dass Arbeitsunfähigkeit während der Heilbehandlung „ärztlich festgestellt“ wird. Eine Beweisregel, nach der es dem Versicherer verwehrt sein könnte, (später) die inhaltliche Richtigkeit dieses Nachweises zu bestreiten, ergibt sich daraus aber nicht. Vielmehr eröffnet dem Versicherer erst der vom Versicherungsnehmer vorzulegende Nachweis die Möglichkeit der Prüfung, ob der Versicherungsfall eingetreten ist, ohne dass er an diesen gebunden oder auch nur gehalten wäre, eine Nachuntersuchung zu verlangen (vgl. BGH, Urt. v. 30.06.2010, IV ZR 163/09, juris, Rn. 20, BGHZ 186, 115 = VersR 2010, 1171; Urt. v. 03.05.2000, IV ZR 110/99, juris, Rn. 10, VersR 2000, 841; Tschersich, a.a.O., § 45 Rn. 101).

b)

Auch die weitere Stellungnahme des die Klägerin behandelnden Arztes ist zum Nachweis bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit nicht geeignet.

Versicherungsfall in der Krankentagegeldversicherung ist nach § 1 Abs. 2 MB/KT – wie ausgeführt – eine medizinisch notwendige Heilbehandlung der versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen, in deren Verlauf die ärztlich festzustellende Arbeitsunfähigkeit hinzutritt.

In Ansehung dieser Voraussetzungen ist auf einen objektiven, vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängigen Maßstab abzustellen. Diese objektive Anknüpfung bedeutet zugleich, dass für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung nicht die Auffassung des Versicherungsnehmers und auch nicht allein die des behandelnden Arztes entscheidend ist. Gegenstand der Beurteilung können vielmehr nur die objektiven medizinischen Befunde und Erkenntnisse im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung sein. Das Urteil des behandelnden Arztes ist deshalb einer Überprüfung durch einen neutralen Sachverständigen zu unterziehen (vgl. BGH, Urt. v. 30.06.2010, IV ZR 163/09, juris, Rn. 24 f., BGHZ 186, 115 = VersR 2010, 1171). Insoweit gilt für den Anspruch auf Krankentagegeld und den dafür anzusetzenden Maßstab nichts anderes als in der Krankheitskostenversicherung.

Das Zeugnis des Behandlers über „Arbeitsunfähigkeit“ ist schon aus diesem Grund kein geeignetes Beweismittel (vgl. Senat, Beschl. v. 04.02.2015, 20 U 231/14, n.v.; BGH, Urt. v. 29.11.1978, IV ZR 175/77, juris, Rn. 20, VersR 1979, 221; OLG Koblenz, Beschl. v. 30.04.2009, 10 U 959/08, juris, Rn. 7, VersR 2010, 204; KG, Urt. v. 21.09.1999, 6 U 261/98, juris, Rn. 14, VersR 2000, 89; Rogler, in: jurisPR-VersR 10/2009 Anm. 4; vgl. auch Senat, Urt. v. 21.07.1982, 20 U 56/81, VersR 1983, 385).

Hat der Arzt von ihm erhobene objektive Befunde in den Krankenunterlagen nicht oder nicht ausreichend dokumentiert, so kann der Versicherungsnehmer allein durch die zeugenschaftliche Vernehmung des Arztes den erforderlichen Nachweis nicht führen (KG, a.a.O.). Das danach gebotene Gutachten eines neutralen gerichtlichen Sachverständigengutachtens kann folglich auch nicht durch die Stellungnahme des behandelnden Arztes ersetzt werden (vgl. BGH, Urt. v. 30.06.2010, IV ZR 163/09, juris, Rn. 26, BGHZ 186, 115 = VersR 2010, 1171).

Dessen Stellungnahme erschöpft sich ohnehin in der pauschalen Bestätigung der eigenen Diagnose, ohne aufzuzeigen, wegen welcher Beschwerden im Einzelnen die Klägerin welche konkreten Tätigkeiten im fraglichen Zeitraum nicht mehr auszuüben in der Lage gewesen sein soll. Würde allein diese Aussage der Feststellung, die Klägerin sei arbeitsunfähig gewesen, zu Grunde gelegt, führte dies zu einer Bindung der Beklagten an die durch den behandelnden Arzt damals gestellte und später von ihm bekräftigte Prognose, die nach den Versicherungsbedingungen mit der Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit gerade nicht einhergehen soll (so auch BGH, a.a.O., Rn. 23).

c)

Das Landgericht war auch nicht gehalten, dem Beweisangebot der Klägerin auf Einholung eines sog. Obergutachtens nachzugehen.

Die Stellungnahme des die Klägerin behandelnden Arztes ist – wie ausgeführt – schon im Ansatz nicht mit einem von dem gerichtlichen Sachverständigengutachten abweichenden Privatgutachten, welches die Einholung eines Obergutachtens hätte rechtfertigen können, vergleichbar.

Zudem entspricht es höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass ein Widerspruch zwischen dem Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen und einem daraufhin von der Partei vorgelegten Privatgutachten entweder durch eine Stellungnahme des gerichtlich bestellten Sachverständigen oder durch ein Obergutachten aufgeklärt werden kann (vgl. nur BGH, Beschl. v. 21.03.2013, IX ZR 57/11, juris, Rn. 4; Urt. v. 04.10.2010, III ZR 45/10, juris, Rn. 30, VersR 2011, 1409). Die Einholung eines Obergutachtens liegt daher im Ermessen des Tatgerichts. Dem hat das Landgericht bereits dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass es die gerichtlich bestellte Sachverständige im Termin zur mündlichen Verhandlung am 11.03.2015 angehört hat.

Auf die Gebührenermäßigung für den Fall der Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222 GKG) wird hingewiesen.

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