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Kaskoversicherung – Kfz-Diebstahlsnachweis –  arglistige oder vorsätzliche Obliegenheitsverletzung

Kaskoversicherung: Fahrzeugdiebstahl und Versicherungsleistungen

In diesem Rechtsstreit verlangt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von Versicherungsleistungen aus einer Kaskoversicherung aufgrund eines behaupteten Fahrzeugdiebstahls. Die Beklagte bestreitet die Entwendung und wirft der Klägerin arglistiges Verhalten vor. Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben.

Direkt zum Urteil: Az.: 4 U 2658/21 springen.

Nachweis des Fahrzeugdiebstahls

Das Landgericht stellte fest, dass der Klägerin der Nachweis des äußeren Bildes eines Diebstahls gelungen ist. Eine vertragliche Obliegenheitsverletzung wegen vorsätzlicher oder gar arglistiger Falschangaben durch Mitarbeiter der Klägerin liegt nicht vor.

Beweiserleichterungen bei Fahrzeugdiebstahl

Bei Fahrzeugdiebstahl kommen dem Geschädigten Beweiserleichterungen zugute. Der Geschädigte muss das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung nachweisen. In der Regel ist dieses Mindestmaß erfüllt, wenn bewiesen wird, dass das Fahrzeug an einem bestimmten Ort abgestellt und dort nicht wieder aufgefunden wurde.

Berufung der Beklagten

Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung das Ziel einer vollumfänglichen Klageabweisung. Sie rügt das Urteil unter anderem wegen fehlerhafter Beweiswürdigung. Der Senat beabsichtigt jedoch, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen, da die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.

Kein arglistiger Versicherungsbetrug nachgewiesen

Im vorliegenden Fall wurde eine Versicherungsklage abgewiesen. Die Beklagte hatte den Kläger beschuldigt, einen Diebstahl vorgetäuscht zu haben, um eine Versicherungsleistung zu erhalten. Das Gericht stellte jedoch fest, dass die Beklagte keinen Beweis für diese Behauptung erbracht hatte. Es war nicht mit erheblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Diebstahl nur vorgetäuscht wurde, da für die Klägerin der Grundsatz der Redlichkeit des Versicherungsnehmers sprach. Es obliegt dem Versicherungsnehmer, die Redlichkeitsvermutung zu widerlegen. Die von der Beklagten gegen die Redlichkeit des Geschäftsführers der Klägerin ins Feld geführten Umstände betrafen lediglich die mutmaßliche Höhe etwaiger Versicherungsleistungen. Das Gericht stellte auch fest, dass kein arglistiger oder vorsätzlicher Verstoß gegen die Obliegenheitspflicht vorlag.

Gericht schätzt den Schaden

Das Gericht war berechtigt, den Schaden auf der Grundlage eines Gutachtens zu schätzen. Der Sachverständige berücksichtigte auch die nicht sichtbare Sonderausstattung, was jedoch im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ohne Belang war. Das Gericht folgte der von der Beklagten angestellten Hochrechnung für die Ermittlung des Kilometerstandes. Das Gericht rät der Beklagten zur Rücknahme ihrer Berufung.

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Das vorliegende Urteil

OLG Dresden – Az.: 4 U 2658/21 – Beschluss vom 27.04.2022

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Die Beklagte hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der auf Dienstag, 03.05.2022, 15.00 Uhr bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung wird aufgehoben.

4. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 30.950 € festzusetzen.

Gründe

I.

Kaskoversicherung - Kfz-Diebstahlsnachweis -  arglistige oder vorsätzliche Obliegenheitsverletzung
(Symbolfoto: tommaso79/Shutterstock.com)

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung von Versicherungsleistungen aus einer Kaskoversicherung wegen eines behaupteten Fahrzeugdiebstahls. Wegen der Einzelheiten des Versicherungsvertrages und des als gestohlen gemeldeten Fahrzeugs sowie der näheren Umstände der Schadensmeldung wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen. Die Beklagte hat sich bereits vorgerichtlich auf eine Leistungsfreiheit wegen vorsätzlich falscher Angaben zur Laufleistung des Fahrzeugs und zu vorangegangenen Diebstählen berufen. Im Prozess hat sie bereits die Entwendung als solche bestritten und ebenfalls arglistiges Verhalten der Mitarbeiter der Klägerin behauptet. Zudem hat sie die Glaubwürdigkeit des von der Klägerin benannten Zeugen L…… in Zweifel gezogen.

Nach Vernehmung von Zeugen hat das Landgericht der Klage überwiegend stattgegeben.

Die Klägerin habe das äußere Bild einer Entwendung nachgewiesen. Eine vertragliche Obliegenheitsverletzung wegen vorsätzlicher oder gar arglistiger Falschangaben durch Mitarbeiter der Klägerin liege nicht vor, und zwar weder im Hinblick auf den angegebenen Kilometerstand, noch im Hinblick auf andere Umstände.

Bei der Schadenshöhe hat das Landgericht nach § 287 ZPO Abzüge abgenommen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr Ziel vollumfänglicher Klageabweisung weiter.

Sie rügt das Urteil wie folgt: Das Landgericht sei aufgrund fehlerhafter Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gekommen, der Klägerin sei der Nachweis des „äußeren Bildes“ eines Kfz-Diebstahls gelungen. Es hätte insbesondere seine Überzeugung nicht auf die Aussagen des Zeugen L…… stützen dürfen, da dieser unglaubwürdig sei. Dies ergebe sich aus seinen wahrheitswidrigen Aussagen zu den Xenonscheinwerfern.

Aufgrund der Fülle von Indizien hätte das Landgericht zu dem Ergebnis kommen müssen, die Klägerin habe arglistig, zumindest aber vorsätzlich ihre Aufklärungsobliegenheiten verletzt. Dies ergebe sich aus den Angaben zum Kilometerstand, deren Brisanz den Mitarbeitern der Klägerin aus den Vordiebstählen ohne weiteres hätte bekannt sein müssen. Die fehlende Wahrheitsliebe der Mitarbeiter der Klägerin zeige sich auch an den Angaben zum Wert der weiteren zusätzlichen Ausstattungseinbauten, wo teilweise die angegebenen Werte gegenüber dem Gerichtsgutachter und gegenüber der Beklagten um bis zu 100% differierten. All dies belege fehlende Wahrheitsliebe der Mitarbeiter der Klägerin (Seiten 6 und 7 Berufungsbegründung).

Das Landgericht habe eine Gehörsverletzung dadurch begangen, dass es den Beweisantritten der Beklagten, gerichtet auf eidliche Parteivernehmung des Geschäftsführers der Klägerin und die Zeugenvernehmung seiner früheren Ehefrau nicht nachgegangen sei (S. 6 oben Berufungsbegründung).

Eine Wertbestimmung hinsichtlich des Fahrzeuges zum Zeitpunkt seiner Entwendung sei mangels Kenntnis der tatsächlichen Ausstattung des Fahrzeuges in seiner Laufleistung auch nach § 287 ZPO nicht möglich.

Die Beklagte beantragt,

1. unter Abänderung der Entscheidung des LG Leipzig vom 12.11.2021, 3 O 5/18, die Klage in vollem Umfang abzuweisen,

2. hilfsweise, die angegriffene Entscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten mündlichen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

II.

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Beklagten bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass dem Kläger der Nachweis des äußeren Bildes eines Diebstahls gelungen, und der Nachweis einer arglistigen, mindestens aber vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung in Form von Falschangaben nicht erbracht ist. Der Senat sieht keine hinreichenden Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der diesbezüglichen Tatsachenfeststellung des Landgerichts, die in den nach § 529 ZPO gesetzten Grenzen die erneute Durchführung einer Beweisaufnahme gebieten würden.

Die Wiederholung der Beweisaufnahme steht im gebundenen Ermessen. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen – hier konkret bei der Beweiswürdigung – liegen dann vor, wenn aus Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt. Dazu genügen schlüssige Gegenargumente, die die erhebliche Tatsachenfeststellung in Frage stellen (Zöller-Heßler, ZPO, 33. Aufl., § 529 Rz. 3 m.w.N.). Stützt das Erstgericht – wie hier – seine Tatsachenfeststellung auf eine Zeugenvernehmung und die Anhörung einer Partei, so ist eine erneute Vernehmung lediglich mit der Begründung, dabei lasse sich eine bessere Aufklärung erwarten, nicht zulässig (Zöller, a.a.O., Rz. 7 m.w.N.). Vielmehr ist eine erneute Beweisaufnahme nur dann geboten, wenn sich Zweifel aus dem Protokoll ergeben, also die Beweisaufnahme nicht erschöpfend war oder eine protokollierte Aussage im Widerspruch zu den Urteilsgründen steht. Zulässig kann eine erneute Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht sein, wenn das Berufungsgericht einander widersprechenden Bekundungen ein anderes Gewicht beimisst als das Erstgericht, eine Pflicht zur Rekonstruktion des Sachverhaltes lässt sich dem allerdings nicht entnehmen (vgl. Rixecker, NJW 2004, 705 ff). Will das Berufungsgericht von der Glaubwürdigkeitsbeurteilung des Erstgerichts abweichen, so müssten sich auch hier konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit ergeben bzw. von der Berufung aufgezeigt werden.

Die Berufung zeigt hier aber weder im Hinblick auf die Aussagen als solche noch im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit/Glaubhaftigkeit hinreichende Zweifel auf.

1.

Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin der Nachweis des Kfz-Diebstahls gelungen ist. Beim Fahrzeugdiebstahl kommen dem Geschädigten Beweiserleichterungen zugute. Er muss den Beweis für das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung erbringen. Der Beweis für das äußere Bild ist erbracht, wenn ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen, bewiesen ist. Dieses Mindestmaß wird in der Regel erfüllt, wenn bewiesen wird, dass das Fahrzeug vom Versicherungsnehmer an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit abgestellt dort aber nicht wieder aufgefunden worden ist (Senat, Beschluss vom 05.07.2021 – 4 U 428/21 juris Rn. 11; BGH, Urt. v. 30.01.2002 – IV ZR 263/00 nach juris).

Der Klägerin ist sowohl der Nachweis der Abstellsituation als auch des Nicht-wieder-Auffindens gelungen.

Was letzteren Umstand betrifft, so hat der Zeuge H…… in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 22.03.2019 eine ausführliche und in sich widerspruchsfreie Schilderung abgegeben. Im weiteren Verlauf hat die Beklagte weder die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen noch die Glaubhaftigkeit seiner Aussage in Zweifel gezogen, auch dem Senat erscheint die Aussage so wie protokolliert plausibel und überzeugend.

Was die Frage des Abstellens betrifft, so sieht auch hier der Senat weder Anlass, das vorherige Abstellen als nicht erwiesen anzusehen, noch auch nur die diesbezügliche Beweisaufnahme zu wiederholen. Die Glaubwürdigkeit des hierzu befragten Zeugen L…… wird zunächst nicht – wie von der Beklagten noch erstinstanzlich ins Feld geführt – dadurch gemindert, dass es der Klägerin erst Jahre nach dem Diebstahl „eingefallen“ sei, der Zeuge L…… als Werkstattmeister der Klägerin könne Bekundungen zur Abstellsituation machen. Die Beklagte blendet hierbei nämlich aus, dass sie selbst weder vorgerichtlich noch auch nur in der Klageerwiderung den Diebstahl als solchen bestritten hat. Sie hat sich vielmehr ausschließlich auf eine Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung und auf das Bestreiten des geltend gemachten Versicherungswertes beschränkt. Erstmalig in der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2019 vor dem Landgericht (Bl. 71 dA) hat sie bestritten, dass ein Diebstahl tatsächlich stattgefunden habe. Unmittelbar danach wurde dann der Zeuge L…… von der Klägerin auch benannt.

Die Ausführungen der Beklagtenseite zu dem von ihr behaupteten Unstimmigkeiten im Hinblick auf die Aussage des Zeugen L…… bzw. dessen Angaben zu den eingebauten Xenon-Scheinwerfers können die Glaubwürdigkeit des Zeugen ebenfalls nicht in Zweifel ziehen. Denn bereits die objektive Unrichtigkeit der Aussage als solche hat die Klägerin substantiiert bestritten, indem sie ausführte, dass und weshalb die Beklagte insoweit in technischer Hinsicht irrt (S. 2 des Schriftsatzes vom 04.04.2022). Entgegen der Behauptung der Klägerin lässt sich das Fehlen von Xenon-Scheinwerfern auch nicht den Gutachten des Sachverständigen G…… vom 07.02.2020 entnehmen, der diese zwar auf den vorhandenen Fotos nicht erkannt, sie aber gleichwohl seiner Restwertberechnung zugrunde gelegt hat. Die bloße Mutmaßung der Unrichtigkeit seiner Aussage kann angesichts dessen die Glaubwürdigkeit des Zeugen L…… nicht erschüttern. Andere Umstände, die dessen Glaubwürdigkeit in Zweifel ziehen könnten, hat die Beklagte nicht aufgezeigt und sie sind auch sonst aus der Akte nicht ersichtlich. Die Zweifel an der Verwertbarkeit seiner Aussage vom 16.08.2019 zur Abstellsituation durch den erkennenden Richter, der diesen Zeugen nur am 30.04.2021 zu einem anderen Beweisthema selbst vernommen im Übrigen aber auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.08.2019 im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat, hat das Erstgericht im Urteil zutreffend zurückgewiesen. Auch hierauf hat die Beklagte sich in ihrer Berufungsbegründung nicht mehr berufen.

Damit steht das äußere Bild eines Diebstahls auch für den Senat fest.

2.

Soweit die Beklagte die Redlichkeit (“Glaubwürdigkeit“) des Geschäftsführers der Klägerin zugleich mit dem Diebstahl als solchen in Zweifel zieht, so kann hierin inzident die Behauptung eines nur vorgetäuschten Diebstahls gesehen werden. Sofern das Vorbringen der Beklagten in diese Richtung zu verstehen wäre, wäre dieser allerdings der von ihr hierfür zu erbringende Beweis nicht gelungen. Zwar kämen auch ihr hierbei Beweiserleichterungen zugute. Beweist sie konkrete Tatsachen, die die Annahme mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nahelegen, dass der Diebstahl nur vorgetäuscht ist, wird sie von der Leistung frei, wenn nicht der Versicherungsnehmer den vollen Beweis für den Diebstahl erbringt (vgl. BGH, Urteil vom 13.12.1995 – 4 ZR 54/95, Urteil vom 16.10.1996 – IV ZR 154/95; Beschluss vom 13.12.2017 – IV 319/16 – jeweils nach juris). Zu beachten ist hierbei, dass für die Klägerin der Grundsatz der Redlichkeit des Versicherungsnehmers streitet. Nach diesem Grundsatz wird vermutet, dass der Versicherungsnehmer regelmäßig keinen Versicherungsfall, hier einen Diebstahl, vortäuscht, sondern wahrheitsgemäße Angaben hierzu macht. Soll die Redlichkeitsvermutung im Einzelfall erschüttert werden, so obliegt dem Versicherungsnehmer die volle Beweislast für diejenigen Tatsachen, mit deren Hilfe die Redlichkeitsvermutung erschüttert werden soll (vgl. Senat, Beschluss vom 30.10.2018 – 4 U 1272/18 – juris Rz. 4; OLG Dresden, Beschluss vom 12.02.2014 – 7 U 871/13, Leitsatz nach juris). Die von der Beklagten behaupteten unwahren Angaben des Geschäftsführers der Klägerin im Zusammenhang mit einem Schadensfall aus einer anderen Versicherung (Reparaturschäden) können als wahr unterstellt werden, ohne dass dies die Redlichkeitsvermutung erschüttern würde. Denn diese – unterstellten – falschen Angaben könnten allenfalls zu der Annahme führen, dass dem Geschäftsführer der Klägerin an einer Maximierung der Versicherungsleistungen gelegen war. Ein Rückschluss darauf, dass er auch einen Diebstahl als solchen in Gänze vortäuschen wollen würde, liegt jedenfalls nicht mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nahe. Gleiches gilt für die übrigen von der Beklagten gegen die Redlichkeit des Geschäftsführers der Klägerin ins Feld geführten Umstände, denn diese betreffen ebenfalls lediglich die mutmaßliche Höhe etwaiger Versicherungsleistungen.

3.

Die Beklagte ist auch nicht wegen arglistiger oder auch nur vorsätzlicher Obliegenheitspflichtverletzung von ihrer Leistungspflicht befreit, §§ 28 Abs. 2 Satz 1, Satz 2; Abs. 3 Satz 2 VVG.

a) Die Beklagte hat nicht nachweisen können, dass der Geschäftsführer der Klägerin die in Buchstabe E. 1.3 AKB 7/2014 enthaltene Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Angabe arglistig verletzt hat. Arglist ist eine qualifizierte Form des Vorsatzes. Der Versicherungsnehmer muss vorsätzlich eine Obliegenheit verletzen mit der Absicht, sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen oder ein Vorgehen des Versicherers zu verhindern, das gerade durch die Obliegenheit gesichert werden sollte. Dabei reicht es auch, dass der Versicherungsnehmer diese Nachteile billigend in Kauf nimmt. Arglist schließt den Kausalitätsgegenbeweis des Versicherungsnehmers aus. Allerdings ist der Versicherer voll beweispflichtig für die Arglist des Versicherungsnehmers (Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., AKB 2015 E 2 Rz. 6 m.w.N.). Vorliegend konnte die Beklagte, worauf das Landgericht zutreffend hinweist, bereits keine objektiv falsche Angabe des Versicherungsnehmers beweisen, aber auch ein arglistiges Verschweigen weiterer, den Versicherungsnehmer u.U. bekannter Umstände ist von der Beklagten nicht bewiesen worden. aa) Die Angabe, dass im Januar 2014 die Laufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeuges bei 42.300 km gelegen habe, kann nicht als falsch angesehen werden, denn die Beklagte beruft sich lediglich darauf, bei einer am 19.06.2014 stattgefundenen Hauptuntersuchung habe der Kilometerstand bei rd. 50.000 km gelegen. Dies schließt aber den vom Geschäftsführer der Klägerin mitgeteilten Kilometerstand im Januar desselben Jahres nicht aus, denn dies ergibt eine weitere unterstellte Laufleistung von rd. 1.600 km pro Monat. Dass er einen ihn bekannten späteren Kilometerstand gemäß Eintrag im Hauptuntersuchungsprotokoll arglistig verschwiegen hätte, lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Wie das Landgericht in der Gesamtschau der Zeugenaussagen S……, F…… und der Aussage des Geschäftsführers geschlussfolgert hat, durfte der Geschäftsführer der Klägerin sich nach Aussagen des Zeugen S… darauf verlassen, dass ein früherer, möglicherweise nicht nur unwesentlich unzutreffender Kilometerstand „besser sei als gar nichts“ sei. Auch wenn ihm aufgrund vorangegangener Kfz-Diebstähle die Brisanz falscher Angaben bekannt gewesen sein dürfte, erscheint es jedenfalls als möglich, dass der Kläger aufgrund der hier vorliegenden Konstellation, nämlich der Anwesenheit nicht nur des Herrn S…… als Versicherungsvertreter, sondern auch eines weiteren Angestellten der Beklagten vorliegend für ausreichend hielt, es bei dieser ersichtlich nun nicht mehr zutreffenden Information zu belassen. Dass dem Geschäftsführer der Klägerin der im Protokoll der Hauptuntersuchung festgehaltene Kilometerstand bekannt war, hat die Beklagte ebenfalls nicht beweisen können. Denn selbst die von der Beklagten bewiesene Tatsache, dass die Hauptuntersuchung jedenfalls auf dem Betriebsgelände der Klägerin stattgefunden hatte, weil nach Angaben des Zeugen F…… der TÜV dort zum streitgegenständlichen Zeitpunkt eine Prüfstelle unterhalten hatte, bedeutet nicht, dass die Klägerin in seine Betriebsunterlagen sämtliche Ergebnisse der Hauptuntersuchungen eingepflegt hat. Es ist auch nicht ohne Weiteres üblich, dass das Ergebnis einer TÜV-Prüfung, selbst wenn sie in einer Werkstatt durchgeführt wird, in das System der Werkstatt eingepflegt wird. Damit erscheint es durchaus als möglich, dass der Geschäftsführer der Klägerin der im TÜV-Bericht eingetragene Kilometerstand nicht vorlag und auch nicht in seinem System abrufbar war. Letztlich kommt es hierauf aber auch nicht an, denn nach dem insoweit auch nichtdurchgreifend in Zweifel gezogenen Ergebnis der Beweisaufnahme durfte der Geschäftsführer der Klägerin annehmen, dass es mit dem letzten ihm bewusst oder auf die Schnelle auffindbaren Kilometerstand auch sein Bewenden habe und die Beklagte sich hiermit zufrieden geben würde. Aus diesem Grunde kommt es auf die von der Beklagten beanstandete Nichtvernehmung der Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin als Zeugen und dessen eidliche Parteivernehmung nicht an.

bb) Was die unterschiedlichen Preisangaben in Bezug auf die zusätzlichen Ausstattungseinbauten betrifft, so scheidet eine arglistige Täuschung bereits deshalb aus, weil die Klägerin gegenüber der Beklagten tatsächlich niedrigere Werte angegeben hatte. Zudem hat sie in der Berufungserwiderung die differierenden Wertangaben in nachvollziehbarer Weise mit den unterschiedlichen Fragestellungen jeweils von Versicherer und Sachverständigem begründet. In einem Falle war es um die mutmaßliche Wertsteigerung, im anderen um die tatsächlichen Kosten der zusätzlichen Ausstattungseinbauten gegangen.

b)

Auch eine sonstige vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschangabe scheidet vor diesem Hintergrund aus, jedenfalls aber würde der Klägerin der bei nicht arglistiger Obliegenheitsverletzung zu ermöglichende Kausalitätsgegenbeweis gelingen, weil unstreitig ein Mitarbeiter der Beklagten bei der Schadensaufnahme mit zugegen war und die Klägerin damit davon ausgehen konnte, dass der Beklagten sämtliche mitgeteilten Umstände, vor allem aber die Tatsache der fehlenden Aktualität des mitgeteilten Kilometerstandes auch bekannt waren.

3.

Auch die vom Landgericht zum ersatzpflichtigen Schaden getroffenen Feststellungen hat die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung nicht durchgreifend angegriffen. Das Landgericht war berechtigt, den Schaden auf der Grundlage des eingeholten Gutachtens nach § 287 ZPO zu schätzen. Hinreichende Anknüpfungstatsachen waren vorhanden. Dass der Sachverständige hierbei auch die „nicht sichtbaren“ Sonderausstattungsteile berücksichtigt hat, ist im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ohne Belang, weil sich die Wertdifferenz auf lediglich 966,39 € netto beläuft. Was die vom Sachverständigen angenommene Laufleistung betrifft, so hatten sich die Parteien entgegen dessen Annahme im Gutachten (S. 14 des Gutachtens) zwar nicht in rechtstechnischen Sinne auf diese Laufleistung „geeinigt“, es erscheint im Rahmen des § 287 ZPO aber angemessen, dieser von der Beklagten angestellten Hochrechnung für die Ermittlung des Kilometerstandes (Bl. 78 d.A.) zu folgen.

Vor dem Hintergrund all dessen rät der Senat zu einer Berufungsrücknahme, die zwei Gerichtsgebühren spart.

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