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Kfz-Kaskoversicherung – Nachweis eines Fahrzeugdiebstahls

OLG Hamm – Az.: I-20 U 120/17 – Urteil vom 14.03.2018

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26.06.2017 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen abgeändert und die Klage umfänglich abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

(abgekürzt gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO)

I.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

1. Dem Kläger steht der gemäß § 1 Satz 1, § 45 Abs. 3 VVG in Verbindung mit dem Versicherungsvertrag sowie mit A.2.2.2, A.2.6.1 AKB geltend gemachte Anspruch auf Ersatz des Wiederbeschaffungswertes in Höhe von unstreitig 15.500,00 EUR abzüglich der Selbstbeteiligung nach A.2.12 AKB in Höhe von unstreitig 150,00 EUR nicht zu.

Denn der darlegungs- und beweisbelastete Kläger konnte weder den Diebstahl des versicherten Fahrzeugs noch nur das „äußere Bild“ des Fahrzeugdiebstahls beweisen.

a) Dabei stehen dem Kläger für den Nachweis des – hier behaupteten – Diebstahls jedoch grundsätzlich Beweiserleichterungen dergestalt zur Seite, dass er auf der ersten Stufe zunächst nur einen Lebenssachverhalt nachzuweisen hat, der nach der Lebenserfahrung den Schluss auf einen bedingungsgemäßen Diebstahl zulässt. Dies ist anzunehmen, wenn der Versicherungsnehmer zur Überzeugung des Gerichts gemäß § 286 ZPO nachweist, dass er oder ein Dritter das versicherte Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit abgestellt und zu einem späteren Zeitpunkt entgegen seinem / dessen Willen nicht wieder aufgefunden hat (sog. „äußeres Bild“ eines versicherten Diebstahls; vgl. statt vieler m. w. N. Brockmöller, zfs 2017, 184; Senat Urt. v. 8.2.2012 – 20 U 172/11, VersR 2012, 1165 = juris Rn. 12; Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, Ziffer A. 2.2 AKB 2008, Rn. 18 f.).

Nur wenn dem Versicherer gegenüber dem Beweis des „äußeren Bildes“ auf der zweiten Stufe der Beweis von Tatsachen gelingt, aus denen sich die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Vortäuschung des Versicherungsfalls ergibt, hat der Versicherungsnehmer auf der dritten Stufe den Vollbeweis einer bedingungsgemäßen Entwendung zu erbringen (vgl. statt vieler m. w. N. Senat Urt. v. 3.7.2013 – 20 U 226/12, r+s 2013, 373 = juris Rn. 19).

b) Die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung des Gerichts erfordert keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (BGH Beseht, v. 18.1.2012 – IV ZR 116/11, VersR 2012, 849 Rn. 9).

Kfz-Kaskoversicherung - Nachweis eines Fahrzeugdiebstahls
(Symbolfoto: Daniel Jedzura/Shutterstock.com)

Grundlage der Feststellungen im Sinne des § 286 ZPO bezüglich des „äußeren Bildes“ eines Fahrzeugdiebstahls sind grundsätzlich die allgemeinen Beweismittel, insbesondere Zeugen. Stehen dem Versicherungsnehmer jedoch keine oder unzureichende / unergiebige Beweismittel oder nur Beweismittel zur Verfügung, denen nicht gefolgt zu werden vermag, kann die Darstellung des nach § 141 ZPO persönlich angehörten Versicherungsnehmers unter Umständen als glaubhaft betrachtet werden. Das setzt aber die aus der – zu vermutenden – Redlichkeit herzuleitende Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers voraus. Ist die Redlichkeitsvermutung durch unstreitige oder vom Versicherer bewiesene Indizien erschüttert, ohne dass bereits seine Unglaubwürdigkeit bewiesen sein müsste, kann der Versicherungsnehmer den erforderlichen Beweis für das äußere Bild eines versicherten Diebstahls allein durch seine Angaben nicht erbringen (vgl. BGH Urt. v. 24.4.1991 – IV ZR 172/90, VersR 1991, 917 = juris Rn. 18 ff.; Senat Urt. v. 3.7.2013 – 20 U 226/12, r+s 2013, 373 = juris Rn. 23; KG Besohl. v. 10.4.2014 – 6 U 107/09, juris Rn. 11).

c) Vor diesem Hintergrund konnte der Senat nicht in Zweifeln Schweigen gebietender Weise feststellen, dass das versicherte Fahrzeug von der … am 23.09.2014 gegen 20.00 Uhr vor der Medi-Therme in Bochum abgestellt und gegen ihren Willen gegen 23.00 Uhr nicht wieder aufgefunden worden ist. Auf die Angaben des Klägers persönlich und die Redlichkeitsvermutung kommt es dabei nicht an, da er nach eigener Behauptung weder beim Abstellen noch beim Nichtwiederauffinden zugegen war. Die verbleibenden Zweifel gehen dabei zu Lasten des beweisbelasteten Klägers.

Die unüberwindlichen Zweifel an der Richtigkeit des an sich widerspruchsfrei geschilderten Abstellens und Nichtwiederauffindens stützen sich auf Widersprüche zum Randgeschehen, die Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben zum Kerngeschehen und an der Glaubwürdigkeit der Zeugin insgesamt begründen.

In erster Linie zweifelt der Senat, da die Zeugin nach den glaubhaften Angaben des glaubwürdigen Polizisten … als Zeugen vor dem Senat und entsprechend dem Inhalt der Strafanzeige vom 24.09.2014 (Anl. B2) beim Eintreffen der Polizei angab, dass sich der Zweitschlüssel zum Fahrzeug „im Gewahrsam des Lebensgefährten“ befinde. Diese Angabe konnte sich der Zeuge nicht ausdenken oder aufgrund eines Versehens fehlerhaft niedergeschrieben haben, was er vor dem Senat auch überzeugend ausgeschlossen hat, da die Angabe Informationen betrifft, die ausschließlich aus der Sphäre der Zeugin stammen konnten. Demgegenüber verweisen sowohl der Kläger als auch die Zeugin nachhaltig darauf, nie zwei Schlüssel besessen zu haben. Die Zeugin hat vorgetragen, dass dies seit ihrem Ersterwerb im Jahre 2010 gelte und ihr auch zum Zeitpunkt der Aussage gegenüber dem Zeugen grundsätzlich bewusst gewesen sei. Nicht nachvollziehbar sind insoweit die unterschiedlichen Erklärungsversuche der Zeugin für die aus ihrer Sicht falsche Angabe gegenüber dem Zeugen. Während sie vor dem Landgericht die Erklärung darin gesucht hat, sie habe diese Aussage gar nicht getroffen, hat sie vor dem Senat versucht, dies damit zu erklären, sie sei aufgrund der Umstände geschockt und verwirrt gewesen.

Nachhaltige Zweifel ergeben sich auch daraus, dass die Zeugin (wie im Übrigen auch der Kläger) sich im Umgang mit der Beklagten nicht redlich verhalten hat. So verwies sie im Schreiben vom 02.12.2014 (Anl. B3) darauf, dass sie „das Fahrzeug seinerzeit für 25.200,00 EUR von privat erworben“ habe. Diese Angabe ist nach ihren eigenen Schilderungen vor dem Landgericht und vor dem Senat falsch. Denn tatsächlich hatte sie persönlich allenfalls 10.000,00 EUR gezahlt und das Fahrzeug gemeinsam mit ihrem damaligen Lebensgefährten erworben. Entsprechend falsch war die Angabe des Klägers in seiner Schadensanzeige vom 10.10.2014 (Anl. B5), wonach er das Fahrzeug für 25.200,00 EUR erworben habe. Denn nach seinen eigenen Angaben vor dem Senat gab er dem ehemaligen Lebensgefährten tatsächlich im Tausch sein eigenes Fahrzeug im Wert von 13.000,00 bis 15.000,00 EUR sowie weitere 5.000,00 bis 7.000,00 EUR in bar. Vor dem Landgericht hatte er hingegen noch erklärt, 10.000,00 bis 12.000,00 EUR zugezahlt zu haben, was er vor dem Senat kategorisch ausgeschlossen hat.

Schließlich – auch wenn eine Vielzahl weiterer Gesichtspunkte die Zweifel bestärken – soll noch darauf verwiesen werden, dass die Zeugin den finanziellen Aufwendungen bei der Übertragung des Fahrzeugs von ihrem vormaligen Lebensgefährten zum Kläger nicht glaubhaft erklären konnte. Denn, nachdem sie nach ihren Angaben in den Ersterwerb des Fahrzeugs im Oktober 2010 noch ihr gesamtes erspartes Vermögen von 10.000,00 EUR gesteckt haben will, soll es ihr nur knapp vier Monate später im Februar 2011 völlig egal gewesen sein, dass der Kläger für das Fahrzeug an den ehemaligen Lebensgefährten einen Preis zahlte, der ihren Anteil am Fahrzeug mit einschloss. Und das, obwohl in der neuen Beziehung alles beiden gehören sollte und damit quasi 10.000,00 EUR im Gemeinschaftsvermögen fehlten.

2. Mangels Hauptforderung hat der Kläger auch keinen Anspruch auf die eingeklagten Nebenforderungen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO). Die Rechtssache weist weder grundsätzliche Bedeutung auf noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

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