Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Vollkaskoschaden nach Unfallflucht im Ausland: Versicherer muss nicht zahlen wegen Obliegenheitsverletzung
- Ausgangssituation: Unfall in Ungarn mit Fahrerflucht und verspäteter Schadensmeldung
- Streitpunkt: Verletzung von Pflichten nach dem Versicherungsfall – Leistungsfreiheit des Versicherers?
- Entscheidung des Kammergerichts Berlin: Berufung erfolglos, Klageabweisung bestätigt
- Begründung 1: Verstoß gegen Aufklärungspflicht durch Verlassen des Unfallorts trotz Fremdschadens
- Begründung 2: Fehlender Kausalitätsgegenbeweis – Konkrete Nachteile für den Versicherer
- Begründung 3: Vorsätzliche Verletzung der Anzeigepflicht durch verspätete Meldung
- Gesamtergebnis: Leistungsfreiheit der Versicherung wegen schwerwiegender Pflichtverletzungen bestätigt
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Pflichten habe ich als Versicherungsnehmer nach einem Unfall im EU-Ausland gegenüber meiner Kaskoversicherung?
- Was bedeutet Obliegenheitsverletzung und welche Konsequenzen hat sie für meinen Versicherungsschutz?
- Wann muss ich nach einem Unfall im EU-Ausland die Polizei verständigen, um meinen Versicherungsschutz nicht zu gefährden?
- Wie wirkt sich eine verspätete Schadensmeldung auf meinen Anspruch gegenüber der Kaskoversicherung aus?
- Welche Rolle spielen meine Sprachkenntnisse und die Umstände des Unfalls im Ausland bei der Beurteilung einer Obliegenheitsverletzung?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 14 U 142/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Kammergericht Berlin
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Versicherungsrecht, Allgemeines Zivilrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Versicherungsnehmer, der Erstattung von Reparaturkosten aus seiner Vollkaskoversicherung begehrt und gegen ein Urteil des Landgerichts Berufung eingelegt hat.
- Beklagte: Vollkaskoversicherer des Klägers, der die Leistung ablehnt.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Ein Versicherungsnehmer beschädigte sein Fahrzeug bei einem Unfall in Ungarn, bei dem auch eine Leitplanke beschädigt wurde. Er verließ den Unfallort ohne die Polizei zu rufen und meldete den Schaden erst drei Wochen später seinem Versicherer.
- Kern des Rechtsstreits: Der Kern des Rechtsstreits war, ob der Versicherungsnehmer seinen Anspruch aus der Vollkaskoversicherung verlor, weil er nach einem Unfall mit Fremdschaden den Unfallort verließ und den Schaden erst verspätet meldete. Es ging insbesondere um die Frage, ob diese Pflichtverletzungen ursächlich für Feststellungsnachteile beim Versicherer waren.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Kammergericht Berlin beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts zurückzuweisen. Damit bleibt die Entscheidung des Landgerichts bestehen, und die Beklagte ist nicht zur Leistung aus der Vollkaskoversicherung verpflichtet.
- Begründung: Das Gericht begründete dies mit der grob fahrlässigen Verletzung von zwei wichtigen Pflichten durch den Kläger. Er hatte den Unfallort mit Fremdschaden an der Leitplanke verlassen, ohne die Polizei hinzuzuziehen, und den Schaden erst drei Wochen später gemeldet. Der Kläger konnte nicht nachweisen, dass diese Pflichtverletzungen keine Nachteile für die Feststellung des Versicherungsfalls oder der Leistungspflicht des Versicherers verursachten.
- Folgen: Der Kläger erhält keine Erstattung der Reparaturkosten von seiner Vollkaskoversicherung. Ihm wird geraten, die Berufung zurückzunehmen, um weitere Kosten zu vermeiden.
Der Fall vor Gericht
Vollkaskoschaden nach Unfallflucht im Ausland: Versicherer muss nicht zahlen wegen Obliegenheitsverletzung
Ein Autofahrer verursachte im Ausland einen Unfall mit seinem Fahrzeug, beschädigte dabei eine Leitplanke und verließ den Unfallort, ohne die Polizei zu rufen.

Erst drei Wochen später meldete er den Schaden seinem Vollkaskoversicherer. Das Kammergericht Berlin bestätigte nun die Entscheidung der Vorinstanz: Der Versicherer muss die Reparaturkosten nicht übernehmen, da der Versicherungsnehmer seine vertraglichen Pflichten grob fahrlässig und vorsätzlich verletzt hat. Dieses Urteil verdeutlicht die schwerwiegenden Konsequenzen von Unfallflucht und verspäteter Schadensmeldung für den Versicherungsschutz.
Ausgangssituation: Unfall in Ungarn mit Fahrerflucht und verspäteter Schadensmeldung
Der Versicherungsnehmer forderte von seinem Vollkaskoversicherer die Bezahlung von Reparaturkosten für sein Auto. Grundlage des Versicherungsschutzes waren die Allgemeinen Kraftfahrtbedingungen (AKB). Der Mann war mit seinem Fahrzeug auf einer Autobahn in Ungarn unterwegs, als er nach eigenen Angaben mit einer Leitplanke kollidierte. Er betrachtete den Schaden an der Leitplanke aus etwa sechs Metern Entfernung und entschied, dass „kein großer Schaden entstanden“ sei. Allerdings räumte er ein, dass die Leitplanke „Kratzspuren“ aufwies, was eindeutig auf einen Schaden am Eigentum eines Dritten – einen sogenannten Fremdschaden – hindeutet.
Trotz dieses Fremdschadens verließ der Versicherungsnehmer den Unfallort, ohne die Polizei hinzuzuziehen, um den Unfall aufnehmen zu lassen. Erst drei Wochen nach dem Vorfall meldete er den Schaden bei seiner Versicherung. Seine Angaben zum genauen Unfallort waren dabei auffallend vage: Er nannte lediglich die Autobahn M1 zwischen zwei Orten und eine ungefähre Fahrzeit von „zwei Stunden nach Budapest, aber noch vor XXX“. Detaillierte Informationen, insbesondere zu einem möglichen anderen Unfallbeteiligten oder genaueren Umständen, fehlten ebenfalls.
Streitpunkt: Verletzung von Pflichten nach dem Versicherungsfall – Leistungsfreiheit des Versicherers?
Der Kern des Rechtsstreits lag in der Frage, ob der Versicherungsnehmer durch sein Verhalten nach dem Unfall seine vertraglichen Pflichten, die sogenannten Obliegenheiten, verletzt hat und ob der Versicherer deshalb von seiner Leistungspflicht befreit ist. Die Versicherung argumentierte, dass das Verlassen des Unfallorts trotz Fremdschadens und die stark verspätete Meldung des Vorfalls gravierende Verstöße gegen die Versicherungsbedingungen (AKB) und das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) darstellen. Gemäß § 28 Absatz 2 Satz 2 VVG in Verbindung mit den einschlägigen Klauseln der AKB (hier B.4.7.1 AKB) kann der Versicherer bei einer Obliegenheitsverletzung die Leistung verweigern.
Der Versicherungsnehmer hingegen argumentierte, er sei aufgrund der besonderen Umstände – Unfall im Ausland, fehlende Sprachkenntnisse – entschuldigt. Zudem behauptete er, die Pflichtverletzungen seien nicht ursächlich für Nachteile des Versicherers gewesen. Schließlich meinte er, die Versicherung könne sich wegen einer angeblich abweichenden Regulierungspraxis in der Vergangenheit nicht auf die verspätete Meldung berufen. Das Landgericht Berlin hatte die Klage des Versicherungsnehmers bereits abgewiesen, wogegen dieser Berufung einlegte.
Entscheidung des Kammergerichts Berlin: Berufung erfolglos, Klageabweisung bestätigt
Das Kammergericht Berlin teilte die Auffassung des Landgerichts und kündigte an, die Berufung des Versicherungsnehmers gemäß § 522 Absatz 2 ZPO zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe. Die Richter waren einstimmig der Meinung, dass die Entscheidung der Vorinstanz korrekt ist. Damit bleibt es dabei: Der Versicherer ist leistungsfrei und muss die Reparaturkosten nicht erstatten.
Begründung 1: Verstoß gegen Aufklärungspflicht durch Verlassen des Unfallorts trotz Fremdschadens
Das Gericht stellte fest, dass der Versicherungsnehmer gegen seine Aufklärungsobliegenheit gemäß B 4.1.2 AKB verstoßen hat. Diese Klausel verpflichtet den Versicherungsnehmer, nach einem Unfall alles zu tun, um den Sachverhalt und den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers aufzuklären. Eine zentrale Pflicht dabei ist es, den Unfallort nicht zu verlassen, ohne die gesetzlich erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen – insbesondere durch das Hinzuziehen der Polizei bei einem Fremdschaden.
Nach dem eigenen Vortrag des Versicherungsnehmers lag ein Fremdschaden vor, da die Leitplanke Kratzspuren aufwies. Auch wenn er den Schaden als gering einschätzte, konnte ein Fremdschaden oberhalb der Bagatellgrenze von etwa 50 Euro nicht ausgeschlossen werden. Das Unterlassen der polizeilichen Unfallaufnahme stellt unter diesen Umständen einen klaren Verstoß gegen die vertragliche Pflicht dar. Das Gericht betonte, dass es sich hierbei um eine elementare Obliegenheit handelt, die jedem Kraftfahrer bekannt sein müsse.
Die Verletzung dieser Pflicht gefährdet massiv die Interessen des Versicherers. Dieser hat ein berechtigtes Interesse daran, den Unfallhergang und die Ursachen genau aufzuklären. Nur so kann er prüfen, ob möglicherweise Gründe vorliegen, die ihn von der Leistung befreien, wie zum Beispiel eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Fahrers oder eine grob fahrlässige Herbeiführung des Unfalls (§ 81 VVG).
Das Gericht wertete das Verhalten des Versicherungsnehmers als grob fahrlässig im Sinne von § 28 Absatz 2 Satz 1 VVG und B 4.7.1 AKB. Er habe den Unfallort wissentlich und willentlich verlassen, obwohl er den Fremdschaden an der Leitplanke erkannt hatte, und somit bewusst die notwendigen polizeilichen Feststellungen verhindert.
Grobe Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers trotz Auslandsaufenthalt
Die vom Versicherungsnehmer vorgebrachten Entschuldigungsgründe – der Unfall habe sich im EU-Ausland ereignet und er habe keine ausreichenden Sprachkenntnisse besessen – ließ das Gericht nicht gelten. Es sei zumutbar und möglich gewesen, die Polizei zu verständigen, notfalls unter Zuhilfenahme von Hilfsmitteln wie Online-Übersetzungsprogrammen. Die fehlende polizeiliche Aufnahme und die sehr ungenauen Angaben zum Unfallort machten es dem Versicherer unmöglich, eigene Ermittlungen anzustellen oder den Hergang nachzuvollziehen.
Begründung 2: Fehlender Kausalitätsgegenbeweis – Konkrete Nachteile für den Versicherer
Nach § 28 Absatz 3 Satz 1 VVG in Verbindung mit B.4.7.1 b) AKB bleibt der Versicherer trotz einer Obliegenheitsverletzung zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass die Verletzung weder für die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich war. Diesen sogenannten Kausalitätsgegenbeweis konnte der Versicherungsnehmer nach Ansicht des Gerichts nicht erbringen.
Der Versicherungsnehmer muss beweisen, dass dem Versicherer durch die Pflichtverletzung keinerlei Feststellungsnachteile entstanden sind. Bleibt unklar, ob dem Versicherer durch die Verletzung Nachteile entstanden sind, geht dies zulasten des Versicherungsnehmers, und der Versicherer ist leistungsfrei. Entscheidend ist dabei nicht, ob die Ermittlungen schwierig gewesen wären, sondern ob sie im Ergebnis möglicherweise für den Versicherer günstiger hätten ausfallen können.
Der Versicherer hatte im Prozess konkret dargelegt, welche Ermittlungen er bei einer zeitnahen Meldung und polizeilichen Aufnahme durchgeführt hätte: genaue Lokalisierung des Unfallorts, Prüfung möglicher Videoaufzeichnungen, Identifizierung eines eventuellen (Mit-)Verursachers und vor allem die Prüfung eigener Leistungsfreiheit wegen fehlenden Versicherungsfalls, grober Fahrlässigkeit oder einer möglichen Alkoholisierung des Fahrers zum Unfallzeitpunkt.
Durch das unerlaubte Entfernen vom Unfallort wurden genau diese Feststellungen vereitelt. Insbesondere war eine Überprüfung des Zustands des Fahrers (Alkoholeinfluss) unmittelbar nach dem Unfall nicht mehr möglich. Damit lagen konkrete Feststellungsnachteile für den Versicherer vor. Der spätere, vage Vortrag des Versicherungsnehmers konnte diese Nachteile nicht ausräumen. Die unpräzisen Ortsangaben und die fehlenden Details verstärkten die Bedenken des Gerichts hinsichtlich der Glaubwürdigkeit und der Notwendigkeit einer umfassenden Aufklärung direkt nach dem Ereignis. Auf die spätere Begutachtung des Schadens am Fahrzeug des Versicherungsnehmers kam es angesichts der anderen schwerwiegenden Nachteile nicht mehr an.
Das Gericht wies zudem darauf hin, dass der Versicherungsnehmer sich nicht darauf berufen könne, über die Folgen der Pflichtverletzung nicht belehrt worden zu sein (§ 28 Absatz 4 VVG). Für Pflichten, die spontan nach Eintritt des Versicherungsfalls erfüllt werden müssen, wie das Verbleiben am Unfallort, gibt es naturgemäß keine Möglichkeit einer vorherigen Belehrung durch den Versicherer.
Begründung 3: Vorsätzliche Verletzung der Anzeigepflicht durch verspätete Meldung
Neben der Unfallflucht sah das Gericht auch einen Verstoß gegen die Anzeigeobliegenheit gemäß Ziffer B.4.1.1 AKB als gegeben an. Der Versicherungsnehmer hatte den Unfall unstrittig erst drei Wochen nach dem Ereignis gemeldet. Üblich ist in den Bedingungen oft eine Frist von einer Woche. Das Gericht wertete diese erhebliche Verspätung als vorsätzlichen Verstoß gegen die vertraglichen Pflichten.
Kein Vertrauensschutz durch frühere Schadensregulierung
Der Einwand des Versicherungsnehmers, der Versicherer handele treuwidrig (§ 242 BGB), weil er sich in der Vergangenheit bei anderen Schäden möglicherweise kulanter gezeigt habe, wurde zurückgewiesen. Es gebe kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass man folgenlos gegen vertragliche Obliegenheiten verstoßen könne. Selbst wenn ein Versicherer in Einzelfällen auf die Geltendmachung von Pflichtverletzungen verzichtet, begründet dies kein Recht des Versicherungsnehmers, seine Pflichten auch in Zukunft zu missachten. Der vom Versicherungsnehmer angeführte frühere Schadensfall stützte sein Argument ebenfalls nicht, da die Umstände anders lagen und die Meldung dort fristgerecht erfolgt war. Auch unzureichende Sprachkenntnisse entschuldigen einen deutschen Staatsbürger nicht bei der Einhaltung deutscher Versicherungsbedingungen. Er hätte sich gegebenenfalls Hilfe suchen müssen.
Gesamtergebnis: Leistungsfreiheit der Versicherung wegen schwerwiegender Pflichtverletzungen bestätigt
In der Gesamtschau kam das Kammergericht Berlin zu dem Schluss, dass die grob fahrlässige Verletzung der Aufklärungspflicht durch das Verlassen des Unfallorts trotz Fremdschadens und die vorsätzliche Verletzung der Anzeigepflicht durch die massive Verspätung der Meldung die Leistungsfreiheit des Versicherers begründen. Diese beiden Pflichten sind zentral, da sie dem Versicherer erst ermöglichen, den Sachverhalt aufzuklären und mögliche Gründe für eine Leistungsverweigerung (wie Alkohol oder Grobe Fahrlässigkeit) zu prüfen. Da der Versicherungsnehmer diese grundlegenden Obliegenheiten schwerwiegend verletzt und die daraus resultierenden Nachteile für den Versicherer nicht widerlegt hat, bleibt die Versicherung von ihrer Zahlungspflicht befreit. Die Berufung des Versicherungsnehmers hatte somit keine Aussicht auf Erfolg. Das Gericht riet dem Versicherungsnehmer abschließend, die Berufung zur Vermeidung weiterer Kosten zurückzunehmen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass Versicherungsnehmer nach einem Unfall mit Fremdschaden verpflichtet sind, am Unfallort zu bleiben und zeitnah den Schaden zu melden, selbst im Ausland. Bei Unfallflucht und verspäteter Meldung (hier drei Wochen) kann die Vollkaskoversicherung leistungsfrei werden, da dem Versicherer wichtige Feststellungsmöglichkeiten genommen werden (z.B. zur Alkoholisierung oder zum genauen Unfallhergang). Das Verlassen des Unfallorts trotz erkennbaren Fremdschadens wird als grob fahrlässiger Verstoß gegen die vertraglichen Obliegenheiten gewertet, selbst wenn der Fahrer die Bedingungen im Ausland als schwierig empfindet.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Pflichten habe ich als Versicherungsnehmer nach einem Unfall im EU-Ausland gegenüber meiner Kaskoversicherung?
Wenn Sie mit Ihrem Fahrzeug im EU-Ausland einen Unfall haben und der Schaden durch Ihre Kaskoversicherung abgedeckt ist (zum Beispiel bei einem selbstverschuldeten Unfall, Wildschaden oder Sturmschaden, je nach Ihrer Kasko-Art), haben Sie bestimmte Pflichten gegenüber Ihrer Versicherung. Diese Pflichten sind wichtig, damit die Versicherung den Schaden richtig prüfen und bezahlen kann. Sie ergeben sich hauptsächlich aus Ihrem Versicherungsvertrag, den sogenannten Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB), und den gesetzlichen Regeln für Versicherungen (Versicherungsvertragsgesetz, VVG).
Pflicht zur Schadensmeldung (Meldepflicht)
Eine Ihrer wichtigsten Pflichten ist es, den Schaden Ihrer Kaskoversicherung sofort oder so schnell wie möglich zu melden. Im Versicherungsvertrag steht oft der Begriff „unverzüglich“. Das bedeutet, Sie dürfen die Meldung nicht unnötig verzögern. Meistens sind damit wenige Tage gemeint. Sie müssen der Versicherung mitteilen, wann und wo der Unfall passiert ist und wie der Schaden an Ihrem Fahrzeug entstanden ist. Geben Sie dabei alle Ihnen bekannten Umstände wahrheitsgemäß an.
Pflicht zur Mithilfe bei der Prüfung (Aufklärungspflicht)
Sie haben auch die Pflicht, Ihrer Versicherung bei der Aufklärung des Schadens zu helfen. Das bedeutet, Sie müssen alle Informationen bereitstellen, die die Versicherung braucht, um den Schaden prüfen zu können. Dazu gehört, dass Sie Fragen der Versicherung beantworten, relevante Dokumente vorlegen (wie zum Beispiel Fotos, Unfallberichte, Reparaturkostenvoranschläge) und der Versicherung gegebenenfalls die Möglichkeit geben, das beschädigte Fahrzeug zu besichtigen. Seien Sie hierbei vollständig und ehrlich.
Pflicht zur Dokumentation (Beweissicherung)
Es ist ratsam und gehört im weitesten Sinne zur Aufklärungspflicht, den Schaden und die Unfallumstände so gut wie möglich zu dokumentieren. Das bedeutet:
- Machen Sie Fotos vom Schaden an Ihrem eigenen Fahrzeug, der Unfallstelle und eventuell beteiligten anderen Fahrzeugen oder Gegenständen.
- Notieren Sie sich wichtige Details: Datum, Uhrzeit, genauer Ort des Unfalls.
- Sammeln Sie die Daten von möglichen Zeugen (Namen, Adressen, Telefonnummern).
- Falls die Polizei den Unfall aufgenommen hat, notieren Sie das Aktenzeichen.
Diese Dokumentation hilft Ihnen, Ihrer Aufklärungspflicht leichter nachzukommen, da Sie die notwendigen Informationen und Beweise zur Hand haben.
Was die Einhaltung der Pflichten bedeutet
Die Einhaltung dieser Pflichten ist entscheidend dafür, dass Ihre Versicherung den Schaden schnell und vollständig prüfen und regulieren kann. Wenn Sie Ihre Pflichten aus dem Versicherungsvertrag vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht erfüllen, kann dies unter Umständen dazu führen, dass die Versicherung die Leistung kürzt oder im schlimmsten Fall sogar ganz verweigert.
Diese Pflichten gelten grundsätzlich auch bei einem Unfall im EU-Ausland. Beachten Sie dabei, dass die Kommunikation mit Ihrer deutschen Versicherung aus dem Ausland oder die Beschaffung von Dokumenten (z.B. von der örtlichen Polizei) eventuell etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen kann. Informieren Sie Ihre Versicherung über solche Umstände.
Was bedeutet Obliegenheitsverletzung und welche Konsequenzen hat sie für meinen Versicherungsschutz?
Eine Versicherung ist ein Vertrag, der auf gegenseitigem Vertrauen beruht. Sie zahlen Beiträge, und im Gegenzug verspricht die Versicherung, Schäden unter bestimmten Bedingungen zu ersetzen. Damit das gut funktioniert, gibt es für beide Seiten Regeln. Die Versicherung hat Pflichten, aber auch Sie als Versicherungsnehmer haben welche. Diese Pflichten, die über das reine Zahlen der Beiträge hinausgehen, nennt man im Versicherungsdeutsch Obliegenheiten.
Was sind Obliegenheiten?
Obliegenheiten sind bestimmte Verhaltensregeln, die im Versicherungsvertrag festgelegt sind. Sie sind dazu da, das Risiko für die Versicherung kalkulierbar zu halten und Schäden möglichst gering zu halten oder zu verhindern. Es sind keine „echten“ Pflichten im Sinne, dass die Versicherung Sie zwingen könnte, sie zu erfüllen. Aber: Wenn Sie eine Obliegenheit nicht erfüllen, kann das Auswirkungen auf Ihren Versicherungsschutz haben.
Stellen Sie sich das wie Regeln für ein Spiel vor: Sie müssen sie nicht befolgen, aber wenn Sie es nicht tun, können Sie das Spiel verlieren (also Ihren Anspruch auf Leistung).
Typische Obliegenheiten in der Kaskoversicherung
In einer Kaskoversicherung gibt es verschiedene Obliegenheiten. Dazu gehören zum Beispiel:
- Die sogenannte „Schadensminderungspflicht“: Wenn ein Schaden passiert ist (z.B. ein Unfall), müssen Sie sich bemühen, den Schaden nicht noch größer werden zu lassen. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass Sie das Fahrzeug nach einem Unfall sichern, damit kein weiterer Schaden entsteht.
- Die Aufklärungsobliegenheit: Sie müssen der Versicherung helfen, den Schadenfall aufzuklären. Das heißt, Sie müssen den Schaden melden, wahrheitsgemäße Angaben zum Unfallhergang machen und notwendige Unterlagen bereitstellen.
- Die Sicherungsobliegenheit: Sie müssen sich darum kümmern, dass das versicherte Fahrzeug sicher ist. Das kann je nach Vertrag auch bedeuten, dass Sie bestimmte Diebstahlschutzvorrichtungen nutzen oder das Fahrzeug ordnungsgemäß abschließen.
Was ist eine Obliegenheitsverletzung und was sind die Folgen?
Eine Obliegenheitsverletzung liegt vor, wenn Sie eine dieser im Versicherungsvertrag festgelegten Regeln nicht einhalten.
Die Konsequenzen einer Obliegenheitsverletzung können für Ihren Versicherungsschutz sehr schwerwiegend sein. Im schlimmsten Fall kann die Versicherung ihre Leistung ganz oder teilweise verweigern. Man spricht dann von Leistungsfreiheit des Versicherers.
Ob die Versicherung die Leistung kürzen oder ganz verweigern darf, hängt davon ab, wie es zu der Verletzung kam und ob sie ursächlich für den Schaden oder dessen Umfang war:
- Vorsätzliche Verletzung: Haben Sie die Obliegenheit absichtlich (vorsätzlich) verletzt, kann die Versicherung in der Regel ihre Leistung komplett verweigern.
- Grob fahrlässige Verletzung: Haben Sie die Obliegenheit grob fahrlässig verletzt, das heißt, Sie haben in besonders schwerem Maße die nötige Sorgfalt außer Acht gelassen, kann die Versicherung ihre Leistung im Verhältnis zur Schwere Ihres Verschuldens kürzen. Bei besonders schwerer grober Fahrlässigkeit kann dies auch eine vollständige Leistungsfreiheit bedeuten.
Eine Ausnahme besteht, wenn die Obliegenheitsverletzung weder ursächlich für den Eintritt des Schadens noch für dessen Umfang war. Haben Sie zum Beispiel vergessen, einen bestimmten Diebstahlschutz zu aktivieren, aber der Schaden ist durch einen Sturm entstanden, der mit dem Diebstahlschutz nichts zu tun hat, darf die Versicherung die Leistung wegen dieser Obliegenheitsverletzung nicht verweigern. Allerdings gibt es hier viele Details, die im Einzelfall eine Rolle spielen können.
Für Sie als Versicherungsnehmer ist es wichtig, die im Versicherungsvertrag aufgeführten Obliegenheiten genau zu kennen und zu beachten. Denn eine Verletzung kann dazu führen, dass Sie trotz Versicherung auf Ihrem Schaden sitzen bleiben.
Wann muss ich nach einem Unfall im EU-Ausland die Polizei verständigen, um meinen Versicherungsschutz nicht zu gefährden?
Nach einem Verkehrsunfall im europäischen Ausland ist die Frage, ob die Polizei verständigt werden muss, für Ihren Versicherungsschutz wichtig. Die Notwendigkeit hängt stark von den Umständen des Unfalls und den Regelungen im jeweiligen Land sowie in Ihrem Versicherungsvertrag ab.
Ein Hauptgrund, die Polizei zu rufen, ist die Beweissicherung. Ihre Versicherung benötigt klare und neutrale Dokumentation des Unfallgeschehens, der Beteiligten und der Schäden, um den Fall bearbeiten zu können.
Personenschaden: Polizei ist fast immer notwendig
Wenn bei einem Unfall im EU-Ausland Personen verletzt wurden – sei es Insassen der Fahrzeuge, Fußgänger oder andere Beteiligte – ist die Verständigung der örtlichen Polizei fast immer zwingend erforderlich. Dies liegt zum einen an den gesetzlichen Vorschriften in den meisten Ländern, die bei Personenschäden eine polizeiliche Aufnahme des Unfalls vorschreiben. Zum anderen ist die polizeiliche Dokumentation von Verletzungen und Unfallhergang für die spätere Schadensregulierung, insbesondere bei Personenschäden, von entscheidender Bedeutung für die Versicherung.
Sachschaden: Abhängig von Schwere und Umständen
Bei Unfällen, bei denen ausschließlich Sachschaden entstanden ist, ist die Situation differenzierter:
- Erheblicher Sachschaden oder unklare Schuldfrage: Auch ohne Personenschäden kann die polizeiliche Aufnahme des Unfalls notwendig sein, wenn der Schaden erheblich ist (die Schwelle variiert je nach Land und Versicherungsvertrag) oder wenn die Schuldfrage unklar ist oder Uneinigkeit zwischen den Unfallbeteiligten besteht. Die Polizei fertigt neutrale Skizzen, Fotos und nimmt Aussagen auf, was eine wichtige Grundlage für die Versicherungsabwicklung darstellt.
- Kleinerer Sachschaden ohne Fremdbeteiligung: Haben Sie lediglich einen kleineren Schaden an Ihrem eigenen Fahrzeug verursacht (zum Beispiel beim Rangieren) und sind keine anderen Personen oder Fahrzeuge beteiligt, ist eine Verständigung der Polizei oft nicht zwingend erforderlich, sofern Ihr Versicherungsvertrag dies zulässt. In solchen Fällen ist es aber umso wichtiger, den Schaden umfassend selbst zu dokumentieren (Fotos, Skizze) und Ihrer Versicherung umgehend zu melden.
- Sachschaden mit Fremdbeteiligung und Einigkeit: Wenn bei einem Unfall mit Beteiligung anderer Fahrzeuge nur Sachschaden entstanden ist und sich alle Beteiligten über den Unfallhergang und die Schuldfrage einig sind, kann in einigen Ländern und je nach Versicherungsvertrag unter Umständen auf die Polizei verzichtet werden. Allerdings bergen solche Situationen das Risiko, dass ein Beteiligter seine Meinung später ändert. Eine polizeiliche Aufnahme bietet hier zusätzliche Sicherheit durch neutrale Dokumentation. Das Ausfüllen des Europäischen Unfallberichts gemeinsam mit dem Unfallgegner ist in solchen Fällen ratsam, ersetzt aber nicht immer eine polizeiliche Dokumentation, besonders bei größeren Schäden.
Lokale Besonderheiten und Versicherungsbedingungen
Es ist essenziell zu wissen, dass die Gesetze im jeweiligen EU-Land des Unfallortes die Regeln für die polizeiliche Meldepflicht bestimmen. Diese können sich von den deutschen Vorschriften unterscheiden. Informieren Sie sich idealerweise schon vor Reiseantritt über die Gegebenheiten im Urlaubsland.
Darüber hinaus hat auch Ihr individueller Versicherungsvertrag Bestimmungen dazu, wann ein Unfall der Polizei gemeldet werden muss, insbesondere im Ausland. Oftmals ist eine Meldepflicht bei Schäden über einem bestimmten Wert oder bei Personenschäden vertraglich festgeschrieben. Ein Verstoß gegen diese Meldepflichten kann im Einzelfall dazu führen, dass Ihr Versicherungsschutz eingeschränkt wird.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Bei Unfällen mit Personenschaden oder bei erheblichen Sachschäden oder unklarer Schuldfrage im EU-Ausland ist die Verständigung der Polizei zur Beweissicherung und Einhaltung lokaler Vorschriften fast immer dringend geboten, um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden. Bei kleineren, eindeutigen Sachschäden ohne Fremdbeteiligung kann im Einzelfall auf die Polizei verzichtet werden, dies sollte aber immer unter Berücksichtigung der lokalen Gesetze und der eigenen Vertragsbedingungen geprüft werden.
Wie wirkt sich eine verspätete Schadensmeldung auf meinen Anspruch gegenüber der Kaskoversicherung aus?
Wenn an Ihrem Fahrzeug ein Schaden entstanden ist, den Sie Ihrer Kaskoversicherung melden möchten, ist die schnelle Meldung sehr wichtig. Eine verspätete Schadensmeldung kann tatsächlich Auswirkungen auf Ihren Anspruch haben.
Warum schnelle Meldung wichtig ist
Versicherungen haben ein Interesse daran, Schäden möglichst schnell untersuchen zu können. Je länger Sie mit der Meldung warten, desto schwieriger kann es für die Versicherung werden, den Schaden und seine Ursache genau festzustellen oder festzustellen, wer dafür verantwortlich ist. Zum Beispiel können Unfallspuren verschwinden oder Zeugen sich nicht mehr erinnern.
Was „unverzüglich“ bedeutet
In vielen Versicherungsverträgen steht, dass Schäden „unverzüglich“ gemeldet werden müssen. Das bedeutet nicht sofort in der nächsten Sekunde, aber ohne schuldhaftes Zögern, sobald Sie vom Schaden erfahren haben. Stellen Sie sich vor, Sie entdecken heute einen Parkschaden – dann sollten Sie diesen in der Regel zügig melden, nicht erst in einigen Wochen. Die genaue Frist kann im Versicherungsvertrag stehen, oft ist aber die Formulierung „unverzüglich“ oder „sofort nach Kenntnis“ zu finden.
Folgen einer verspäteten Meldung
Melden Sie einen Schaden zu spät, kann das negative Folgen haben. Die Versicherung kann argumentieren, dass Ihre Verzögerung die Schadensuntersuchung erschwert oder unmöglich gemacht hat.
Die mögliche Folge ist eine Kürzung der Versicherungsleistung. In schweren Fällen kann die Versicherung die Zahlung sogar ganz verweigern. Dies hängt oft davon ab, ob die Versicherung beweisen kann, dass die verspätete Meldung ihr die Möglichkeit genommen hat, den Schaden richtig zu prüfen und dass ihr dadurch ein Nachteil entstanden ist.
Für Sie bedeutet das: Je länger Sie warten, desto größer wird das Risiko, dass die Versicherung Ihnen dies als Verstoß gegen Ihre sogenannten „Obliegenheiten“ (Pflichten aus dem Versicherungsvertrag) vorwirft und Ihren Anspruch kürzt oder ablehnt. Eine schnelle und wahrheitsgemäße Schadensmeldung liegt also in Ihrem eigenen Interesse, um Ihren Versicherungsschutz nicht zu gefährden.
Welche Rolle spielen meine Sprachkenntnisse und die Umstände des Unfalls im Ausland bei der Beurteilung einer Obliegenheitsverletzung?
Wenn Ihnen ein Schaden im Ausland zustößt, kann die Situation durch Sprachbarrieren oder die allgemeinen Umstände des Unfalls erschwert werden. Die Frage, ob solche Schwierigkeiten dazu führen, dass Ihnen keine „Obliegenheitsverletzung“ vorgeworfen werden kann, ist wichtig für Ihren Versicherungsschutz.
Was bedeutet Obliegenheit in der Versicherung?
Eine Obliegenheit ist eine Pflicht, die Sie als Versicherungsnehmer gegenüber Ihrer Versicherung haben. Diese Pflichten stehen oft in Ihren Versicherungsbedingungen. Ein häufiges Beispiel ist die Pflicht, einen Schaden unverzüglich zu melden oder die Pflicht, bei der Aufklärung des Schadenfalls mitzuwirken. Wenn Sie eine solche Pflicht verletzen (also nicht erfüllen), kann das dazu führen, dass die Versicherung ihre Leistung (die Zahlung des Schadens) kürzen oder sogar ganz verweigern darf.
Wie werden Sprachkenntnisse und Unfallumstände berücksichtigt?
Die Gerichte und auch die Versicherungen wissen, dass ein Unfall im Ausland, insbesondere in einer fremden Sprache und unter dem Eindruck des Geschehens (Schock), eine extrem belastende Situation ist. Ihre Sprachkenntnisse und die konkreten Umstände des Unfalls werden bei der Beurteilung, ob Sie eine Obliegenheit verletzt haben, durchaus berücksichtigt.
Es geht nicht darum, ob Sie unter Idealbedingungen hätten handeln können, sondern ob Ihnen das Erforderliche unter den tatsächlich gegebenen schwierigen Bedingungen zumutbar war.
Was wird als „zumutbare Anstrengung“ erwartet?
Obwohl es schwierig sein mag, wird von Ihnen erwartet, dass Sie alle Anstrengungen unternehmen, die unter den gegebenen Umständen vernünftigerweise von Ihnen erwartet werden können, um Ihren Pflichten nachzukommen.
Stellen Sie sich vor, Sie sprechen die Sprache nicht. Haben Sie versucht, mit Gesten zu kommunizieren? Konnten Sie Helfer vor Ort bitten, zu übersetzen oder zu helfen? Haben Sie versucht, über Ihr Handy Übersetzungs-Apps zu nutzen? Konnten Sie wenigstens die wichtigsten Daten (Namen der Beteiligten, Kennzeichen, Unfallort) notieren? Wichtig ist auch, dass Sie umgehend Kontakt zu Ihrer Versicherung aufnehmen, sobald dies möglich ist (z.B. nach dem ersten Schock, wenn Sie wieder Zugang zu Kommunikationsmitteln haben, oder nach Ihrer Rückkehr), und die Situation sowie Ihre Schwierigkeiten schildern.
Allein die Tatsache, dass es schwierig war, entschuldigt nicht, wenn Sie keinerlei Anstrengungen unternommen haben. Es wird von Ihnen ein aktiver Versuch erwartet, die Obliegenheit so gut wie möglich zu erfüllen oder zumindest die Versicherung über die Probleme zu informieren.
Wer muss was beweisen (Beweislast)?
Grundsätzlich muss die Versicherung beweisen, dass Sie eine Obliegenheit verletzt haben. Sie muss also darlegen, dass Sie beispielsweise eine bestimmte Information nicht oder nicht rechtzeitig gemeldet haben, obwohl Sie dazu verpflichtet waren.
In vielen Fällen muss die Versicherung auch beweisen, dass Ihre Pflichtverletzung ursächlich für einen Nachteil der Versicherung war (z.B. dass die spätere Meldung die Schadenaufklärung erschwert hat). Die genauen Regeln zur Beweislast können je nach Versicherungsvertrag und der Art der verletzten Obliegenheit variieren, aber die Beweislast für die Nichterfüllung der Obliegenheit liegt in der Regel bei der Versicherung.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Obliegenheiten
Obliegenheiten sind mit dem Versicherungsvertrag verbundene Verhaltenspflichten, die der Versicherungsnehmer erfüllen muss, um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden. Sie unterscheiden sich von „echten“ Pflichten dadurch, dass sie keine unmittelbare Pflicht zur Erfüllung darstellen, sondern bei Verletzung zur Kürzung oder Verweigerung der Versicherungsleistung führen können. Im vorliegenden Fall betreffen sie insbesondere die schnelle Meldung des Schadens sowie die Mitwirkung bei der Aufklärung des Unfalls. Wichtig ist, dass Obliegenheiten stets im Interesse der Versicherung die Schadensermittlung und -verhütung erleichtern sollen.
Beispiel: Wenn Sie einen Autounfall haben, sind Sie verpflichtet, den Schaden unverzüglich Ihrer Versicherung zu melden und bei der Aufklärung mitzuhelfen, damit die Versicherung schnell prüfen kann, ob sie zahlen muss.
Aufklärungsobliegenheit
Die Aufklärungsobliegenheit verpflichtet den Versicherungsnehmer, nach einem Versicherungsfall alle erforderlichen Informationen zu liefern und notwendige Maßnahmen zu ergreifen, damit der Versicherer den Schadenhergang und die Leistungspflicht feststellen kann. Dazu gehören z.B. wahre und vollständige Angaben zum Unfall, das Bereitstellen von Dokumenten oder die Möglichkeit für den Versicherer, den Schaden zu prüfen. Im untersuchten Fall bedeutete dies, am Unfallort zu bleiben und die Polizei hinzuzuziehen, um die gesetzlichen Feststellungen zu ermöglichen. Wird diese Obliegenheit verletzt, kann der Versicherer die Leistung ganz oder teilweise verweigern.
Beispiel: Nach einem Autounfall sollten Sie der Polizei alle Fragen ehrlich beantworten und die Unfallstelle nicht verlassen, bevor die Beamten eingetroffen sind, um die Lage aufzuklären.
Leistungsfreiheit des Versicherers wegen Obliegenheitsverletzung
Leistungsfreiheit bedeutet, dass der Versicherer infolge einer Verletzung von Obliegenheiten durch den Versicherungsnehmer ganz von der Verpflichtung zur Schadenregulierung befreit sein kann. Nach § 28 Absatz 2 VVG kann die Versicherung die Zahlung verweigern, wenn der Versicherungsnehmer grob fahrlässig oder vorsätzlich gegen Obliegenheiten verstößt und dadurch dem Versicherer ein Nachteil entsteht. Im vorliegenden Fall führte das Verlassen des Unfallorts ohne Polizeibeteiligung und die verspätete Schadensmeldung zur Leistungsfreiheit der Versicherung. Eine Ausnahme besteht nur, wenn der Versicherungsnehmer beweist, dass die Pflichtverletzung keinen Nachteil verursacht hat.
Beispiel: Wenn jemand einen Unfall verursacht und nicht die Polizei ruft, obwohl ein Fremdschaden vorliegt, kann die Versicherung die Reparaturkosten verweigern, weil die Pflicht zur Hilfeleistung und Aufklärung verletzt wurde.
Kausalitätsgegenbeweis
Der Kausalitätsgegenbeweis erlaubt es dem Versicherungsnehmer, zu widerlegen, dass eine Obliegenheitsverletzung für die Leistungsfreiheit des Versicherers maßgeblich war. Nach § 28 Absatz 3 VVG muss der Versicherungsnehmer nachweisen, dass die Verletzung weder Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Höhe der Versicherungsleistung hatte. Gelingt dieser Beweis nicht, kann der Versicherer die Zahlung verweigern. Im Fall des Unfallflüchtigen konnte der Versicherungsnehmer nicht darlegen, dass die verspätete Meldung und das Verlassen des Unfallorts keine Nachteile für den Versicherer verursacht haben.
Beispiel: Wenn Sie zu spät den Schaden melden, aber trotzdem beweisen können, dass die Versicherung den Unfallhergang ohne Schwierigkeiten hätte klären können, kann die Versicherung nicht die Zahlung verweigern.
Grobe Fahrlässigkeit
Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird – also wenn jemand grundlegende Vorsichtsregeln grob missachtet, die jedem verständigen Menschen auffallen müssten. Im Versicherungsrecht, insbesondere nach § 28 VVG, kann eine grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung dazu führen, dass die Versicherung ihre Leistung kürzt oder sogar ganz verweigert. Im Fall wurde das vorsätzliche Verlassen des Unfallorts trotz Fremdschaden als grob fahrlässig bewertet, weil der Versicherungsnehmer bewusst und wissentlich gegen seine Pflichten verstoßen hat.
Beispiel: Wenn jemand bei starkem Regen ohne Licht fährt und deshalb einen Unfall verursacht, kann dies als grob fahrlässig gelten, da elementare Vorsichtsmaßnahmen ignoriert wurden.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 28 Absatz 2 Satz 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Regelt die Leistungsfreiheit des Versicherers bei Verletzung einer Obliegenheit durch den Versicherungsnehmer, wenn diese grob fahrlässig oder vorsätzlich erfolgt ist. Obliegenheiten sind vertragliche Pflichten, deren Verletzung den Versicherungsschutz beeinträchtigen kann. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Versicherungsnehmer verletzte seine Obliegenheiten durch Unfallflucht und verspätete Meldung grob fahrlässig bzw. vorsätzlich, sodass der Versicherer gemäß dieser Vorschrift leistungsfrei ist.
- Allgemeine Kraftfahrtbedingungen (AKB), insbesondere B.4.1.2 und B.4.7.1: Enthalten die vertraglichen Pflichten des Versicherungsnehmers, u.a. die Pflicht zur Aufklärung des Versicherungsfalls und das Verbleiben am Unfallort zur Ermöglichung der Feststellung des Unfallhergangs. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Verletzung der Aufklärungsobliegenheit durch das unbefugte Entfernen vom Unfallort trotz erkennbaren Fremdschadens stellt eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar, die den Anspruch auf Versicherungsschutz entfallen lässt.
- § 28 Absatz 3 Satz 1 VVG: Die Obliegenheitsverletzung berechtigt nicht zur Leistungsfreiheit, wenn der Versicherungsnehmer beweist, dass die Pflichtverletzung weder für die Feststellung des Versicherungsfalls noch für Leistungspflichten ursächlich war. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Versicherungsnehmer konnte nicht nachweisen, dass dem Versicherer durch die Pflichtverletzungen keine Nachteile entstanden sind, sodass die Leistungsfreiheit des Versicherers greift.
- § 522 Absatz 2 Zivilprozessordnung (ZPO): Ermöglicht die Zurückweisung einer Berufung, wenn diese offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Kammergericht konnte die Berufung des Versicherungsnehmers aufgrund der eindeutigen Rechtslage ohne Weiteres zurückweisen.
- § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – Grundsatz von Treu und Glauben: Regelt den rechtsgeschäftlichen Vertrauensschutz und das Verhalten der Vertragsparteien in einem Versicherungsverhältnis. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht schloss einen Vertrauensschutz bezüglich entgegenstehender Kulanzregeln aus, da auch bei früherer abweichender Praxis kein Recht auf Pflichtverletzung besteht.
- § 81 VVG (grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls): Verleiht dem Versicherer unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, Leistungen zu kürzen oder zu verweigern, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig verursacht hat. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die grobe Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers durch Unfallflucht und mangelnde Schadensmeldung könnte auch eine Leistungsverweigerung wegen Schadensverursachung begründen.
Das vorliegende Urteil
KG Berlin – Az.: 14 U 142/23 – Beschluss vom 24.11.2023
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