Ein unerwarteter Rechtsstreit oder eine Schadensersatzforderung trifft Sie plötzlich? Dann stellt sich schnell die Frage: Wer trägt die Kosten?
Die Antwort liefert die Deckungszusage. Ihrer Versicherung. Sie gibt Ihnen finanzielle Sicherheit, um Ihr Recht zu verfolgen oder unberechtigte Ansprüche abzuwehren. Doch was genau steckt hinter diesem wichtigen Begriff? Welche rechtliche Wirkung hat die Deckungszusage, wie bekommt man sie, und worauf müssen Sie achten? Dieser Artikel erklärt kompakt und verständlich alles, was Sie darüber wissen sollten.
Übersicht
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Die Deckungszusage – Mehr als nur ein Stück Papier
- Was genau ist eine Deckungszusage? Die rechtlichen Grundlagen verständlich erklärt
- Der Weg zur Deckungszusage: Vom Antrag bis zur Entscheidung
- Formen der Deckungszusage: Nicht jede Zusage ist gleich
- Die Tücken im Detail: Fallstricke und Besonderheiten bei der Deckungszusage
- Die Deckungszusage in der Praxis: Was bedeutet das für Sie?

Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Definition: Die Deckungszusage ist die verbindliche Bestätigung der Versicherung, für Kosten eines Versicherungsfalls aufzukommen.
- Rechtswirkung: Eine vorbehaltlose Deckungszusage bindet den Versicherer rechtlich stark; spätere Einwände sind nur begrenzt möglich.
- Versicherungen: Wichtig bei Rechtsschutz-, Haftpflicht- und D&O-Versicherungen.
- Antrag: Der Versicherungsfall muss unverzüglich gemeldet werden. Oft übernimmt der Anwalt die Einholung der Zusage.
- Prüfung: Die Versicherung prüft unter anderem Versicherungsschutz, Risikoausschlüsse, Erfolgsaussichten (bei Rechtsschutz) und Wartezeiten.
- Frist: Versicherer müssen Anträge angemessen zügig prüfen (bei Rechtsschutz etwa 2–3 Wochen).
- Arten der Zusage:
- Vorbehaltlose Zusage: Volle Kostenübernahme gesichert.
- Zusage unter Vorbehalt: Versicherung kann später widerrufen.
- Teilweise Zusage: Nur bestimmte Kosten oder Teilaspekte sind abgedeckt.
- Konkludente Zusage: Auch durch schlüssiges Handeln (z.B. Anwaltbeauftragung) kann eine Deckungszusage entstehen.
- Grenzen: Deckungssumme, Selbstbeteiligung und Instanzen sind immer zu beachten.
- Ablehnung: Widerspruch, Ombudsmann oder gerichtliche Klage sind möglich.
Die Deckungszusage – Mehr als nur ein Stück Papier
Stellen Sie sich vor, Sie geraten unverschuldet in einen Verkehrsunfall und müssen Ihre Schadensersatzansprüche gerichtlich durchsetzen. Oder Ihr Arbeitgeber kündigt Ihnen überraschend, und Sie möchten sich dagegen wehren. Vielleicht werden Sie auch als Geschäftsführer eines Unternehmens für einen vermeintlichen Fehler haftbar gemacht. In all diesen Fällen können erhebliche Kosten für Anwälte, Gerichte und eventuell Sachverständige entstehen. Hier springt im Idealfall Ihre Versicherung ein – sei es die Rechtsschutz-, die private Haftpflicht- oder eine spezielle Berufshaftpflichtversicherung wie die D&O-Versicherung für Manager.
Der Dreh- und Angelpunkt für die Kostenübernahme ist die Deckungszusage (manchmal auch Kostendeckungszusage genannt). Sie ist die verbindliche Erklärung des Versicherers, für die Kosten eines bestimmten Versicherungsfalls im Rahmen des vereinbarten Versicherungsschutzes aufzukommen. Diese Zusage schafft Klarheit und finanzielle Sicherheit für den Versicherungsnehmer. Sie ist jedoch weit mehr als eine reine Formsache: Sie hat erhebliche rechtliche Konsequenzen, sowohl für den Versicherten als auch für den Versicherer.
Das Verständnis ihrer Funktionsweise, ihrer Voraussetzungen und ihrer Grenzen ist daher für jeden Versicherungsnehmer von großer Bedeutung, um seine Rechte effektiv wahrnehmen zu können. Dieser Ratgeber führt Sie durch die wichtigsten Aspekte der Deckungszusage, von den rechtlichen Grundlagen über den Antragsprozess bis hin zu praktischen Tipps und häufigen Fragen.
Was genau ist eine Deckungszusage? Die rechtlichen Grundlagen verständlich erklärt
Um die Tragweite einer Deckungszusage zu verstehen, müssen wir zunächst ihre rechtliche Natur und ihre verschiedenen Anwendungsbereiche beleuchten.
Definition: Die verbindliche Zusage des Versicherers
Im Kern ist die Deckungszusage eine Willenserklärung des Versicherungsunternehmens. Mit dieser Erklärung bestätigt der Versicherer, dass ein gemeldeter Sachverhalt als Versicherungsfall unter den bestehenden Vertrag fällt und er grundsätzlich bereit ist, die daraus entstehenden, versicherten Kosten zu übernehmen. Im Kontext einer Rechtsschutzversicherung bedeutet dies typischerweise die Übernahme von Anwalts- und Gerichtskosten für einen Rechtsstreit.
Bei einer Haftpflichtversicherung umfasst die Deckungszusage in der Regel zunächst die Kosten für die Abwehr unberechtigter Ansprüche (Rechtsschutzfunktion) und, falls die Ansprüche berechtigt sind, die Kosten für die Freistellung des Versicherten von diesen Ansprüchen bis zur Höhe der vereinbarten Versicherungssumme.
Diese Zusage ist nicht bloß eine unverbindliche Information, sondern eine rechtlich bindende Verpflichtung für den Versicherer. Sie schafft Vertrauen und ermöglicht es dem Versicherungsnehmer, die notwendigen Schritte zur Rechtsverfolgung oder Anspruchsabwehr einzuleiten.
Mehr als nur ein Versprechen: Das deklaratorische Schuldanerkenntnis
Juristisch wird die Deckungszusage als sogenanntes deklaratorisches Schuldanerkenntnis eingeordnet. Das klingt kompliziert, bedeutet aber im Grunde: Der Versicherer erkennt mit der Zusage an, dass er dem Grunde nach für diesen speziellen Fall leistungspflichtig ist. Diese rechtliche Einordnung hat weitreichende Folgen, wie der Bundesgerichtshof (BGH), Deutschlands höchstes Zivilgericht, mehrfach bestätigt hat (z.B. Urteil vom 16.07.2014, Az. IV ZR 88/13).
Die wichtigste Konsequenz: Dem Versicherer sind nach Erteilung einer vorbehaltlosen Deckungszusage sogenannte Einwendungen und Einreden verwehrt, die er zum Zeitpunkt der Zusage bereits kannte oder bei sorgfältiger Prüfung hätte kennen müssen.
Einfach ausgedrückt: Der Versicherer kann später nicht einfach sagen: „Oh, da haben wir etwas übersehen, wir zahlen doch nicht“, wenn der Grund für die Ablehnung schon bei der ursprünglichen Prüfung erkennbar war. Dies schützt den Versicherungsnehmer davor, dass der Versicherer seine Meinung grundlos ändert, nachdem der Versicherungsnehmer bereits im Vertrauen auf die Zusage gehandelt hat (z.B. einen Anwalt beauftragt hat). Die Deckungszusage erzeugt also einen starken Vertrauenstatbestand.
Wer braucht eine Deckungszusage? Anwendungsbereiche im Überblick
Deckungszusagen sind in verschiedenen Versicherungssparten relevant, insbesondere aber in:
- Rechtsschutzversicherung: Hier ist die Deckungszusage der Standardfall. Bevor Sie einen Anwalt beauftragen oder Klage einreichen, holen Sie (oder Ihr Anwalt) die Zusage ein, dass die Versicherung die Kosten für den Rechtsstreit übernimmt (abzüglich einer eventuellen Selbstbeteiligung).
- Haftpflichtversicherungen (Privat, Beruf, Kfz, Betrieb): Wenn jemand Schadensersatzansprüche gegen Sie erhebt, prüft Ihre Haftpflichtversicherung den Fall. Die Deckungszusage hier bedeutet oft zunächst, dass die Versicherung die Kosten für die Abwehr unberechtigter Ansprüche übernimmt (§ 100 Versicherungsvertragsgesetz – VVG). Stellt sich heraus, dass der Anspruch berechtigt ist, umfasst die Leistungspflicht auch die Freistellung von diesen Ansprüchen, also die Bezahlung des Schadens.
- D&O-Versicherung (Directors and Officers Liability Insurance): Dies ist eine spezielle Form der Berufshaftpflichtversicherung für Unternehmensleiter (Vorstände, Geschäftsführer) und Aufsichtsratsmitglieder. Werden diese persönlich für Managementfehler in Anspruch genommen, ist die Deckungszusage der D&O-Versicherung entscheidend für die Übernahme der oft sehr hohen Abwehr- und gegebenenfalls Schadensersatzkosten.
- Andere Versicherungsarten: Auch in anderen Bereichen, etwa bei bestimmten Krankheitskostenversicherungen für geplante Behandlungen oder in der Transportversicherung, kann eine vorherige Zusage der Kostenübernahme erforderlich oder sinnvoll sein.
Im Grunde ist eine Deckungszusage immer dann relevant, wenn durch einen Versicherungsfall potenziell hohe Kosten entstehen, deren Übernahme durch die Versicherung nicht von vornherein völlig außer Frage steht.

Der Weg zur Deckungszusage: Vom Antrag bis zur Entscheidung
Wie gelangt man nun zu dieser wichtigen Zusage? Der Prozess folgt in der Regel festen Schritten, birgt aber auch einige Hürden.
Den Versicherungsfall melden: So stellen Sie den Antrag richtig
Der erste Schritt ist immer die Meldung des Versicherungsfalls bei Ihrer Versicherung. Dies ist nicht nur eine Empfehlung, sondern oft auch eine vertragliche Pflicht (Obliegenheit). In Deutschland ist die Anzeigepflicht des Versicherungsfalls beispielsweise in § 30 VVG allgemein und spezifischer für die Haftpflichtversicherung in § 104 VVG geregelt. Für die Rechtsschutzversicherung ergibt sich die Notwendigkeit aus den Versicherungsbedingungen und dem Wesen der Versicherung selbst.
Es gibt grundsätzlich zwei Wege, die Deckungszusage zu beantragen:
- Sie als Versicherungsnehmer stellen selbst eine Anfrage: Sie schildern den Sachverhalt schriftlich oder über das Online-Portal Ihrer Versicherung und bitten um Bestätigung der Kostenübernahme.
- Ein Rechtsanwalt holt die Deckungszusage für Sie ein: Dies ist insbesondere im Rechtsschutzbereich üblich. Sie beauftragen einen Anwalt, schildern ihm den Fall, und dieser übernimmt die Kommunikation mit der Versicherung, um die Deckungszusage zu erwirken.
Wichtig: Versäumen Sie die Meldung und die Einholung der Deckungszusage, obwohl Sie dazu verpflichtet wären (was meist der Fall ist, bevor Kosten verursacht werden), riskieren Sie im schlimmsten Fall den Verlust Ihres Versicherungsschutzes für diesen Fall (§ 28 VVG – Verletzung von Obliegenheiten).
Die Prüfung durch den Versicherer: Was wird kontrolliert?
Nachdem der Antrag eingegangen ist, beginnt die Prüfung durch das Versicherungsunternehmen. Der Versicherer schaut sich den gemeldeten Sachverhalt genau an und gleicht ihn mit den Bedingungen Ihres Versicherungsvertrages ab. Typische Prüfpunkte sind:
Fällt der Sachverhalt unter den Versicherungsschutz? Ist das betreffende Rechtsgebiet (bei Rechtsschutz) oder das verursachte Risiko (bei Haftpflicht) überhaupt versichert? Gibt es Risikoausschlüsse im Vertrag, die hier greifen?
Ist der Versicherungsfall während der Vertragslaufzeit eingetreten? Der Schutz gilt nur für Ereignisse, die nach Vertragsbeginn (und ggf. nach Ablauf von Wartezeiten) stattgefunden haben.
Sind eventuelle Wartezeiten erfüllt? Insbesondere bei Rechtsschutzversicherungen gibt es oft Wartezeiten (z.B. drei Monate) für bestimmte Rechtsbereiche (z.B. Arbeitsrecht, Mietrecht). Der Versicherungsfall darf erst nach Ablauf dieser Frist eingetreten sein.
Bestehen hinreichende Erfolgsaussichten (bei Rechtsschutz)? Die Versicherung prüft, ob Ihr Anliegen eine realistische Chance auf Erfolg hat. Sie muss keine Kosten für aussichtslose oder mutwillige Klagen übernehmen. „Mutwillig“ bedeutet hier, dass eine verständige Person ohne Versicherungsschutz das Kostenrisiko eines solchen Verfahrens nicht eingehen würde.
Ist die geforderte Summe plausibel (bei Haftpflicht)? Bei Schadensersatzforderungen prüft der Versicherer, ob die Höhe des Anspruchs gerechtfertigt ist.
Liegen Obliegenheitsverletzungen vor? Haben Sie den Fall rechtzeitig gemeldet? Haben Sie alle notwendigen Informationen wahrheitsgemäß zur Verfügung gestellt?
Nur wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, wird die Versicherung eine (vorbehaltlose) Deckungszusage erteilen.
Die Prüfungsfrist: Warum Geduld manchmal notwendig ist
Versicherungsnehmer wünschen sich oft eine sofortige Entscheidung. Die Prüfung durch den Versicherer benötigt jedoch Zeit. Wie lange diese Prüfungsfrist dauern darf, hängt stark vom Einzelfall ab:
Einfache Fälle: Bei klaren Sachverhalten (z.B. ein typischer Auffahrunfall mit eindeutiger Schuldfrage) kann die Prüfung schnell gehen, manchmal innerhalb weniger Tage.
Komplexe Fälle: Bei komplizierten Rechtsfragen, unklaren Sachverhalten (z.B. bei Arzthaftungsfällen oder komplexen Wirtschaftsstrafsachen im D&O-Bereich) oder wenn noch Unterlagen fehlen, kann die Prüfung Wochen oder sogar Monate in Anspruch nehmen.
Der Versicherer ist verpflichtet, die Prüfung angemessen zügig durchzuführen. Er darf den Fall nicht unnötig verschleppen. Insbesondere wenn dem Versicherten durch Verzögerung Nachteile drohen (z.B. Fristablauf bei Gericht), muss der Versicherer handeln. Der BGH hat betont, dass der Versicherer dem Versicherten spätestens dann unverzüglich mitteilen muss, ob er Deckung gewährt, wenn diesem eine Klage zugestellt wurde (Urteil vom 19. Mai 2004, Az. IV ZR 100/03 und bestätigt im Urteil vom 19.07.2007, Az. IV ZR 26/06).
Auch wenn das Warten manchmal schwerfällt, ist eine sorgfältige Prüfung auch im Interesse des Versicherten, denn eine voreilige, fehlerhafte Zusage könnte später zu Komplikationen führen. ^^ Bei Rechtsschutzversicherungen gilt nach der Rechtsprechung eine Frist von zwei bis drei Wochen als angemessen für die Prüfung und Entscheidung über eine Deckungsanfrage.
Die Entscheidung: Zusage, Ablehnung oder Vorbehalt?
Am Ende der Prüfung steht die Entscheidung des Versicherers, die verschiedene Formen annehmen kann:
- Vorbehaltlose Deckungszusage: Der Idealfall. Der Versicherer bestätigt die Kostenübernahme für den konkreten Fall im Rahmen der Vertragsbedingungen.
- Deckungszusage unter Vorbehalt: Manchmal ist die Sach- oder Rechtslage noch nicht ganz klar, aber es besteht dringender Handlungsbedarf (z.B. eine Klage muss beantwortet werden). In solchen Fällen kann der Versicherer eine Deckungszusage erteilen, sich aber vorbehalten, diese später zu widerrufen, wenn sich neue, leistungsbefreiende Tatsachen ergeben (z.B. wenn sich herausstellt, dass der Versicherte den Schaden vorsätzlich verursacht hat). Dies gibt dem Versicherten zunächst Handlungssicherheit.
- Teilweise Deckungszusage: Der Versicherer übernimmt nur einen Teil der Kosten, z.B. weil nur ein Teil des Anspruchs unter den Versicherungsschutz fällt.
- Ablehnung der Deckungszusage: Der Versicherer lehnt die Kostenübernahme ab. Dies muss er begründen (z.B. mangelnde Erfolgsaussichten, Risikoausschluss, Wartezeit nicht erfüllt).
Gegen eine Ablehnung kann der Versicherungsnehmer vorgehen (siehe Abschnitt „Was tun bei Ablehnung?“).

Formen der Deckungszusage: Nicht jede Zusage ist gleich
Es ist wichtig zu verstehen, dass „Deckungszusage“ nicht immer dasselbe bedeutet. Je nach Versicherungsart und Situation kann sich der Inhalt und Umfang der Zusage unterscheiden.
Die „klassische“ Deckungszusage
Im allgemeinen Sprachgebrauch und insbesondere bei der Rechtsschutzversicherung meint man mit Deckungszusage die Bestätigung, dass die Kosten für die Rechtsverfolgung oder -verteidigung (Anwalt, Gericht, ggf. Sachverständige) übernommen werden, meist bis zur vereinbarten Versicherungssumme und abzüglich der Selbstbeteiligung.
Rechtsschutz vs. Freistellung: Ein wichtiger Unterschied in der Haftpflicht
In der Haftpflichtversicherung ist die Situation komplexer. Hier hat der Versicherer laut § 100 VVG eine doppelte Aufgabe: Er muss unbegründete Ansprüche abwehren und begründete Ansprüche befriedigen (bis zur Versicherungssumme). Die Deckungszusage kann sich daher auf zwei verschiedene Aspekte beziehen:
- Rechtsschutzzusage (Abwehrdeckung): Der Versicherer sagt zu, die Kosten für die Verteidigung gegen einen geltend gemachten Haftpflichtanspruch zu übernehmen. Er stellt quasi den „Anwalt“, um den Anspruch abzuwehren.
- Freistellungszusage (Befriedigungsdeckung): Der Versicherer sagt zu, den berechtigten Schadensersatzanspruch des Dritten zu bezahlen und den Versicherten somit von dieser Schuld „freizustellen“.
Wichtig ist: Eine reine Rechtsschutzzusage bedeutet nicht automatisch, dass der Versicherer später auch den Schaden bezahlt! Wie das OLG Düsseldorf (Urteil vom 27.09.2006, Az. 18 U 17/06) und der BGH (Urteil vom 16.07.2009, Az. IV ZR 10/07 – VersR 2009, 1485) klargestellt haben, kann der Versicherer durchaus die Abwehr finanzieren, aber die spätere Zahlung (Freistellung) ablehnen, wenn sich im Prozess herausstellt, dass z.B. ein Ausschlussgrund (wie vorsätzliches Handeln) vorliegt. Der Versicherer entscheidet auch grundsätzlich selbst, ob er einen Anspruch abwehren oder bezahlen will (sog. Regulierungshoheit).
Die vorläufige Deckungszusage: Sofortiger Schutz in besonderen Fällen
Eine Sonderform ist die vorläufige Deckungszusage (auch „vorläufige Deckung“). Sie ist rechtlich gesehen ein eigenständiger, meist kurzfristiger Versicherungsvertrag, der sofortigen Schutz bietet, oft schon ab dem Zeitpunkt der Antragstellung und bevor der endgültige Versicherungsschein (Police) ausgestellt und die erste Prämie bezahlt ist.
Besonders relevant ist dies bei Pflichtversicherungen, allen voran der Kfz-Haftpflichtversicherung. Wenn Sie ein Auto zulassen möchten, benötigen Sie die elektronische Versicherungsbestätigung (eVB-Nummer). Mit der Übermittlung dieser Nummer an die Zulassungsstelle gibt der Versicherer automatisch eine vorläufige Deckungszusage ab. Sie haben also sofort Versicherungsschutz, sobald das Auto zugelassen ist, auch wenn der formelle Vertrag noch nicht perfekt ist.
Diese vorläufige Deckung geht dann in den endgültigen Vertrag über, sobald die erste Prämie bezahlt und der Versicherungsschein zugestellt wurde^^ und endet mit dem Zustandekommen des Versicherungsvertrages oder der Ablehnung des Antrages. Ähnliche Mechanismen gibt es auch in anderen Bereichen, wo sofortiger Schutz wichtig ist.
Die Tücken im Detail: Fallstricke und Besonderheiten bei der Deckungszusage
Auch wenn die Deckungszusage Sicherheit bietet, gibt es einige Aspekte und potenzielle Fallstricke, die Versicherungsnehmer kennen sollten.
Die Gefahr der konkludenten Deckungszusage: Wenn Taten mehr sagen als Worte
Eine Deckungszusage muss nicht immer ausdrücklich schriftlich erfolgen. Sie kann auch konkludent, also durch schlüssiges Verhalten des Versicherers, zustande kommen. Das bedeutet: Der Versicherer tut etwas, das der Versicherungsnehmer vernünftigerweise als Zusage der Kostenübernahme verstehen darf.
Ein praxisrelevantes Beispiel lieferte ein Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Nürnberg (Beschl. v. 9.8.2021 – 8 U 1012/21): Ein Haftpflichtversicherer beauftragte nach einer Klage gegen seinen Versicherten einen Rechtsanwalt, der diesen im Prozess vertrat, Akteneinsicht nahm und mit anderen Anwälten korrespondierte. Der Versicherer hatte aber keine ausdrückliche Deckungszusage erteilt und auch keinen Vorbehalt erklärt. Das Gericht entschied: Dieses Verhalten durfte der Versicherte als stillschweigende Rechtsschutzzusage werten. Der Versicherer hätte klar und unmissverständlich kommunizieren müssen, wenn seine Handlungen nicht als Zusage verstanden werden sollten.
Umgekehrt kann auch ein langes Zögern oder Untätigbleiben des Versicherers unter Umständen als konkludente (stillschweigende) Ablehnung gewertet werden, was wiederum Folgen für die Pflichten des Versicherten hat (siehe unten).
Grenzen der Zusage: Deckungssumme und Instanzenzug
Eine Deckungszusage ist keine Blankovollmacht. Es gibt wichtige Grenzen:
- Deckungssumme: Die Zusage gilt immer nur bis zur Höhe der im Versicherungsvertrag vereinbarten Deckungssumme (auch Versicherungssumme genannt). Übersteigen die tatsächlichen Kosten (Anwalt, Gericht, Schadensersatz) diese Summe, muss der Versicherungsnehmer den Rest aus eigener Tasche zahlen.
- Instanzenzug: Eine Deckungszusage für die erste Instanz (z.B. Amts- oder Landgericht) gilt nicht automatisch für weitere Instanzen (Berufung beim Oberlandesgericht, Revision beim Bundesgerichtshof). Für jeden Verfahrensabschnitt muss in der Regel eine neue Deckungszusage eingeholt werden, bei der die Erfolgsaussichten erneut geprüft werden.
- Selbstbeteiligung: Fast alle Verträge sehen eine Selbstbeteiligung (auch Selbstbehalt genannt) vor. Diesen Betrag müssen Sie pro Versicherungsfall selbst tragen, auch wenn eine Deckungszusage vorliegt.
Widerruf und Ablehnung: Wann darf der Versicherer „Nein“ sagen?
Obwohl eine einmal erteilte (vorbehaltlose) Deckungszusage stark bindet, ist sie nicht in Stein gemeißelt. Ein Widerruf oder eine nachträgliche Einschränkung ist unter bestimmten Umständen möglich:
Falsche oder unvollständige Angaben: Stellt sich nachträglich heraus, dass der Versicherungsnehmer bei der Antragstellung oder bei der Meldung des Versicherungsfalls bewusst falsche Angaben gemacht oder wichtige, ihm bekannte Tatsachen verschwiegen hat (sog. arglistige Täuschung oder Obliegenheitsverletzung), kann der Versicherer die Zusage anfechten oder widerrufen.
Nachträglich bekannt gewordene Gründe: Der Versicherer kann die Zusage auch widerrufen, wenn er erst nach Erteilung der Zusage von Tatsachen erfährt, die einen Leistungsausschluss begründen und die er bei der ursprünglichen Prüfung weder kannte noch kennen konnte (z.B. weil der Versicherte sie verschwiegen hat).
Vorbehalt: Wurde die Deckungszusage ausdrücklich unter einem Widerrufsvorbehalt erteilt, kann der Versicherer sie unter den genannten Bedingungen widerrufen.
Eine Ablehnung von vornherein ist natürlich möglich, wenn die Prüfung ergibt, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt sind (z.B. Risiko nicht versichert, mangelnde Erfolgsaussichten bei Rechtsschutz, Wartezeit nicht erfüllt, Obliegenheitsverletzung).
Die Bedeutung der Fristen: Schnelles Handeln ist Pflicht
Wie bereits erwähnt, muss der Versicherer über den Deckungsantrag zügig entscheiden. Besonders kritisch wird es, wenn dem Versicherten eine Klage zugestellt wird. Ab diesem Zeitpunkt besteht dringender Handlungsbedarf, da sonst Fristen versäumt und ein Versäumnisurteil oder Vollstreckungsbescheid ergehen könnte.
Der BGH hat klargestellt (Urteil vom 19.03.2003, Az. IV ZR 139/01 und bestätigt im Urteil vom 19.07.2007, Az. IV ZR 26/06): Lässt der Versicherer den Versicherten trotz Klagezustellung im Unklaren darüber, ob er Deckungsschutz gewährt, verletzt er seine Pflichten. Er muss unverzüglich, spätestens nach Erhalt der Klageanzeige, eine klare Entscheidung treffen – notfalls eben eine Zusage unter Vorbehalt.
Tut er dies nicht, verliert er seine Dispositionsbefugnis über den Haftpflichtprozess. Das bedeutet: Der Versicherte darf dann selbst handeln (z.B. einen Vergleich schließen), und der Versicherer ist an das Ergebnis gebunden, wenn sich später herausstellt, dass er zur Deckung verpflichtet gewesen wäre. Er kann sich dann nicht mehr darauf berufen, der Vergleich sei nicht sachgerecht gewesen (es sei denn, der Versicherte hat grob unbillig gehandelt).
Die Deckungszusage in der Praxis: Was bedeutet das für Sie?
Das Verständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen ist die eine Seite. Die andere ist die praktische Bedeutung für Versicherungsnehmer und Versicherer im Alltag.
Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers
Als Versicherungsnehmer haben Sie nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten (Obliegenheiten), die für den Erhalt des Versicherungsschutzes wichtig sind:
Informationspflicht: Sie müssen den Versicherungsfall unverzüglich melden und alle relevanten Informationen wahrheitsgemäß und vollständig angeben.
Mitwirkungspflicht: Sie müssen an der Aufklärung des Sachverhalts mitwirken und dem Versicherer die notwendigen Unterlagen zur Verfügung stellen.
Schadensminderungspflicht: Sie müssen alles Zumutbare tun, um den Schaden so gering wie möglich zu halten.
Weisungsgebundenheit (in der Haftpflicht): Solange der Versicherer seine Leistungspflicht nicht ablehnt, führt er den Rechtsstreit auf seine Kosten und in Ihrem Namen. Sie dürfen ohne seine Zustimmung den Anspruch weder anerkennen noch einen Vergleich schließen. Dies sichert die Regulierungshoheit des Versicherers.
Im Gegenzug haben Sie das Recht auf Prüfung Ihres Anliegens, auf eine zeitnahe Entscheidung und, bei Vorliegen der Voraussetzungen, auf die Erteilung der Deckungszusage und die Übernahme der Kosten gemäß Vertrag.
Rechte und Pflichten des Versicherers
Der Versicherer hat ebenfalls Rechte und Pflichten:
Prüfungsrecht: Er darf den gemeldeten Sachverhalt und die Voraussetzungen für den Versicherungsschutz prüfen.
Regulierungshoheit (in der Haftpflicht): Er entscheidet, wie ein Haftpflichtanspruch reguliert wird (Abwehr oder Zahlung).
Leistungspflicht: Bei Vorliegen der Voraussetzungen muss er die Deckungszusage erteilen und die versicherten Kosten tragen.
Informations- und Beratungspflicht: Er muss den Versicherten über seine Rechte und Pflichten sowie über die Gründe für seine Entscheidung (insbesondere bei Ablehnung) klar informieren.
Pflicht zur zügigen Bearbeitung: Er muss den Antrag zeitnah prüfen und entscheiden.
Typische Szenarien: Wann wird die Deckungszusage relevant?
Um die Bedeutung der Deckungszusage greifbarer zu machen, hier einige Alltagsbeispiele:
Verkehrsrechtsschutz: Sie werden in einen Unfall verwickelt, die Schuldfrage ist strittig. Ihr Anwalt holt bei Ihrer Rechtsschutzversicherung eine Deckungszusage ein, um Schadensersatzansprüche einzuklagen oder sich gegen Bußgelder zu wehren.
Arbeitsrechtsschutz: Sie erhalten eine Kündigung und halten sie für ungerechtfertigt. Bevor Sie Klage beim Arbeitsgericht einreichen, benötigen Sie die Deckungszusage Ihrer Rechtsschutzversicherung.
Mietrechtsschutz: Ihr Vermieter kündigt Ihnen wegen Eigenbedarfs, den Sie anzweifeln. Die Deckungszusage ermöglicht es Ihnen, sich anwaltlich vertreten zu lassen.
Private Haftpflicht: Ihr Kind beschädigt beim Spielen das Eigentum des Nachbarn. Sie melden den Schaden Ihrer Haftpflichtversicherung. Diese prüft den Fall und erteilt entweder eine Zusage zur Regulierung (Freistellungszusage) oder eine Zusage zur Abwehr (Rechtsschutzzusage), falls sie den Anspruch für unbegründet hält.
D&O-Versicherung: Einem Geschäftsführer wird vorgeworfen, durch eine Fehlentscheidung dem Unternehmen einen Millionenschaden verursacht zu haben. Die Gesellschaft oder ein Insolvenzverwalter nimmt ihn in Regress. Die Deckungszusage der D&O-Versicherung ist hier essenziell, um die extrem hohen Kosten der Verteidigung und eines möglichen Vergleichs oder Urteils tragen zu können.
Was tun bei Ablehnung? Ihre Optionen
Was passiert, wenn die Versicherung die Deckungszusage ablehnt? Sie müssen diese Entscheidung nicht einfach hinnehmen. Ihre Optionen sind:
- Stellungnahme/Widerspruch: Prüfen Sie die Ablehnungsgründe genau. Möglicherweise beruht die Ablehnung auf einem Missverständnis oder fehlenden Informationen. Reichen Sie eine detaillierte Stellungnahme ein und legen Sie ggf. weitere Unterlagen vor.
- Ombudsmannverfahren: Sie können sich an den unabhängigen Versicherungsombudsmann wenden. Dieses Verfahren ist für Versicherungsnehmer kostenlos und kann zu einer für den Versicherer bindenden Entscheidung führen (bis zu einem bestimmten Beschwerdewert).
- Stichentscheid (bei Rechtsschutz): Manche Rechtsschutzbedingungen sehen ein sogenanntes Stichentscheid-Verfahren vor. Wenn die Ablehnung auf mangelnden Erfolgsaussichten ^^ oder Mutwilligkeit beruht, können Sie auf Kosten der Versicherung einen unabhängigen Anwalt bitten, ein Gutachten zu den Erfolgsaussichten zu erstellen. Fällt dieses positiv aus, ist der Versicherer daran gebunden.
- Deckungsklage: Als letzter Schritt bleibt der Gang zum Gericht. Sie können die Versicherung auf Erteilung der Deckungszusage verklagen (sog. Deckungsklage). Hier prüft das Gericht unabhängig, ob die Versicherung zur Leistung verpflichtet ist.