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Wohngebäudeversicherung – Leistungsfreiheit – Manipulation Maklervertrag nach Brandschaden

OLG Hamm – Az.: I-20 U 18/17 – Urteil vom 29.11.2017

Die Berufung des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 3) gegen das am 23. November 2016 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird auf Kosten dieser beiden Kläger zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Kläger, in der Berufungsinstanz nunmehr lediglich der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 3), nehmen die Beklagte aus einer Wohngebäudeversicherung auf Entschädigung für einen Brandschaden an einer Immobilie in H – einem Pferdehof mit Wohnhaus auf einem insgesamt über 35.000 m2 großen Objekt – in Anspruch. Die Immobilie stand ursprünglich im gemeinschaftlichen Eigentum der drei Kläger und des früheren Lebensgefährten der Klägerin zu 3). Diese vier Parteien schlossen auch im Jahre 2009 den Versicherungsvertrag ab.

Dem Vertrag liegen die ABL 2008 zugrunde. Diese sehen in § 36 Ziff. 2 folgende Regelung vor:

„2. Arglistige Täuschung nach Eintritt des Versicherungsfalls

Der Versicherer ist von der Entschädigungspflicht frei, wenn der Versicherungsnehmer oder sein Repräsentant den Versicherer arglistig über Tatsachen, die für den Grund oder die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind, täuscht oder zu täuschen versucht. […]“

Nach seinem Tod im November 2010 wurde der Lebensgefährte der Klägerin zu 3 von dieser allein beerbt.

Mit schriftlichem Vertrag vom 11.09.2014 beauftragten die Kläger den Immobilienmakler N mit der Veräußerung der Immobilie. In dem Vertrag wurden, wie jedenfalls in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig geworden ist, unter „§ 1 – Auftrag“ sämtliche Flurstücke bezeichnet, aus denen sich das Objekt der Kläger zusammensetzt. Unter „§ 2 – Verkaufspreis für das Auftragsobjekt“ wurde ein Betrag von 420.000,- EUR niedergelegt. Der Vertrag wurde von allen drei Klägern unterzeichnet.

Am 15.12.2014 kam es zu einem Brand an der versicherten Immobilie, durch den diese erheblich beschädigt wurde.

Mit Datum vom 22.01.2015 unterzeichneten der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 3) ein Schadensprotokoll (Bl. 89 GA), in dem es unter anderem heißt: „Mit Beauftragung des Maklers N wurde das Objekt für 650.000,- EUR angeboten.“ Auf jeder Seite des Schadensprotokolls ist unten ein Hinweis auf die Leistungsfreiheit des Versicherers im Falle einer vorsätzlichen Verletzung der vertraglichen Obliegenheiten abgedruckt.

Wohngebäudeversicherung - Leistungsfreiheit - Manipulation Maklervertrag nach  Brandschaden
(Symbolfoto: Mikhaylovskiy/Shutterstock.com)

Zuvor hatte der Kläger zu 1) mit dem Makler N telefonisch vereinbart, den schriftlichen Maklerauftrag dahingehend zu verändern, dass in § 2 ein Verkaufspreis von 650.000,- EUR ausgewiesen werden solle. Hierzu wird auf die Wiedergabe des Telefonmitschnitts im angefochtenen Urteil (dort S. 8 – 10, Bl. 302 – 304 GA) Bezug genommen. Die entsprechende Seite des Vertrages wurde ausgetauscht, sonstige Änderungen an ihm nicht vorgenommen. Der so veränderte Vertrag erweckte also den Anschein, als sei in ihm sogleich am 11.09.2014 ein angestrebter Verkaufspreis von 650.000,- EUR festgehalten worden (Bl. 97 GA).

Die Beklagte lehnte eine Entschädigung ab, weil sie die Auffassung vertrat, durch die Kläger sei versucht worden, die Beklagte arglistig zu täuschen.

Der Kläger zu 1) hat behauptet: Die Änderung von § 2 des Maklervertrages habe nur klarstellenden Charakter gehabt. Der ursprünglich eingesetzte Betrag von 420.000,- EUR habe sich nämlich nur auf einen Teil der Flurstücke bezogen. Dies sei im weiteren Verlauf korrigiert worden, um Missverständnissen vorzubeugen. Von Anfang an habe aber die übereinstimmende Vorstellung der Kläger und des Maklers bestanden, dass für das gesamte Objekt ein Kaufpreis von 650.000,- EUR maßgeblich sein sollte.

Die Klägerin zu 3) hat ebenfalls behauptet, davon ausgegangen zu sein, dass für das gesamte Objekt ein Verkaufspreis von 650.000,- EUR angestrebt werden sollte. Von der nachträglichen Veränderung des Maklervertrages durch den Kläger zu 1) habe sie keine Kenntnis gehabt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es liege eine arglistige Verletzung der vertraglichen Auskunftspflichten durch den Kläger zu 1) vor, die auch den übrigen Klägern zuzurechnen sei.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, der Anträge und der Begründung des Urteils wird auf dieses Bezug genommen (Bl. 295 ff. GA).

Mit der Berufung verfolgen der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 3) ihr Begehren weiter und wiederholen im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Der Kläger zu 1) hat ursprünglich beantragt, das angefochtene Urteil des Landgerichts Essen abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Eigentümergemeinschaft O/X/S 331.805,88 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.11.2015 zu zahlen sowie den Kläger zu 1) von der Gebührenforderung seiner Rechtsanwälte in Höhe von 2.822,32 EUR freizustellen.

Nunmehr beantragt er, das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

1.) an die Kläger

1. O, C-Straße, H

2. O1, G-Straße, H

3. S, P-Straße, H

als Gesamtgläubiger 331.805,88 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.11.2015 zu zahlen,

2.) den Kläger zu 1) von der Gebührenforderung seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 2.822,32 EUR freizustellen.

Die Klägerin zu 3) hat ursprünglich beantragt, in Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Eigentümergemeinschaft O/X/S, bestehend aus den Klägern zu 1) bis 3), als Gesamtgläubiger 394.849,- EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.11.2015 zu zahlen sowie ferner, an die B SE 4.437,39 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.07.2015 zu zahlen.

Die Klägerin zu 3) beantragt nunmehr, in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen,

1.) an

1. O, C-Straße, H

2. O1, G-Straße, H

3. S, P-Straße, H

als Gesamtgläubiger 331.805,88 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.11.2015 zu zahlen,

2.) an die B SE, D-Straße, E, vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden G, zur Schadensnummer: # 4.066,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.07.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufungen zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und macht weiterhin Leistungsfreiheit wegen einer versuchten arglistigen Täuschung durch die Kläger geltend. Zudem beruft sie sich auf verschiedene von ihr behauptete Obliegenheitsverletzungen im Zusammenhang mit der Nichtanzeige gefahrerhöhender Umstände.

Der Senat hat im Termin vom 29.11.2017 den Kläger zu 1) und die Klägerin zu 3) angehört sowie den Zeugen N vernommen.

Der Kläger zu 1) hat in diesem Termin eingeräumt, die Änderung des Maklervertrages gemeinsam mit dem Zeugen N erst nach dem Brandfall vorgenommen zu haben. Die im vorliegenden Rechtsstreit zu den Akten gereichte schriftliche Fassung sei dementsprechend tatsächlich in dieser Form erst nachträglich hergestellt worden. Er habe aber für das gesamte Objekt stets einen Betrag von 650.000,- EUR haben wollen, der vorherige niedrigere Betrag habe sich nur auf den bebauten Teil des Grundstücks bezogen. Mit der Klägerin zu 3) habe er vor dem Brand über die im Raume stehende Summe von 650.000,- EUR für das komplette Grundstück nicht geredet. Mit ihr sei nur über den ursprünglich im Maklervertrag enthaltenen Verkaufspreis von 420.000,- EUR gesprochen worden.

Die Klägerin zu 3) hat bei ihrer Anhörung erklärt, sie sei davon ausgegangen, dass ursprünglich ein Maklervertrag geschlossen worden sei, der sich nur auf den bebauten Teil des Grundstücks bezogen und dafür einen Angebotspreis von 420.000,- EUR ausgewiesen habe. Später sei dann mündlich vereinbart worden, dass das Grundstück für 650.000,- EUR verkauft werden solle. Jedenfalls vor dem Brandschaden habe ihr der Kläger zu 1) mitgeteilt, dass er sich mit dem Makler N zusammen gesetzt habe und „man“ nunmehr entschieden habe, die gesamte Immobilie für 650.000,- EUR zu verkaufen. Dies sei ihr Kenntnisstand gewesen, als sie das Schadensprotokoll unterschrieben habe. Sie habe aber auch zu diesem Zeitpunkt gewusst, dass in dem schriftlichen Maklervertrag der Preis von 420.000,- EUR niedergelegt worden war.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Verhandlungsprotokoll vom 29.11.2017 (Bl. 523 GA) und den Berichterstattervermerk vom selben Tage Bezug (Bl. 526 GA) genommen.

II.

Weder dem Kläger zu 1) noch der Klägerin zu 3) steht wegen des Brandschadens vom 15.12.2014 ein Anspruch gegen die Beklagte aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag in Verbindung mit § 1 VVG zu. Denn die Beklagte ist gemäß § 36 Ziff. 2 ABL 2008 leistungsfrei geworden.

Die Voraussetzungen dieses anerkanntermaßen wirksamen Verwirkungstatbestandes, der sich in vergleichbarer Form auch in anderen Versicherungsbedingungen findet (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 13.03.2013 – IV ZR 110/11, VersR 2013, 609, Rn. 26 zu Nr. 17 VGB 98; BGH, Urteil vom 22.06.2011 – IV ZR 174/09, VersR 2011, 1121, Rn. 28 f. zu § 22 Nr. 1 Abs. 1 S. 1 VHB 92; Senat, Beschluss vom 06.02.2015 – 20 U 9/15, VersR 2015, 1189, Rn. 2 zu § 32 Nr. 1 VHB 2005), sind erfüllt.

1.

Der Kläger zu 1) hat die Beklagte arglistig zu täuschen versucht.

Es steht gemäß § 286 ZPO zur Überzeugung des Senats fest, dass er in dem Schadensprotokoll vom 22.01.2015 bewusst wahrheitswidrig angab, es sei bereits vor dem Eintritt des Versicherungsfalls ein Maklervertrag mit dem Immobilienmakler N geschlossen worden, in dem eine Veräußerung des Grundstücks der Kläger für einen Betrag von 650.000,- EUR angestrebt worden sei, um das Regulierungsverhalten der Beklagten zu beeinflussen.

a)

Der Kläger zu 1) gab eine entsprechende objektiv unzutreffende Erklärung ab.

Er unterschrieb das schriftliche Schadensprotokoll, in dem es heißt, der Makler N sei mit der Veräußerung des Grundstücks zu einem Kaufpreis von 650.000,- EUR beauftragt gewesen.

Diese Erklärung war nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme falsch.

Tatsächlich bestand nämlich ein Maklervertrag für das gesamte Objekt zu einem angestrebten Verkaufspreis von 420.000,- EUR.

Der Kläger selbst hat im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat eingeräumt, dass in Absprache mit dem Makler N der ursprünglich am 11.09.2014 schriftlich geschlossene Vertrag insofern geändert wurde, als statt eines Preises von 420.000,- EUR nunmehr ein solcher von 650.000,- EUR niedergelegt ist.

Seine daran anknüpfende Behauptung, dies habe darauf beruht, dass zunächst lediglich der Verkauf eines Grundstücksteils für 420.000,- EUR angestrebt worden sei, später dann der Verkauf der gesamten Liegenschaft zu dem höheren Preis, so dass es sich insofern nur um eine „Klarstellung“ gehandelt habe, ist durch die Beweisaufnahme widerlegt.

Der Zeuge N hat nachvollziehbar, in sich widerspruchsfrei und für den Senat insgesamt glaubhaft bekundet, dass von Anfang an der Verkauf des gesamten Objekts in Rede gestanden habe. Im weiteren Verlauf und vor dem Brandfall sei ihm zwar die Idee gekommen, dass eine getrennte Veräußerung des bebauten und des unbebauten Teils sinnvoller sein könnte, weil für Letzteren die Erwartung bestand, dieser könne zu einem späteren Zeitpunkt als Bauland ausgewiesen und deshalb ein höherer Kaufpreis erzielt werden.

Er meine auch sich zu erinnern, dass diese Idee in Gesprächen mit dem Kläger zu 1) thematisiert worden sei. Es sei jedoch bei dieser Idee geblieben, eine Änderung des Maklervertrages sei vor dem Brandschaden nicht erfolgt. Die dann vorgenommene Veränderung des ursprünglichen Maklervertrages habe auf dem Wunsch des Klägers zu 1) beruht und ausschließlich den darin ausgewiesenen Preis betroffen, nicht dagegen die Beschreibung des zu verkaufenden Objektes. Bei dieser Aussage ist er während seiner gesamten Vernehmung geblieben und hat sich auch durch mehrfache Nachfragen nicht verunsichern lassen. Dass der Zeuge bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht ausweislich des dortigen Protokolls vom 23.11.2016 angegeben hat, es sei gewollt gewesen, das Objekt „eh zweigeteilt ´rein[zu]setzen“ (Bl. 266 GA), steht der Glaubhaftigkeit seiner vor dem Senat gemachten Aussage nicht entgegen. Denn seine vor dem Landgericht gemachte Äußerung bezog sich erkennbar auf den Zeitpunkt des mit dem Kläger zu 1) geführten Telefonats und deckte sich insoweit mit seinen vor dem Senat gemachten Angaben. Soweit er – aufgrund des Zeitablaufes durchaus nachvollziehbar – teils Erinnerungslücken hatte, hat er dies jeweils offen eingeräumt. Durch thematische Sprünge bei den an ihn gestellten Fragen hat er sich nicht verunsichern lassen, sondern hat seine Angaben in ruhiger und gelassener Weise bekräftigt.

Für die Glaubhaftigkeit seiner Aussage spricht schließlich, dass er sich dadurch auch selbst belastet hat, was die rückwirkende Verfälschung des Maklervertrages betrifft. Eine Schilderung, wie sie der Kläger zu 1) vorgetragen hat – dass es sich nämlich um eine bloße Klarstellung dessen handelte, was ohnehin vereinbart war -, wäre für den Zeugen deutlich weniger belastend gewesen. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Zeuge diese Version bekundet hätte, wenn sie der Wahrheit entspräche. Anhaltspunkte für einen entsprechenden Irrtum des Zeugen oder eine Belastungstendenz gegenüber den Klägern, insbesondere dem Kläger zu 1), bestehen nicht.

b)

Die Tatsache, über die der Kläger zu 1) zu täuschen versuchte, war auch im Sinne von § 36 Ziff. 2 ABL 2008 von Bedeutung für den Grund oder die Höhe der Entschädigung.

Es ist im Hinblick auf § 16 ABL 2008 nicht zwingend, dass zur Feststellung der Schadenshöhe ein Sachverständigengutachten einzuholen ist. Schon deshalb ist die Angabe, welchen beabsichtigten Verkaufspreis ein am Markt tätiger Makler für erzielbar angesehen hat, für die Höhe der Entschädigung nicht schlechthin bedeutungslos.

Jedenfalls aber gilt, dass die versuchte Täuschung des Klägers zu 1) auch Einfluss auf die Beurteilung der Beklagten haben konnte, inwieweit bei dem Versicherungsnehmer ein Motiv für eine eigene Herbeiführung des Versicherungsfalles gegeben war (vgl. Senat, Urteil vom 12.07.2002 – 20 U 113/01, r+s 2002, 423, Rn. 100; Senat, Urteil vom 27.07.2011 – 20 U 146/10, VersR 2012, 356, Rn. 39). Ein solches Motiv wird umso eher vorliegen, je niedriger der vom Versicherungsnehmer erhoffte Kaufpreis für das Objekt ist, während es umgekehrt umso weniger angenommen werden kann, wenn der Versicherungsnehmer begründete Hoffnung hat, einen recht hohen Kaufpreis zu erzielen.

c)

Der Kläger zu 1) handelte arglistig im Sinne von § 36 Ziff. 2 ABL 2008.

Der Vorwurf der Arglist setzt keine Bereicherungsabsicht des Versicherungsnehmers voraus. Vielmehr genügt bereits das Bestreben, Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Deckungsansprüche zu beseitigen. Arglistig handelt der Versicherungsnehmer schon dann, wenn er billigend in Kauf nimmt, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann (vgl. BGH, Urteil vom 22.06.2011 – IV ZR 174/09, VersR 2011, 1121, Rn. 29).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Aufgrund der Gesamtumstände ist der Senat sogar überzeugt, dass dem Kläger zu 1) nicht nur bewusst war, dass die Täuschung Einfluss auf das Regulierungsverhalten der Beklagten haben konnte, sondern dass es ihm gerade darauf ankam. Dafür spricht insbesondere der Inhalt des zwischen dem Kläger zu 1) und dem Zeugen N am 22.01.2015 geführten Telefonats (vgl. S. 8 – 10 des angefochtenen Urteils, Bl. 302 – 304 GA), dessen Inhalt der Kläger zu 1) nicht in Abrede gestellt hat. Aus ihm geht für den Senat klar hervor, dass sich der Kläger zu 1) erhoffte, durch die Veränderung des Angebotspreises auch die Entschädigungshöhe zu beeinflussen. Dafür sprach auch, dass er bei seiner Anhörung vor dem Landgericht in erster Instanz ausdrücklich eingeräumt hat, er habe nicht gewollt, „dass es dann [ … ] heißt, wir wollten das Ganze für 420.000,- EUR verkaufen“; er habe auch nicht gewollt, „dass sie mir hinterher sagen, dass ich sehr viel weniger reinsetz“, ich bekomme dann auch weniger“ (Bl. 264 GA).

2.

Hinsichtlich der Klägerin zu 3) sind die Voraussetzungen von § 36 Ziff. 2 ABL 2008 ebenfalls erfüllt.

a)

Auch ihr fällt der Versuch einer arglistigen Täuschung zur Last.

aa)

Zwar hat die Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte dafür erbracht, dass die Klägerin zu 3) in die zwischen dem Kläger zu 1) und dem Zeugen N vereinbarte nachträgliche Manipulation des Maklervertrages eingebunden war. Davon unabhängig hat aber auch die Klägerin zu 3) in der von ihr unterzeichneten Erklärung vom 22.01.2015 die unwahre Erklärung abgegeben, dass der Makler N damit beauftragt gewesen sei, das Objekt für 650.000,- EUR zu verkaufen.

bb)

Auch insoweit ist der Senat davon überzeugt, dass dies arglistig geschah.

Die Klägerin zu 3) hat bei ihrer Anhörung vor dem Senat zunächst ihr früheres schriftsätzliches Vorbringen wiederholt, sie sei davon ausgegangen, dass nach dem Maklervertrag ursprünglich ein Kaufpreis von 420.000,- EUR nur für den bebauten Teil des Grundstücks vorgesehen gewesen sei. Sie vermochte aber schon nicht plausibel zu machen, wie es zu dieser (Fehl-)Vorstellung gekommen sein soll, obwohl doch schon im ursprünglichen Vertrag sämtliche Flurstücke des zu veräußernden Grundstücks aufgezählt sind. Schwerer wog darüber hinaus, dass sie auch nicht nachvollziehbar erklären konnte, auf welche Weise sie dann davon erfahren haben will, dass für das gesamte Grundstück demgegenüber ein höherer Kaufpreis erzielt werden sollte. Der Zeuge N und der Kläger zu 1) haben übereinstimmend angegeben, nach dem Vertragsschluss hätten nur noch sie persönlich Kontakt gehabt, weil der Kläger zu 1) gegenüber dem Makler das „Sprachrohr“ der Miteigentümergemeinschaft gewesen sei. Der Senat ist zudem von der Richtigkeit der Angabe des Klägers zu 1) überzeugt, er habe mit der Klägerin zu 3) nach dem Abschluss des Maklervertrages nicht mehr über im Raume stehende Änderungen desselben gesprochen. Die Klägerin zu 3) hat bei ihrer mündlichen Anhörung vor dem Senat nicht mehr behauptet, vom Kläger zu 1) entsprechend informiert worden zu sein. Vielmehr hat sie lediglich angedeutet, dass sie den höheren Verkaufspreis „möglicherweise“ aus früheren Makleraufträgen noch im Kopf gehabt habe. Selbst wenn dies zutreffen sollte, änderte dies aber nichts daran, dass sie bewusst eine falsche Erklärung abgegeben hat. Sie wusste, dass der Maklervertrag einen Preis von 420.000 EUR auswies.

Die Klägerin zu 3) hat auch nicht etwa geltend gemacht, sie habe zwar das Schadensprotokoll unterschrieben, aber eine solche Erklärung gar nicht bewusst abgeben wollen. Vielmehr hat sie im Termin vor dem Senat angegeben, die Zahl von 650.000,- EUR sei richtig gewesen, deshalb habe sie das so erklärt und unterschrieben.

Insgesamt ist der Senat deshalb aufgrund der Gesamtumstände auch bezüglich der Klägerin zu 3) davon überzeugt, dass es ihr darauf ankam, das Regulierungsverhalten der Beklagten in dem oben beschriebenen Sinne zu beeinflussen.

b)

Im Übrigen ist der Klägerin zu 3) – unabhängig von dem zuvor unter a) Gesagten – jedenfalls das Wissen des Klägers zu 1) zuzurechnen.

aa)

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht Leistungsfreiheit der Beklagten schon deshalb, weil die Kläger als Miteigentümer der Immobilie ein einheitliches Risiko versichert haben; deshalb könne der Anspruch aus dem Versicherungsvertrag nur ein einheitliches rechtliches Schicksal haben, und das Verhalten eines Miteigentümers schade auch den Übrigen (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2005 – IV ZR 307/04, VersR 2006, 258, Rn. 20; zuvor bereits ausdrücklich BGH, Beschluss vom 30.04.1991 – IV ZR 255/90, NJW-RR 1991, 1372, Rn. 2; zustimmend Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 28 Rn. 92 m.w.N. auch zur Gegenauffassung).

bb)

Davon abgesehen überließ es die Klägerin zu 3) nach ihren eigenen Angaben gegenüber dem Senat nach Abschluss des Maklervertrages dem Kläger zu 1), die Veräußerung des Grundstücks zu betreuen und das Verhältnis zum Makler N zu regeln. Dies hat auch der Zeuge N bestätigt und angegeben, für ihn sei der Kläger zu 1) „die eine Stimme“ gewesen, mit der sich die Eigentümer ihm gegenüber artikulierten. Die Klägerin zu 3) betraute also den Kläger zu 1) damit, an ihrer Stelle für das Versicherungsverhältnis rechtserhebliche Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin zu 3) sich das Wissen des Klägers zu 1) zurechnen lassen muss (vgl. Im Übrigen auch OLG Saarbrücken, Urteil vom 06.10.2010 – 5 U 88/10, VersR 2011, 1151, Rn. 45 ff.).

3.

Eine Abweichung von dem in § 36 ABL 2008 niedergelegten Grundsatz, dass der Versuch einer arglistigen Täuschung zur Leistungsfreiheit des Versicherers führt, ist auch nicht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB veranlasst.

Es ist im Rahmen einer wertenden Gesamtschau zu beurteilen, ob nach Maßgabe dieser Vorschrift in dem Berufen auf vollständige Leistungsfreiheit eine unzulässige Rechtsausübung liegt, wobei deren Annahme besondere Umstände voraussetzt (BGH, Urteil vom 22.06.2011 – IV ZR 174/09, VersR 2011, 1121, Rn. 30; BGH, Urteil vom 23.09.1992 – IV ZR 199/91, VersR 1992, 1465, Rn. 10; OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.06.1999 – 12 U 261/98 NVersZ 2000, 345, Rn. 16). Es kommt insbesondere auf das Maß des Verschuldens an sowie auf die Folgen, welche dem Versicherungsnehmer bei Wegfall des Versicherungsschutzes drohen. Eine unzulässige Rechtsausübung ist demnach regelmäßig nur dann anzunehmen, wenn die Täuschung lediglich einen geringen Teil des versicherten Schadens betrifft und bei der Billigkeitsprüfung weitere Gesichtspunkte zugunsten des Versicherungsnehmers ins Gewicht fallen (BGH, Urteil vom 22.06.2011, a.a.O.).

Die anzustellende Gesamtschau führt vorliegend dazu, dass eine unbillige Härte nicht vorliegt.

Zwar hat die Leistungsfreiheit insbesondere bei der Wohngebäudeversicherung für den Versicherungsnehmer regelmäßig besonders drastische wirtschaftliche Konsequenzen, wobei im hier in Rede stehenden Fall zu einer möglicherweise existenzbedrohenden Wirkung nichts vorgetragen ist. Demgegenüber war aber die Tatsache, über die getäuscht wurde, für die Beurteilung des Versicherers, ob eine Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer selbst in Betracht zu ziehen war, von durchaus erheblicher Bedeutung. Sie betraf damit keineswegs nur einen geringen Teil des versicherten Schadens, sondern vielmehr diesen in seiner Gesamtheit.

Hinsichtlich der Klägerin zu 3) hat der Senat bedacht, dass der Grad ihres Verschuldens geringer war als derjenige des Klägers zu 1), weil sie in die nachträgliche Manipulation des Maklervertrages nicht eingebunden war. Dennoch war auch ihr Versuch einer arglistigen Täuschung von beträchtlichem Gewicht für die Frage der Regulierung.

4.

Da die Klage bereits aus den dargestellten Gründen abzuweisen ist, kam es auf die weiteren von der Beklagten geltend gemachten Obliegenheitsverletzungen nicht mehr an.

5.

Die geltend gemachten Ansprüche auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten seitens des Klägers zu 1) und auf Zahlung an den Rechtsschutzversicherer seitens der Klägerin zu 3) sind mangels Bestehens eines Anspruchs in der Hauptsache ebenfalls abzuweisen.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 und Abs. 2, 708 Nr. 10 S. 1, 711 ZPO. Zwar hat die Klägerin zu 3) ihre Berufung zunächst wegen des gesamten erstinstanzlich im Streit stehenden Betrages eingelegt und im weiteren Verlauf teilweise zurückgenommen. Die darin liegende Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit ist aber so geringfügig, dass der Senat sein Ermessen gemäß § 100 Abs. 2 ZPO dahingehend ausübt, eine Kostentragung zu gleichen Teilen anzuordnen.

Die Revision ist nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

 

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