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Wohngebäudeversicherung – Wann liegt ein Erdrutsch vor?

OLG Koblenz – Az.: 10 U 1268/13 – Beschluss vom 03.02.2014

Gründe

Der Senat erwägt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Dem Beklagten wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 17. März 2014.

Die Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nach Auffassung des Senats gegeben. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Das landgerichtliche Urteil entspricht der Rechtslage und enthält keine Fehler. Die getroffenen Feststellungen sind vollständig und rechtfertigen keine andere Entscheidung.

Wohngebäudeversicherung – Wann liegt ein Erdrutsch vor?
Symbolfoto: Von IrinaK /Shutterstock.com

Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten ist die Feststellungsklage zulässig. Ein etwaiger Leistungsantrag würde nicht den gesamten zu erwartenden Schaden abdecken. Der Schaden befindet sich noch in der Fortentwicklung; insbesondere sind Ausmaß und Umfang der zur Beseitigung der Schäden erforderlichen Kosten noch nicht bezifferbar. In diesem Fall darf der Geschädigte in vollem Umfange Feststellungsklage erheben (vgl. nur BGH NJW 1988, 3268 m. w. N.).

Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt, dass der Klägerin gegen den Beklagten aus dem zwischen den Parteien bestehenden Wohngebäudeversicherungsvertrag ein Anspruch auf Versicherungsschutz bezüglich der streitgegenständlichen Risse- und Absackungsschäden am versicherten Hausanwesen „…[Z]“ in …[Y], zusteht. Auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst vollinhaltlich Bezug genommen.

Mit dem Landgericht ist der Senat der Auffassung, dass Ursache der streitgegenständlichen Risse- und Absackungsschäden am versicherten Objekt ein Erdrutsch im Sinne der Versicherungsbedingungen ist.

Nach § 6 der zwischen den Parteien vereinbarten Versicherungsbedingungen ist ein Erdrutsch ein naturbedingtes Abgleiten oder Abstürzen von Gesteins- und Erdmassen. Nach der in der Rechtsprechung entwickelten Definition eines Erdrutsches handelt es sich um einen Vorgang, bei dem sich ein Teil der Erdoberfläche aus seinem natürlichen Zusammenhang mit seiner Umgebung löst und in Bewegung übergeht, wobei unerheblich ist, ob der Vorgang durch ein Naturereignis oder eine menschliche Tätigkeit verursacht worden ist und ob sich die Einwirkungen, die zu dem Vorgang geführt haben, erst allmählich entwickelt haben oder sofort aufgetreten sind (BGH VersR 1956, 889; 1970, 611; OLG Schleswig VersR 2003, 190).

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist vom Landgericht unter zutreffender Würdigung der Feststellungen der Sachverständigen …[B] und Prof. Dr. Ing. …[A] bejaht worden.

Der Sachverständige …[B] hat in seinem Gutachten vom 2. April 2013 bezüglich der streitgegenständlichen Risse schlüssig und gut nachvollziehbar dargelegt, dass diese aufgrund ihrer Anordnung, ihres Verlaufs und der Rissbreite alle auf Untergrundbewegungen hinweisen. Anhand der Schädigungen sei ersichtlich, dass vorliegend hauptsächlich eine Baugrundbewegung auf der nordwestlichen Gebäudeseite erfolgt sei, welche letztlich zu den Riss-Schädigungen geführt habe (Bl. 314 d. A.). Hinsichtlich der Ursachen der Baugrundbewegung hat der Sachverständige …[B] auf die Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. Ing. …[A] verwiesen, der die organischen Tone der dritten Schicht als ursächlich für die Bewegung des Baugrundes festgestellt hat. Diese würden zum langsamen Abgleiten (Kriechen) des Bodens führen (Bl. 323 f. d. A.).

Entgegen der Auffassung des Beklagten in der Berufungsbegründung ergibt sich aus der Entscheidung des Senats vom 3. März 2011 (10 U 1319/10 VersR 2012, 59), nicht, dass es sich bei den von dem Sachverständigen als schadenursächlich festgestellten langsamen Abgleitens des Bodens aufgrund der organischen Tone der dritten Schicht nicht um einen Erdrutsch im Sinne der Versicherungsbedingungen handelt. Der Senat hat sich in der genannten Entscheidung mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Senkung des Bodenuntergrundes infolge Austrocknung einen Erdfall im Sinne der Versicherungsbedingungen, das heißt, einen naturbedingten Einsturz des Erdbodens über natürlichen Hohlräumen darstellt, und hat diese Frage verneint. Hieraus lässt sich indes nicht der Schluss ziehen, hier vorliegendes Abgleiten (Kriechen) des Bodens lasse sich (auch) nicht als Erdrutsch im Sinne der Versicherungsbedingungen subsumieren.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von dem Beklagten zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. Juli 1983 (VersR 1985, 1035), in der die Begriffe Erdrutsch und Erdsenkung definiert werden, und der Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 18. Juni 2007 (r+s 2007, 329), die sich mit der Erdsenkung, Überschwemmung und dem Rückstau als Versicherungsfälle befasst.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der Senat mit dem Landgericht einen Erdrutsch im Sinne der Versicherungsbedingungen als gegeben erachtet. Ursächlich für die streitgegenständlichen Risse sind die organischen Tone der dritten Schicht unter dem streitgegenständlichen Hausanwesen, die zum Kriechen des Bodens führen. Dabei geht ein Teil der Erdoberfläche aus seinem natürlichen Zusammenhang mit der Umgebung in Bewegung über und gleitet auf der kriechempfindlichen Bodenschicht ab. Dass es sich bei dem Lösen eines Teils der Erdoberfläche aus seinem natürlichen Zusammenhang mit der Umgebung aus einer horizontalen oder schrägen Ebene um einen sich langsam vollziehenden Vorgang handelt, steht der Subsumtion dieses Vorgangs als Erdrutsch im Sinne des § 6 der Besonderen Versicherungsbedingungen nicht entgegen.

Der Schaden ist auch im Versicherungszeitraum eingetreten. Unstreitig begann der Versicherungsschutz im Dezember 1998. Die ersten Risse wurden im Jahr 2005 festgestellt. Es liegen mithin keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Versicherungsfall, das heißt der Eintritt des Gebäudeschadens, sich nicht in dem versicherten Zeitraum ereignet hat. In der in diesem Zusammenhang erneut zitierten Entscheidung des Senats vom 3. März 2011 bestand ein Versicherungsvertrag lediglich für den Zeitraum vom 10. Dezember 2003 bis 10. Dezember 2007. Der streitgegenständliche Schaden war indes erst Mitte 2008 und mithin nicht mehr im Versicherungszeitraum eingetreten. Demgegenüber ist im vorliegenden Verfahren der Schaden im Jahr 2005, das heißt rund sieben Jahre nach Versicherungsbeginn und im Versicherungszeitraum eingetreten.

Schließlich ist der Beklagte auch nicht wegen eines Verstoßes der Klägerin gegen ihre Schadenminderungsobliegenheit (§ 20 VGB) von ihrer Leistungspflicht frei geworden. Es ist weder erkennbar noch dargetan, welche baulichen Maßnahmen die Klägerin hätte treffen können und müssen, um ein weiteres Ausdehnen der Risse zu verhindern. Hinzu kommt, dass es sich um einen Versicherungsfall handelt und die Klägerin mangels einer Deckungszusage des Beklagten die zur Beseitigung der Schäden erforderlichen Maßnahmen noch nicht durchführen konnte.

Der Senat nimmt in Aussicht, den Gegenstandswert für das Berufungsverfahren auf 140.000 € festzusetzen.

Anmerkung: Nach Erlass des Beschlusses wurde die Berufung zurückgenommen.

 

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