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Klage Gebäudeversicherung gegen Privathaftpflichtversicherung wegen Gebäudebrand

OLG Dresden – Az.: 7 U 1978/11 – Urteil vom 05.09.2012

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Dresden vom 09.11.2011 – Az. 8 O 3099/10 – wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsrechtszugs werden der Beklagten auferlegt.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung die Klägerin Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss: Der Gebührenstreitwert wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Die klägerische Gebäudeversicherung verlangt von der beklagten Privathaftpflichtversicherung im Wege einer Teilklage Zahlung eines Haftpflichtschadens wegen eines Gebäudebrandes, den ein bei der Beklagten mitversicherter Minderjähriger (mit-)verursacht hat.

1. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Der bei der Beklagten über seine Mutter Mitversicherte (M.) ist wegen vorsätzlicher Brandstiftung zu einer Jugendstrafe von 6 Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Wegen der Einzelheiten dieses Strafverfahrens wird auf die beigezogene Akte der Staatsanwaltschaft Görlitz (Az. 253 Js 5762/08) Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit Endurteil vom 09.11.2011, der Beklagten zugestellt am 25.11.2011, der Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich die am 27.12.2011 eingelegte und – nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist – am 05.03.2012 begründete Berufung der Beklagten.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass das Landgericht § 152 VVG a.F. rechtsfehlerhaft angewandt habe. Zwar gehe es zu Recht davon aus, dass sich der Vorsatz in dieser Norm auch auf die Schadensfolge erstrecken müsse, um Leistungsfreiheit herbeizuführen. Diesen Nachweis habe die Beklagte allerdings anhand von Indizien zu führen vermocht. Für den doppelten Vorsatz sprächen bereits die Einlassungen des M. anlässlich dessen erster Vernehmung durch die Polizei (vgl. Beschuldigtenvernehmung vom 17.04.2008, beigezogene Strafakte GA 154). Für dessen Annahme, das Feuer jederzeit beherrschen zu können, fehlten objektive Anhaltspunkte. Insbesondere seien keine Löschmittel vorgehalten noch sonstige Vorkehrungen getroffen worden, um ein unkontrolliertes Ausbreiten des entzündeten Feuers zu verhindern. Es handle sich deshalb nur um eine Schutzbehauptung. Nichts anderes ergebe sich auch aus der späteren Einlassung in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 28.04.2008. Hinzu komme, dass der Schaden nur seinem wesentlichen Umfang nach vom Vorsatz umfasst sein müsse, wobei bereits Eventualvorsatz genüge. Aufgrund der Tatumstände sei davon auszugehen, dass es M. zusammen mit seinem Mittäter letztendlich darauf angekommen sei, eine möglichst große und damit auch in ihrer Auswirkung starke Flamme zu erzeugen. Auch einem 15-Jährigen hätte diese besondere Gefährlichkeit seines Tuns ohne weiteres einleuchten müssen. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus dem Brandursachenermittlungsbericht (Strafakte, GA 208). Letztlich belege auch die Aussage, man habe „etwas reißen“ wollen, dass der Mitversicherte vorsätzlich gehandelt habe.

Rechtsfehlerhaft sei auch die Auffassung des Landgerichts, wonach eine schuldhafte, d.h. vorsätzliche oder zumindest grob fahrlässige Verletzung von Obliegenheiten nicht vorliege oder sich jedenfalls nicht auswirke. So sei der Mahnbescheid bereits am 29.05.2009 zugestellt worden, die Deckungsversagung der Beklagten sei aber erst mit Schreiben vom 24.06.2009 erfolgt. Auf eine Weisung gegenüber M. bzw. seiner gesetzlichen Vertreterin komme es nicht an; zur Einlegung von Rechtsbehelfen sei die Versicherungsnehmerin bereits durch die in den AHB getroffene Regelung verpflichtet gewesen (§5 Abs. 4 Satz 2 AHB). Gleichwohl sei diese Weisung am 02.06.2009 auch ausdrücklich gegenüber der gesetzlichen Vertreterin erfolgt. Auch aus der unterlassenen Offenlegung der Identität seines Mittäters ergebe sich eine relevante Obliegenheitsverletzung. So habe M. erst in der mündlichen Verhandlung vom 17.02.2009 seinen Mittäter namentlich und mit Anschrift benannt. Zu diesem Zeitpunkt seien aber etwaige Ausgleichsansprüche im Rahmen des Gesamtschuldnerregresses, die auf die Beklagte übergehen könnten, bereits verjährt gewesen. Dies habe auch zu einem dauerhaften Schaden bei der Beklagten geführt, gehe man von ihrer Leistungsverpflichtung aus. Die Verjährungsfrist habe insoweit Ende 2007 zu laufen begonnen, Verjährung sei mithin bereits mit Ablauf des 31.12.2010 eingetreten. Die Benennung des Mittäters sei auch in keiner Hinsicht unbillig gemäß § 5 Abs. 3 AHB. Es sei von einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung auszugehen.

Selbst wenn man dies anders sehen wollte, sei von einem gestörten Gesamtschuldnerausgleich auszugehen, was eine Kürzung des Anspruchs um jedenfalls 50% zur Folge haben müsse.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Der Vorsatz des M. habe sich nicht auf den Brand des gesamten Gebäudes erstreckt. Auch aus den Umständen des Falles könne nichts Anderes geschlussfolgert werden. Die Aussage des M., er habe „etwas reißen“ wollen, sei keinesfalls gleichzusetzen mit dem Wunsch, das ganze Gebäude in Brand zu setzen. Anderes folge auch aus dem Brandursachenermittlungsbericht nicht.

Hinsichtlich der behaupteten Obliegenheitsverletzung hätte die Beklagte jedenfalls selbst die weiteren Schritte unternehmen müssen. Auch sei mit dem Landgericht nicht von grober Fahrlässigkeit auszugehen. Letztlich sei die Obliegenheitsverletzung durch Nichteinlegung des Widerspruchs nicht kausal für die Eintrittspflicht des Versicherers geworden. M. bzw. die Versicherungsnehmerin, dessen Mutter, hätten nach der endgültigen Deckungsversagung durch die Beklagte eine mögliche Auskunftsobliegenheit nicht mehr verletzen können. Hinzu komme, dass noch immer offen sei, ob M. den Mittäter tatsächlich schon früher als geschehen namentlich hätte benennen können. Er sei von der Beklagten insoweit jedenfalls nie befragt worden oder habe ihr gegenüber eine Benennung abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des wechselseitigen Sach- und Rechtsvortrags wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 01.08.2012 ergänzend Bezug genommen. Die beigezogene Strafakte war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

2. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§§511, 517, 519, 520, 222 Abs. 2 ZPO). Sie ist in der Sache allerdings nicht begründet, weil das Landgericht der Klage mit Recht stattgegeben hat.

a) Die Klägerin ist jedenfalls aufgrund der Abtretung des Deckungsanspruchs legitimiert, den geltend gemachten Schaden direkt von der Beklagten einzufordern. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird auf Ziff. I 1 und 2 des angefochtenen Urteils Bezug genommen; der Senat macht sich die Begründung der angefochtenen Entscheidung insoweit zu Eigen. Die Berufung greift das Urteil in diesem Punkt auch nicht an.

b) Außer Frage steht, dass der Versicherungsfall widerrechtlich herbeigeführt worden ist; der für den Ausschluss der Haftung kumulativ erforderliche Vorsatz ist aber nicht bewiesen.

aa) Auf den vorliegenden Fall (Altvertrag) findet das VVG alter Fassung Anwendung (Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG). Gem. § 152 VVG a.F. (jetzt mit z.T. anderem Wortlaut: § 103 VVG n.F.) haftet die Beklagte nicht, wenn ihr Versicherungsnehmer vorsätzlich den Eintritt der Tatsache, für die er dem Dritten verantwortlich ist, widerrechtlich herbeigeführt hat. Im Rahmen der Fremdversicherung (§§ 74 ff. VVG a. F.) gilt dies auch für den Versicherten (BGH, Urt. v. 15.12.1970 – VI ZR 97/69, NJW 1971, 459; Prölss/Martin/Voit/Knappmann, VVG, 27. Aufl., § 152 Rn. 1).

bb) Beweisbelastet für den kumulativ erforderlichen Vorsatz ist die Beklagte, wobei schon der Nachweis von Eventualvorsatz genügt (vgl. nur Prölss/Martin/Lücke, VVG, 28. Aufl., § 103 Rn. 5 u. 7 m.w.N.). Es ist deshalb auch nicht erforderlich, wie dies in der landgerichtlichen Entscheidung allerdings anklingt, vom fehlenden Vorsatz überzeugt zu sein. Der Haftungsausschluss greift bereits, wenn vernünftige Zweifel verbleiben. So verhält es sich im vorliegenden Fall.

Erforderlich ist über den – außer Frage stehenden – Vorsatz hinsichtlich der eigentlichen Tathandlung hinaus (§ 823 BGB), dass der Schädiger den Erfolg zumindest als möglich vorausgesehen und für den Fall seines Eintritts, wenn auch nicht in allen Einzelheiten, gebilligt hat. Dieses Erfordernis tritt in der aktuellen Gesetzesfassung deutlicher hervor, galt aber auch anerkanntermaßen bereits unter der Geltung des §152 VVG a. F. (Voit/Knappmann, a.a.O. Rn. 2) und wird von der Beklagten im vorliegenden Verfahren auch nicht in Zweifel gezogen (vgl. auch Senat, Urt. v. 28.03.2012 – 7 U 1249/11, rechtskräftig).

Fallgestaltungen, in denen es um die Frage ging, ob einem Kind oder Jugendlichen dieser doppelte Vorsatz nachzuweisen ist oder nicht, waren mehrfach Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Der (doppelte) Schädigungsvorsatz wurde dabei oftmals, nicht zuletzt im Zusammenhang mit gravierenden Körperverletzungsfolgen, verneint. Auch in den sich auf vergleichbare Brandstiftungsfälle beziehenden Urteilen wurde der Vorsatz zumeist verneint (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.12.2002 – 4 U 107/02, ZfSch 2004, 471: 12 1/2 jähriges Kind zündet Benzin in einem Carport an; OLG Frankfurt, Urt. v. 24.07.1997, NJW-RR 1998, 386: 10Jähriger zündet in Sonnenstudio Papierhandtücher an), in Einzelfällen aber durchaus auch bejaht (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 28.05.1986 – 5 W 55/85, ZfSch 1986, 218: Zwei 17Jährige entfachen mittels heruntergerissener Vorhänge in einem Bahnwaggon Feuer, um mitgebrachten Wein zu erwärmen).

Wird ein zielgerichtetes Handeln durch den Schädiger nicht selbst eingeräumt, kann der Vorsatz nur anhand objektiver (erwiesener oder unstreitiger) Tatumstände nachgewiesen werden, die indiziell auf diese innere Willensrichtung hindeuten. Ist anzunehmen, dass sich der Schädiger über die Folgen seines Tuns bewusst sein musste, kann regelmäßig geschlussfolgert werden, dass dies auch tatsächlich so war (OLG Düsseldorf, a.a.O., m.w.N.). Diese sich letztlich auf die Lebenserfahrung stützende Beweiserleichterung (OLG Düsseldorf, a.a.O.) findet aber nur eingeschränkt Anwendung auf Fälle, in denen mitversicherte Kinder beteiligt sind, weil Handlungsweisen, die bei Erwachsenen im Allgemeinen auf einen Schädigungswillen hinweisen, bei Kindern auch nur oder überwiegend auf spielerischem Übermut beruhen können. Folge hiervon ist, dass bei Kindern regelmäßig größte Zurückhaltung geboten ist, wenn es um die Bejahung des doppelten Vorsatzes geht (OLG Düsseldorf, a.a.O., m.w.N.). Der Senat folgt dieser überzeugenden Sichtweise.

In Würdigung aller (erwiesenen) Umstände und Indizien des vorliegenden Falles ist der Senat – entgegen der Berufung – nicht davon überzeugt (§ 286 ZPO), dass der Mitversicherte auch den Brand des Gebäudes zumindest billigend in Kauf nehmen wollte.

Mag man angesichts des Aussageverhaltens im Zuge des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens auch durchaus den Eindruck gewinnen, dass dem Versicherten nicht unumschränkt geglaubt werden kann, ist jedenfalls dessen Einlassung, man habe das Gebäude sicherlich nicht „abfackeln“ wollen, nicht ernsthaft widerlegt. So ist schon nicht bewiesen, dass das Feuer an zwei Stellen gleichzeitig ausgebrochen ist. Der Brandursachenermittlungsbericht der Polizei (Beiakte GA 208) gibt hierfür nichts her, weil bedingt durch den hohen Zerstörungsgrad des Brandes der Zündbereich nicht konkret bestimmt werden konnte. Anknüpfungspunkt bleibt damit nur das vom Versicherten eingeräumte „Kokeln“ (Zündeln) mit den in Benzin getränkten Papiertaschentüchern. Auch wenn sicherlich die Verwendung eines 5-Liter-Kanisters Benzin per se zunächst durchaus gegen ein nur harmloses „Herumzündeln“ des Versicherten (bzw. seines Mittäters) sprechen mag, ist andererseits nicht widerlegt, dass damit „nur“ die Papiertaschentücher getränkt und diese auf den Boden geworfen wurden, wobei der Versicherte davon ausging, diese würden nach gewisser Zeit von selbst wieder ausgehen ohne weiteren Schaden anzurichten. Anderenfalls hätte es nämlich nahe gelegen, das Benzin unmittelbar als Brandbeschleuniger zu verwenden. Dass dies, entgegen der Einlassung des Versicherten, tatsächlich so geschehen ist, ist aber ebenfalls nicht bewiesen (vgl. oben). Gegen den doppelten Vorsatz des Versicherten über das bloße „Kokeln“ (Zündeln) hinaus spricht des weiteren, dass es sich bei dem abgebrannten Gebäude ausweislich der strafrechtlichen Ermittlungen schon seit längerem um einen „Treffpunkt“ der Jugendlichen handelte, in den sich diese regelmäßig zurückzogen. Plausible Gründe, weshalb die Jugendlichen sich diese Möglichkeit zunichte machen wollten, sind weder dem Vortrag der Beklagten zu entnehmen noch ergeben sich Anhaltspunkte hierfür aus der beigezogenen Strafakte. Hinzu kommt noch, dass im Ergebnis der Strafverhandlung zugunsten des Versicherten davon ausgegangen wurde, dass er versucht hatte, das Feuer zu löschen. Auch dies spricht indiziell gegen einen weitergehenden Schädigungswillen. Der hier zur Entscheidung stehende Sachverhalt unterscheidet sich denn auch grundlegend von dem, welcher dem OLG Stuttgart (a.a.O.) Anlass bot, den doppelten Vorsatz zu bejahen. Anders als hier gaben die Jugendlichen dort nachweisbar die Kontrolle über das entzündete Feuer, dessen Intensität von ihnen noch verstärkt worden war, bewusst auf. Anhaltspunkte dafür, dass der Versicherte dem Feuer bewusst „seinen Lauf“ gelassen hätte, finden sich im vorliegenden Fall gerade nicht. Ergänzend verweist der Senat auf die ausführliche Begründung des landgerichtlichen Urteils (Ziffer I 4, S. 6 bis 8 oben) und macht sich dessen zutreffende Ausführungen auch in diesem Punkt zu Eigen.

c) Eine zum Verlust des Versicherungsschutzes führende Obliegenheitsverletzung liegt entgegen der Berufung ebenfalls nicht vor.

aa) Ein Verstoß gegen § 5 Nr. 3 AHB (Verpflichtung zur Beachtung von Weisungen der Beklagten) ist zwar behauptet; mit Recht hat aber schon das Landgericht auf die Beweisfälligkeit der Beklagten abgestellt, ohne dass dies durch die Berufung nunmehr behoben wurde.

Richtig ist zwar, dass der Versicherungsnehmer gem. § 5 Nr. 4 Satz 2 AHB verpflichtet war, auch ohne eine konkrete Weisung der Beklagten abzuwarten, Widerspruch einzulegen und gem. § 6 I AHB, 6 III VVG a.F. (Art. 1 Abs. 2 EGVVG) ist bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung der Versicherer leistungsfrei, ohne dass (wie jetzt § 28 III VVG n.F.) dem Versicherungsnehmer auch bei Vorsatz der Kausalitätsgegenbeweis offen stünde. Allerdings bestimmt §6 I Abs. 3 der hier einbezogenen AHB zusätzlich, dass auch bei einer vorsätzlichen Verletzung der Versicherungsnehmer seinen Versicherungsschutz insoweit behält, als die Obliegenheitsverletzung nicht geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu beeinträchtigen. So liegt der Fall hier.

Die Beklagte vermag nicht nachvollziehbar darzulegen, dass ein Widerspruch gegen den Mahnbescheid bzw. später gegen den Vollstreckungsbescheid, verbunden mit den höheren Kosten eines dann zwangsläufig durchzuführenden Zivilprozesses, ihren Interessen angesichts der klaren Beweislage gegen ihren Versicherten auch nur geringfügig besser gedient hätte. Schon zu diesem Zeitpunkt war der Versicherte seit ca. 4 Monaten wegen vorsätzlicher Brandstiftung rechtskräftig verurteilt worden; an seiner (Mit-)Verantwortlichkeit für den Brand bestand zu jenem Zeitpunkt keinerlei vernünftiger Zweifel mehr, der es gerechtfertigt hätte, dem zivilrechtlichen Anspruch dem Grunde nach entgegen zu treten. Eine ernsthafte Beeinträchtigung der Interessen der Beklagten droht insoweit auch nicht daraus, dass hinsichtlich der im Mahnverfahren geltend gemachten Teilforderung der Beklagten ein Angriff gegen die Anspruchshöhe nunmehr verwehrt wäre. Auch die Beklagte vermag, zumal in Auseinandersetzung mit den im Schreiben vom 13.01.2009 (Anlage K 2) angesprochenen, den streitgegenständlichen Klagebetrag weit übersteigenden Größenordnungen, nicht nachvollziehbar darzustellen, dass es sich bei der eingeklagten Summe selbst unter Berücksichtigung des maroden Zustands des abgebrannten Gebäudes bereits um eine Zuvielforderung handeln könnte. Selbst wenn man dies anders sähe, vermag der Senat hierin jedenfalls kein erhebliches Verschulden der Versicherungsnehmerin zu erkennen, so dass sich ein vorsätzlicher Obliegenheitsverstoß nicht auswirkt (§ 6 I Abs. 3 AHB).

Hinzu kommt, dass die Beklagte trotz noch offener Einspruchsfrist (gegen den Vollstreckungsbescheid vom 18.06.2009) bereits mit Schreiben vom 24.06.2009 eine Deckung ablehnte. Nach einer Ablehnung des Entschädigungsanspruchs durch den Versicherer treffen, wovon schon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist, den Versicherungsnehmer aber keine Obliegenheiten mehr (Prölss/Martin, a.a.O., 28. Aufl., § 28 Rn. 42 m.w.N.).

bb) Soweit die Beklagte in dem weiteren Schriftsatz vom 16.07.2012 auch einen Verstoß gegen § 5 Nr. 2 (nicht: Nr. 1) AHB rügt, kann dahinstehen, ob dieser Vortrag gemessen an §§529, 531 ZPO als neues Verteidigungsmittel der Beklagten zuzulassen ist. Für einen Verstoß der Versicherungsnehmerin gegen die Obliegenheit zur unverzüglichen Schadensanzeige trägt die Beklagte schon nicht ausreichend vor. Es erschließt sich nicht, wann genau vorher die Versicherungsnehmerin von dem von ihrem Kind (dem Mitversicherten M.) verursachten Brand in Kenntnis gesetzt wurde, so dass eine frühere Anzeige möglich gewesen wäre. Zwar ist auch der Versicherte für die Erfüllung der Obliegenheiten verantwortlich (§ 7 Nr. 1 AHB), doch war sein (unterstellt vorsätzliches) Verschweigen dieser von ihm (mit)verantworteten Zündelei jedenfalls nicht geeignet, die Interessen der Beklagten ernsthaft zu gefährden (§ 6 I Abs. 3 AHB).

cc) Auch ein zum Anspruchsausschluss führender Verstoß gegen § 5 Nr. 3 AHB liegt entgegen der Berufung nicht vor. Danach waren Versicherungsnehmerin und Versicherter gleichermaßen (vgl. oben) dazu verpflichtet, u.a. alles zu tun, was der Klarstellung des Versicherungsfalls dient, soweit ihnen nichts Unbilliges zugemutet werden würde.

Entgegen dem Landgericht ist durch die aus der beigezogenen Strafakte ersichtliche Benennung des zuvor verschwiegenen Mittäters in der Hauptverhandlung allerdings erwiesen, dass der Versicherte über die Identität seines Mittäters jedenfalls zuletzt im Bilde war, wobei auch Vieles dafür spricht, dass er diesen zuvor wider besseren Wissens verschwiegen hat. Es war dem Versicherten auch zumutbar, diesen Mittäter, wie später ja auch geschehen, zeitnah der Beklagten zu offenbaren. Zwar klingt in dem Ermittlungsverfahren zum Teil auch die Angst des Versicherten vor einer Offenbarung seines Mittäters an. Gleichwohl ergeben sich, zumal auch in Würdigung der dann augenscheinlich recht unproblematischen Offenlegung in der Hauptverhandlung, keinerlei belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Versicherte ernsthaft bedroht worden war oder andere beachtliche Nachteile befürchten musste.

Diese (vorsätzliche) Obliegenheitsverletzung des Versicherten war hier aber ebenfalls nicht geeignet, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu beeinträchtigen (§ 6 I Abs. 3 AHB).

Dabei kann – zugunsten der Berufung – davon ausgegangen werden, dass der Anspruch des M. aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen seinen Mittäter auf anteiligen Ausgleich bzw. Freistellung bei Kenntnis des Mittäters bereits 2007 (und nicht erst kurz vor der Hauptverhandlung im Jahre 2009) gem. §§ 195, 199 BGB mit Ablauf des 31.12.2010 verjährt wäre.

Die Beklagte übersieht dabei allerdings den hiervon unabhängigen Anspruch ihres Versicherten aus § 426 Abs. 2 i.V.m. § 823 BGB: Zahlt die Beklagte an die Klägerin, ist dies die Befriedigung des Gläubigers im Sinne des § 426 II BGB in Form der Leistung eines Dritten (§ 267 BGB: der Haftpflichtversicherer ist Dritter, wenn er für den Versicherten zahlt, vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 267 Rn. 2); der Anspruch aus §823 BGB gegen den Mittäter geht deshalb – anteilig (vgl. § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB: „soweit“) – im Wege der Legalzession auf den Versicherten über. Von § 67 a. F. VVG wird der Übergang aller Ansprüche aus §426 BGB erfasst (vgl. nur Prölss/Martin, a.a.O., 27. Aufl., § 67 Rn. 4; ebenso für § 86 VVG n.F.: Prölss, a.a.O., 28. Aufl., § 86 Rn. 4; Bruck/Möller/W.Voit, VVG, 9. Aufl., § 86 Rn 56), auch derjenigen des Versicherten (Prölss, a.a.O., Rn. 12).

Diese übergegangene Forderung ist rechtlich selbständig und auch hinsichtlich ihrer Verjährung (wie auch sonstiger Einwendungen) gesondert zu betrachten (Grüneberg, a.a.O., § 426 Rn. 16); sie ist auch nicht verjährt. Maßgeblich für das Vorliegen der für den Verjährungsbeginn erforderlichen subjektiven Komponente (§ 199 Abs. 1 BGB) ist in Fällen der Legalzession auf den Versicherer das Wissen oder die grob-fahrlässige Unkenntnis des jeweiligen Rechtsvorgängers (vgl. nur Palandt/Ellenberger, a.a.O. § 199 Rn 26 m.w.N.), hier also des Geschädigten als originärem Inhaber des Anspruchs aus § 823 BGB gegen die Schädiger. Nach Aktenlage hatten aber alle Beteiligten (u.U. nur mit Ausnahme des Versicherten selbst, vgl. oben) frühestens nach Bekanntgabe in der Hauptverhandlung vom 17.02.2009 hinreichende Kenntnis von der Identität des Mittäters. Die zuvor durchgeführten Ermittlungen hatten ausweislich der beigezogenen Strafakte noch keinen eindeutigen Hinweis ergeben, der mit hinreichender Sicherheit den Schluss auf die Identität des Mittäters zugelassen hätte. Damit wäre auch der Anspruch des geschädigten Gebäudeeigentümers aus § 823 BGB allerfrühestens mit Ablauf des 31.12.2012 verjährt. Von einer ernsthaften Beeinträchtigung der Interessen der Beklagten kann mithin keine Rede sein. Dass sich, bedingt durch die verzögerte Offenlegung an der Durchsetzbarkeit des Anspruchs gegen den Mittäter, etwa dadurch etwas geändert hätte, dass dieser mittlerweile in Insolvenz gefallen ist, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Schon deshalb fehlt es auch an einer Grundlage für die von der Berufung angesprochene Heranziehung der Grundsätze der gestörten Gesamtschuld, nachdem der Beklagten (vgl. oben) über § 426 Abs. 2 BGB noch immer der Rückgriff offen steht. Die vorliegende Fallkonstellation ist mit den Regelfällen einer gestörten Gesamtschuld nicht vergleichbar. Dort geht es um Sachverhalte, in denen nur für einen der Gesamtschuldner kraft Gesetzes oder aufgrund rechtsgeschäftlicher Abrede eine Haftungsfreistellung greift, was letztlich zu einer Anspruchskürzung zu Lasten des Geschädigten auch im Verhältnis zum eigentlich unbeschränkt haftenden anderen Gesamtschuldner führt (vgl. Grüneberg, a.a.O. § 426 Rn. 18 ff. m.w.N.; MüKo/Bydlinski, BGB, 5. Aufl., § 426 Rn. 54 ff. m.w.N.). Dies ist Folge einer vom Gesetzgeber gewünschten Privilegierung eines Gesamtschuldners gegenüber dem Geschädigten oder aber Folge der von diesem mit verantworteten rechtsgeschäftlichen Haftungsfreistellung oder -reduzierung zugunsten eines Gesamtschuldners. Demgegenüber geht es im vorliegenden Fall um die Folgen einer allein im Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer bzw. Versichertem und Versicherer aufgetretenen Obliegenheitsverletzung. Es besteht aber kein Grund, dies dem Geschädigten, bzw. hier der Klägerin als dessen Rechtsnachfolgerin, anspruchsmindernd entgegen zu halten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Festsetzung des Gebührenstreitwerts folgt dem bezifferten Antrag (§§ 3 ZPO, 47 GKG). Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 543 Abs. 2 ZPO).

 

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