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Wohngebäudeversicherer muss Erwerber bereits versicherter Immobilie beraten

Wohngebäudeversicherung: Beratungspflicht beim Immobilienerwerb

Die Wohngebäudeversicherung stellt eine zentrale Absicherung für Immobilieneigentümer dar. Doch was passiert, wenn eine Immobilie den Besitzer wechselt und bereits eine solche Versicherung besteht? Hier rückt die Beratungspflicht des Versicherers in den Fokus. Es geht um die Frage, inwieweit der Erwerber einer bereits versicherten Immobilie durch den Versicherer beraten werden muss. Dies betrifft insbesondere die Übertragung oder den Neuabschluss einer Versicherung und die damit verbundenen Rechte und Pflichten. Dabei spielen Begriffe wie Vertragsübernahme, rechtliches Gehör und die Rolle des Versicherungsvertreters eine entscheidende Rolle. Das Versicherungsrecht gibt hierzu klare Richtlinien vor, die sowohl den Schutz des Erwerbers als auch die Pflichten des Versicherers definieren. Es ist essentiell, dass der Erwerber über seine Möglichkeiten und Risiken im Kontext der Wohngebäudeversicherung umfassend informiert wird, um mögliche Schadenseintritte und rechtliche Komplikationen zu vermeiden.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 12 U 66/23   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Der Wohngebäudeversicherer hat die Pflicht, den Erwerber einer bereits versicherten Immobilie korrekt zu beraten, insbesondere über die Möglichkeit, eine eigene Gebäudeversicherung abzuschließen.

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Wohngebäudeversicherer muss den Erwerber einer bereits versicherten Immobilie beraten.
  2. Eine vorzeitige Vertragsübernahme benötigt das Einverständnis der Versicherungsnehmerin.
  3. Das Landgericht hat entschieden, dass die Beklagten dem Kläger Schäden ersetzen müssen, die durch fehlenden Versicherungsschutz entstanden sind.
  4. Die Beratungspflicht des Versicherers ergibt sich aus § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG.
  5. Der Kläger hätte über die Möglichkeit informiert werden müssen, eine eigene Gebäudeversicherung abzuschließen.
  6. Die Beklagte argumentierte, dass ihr Recht auf rechtliches Gehör verletzt wurde.
  7. Der Kläger verteidigte das erstinstanzliche Urteil und betonte die Falschberatung durch die Beklagte.
  8. Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte den Kläger nicht über die Möglichkeit zum Abschluss einer eigenen Gebäudeversicherung informiert hat.

Die Bedeutung der Wohngebäudeversicherung beim Immobilienkauf

Im Zentrum des vorliegenden Falles steht die Wohngebäudeversicherung und die Beratungspflicht des Wohngebäudeversicherers beim Erwerb einer bereits versicherten Immobilie. Es geht konkret um einen Fall, bei dem die jetzige Ehefrau des Klägers, Zeugin O., im Februar 2020 den Versicherungsvertreter des Beklagten kontaktierte. Sie wollte die Übertragung der Gebäudeversicherung vor dem Eigentumswechsel anzeigen und ein SEPA-Lastschriftmandat für die Fortzahlung der Versicherungsbeiträge beantragen. Der Kläger befürchtete, dass die bisherige Versicherungsnehmerin die Zahlungen einstellen könnte. Während dieses Gesprächs wurde der Zeugin O. mitgeteilt, dass eine vorzeitige Vertragsübernahme die Zustimmung der bisherigen Versicherungsnehmerin erfordern würde.

Die rechtlichen Herausforderungen der Beratungspflicht

Wohngebäudeversicherung
(Symbolfoto: MIND AND I /Shutterstock.com)

Das rechtliche Problem und die Herausforderung in diesem Fall liegen in der Beratungspflicht des Versicherers. Es wurde argumentiert, dass die Auskunft, dass eine Übertragung der Versicherung nur mit Zustimmung der Versicherungsnehmerin möglich sei, eine Falschberatung darstelle. Der Kläger hatte den ausstehenden Versicherungsbeitrag innerhalb einer verlängerten Frist nachgezahlt, sodass die Beklagte nicht von ihrer Leistungspflicht befreit wurde.

Das Urteil und seine Konsequenzen

Das Gericht entschied, dass die Beklagte zu 1, der Wohngebäudeversicherer, den Kläger hätte beraten müssen. Die Beratungspflicht des Versicherers ergibt sich aus § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG, wonach der Versicherer den Versicherungsnehmer, je nach Schwierigkeit der Beurteilung der angebotenen Versicherung oder der Situation des Versicherungsnehmers, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen befragen und beraten muss. In diesem Fall hätte der Kläger über die Möglichkeit informiert werden müssen, eine eigene Gebäudeversicherung abzuschließen, um den Fortbestand des Versicherungsschutzes sicherzustellen.

Das Gericht stellte fest, dass die Beratungspflicht nicht erfüllt wurde, da der Kläger nicht über die Möglichkeit zum Abschluss einer eigenen Gebäudeversicherung informiert wurde. Die bloße Möglichkeit einer rechtsgeschäftlichen Vertragsübernahme reichte nicht aus, um die Beratungspflicht zu erfüllen.

Die Bedeutung korrekter Beratung für Versicherungsvertreter

Die Auswirkungen dieses Urteils könnten weitreichend sein, insbesondere für Versicherungsvertreter und Versicherungsnehmer. Es betont die Wichtigkeit der Beratungspflicht und die Notwendigkeit für Versicherungsvertreter, sicherzustellen, dass sie ihre Kunden korrekt und umfassend beraten.

Das Fazit des Urteils ist, dass Versicherungsvertreter ihre Kunden korrekt und umfassend über ihre Rechte und Möglichkeiten beraten müssen, insbesondere wenn es um den Erwerb einer bereits versicherten Immobilie geht. Das Nichterfüllen dieser Pflicht kann zu rechtlichen Konsequenzen führen, wie in diesem Fall gesehen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was ist die Beratungspflicht eines Wohngebäudeversicherers?

Die Beratungspflicht eines Wohngebäudeversicherers ist in § 6 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) festgelegt. Sie besagt, dass der Versicherer die Pflicht hat, den Versicherungsnehmer vor Vertragsabschluss anlassbezogen zu beraten und ihm den erteilten Rat und die Gründe hierfür in Papierform, über einen anderen dauerhaften Datenträger oder über eine Website zu übermitteln. Die Beratungspflicht beinhaltet, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer über seine Bedürfnisse, Wünsche und persönlichen Verhältnisse befragt. Ziel ist es, sicherzustellen, dass der Versicherungsnehmer einen an seinen Wünschen und Bedürfnissen optimal orientierten Versicherungsschutz erhält.

Die Beratungspflicht besteht nicht nur vor Vertragsabschluss, sondern auch während der Laufzeit des Versicherungsvertrags. Der Versicherer ist zur Beratung verpflichtet, soweit für diesen ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Versicherungsnehmer anzeigt, dass der Versicherungsfall eingetreten ist. Die Beratungspflicht des Versicherers beinhaltet auch die Pflicht zur Dokumentation des Beratungsgesprächs in einem Beratungsprotokoll. Dieses Protokoll muss dem Versicherungsnehmer zur Verfügung gestellt werden. Es ist umstritten, ob das Beratungsprotokoll unterschrieben werden muss, aber aus Beweisgründen sollte ein Versicherungsnehmer darauf bestehen, dass das Beratungsprotokoll von beiden Seiten (Versicherer und Versicherungsnehmer) unterschrieben wird.

Wenn die Pflichten zur Beratung vom Versicherer schuldhaft verletzt werden, ist er dem Versicherungsnehmer gemäß § 6 Abs. 5 VVG zum Schadensersatz verpflichtet. Es gibt jedoch auch Ausnahmen von der Beratungspflicht. Diese bestehen gemäß § 6 Abs. 6 VVG bei Großrisiken im Sinne des § 210 Abs. 2 VVG und bei von einem Versicherungsmakler vermittelten Versicherungsverträgen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Versicherungsnehmer durch gesonderte schriftliche Erklärung auf Beratung und Dokumentation verzichten.

Es ist zu beachten, dass der Versicherer nicht in allen Fällen Aufklärung und Beratung schuldet. Vielmehr ist es grundsätzlich Aufgabe des Versicherungsnehmers, seinen Wunsch nach weitergehender Beratung konkret zum Ausdruck zu bringen. Nur dann kann von einem Versicherer Aufklärung und Beratung erwartet werden, wenn sich ein konkretes Bedürfnis hierfür offenbart. Es ist auch wichtig zu wissen, dass der Versicherungsnehmer die Tatsachen, aus denen sich ein erkennbarer Beratungsanlass und der Umfang der daraus folgenden Beratungspflicht herleiten lässt, darzulegen und zu beweisen hat.

Wenn der Versicherungsnehmer seinen Anspruch sowohl auf den Versicherungsvertrag als auch auf eine Beratungspflichtverletzung des Versicherers stützt, liegt ein Verfahrensfehler vor, wenn das Gericht nur den Schadensersatzanspruch zurückweist, ohne sich mit dem Primäranspruch zu befassen.

Was versteht man unter einer „rechtsgeschäftlichen Vertragsübernahme“ im Versicherungsbereich?

Die rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme im Versicherungsbereich bezieht sich auf die Übertragung eines bestehenden Versicherungsvertrags von einer Partei auf eine andere. Dies bedeutet, dass ein Versicherungsvertrag, der ursprünglich zwischen dem Versicherer und einem Versicherungsnehmer abgeschlossen wurde, auf einen neuen Versicherungsnehmer übertragen wird.

Die Vertragsübernahme ist ein eigenes Rechtsinstitut und bewirkt durch einen einheitlichen Akt die Übertragung aller Rechte und Pflichten aus dem Vertrag auf den Übernehmer. Dies kann beispielsweise relevant sein, wenn eine Immobilie verkauft wird und der neue Eigentümer den bestehenden Versicherungsvertrag übernehmen möchte. Im Kontext der Wohngebäudeversicherung geht beispielsweise eine bestehende Versicherung automatisch auf den neuen Eigentümer über, wenn eine Immobilie verkauft wird. Dies gewährleistet, dass der Versicherungsschutz auch in der Übergangsphase bestehen bleibt. Der neue Versicherungsnehmer hat jedoch das Recht, die Versicherung innerhalb eines Monats nach dem Eigentumsübergang außerordentlich zu kündigen.

Bei der Übertragung eines Versicherungsvertrags auf einen neuen Versicherungsnehmer werden dem neuen Versicherungsnehmer der Originalversicherungsschein und die Versicherungsbedingungen, die dem Vertrag zugrunde liegen, ausgehändigt. Der neue Versicherungsnehmer übernimmt den Vertrag mit den bestehenden Rechten und Pflichten. Es ist zu beachten, dass bei einem Wechsel des Versicherungsnehmers in der Kfz-Versicherung ein neuer Abschluss durch den Versicherungsnehmer erforderlich ist und keine Schadenfreiheitsklassen von einer Person auf die andere übertragen werden können.


Das vorliegende Urteil

OLG Karlsruhe – Az.: 12 U 66/23 – Urteil vom 05.10.2023

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte zu 1 trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten.

3. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 1 kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb eines bei der Beklagten zu 1 versicherten Hausanwesens.

Die frühere Ehefrau des Klägers, Frau ### (im Folgenden: Versicherungsnehmerin), war Alleineigentümerin des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks ###-Weg ### in ###, für das sie bei der Beklagten zu 1 eine Wohngebäudeversicherung unterhielt. Der Versicherungsvertrag sah eine vierteljährliche Beitragszahlung vor. Nach ihrer Scheidung vom Kläger übertrug die Versicherungsnehmerin diesem durch notarielle Auseinandersetzungsvereinbarung vom 27.01.2020 das versicherte Hausanwesen gegen Übernahme von Verbindlichkeiten. Die Eigentumsumschreibung im Grundbuch erfolgte am 23.10.2020.

Bereits Anfang Februar 2020 hatte die jetzige Ehefrau des Klägers ### (im Folgenden: Zeugin O.) im Büro des Beklagten zu 2, der seinerzeit Generalagent der Beklagten zu 1 war, angerufen, um die Übertragung anzuzeigen und um die Umschreibung der Gebäudeversicherung vor Eigentumswechsel sowie ein Formular für ein SEPA-Lastschriftmandat zur Fortzahlung der Versicherungsbeiträge zu bitten, weil der Kläger befürchtete, die Versicherungsnehmerin könnte die Zahlung einstellen. Im Laufe des Telefonats teilte eine Mitarbeiterin des Beklagten zu 2, die Zeugin ###, der Zeugin O. mit, dass eine vorzeitige Vertragsübernahme das Einverständnis der Versicherungsnehmerin voraussetze. Der Gesprächshergang im Übrigen ist zwischen den Parteien streitig.

Am 12.02.2020 wandte sich die Zeugin ### per eMail an die Versicherungsnehmerin, um ihre Zustimmung zur Vertragsübernahme einzuholen, die sie in der Folge aber nicht erteilte. Mit eMail vom 16.02.2020 übermittelte die Zeugin O. der Zeugin ### eine Abschrift der notariellen Vereinbarung und bat um Kontaktierung der Versicherungsnehmerin sowie Zusendung der Versicherungspolice nebst SEPA-Mandatsvordruck. Nachdem die zum 01.07.2020 fällige Versicherungsprämie nicht gezahlt und die Versicherungsnehmerin von der Beklagten zu 1 durch Schreiben vom 19.08.2020 erfolglos i.S. von § 38 Abs. 1 VVG gemahnt worden war, trat am 13.09.2020 der Versicherungsfall ein, indem ein Leck der Hausanschlussleitung für Frischwasser zu einer Unterspülung auf dem versicherten Anwesen sowie Feuchtigkeitsschäden innerhalb des Baukörpers führte. Im Hinblick auf den bestehenden Prämienverzug lehnte die Beklagte zu 1 im Dezember 2020 die Erbringung von Versicherungsleistungen ab. Im März 2021 beauftragte der Kläger seine Prozessbevollmächtigten mit seiner außergerichtlichen Interessenwahrnehmung, welche die Beklagte erfolglos zur Schadensregulierung aufforderten.

Der Kläger hat in erster Instanz behauptet, im Telefonat mit der Zeugin O. habe die Zeugin ### angegeben, im Hinblick auf die Beitragszahlung bestehe kein Grund zur Sorge, weil die Prämie bereits für das gesamte laufende Jahr bezahlt sei und bis zum Folgejahr sicher der Eigentumswechsel stattfinden werde, woraufhin die Beklagte zu 1 ihn, den Kläger, ohnehin anschreiben werde. Vor dem Schadensfall habe er für das Anwesen einen Kaufinteressenten gefunden gehabt, mit dem er sich auf einen Kaufpreis von 500.000 EUR geeinigt habe. Bei ordnungsgemäßer Regulierung hätte das Grundstück wie geplant verkauft werden können. Wegen des Wasserschadens habe der Interessent seine Kaufabsicht am 17.09.2020 zurückgezogen. Für die Dauer unverzüglich eingeleiteter Reparaturarbeiten hätte er noch zugewartet. Solche seien jedoch nicht möglich gewesen, weil die hierfür erforderlichen Mittel weder vorhanden gewesen seien noch im Wege der Kreditaufnahme hätten beschafft werden können. Mit dem Wasserschaden habe die Immobilie nur noch einen Wert von 382.000 EUR. Mit dem Kaufpreis hätten Darlehensverbindlichkeiten abgelöst werden sollen, die durch eine Grundschuld auf dem Anwesen gesichert gewesen seien. Nun sei eine Umfinanzierung erforderlich geworden, die mit einer jährlichen Zinslast von 7.450,10 EUR einhergehe. Der Reparaturaufwand belaufe sich auf mehr als 100.000 EUR (exkl. MWSt.).

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagten schuldeten Schadensersatz aufgrund Beratungsverschuldens nach § 6 Abs. 5 und § 63 VVG, weil sie ihn nicht auf die Möglichkeit hingewiesen hätten, eine neue Versicherung abzuschließen oder sich als weiteren Versicherungsnehmer in den bestehenden Vertrag einbeziehen zu lassen. Zumindest hätten die Beklagten es ihm ermöglichen müssen, für die Versicherungsbeiträge aufzukommen, um den bestehenden Versicherungsschutz aufrecht zu erhalten. In der Folge wäre die Beklagte zu 1 eintrittspflichtig geworden. Die Reparaturen hätten dann innerhalb weniger Wochen durchgeführt und das Grundstück noch an den Interessenten verkauft werden können.

Er hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 118.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche Schäden zu ersetzen, welche diesem aus der Falschberatung im Februar 2020 betreffend den Gebäudeversicherungsschutz zum Versicherungsort Birkenweg 4, 77886 Lauf, entstanden sind und noch entstehen werden, sowie

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger vom Gebührenanspruch der Anwaltssozietät F. in der Angelegenheit (…) freizustellen.

Die Beklagte zu 1 hat – sowohl als Partei als auch als Streithelferin des Beklagten zu 2 – beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat bestritten, dass die Zeugin ### angegeben habe, die Prämie sei bereits für das gesamte laufende Jahr bezahlt. Vielmehr habe diese die Zeugin O. am Telefon darauf hingewiesen, dass eine Prämienrechnung nicht bezahlt sei und der Kläger offene Beiträge überweisen könne. Für den Beklagten zu 2 habe es nach dem Anruf der Zeugin O. keinen Handlungsbedarf gegeben, weil bereits Versicherungsschutz bestanden habe. Der Abschluss eines weiteren Vertrags sei nicht angefragt worden und auch bei einem anderen Versicherer möglich gewesen. Die Ausführungen des Klägers zur Schadenshöhe seien unschlüssig. Der Wasserschaden als solcher und der damit einhergehende Wertrückgang sei den Beklagten nicht zuzurechnen. Das übrige Vorbringen des Klägers zu den Schäden werde mit Nichtwissen bestritten.

Das Landgericht hat – nach Vernehmung der Zeuginnen O. und W. – den Klageanträgen zu 1 und 3 dem Grunde nach stattgegeben und festgestellt, die Beklagten seien als Gesamtschuldner verpflichtet, dem Kläger sämtliche weiteren Schäden zu ersetzen, die ihm daraus entstanden und noch entstehen werden, dass für das Schadenereignis im September 2020 kein Versicherungsschutz bei der Beklagten zu 1 bestanden habe. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen für ein Grundurteil lägen vor. Über den Feststellungsantrag zu 2 sei durch Endurteil zu entscheiden.

Dem Kläger stehe gegen die Beklagten gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2, § 280 BGB ein Schadensersatzanspruch wegen vorvertraglicher Falschauskunft der Zeugin ### zu. Die Zeugin habe, nachdem ihr von der Zeugin O. die Sorge geschildert worden sei, dass die Versicherungsnehmerin die Prämien nicht bezahlen werde, durch die Mitteilung, es bestehe kein Zahlungsrückstand, konkludent die Auskunft erteilt, der Versicherungsschutz sei nicht gefährdet. Damit habe sie auch mitgeteilt, dass vorerst kein Anlass zu sofortigem Handeln und bis auf weiteres Versicherungsschutz bestehe, auf den die Versicherungsnehmerin durch ausbleibende Zahlungen keinen Einfluss nehmen könne. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe die Zeugin ### bei dem Telefonat keinen Beitragsrückstand angegeben. Hieraus habe die Zeugin O. den Schluss gezogen, dass solche bis Jahresende auch nicht auflaufen könnten. Zwar verblieben Zweifel, ob die Zeugin ### von der Zahlung einer Jahresprämie gesprochen habe. Es sei aber lebensnah, dass viele Menschen eine Vorauszahlung der Prämie für ein Jahr im Voraus nicht ungewöhnlich fänden.

Die Falschauskunft stelle eine Verletzung der vorvertraglichen Pflicht dar, wahrheitsgemäße und nicht irreführende Auskünfte zu erteilen. Die Beklagten wären in der Lage gewesen, den richtigen Prämienstand und die vierteljährliche Fälligkeit mitzuteilen. Das Fehlverhalten der Zeugin ### sei den Beklagten zuzurechnen. Die Einwendungen der Beklagten griffen nicht durch. Ihre Wahrheitspflicht sei nicht entfallen, weil dem Kläger die abstrakte Gefahr des Verlusts des Versicherungsschutzes bekannt gewesen sei. Mit der eMail-Anfrage an die Versicherungsnehmerin seien sie ihrer Beratungspflicht nicht vollständig nachgekommen. Danach könne dahinstehen, ob die Beklagten auch eine Pflicht nach § 6 Abs. 1 VVG verletzt hätten und daneben ein Anspruch auf Vertrauensschadenhaftung bestehe.

Hiergegen wendet sich die Beklagte zu 1 – wiederum sowohl für sich als auch für den Beklagten zu 2 – mit der Berufung, in deren Rahmen sie ihr Klageabweisungsbegehren weiterverfolgt. Sie rügt, das Landgericht habe das Recht der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt, weil es vor seiner Entscheidung nicht auf die maßgeblichen Gründe hingewiesen habe, die das Verhalten der Zeugin ### seines Erachtens als fehlerhaft erscheinen ließen. Zudem habe es fehlerhaft unterstellt, der Kläger und die Zeugin O. hätten keine Kenntnis von den Zahlungsmodalitäten besessen. Dem Kläger habe die Versicherungspolice vorgelegen, weshalb er um die Vereinbarung einer Vierteljahresprämie, deren Höhe, die Kontoverbindung der Beklagten zu 1 und die Versicherungsscheinnummer gewusst habe. Damit hätte er die Beitragszahlung erbringen können und im Eigeninteresse auch müssen, um den Fortbestand des Versicherungsschutzes zu sichern. Im Falle einer Doppelzahlung hätte die Beklagte zu 1 die Überzahlung berücksichtigt und an den Berechtigten zurückgezahlt. Die Zeugin ### habe keine Erklärungen zum Prämienrückstand abgegeben, aber auch nicht mitgeteilt, es bestehe kein Anlass für sofortiges Handeln, sondern darauf hingewiesen, dass der Kläger bis zur Umschreibung des Vertrags offene Beiträge überweisen könne. Keinesfalls habe der Kläger aufgrund des Telefonats davon ausgehen dürfen, dass er nichts mehr zu befürchten habe und die Agentur ihn hinsichtlich rückständiger Versicherungsprämien unterrichten müsse. Auf Grundlage der für die Zeugin ### erkennbaren Sachlage habe kein Beratungsbedarf bestanden. Das Bestreiten des Zugangs der qualifizierten Mahnung gemäß § 38 Abs. 1 VVG in zweiter Instanz sei verspätet. Die im Mahnschreiben enthaltenen Rechtsausführungen seien nicht zu beanstanden. Eine Verlängerung der Zahlungsfrist habe nicht stattgefunden.

Die Beklagte zu 1 beantragt, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wendet sich gegen die Ansicht der Berufung, das Recht der Beklagten auf rechtliches Gehör sei verletzt worden. Nachdem er in erster Instanz vorgebracht habe, er habe auf die telefonischen Angaben der Zeugin ### davon ausgehen dürfen, dass er sich um den Fortbestand des Versicherungsschutzes keine weiteren Sorgen machen müsse, habe keine Hinweispflicht des Landgerichts mehr bestanden. Die Beklagte zu 1 übersehe, dass schon die Auskunft der Zeugin, eine Übertragung der Versicherung sei nur mit Zustimmung der Versicherungsnehmerin möglich, eine Falschberatung darstelle. Aufgrund seines Interesses, den Versicherungsschutz aufrechtzuerhalten, habe es einer Einwilligung der Versicherungsnehmerin nicht bedurft. Von ihm habe auch nicht verlangt werden können, die vierteljährlichen Prämien in Unkenntnis einer etwaigen Beitragszahlung der Versicherungsnehmerin zu überweisen. So habe die Zeugin ### – was die Beklagte zu 1 bestreitet – gegenüber der Zeugin O. am Telefon geäußert, eine Zahlung auf Geratewohl würde nur zu einem Buchungschaos führen. Es liege auf der Hand, dass die Beklagte zu 1 eventuelle Doppelzahlungen an die Versicherungsnehmerin rückerstattet hätte. Im Übrigen sei ihm mitgeteilt worden, dass keine Rückstände bestanden hätten. Daneben bestreitet er, dass der Versicherungsnehmerin die qualifizierte Mahnung gemäß § 38 Abs. 1 VVG seinerzeit zugegangen sei. Auch sei der im Mahnschreiben enthaltene Rechtsfolgenhinweis falsch. Ferner habe die Beklagte zu 1 der Versicherungsnehmerin die Zahlungsfrist mit Schreiben vom 09.09.2020 (Anl. K19) verlängert; er, der Kläger, habe den ausstehenden Versicherungsbeitrag innerhalb der verlängerten Frist nachentrichtet, so dass die Beklagte zu 1 ohnehin nicht leistungsfrei geworden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Feststellungen des Landgerichts, soweit sie zu den hier getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen, sowie auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Verhandlungsprotokolle Bezug genommen.

II.

Die von der Beklagten zu 1 für sich und gemäß § 67 Satz 1 ZPO für den Beklagten zu 2 eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

1. Es begegnet keinen durchgreifenden Bedenken, dass das Landgericht den Klageanträgen zu 1 und 3 durch Grundurteil stattgegeben hat.

a) Dem Kläger steht gegen die Beklagten dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Dieser beruht entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht darauf, dass die Zeugin ### der Zeugin O. bei ihrem Telefonat im Februar 2020 eine falsche Auskunft erteilt hätte. Vielmehr folgt die Haftung der Beklagten zu 1 aus § 6 Abs. 5, Abs. 1 Satz 1 VVG und des Beklagten zu 2 aus § 61 Abs. 1 Satz 1, § 63 VVG, weil die Zeugin ### im Rahmen dieses Gesprächs weder auf die Möglichkeit des Neuabschlusses eines Gebäudeversicherungsvertrags bei der Beklagten zu 1 hinwies noch einen gesonderten Termin zum Zweck entsprechender Beratung anbot.

aa) Anders als das Landgericht angenommen hat, erteilte die Zeugin ### im Rahmen des Telefongesprächs mit der Zeugin O. Anfang Februar 2020 durch die vom Landgericht festgestellten Äußerungen keine falsche Auskunft, für welche die Beklagten einstehen müssten.

(1) Nach den Feststellungen des Landgerichts, hinsichtlich deren insoweit von den Parteien keine konkreten Anhaltspunkte aufgezeigt worden sind oder ersichtlich wären, die i.S. von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Zweifel an ihrer Richtigkeit und Vollständigkeit begründen würden, gab die Mitarbeiterin des Beklagten zu 2 gegenüber der Zeugin O. lediglich an, dass seinerzeit kein Rückstand bei der Prämienzahlung bestanden habe. Demgegenüber hat es nicht festgestellt, dass die Zeugin ### überdies geäußert hätte, die Prämie sei bereits für das gesamte laufende Jahr gezahlt worden. So seien Zweifel verblieben, ob ausdrücklich von der Zahlung einer Jahresprämie die Rede gewesen sei. Diese Würdigung überzeugt nicht zuletzt deshalb, weil kein plausibler Grund ersichtlich ist, weshalb die Zeugin ### eine solche Auskunft hätte erteilen sollen, zumal sie – ausweislich der erstinstanzlichen Angaben der Zeugin O. – bereits zu Beginn des Telefonats darauf hingewiesen hatte, aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken keine Auskunft erteilen zu können (vgl. Protokoll der Sitzung des Landgerichts Baden-Baden vom 15.06.2022).

Der bloßen Auskunft, es bestehe kein Zahlungsrückstand, konnte in der konkreten Situation nicht der darüber hinausreichende Aussagegehalt entnommen werden, der Versicherungsschutz sei nicht gefährdet oder bestehe bis auf weiteres fort, ohne dass die Versicherungsnehmerin durch ausbleibende Zahlungen hierauf Einfluss nehmen könne. Auch wenn die Zeugin O. im Telefonat die Sorge äußerte, die Prämien könnten nicht bezahlt werden, hatte sie doch – laut ihrer Aussage in erster Instanz – auch angegeben, dass ihr alle Unterlagen zur Versicherung vorlägen und sie zur Zahlung der „Raten“ nur die Bankverbindung bräuchte (vgl. Protokoll der Sitzung des Landgerichts Baden-Baden vom 15.06.2022). Die Zeugin ### hatte insoweit keinen Anlass, von einem Informationsdefizit der Anruferin hinsichtlich der unterjährigen Zahlungsweise auszugehen. Dass der Zeugin O. die damit einhergehende Gefährdung des Versicherungsschutzes durch die Nichtzahlung der Prämien bekannt war, zeigte bereits die Bitte um Übermittlung der Zahlungsdaten vor Versicherungsübergang. Eine Falschauskunft wäre danach anzunehmen gewesen, wenn die Zeugin ### angegeben oder zumindest suggeriert hätte, dass bis zum voraussichtlichen Eigentumsübergang alle Versicherungsbeiträge bereits entrichtet worden seien. Dies hat sie mit der bloßen Auskunft, es bestünden keine Rückstände, aber nicht getan.

(2) Anders als der Kläger annimmt, liegt auch keine Falschauskunft darin, dass die Zeugin ### die Zeugin O. darauf hinwies, dass eine vorzeitige Vertragsübernahme das Einverständnis der Versicherungsnehmerin voraussetze.

Zwar ist es allgemein anerkannt, dass dem Käufer eines Grundstücks grundsätzlich in der Zeit zwischen Gefahrübergang und Eigentumserwerb durch Eintragung im Grundbuch ein versicherbares – nach Zahlung des Kaufpreises sogar alleiniges – Sacherhaltungsinteresse zukommt (vgl. BGH, Urteile vom 18.10.2000 – IV ZR 100/99, VersR 2001, 53; vom 17.06.2009 – IV ZR 43/07, r+s 2009, 374 Rn. 11). Dieses führt nicht nur dazu, dass der mit dem Veräußerer bestehende Versicherungsvertrag regelmäßig dahin auszulegen ist, dass dieses (fremde) Interesse mitversichert ist (BGH, Urteile vom 18.10.2000 aaO; vom 20.03.2020 – V ZR 61/19, r+s 2020, 407 Rn. 10). Denn durch die Fremdversicherung ist der Erwerber nur unzureichend davor geschützt, dass der Versicherungsschutz durch ein Verhalten des Veräußerers verloren geht. Es besteht daher für den Erwerber bereits vor der Eintragung im Grundbuch ein sachlicher Grund, sein Sacherhaltungsinteresse über die Fremdversicherung hinaus zu versichern (BGH, Urteil vom 17.06.2009 aaO Rn. 12). Dies kann dadurch geschehen, dass er neben dem Veräußerer mit eigenen Rechten und Pflichten in den bestehenden Vertrag eintritt oder einen neuen Vertrag abschließt (vgl. BGH, Urteil vom 17.06.2009 aaO).

Eine Vertragsübernahme ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers eröffnen die vorstehenden Grundsätze dem Erwerber aber nicht. Hierfür bedarf es vielmehr – mangels entsprechender spezieller gesetzlicher Regelungen – eines dreiseitigen Vertrags zwischen dem ausscheidenden, dem übernehmenden Versicherungsnehmer sowie dem Versicherer oder eines Vertrags zwischen ausscheidendem und übernehmendem Versicherungsnehmer, dem der Versicherer zustimmt (vgl. BGH, Urteil vom 20.06.1985 – IX ZR 173/84, BGHZ 95, 88; vom 18.10.1995 – VIII ZR 149/94, WM 1996, 128). Zur vorzeitigen Vertragsübernahme durch den Kläger hätte es damit des Einverständnisses der Versicherungsnehmerin bedurft. Der Hinweis der Zeugin ### war zutreffend.

bb) Die Beklagte zu 1 haftet gemäß § 6 Abs. 5 VVG gleichwohl, weil sie ihre gegenüber dem Kläger bestehende vorvertragliche Beratungspflicht aus § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG verletzte.

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG hat der Versicherer den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Nach dieser Maßgabe war die Beklagte zu 1 verpflichtet, den Kläger nach dem Anruf der Zeugin O. bei der Zeugin ### im Februar jedenfalls auf die Möglichkeit hinzuweisen, hinsichtlich des von ihm erworbenen Anwesens eine eigene Gebäudeversicherung abzuschließen. Dieser Pflicht ist die Beklagte zu 1 nicht nachgekommen.

(1) Der Kläger war Versicherungsnehmer i.S. von § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG.

Die Versicherungsnehmereigenschaft setzt nicht voraus, dass eine Person bereits vertraglich mit dem Versicherer verbunden ist oder schlussendlich eine solche mit dem Versicherer abschließt. Denn die Vorschrift regelt Beratungs- und Informationspflichten, die den Versicherer beim Vertrieb einer Versicherung gegenüber dem potentiellen Versicherungsnehmer treffen (Rudy in Prölss/Martin, 31. Aufl. VVG § 6 Rn. 1). Der Schaden der Verletzung einer solchen Pflicht kann dementsprechend auch darin liegen, dass der Versicherungsnehmer keinen Vertrag geschlossen hat (und deswegen keinen Versicherungsschutz genießt), obwohl das Angebot des Versicherers ein bedarfsgerechtes Versicherungsprodukt umfasst (Rudy aaO Rn. 60). Ein potentieller Versicherungsnehmer war der Kläger, der sich über seine Ehefrau an den Beklagten zu 2 als Versicherungsvertreter der Beklagten zu 1 wandte, um die Gebäudeversicherung seiner früheren Ehefrau kurzfristig zu übernehmen.

(2) Nach dem Anruf der Zeugin O. bestand für die Beklagte zu 1 Anlass, den Kläger zumindest über die Möglichkeit des Neuabschlusses einer zusätzlichen Gebäudeversicherung zu beraten.

(a) § 6 Abs. 1 VVG begründet keine Pflicht des Versicherers, den Versicherungsnehmer von sich aus nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen sowie Ratschläge zu erteilen. Voraussetzung der Beratungspflicht ist vielmehr, dass für den Versicherer im konkreten Einzelfall dazu entsprechender Anlass besteht, der aus der Person des Versicherungsnehmers, aus seiner Situation oder aus der Komplexität des Produkts folgt (Rixecker in Langheid/Rixecker, 7. Aufl. VVG § 6 Rn. 4). Ein solcher Anlass ergab sich im Streitfall aus dem Telefongespräch der Zeugin O. mit der Zeugin ### Anfang Februar 2020.

Zwar wandte sich die Zeugin O. im Auftrag des Klägers nicht an den Beklagten zu 2, um eine neue Versicherung abzuschließen oder sich über das Versicherungsangebot der Beklagten zu 1 zu informieren. Indem sie den Willen des Klägers zum Ausdruck brachte, die bestehende Gebäudeversicherung vorzeitig zu übernehmen und ab sofort für die Beitragszahlung aufzukommen, machte sie aber deutlich, dass es dem Kläger darum ging, den unbedingten Fortbestand des Versicherungsschutzes zu sichern und den Einfluss der Versicherungsnehmerin hierauf nach Möglichkeit auszuschließen. Dieser Wunsch war im Wege der Übernahme des bestehenden Vertrags nicht umzusetzen, weil dies eine Mitwirkung der Versicherungsnehmerin erforderte, die nicht abzusehen war. Damit lag auf der Hand, dass der Absicherungswunsch des Klägers auf sicherem Wege nur durch einen eventuell möglichen Vertragsbeitritt, jedenfalls aber durch eine weitere, von ihm selbst abgeschlossene Gebäudeversicherung erfüllt werden konnte. In dieser Situation bestand hinreichender Anlass, den Kläger auf die Möglichkeit zum Abschluss einer solchen Versicherung bei der Beklagten zu 1 hinzuweisen. Dass diese Möglichkeit bestanden hätte, ist anzunehmen, nachdem der Kläger in der Klageschrift behauptet hat, bei entsprechendem Hinweis wäre ein der bestehenden Versicherung entsprechender „eigener“ Vertrag abgeschlossen worden, was die Beklagte zu 1 in der Folge nicht bestritten hat.

Das Wissen der Zeugin ### um den Absicherungswunsch des Klägers ist der Beklagten zu 1 gemäß § 70 Satz 1 VVG, § 166 BGB analog zuzurechnen, weil die Zeugin als Hilfsperson des Beklagten zu 2 tätig war, der seinerzeit Generalagent der Beklagten zu 1 und damit deren Versicherungsvertreter war. Gemäß § 70 Satz 1 VVG steht die Kenntnis des Versicherungsvertreters der Kenntnis des Versicherers gleich. Das Wissen der Zeugin ### um den Absicherungswunsch des Klägers ist dem Beklagten zu 2 in entsprechender Anwendung von § 166 BGB zuzurechnen. Diese Norm ist nicht auf die rechtsgeschäftliche Vertretung beschränkt, sondern erstreckt sich analog auf den vergleichbaren Tatbestand der Wissensvertretung. „Wissensvertreter“ ist jeder, der nach der Arbeitsorganisation des Geschäftsherrn dazu berufen ist, im Rechtsverkehr als dessen Repräsentant bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung zu erledigen und die dabei angefallenen Informationen zur Kenntnis zu nehmen und ggf. weiterzuleiten (BGH, Urteil vom 19.03.2021 – V ZR 158/19, VersR 2021, 1383 Rn. 19, st. Rspr.). Eine solche Aufgabenübertragung liegt hier vor, nachdem der Beklagte zu 2 die Zeugin ### u.a. mit der Annahme von Kundenanrufen und deren Bearbeitung betraut hatte (vgl. Protokoll des Landgerichts Baden-Baden über der Vernehmung der Zeugin vom 11.01.2023).

(b) In Anbetracht des ihr zuzurechnenden Wissens hatte die Beklagte zu 1 Anlass, dem Kläger zumindest die Möglichkeit des Neuabschlusses einer zusätzlichen Versicherung aufzuzeigen.

So ist – wie bereits ausgeführt – allgemein anerkannt, dass dem Erwerber eines Grundstücks grundsätzlich in der Zeit zwischen Gefahrübergang und Eigentumserwerb durch Eintragung im Grundbuch ein versicherbares – nach Zahlung des Kaufpreises sogar alleiniges – Sacherhaltungsinteresse zukommt, das versichert werden kann, indem der Erwerber in eine bereits bestehende Versicherung des Veräußerers mit eigenen Rechten und Pflichten neben diesen eintritt oder einen neuen Vertrag abschließt (vgl. BGH, Urteile vom 18.10.2000 – IV ZR 100/99, VersR 2001, 53; vom 17.06.2009 – IV ZR 43/07, r+s 2009, 374 Rn. 11 f.).

Im Streitfall ist fraglich, ob zum Zeitpunkt des Anrufs der Zeugin O. bereits die Möglichkeit eines Vertragsbeitritts eröffnet war, weil vermutlich zuvor noch kein Gefahrübergang auf den Kläger stattgefunden hatte. Nachdem in der notariellen Vereinbarung keine gesonderte Regelung zum Gefahrübergang getroffen worden war, hing dieser in analoger Anwendung von § 446 Satz 1 BGB vom Besitzwechsel ab. Dieser sollte nach § 2 Nr. 3 der Vereinbarung erst mit der schuldbefreienden Übernahme von Verbindlichkeiten der Versicherungsnehmerin durch den Kläger erfolgen, die mutmaßlich Anfang Februar 2020, mithin kurz nach Abschluss der Vereinbarung am 27.01.2020 noch nicht eingetreten war.

Der Abschluss eines Neuvertrags wäre aber in jedem Fall möglich gewesen. Ein solcher scheiterte nicht am Fehlen eines versicherbaren Interesses des Klägers. Zwar hängt die Versicherbarkeit in der Schadenversicherung, zu der auch die Sachversicherung zählt, vom Vorhandensein eines vermögenswerten und objektiv bewertbaren Interesses ab (vgl. Looschelders in MünchKomm-VVG, 3. Aufl. § 1 Rn. 29; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 31. Aufl. Vor. §§ 74-99 Rn. 23). Ein solches hätte der Kläger vor Gefahrübergang (noch) nicht aufgewiesen. Dessen ungeachtet hätte die Versicherung aber zunächst nach § 43 Abs. 1 VVG für fremde Rechnung genommen werden können, die das Sacherhaltungsinteresse der Eigentümerin versichert hätte und mit Gefahrübergang zur Eigenversicherung des Klägers geworden wäre (vgl. Armbrüster in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 6 Rn. 129). Im Übrigen wäre auch der Abschluss einer – durch den Gefahrübergang – aufschiebend bedingten Gebäudeversicherung möglich gewesen. Dass der Neuabschluss zu einer Doppelversicherung geführt hätte, stand einem Neuabschluss gleichfalls nicht entgegen.

Die Hinweispflicht ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht deshalb entfallen, weil der Kläger die Möglichkeit besaß, sein Sacherhaltungsinteresse auch bei einem anderen Versicherer abzusichern. Denn die Beklagten durften mangels Anhaltspunkten für versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse des Klägers und der ihn bei dem Gespräch vertretenden Ehefrau nicht darauf vertrauen, dass er hierum wusste. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Möglichkeit, ein erworbenes Haus, dessen Eigentümer man noch nicht ist, versichern zu können, ist nicht allgemein bekannt. Damit in Einklang stehen die Angaben der Zeugin O. im Rahmen ihrer erstinstanzlichen Vernehmung, der Abschluss einer Versicherung für das „Haus eines anderen Eigentümers, von dem man noch nicht Besitzer [sei], wäre ja nicht gegangen“ (Protokoll vom 15.06.2022).

Auch war der gebotene Hinweis nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger schlicht auf die fremde Schuld der Versicherungsnehmerin hätte zahlen können. Denn diese Möglichkeit hatte die Beklagte zu 1 dem Kläger nicht eröffnet. So kam sie dem – durch die Zeugin O. telefonisch und zudem durch eMail vom 16.02.2020 – geäußerten Wunsch des Klägers nicht nach, ihm ein SEPA-Lastschriftmandat zur Fortzahlung der Versicherungsbeiträge zur Verfügung zu stellen. Die von der Berufung aufgeworfene Möglichkeit, eine aufgrund des vorliegenden Versicherungsscheins als wahrscheinlich angesehene Prämie auf ein möglicherweise zutreffendes Konto der Beklagten zu 1 zu überweisen, bot dem Kläger nicht den gleichen Schutz wie der Abschluss einer zusätzlichen Versicherung im eigenen Namen.

(3) Die geschuldete Aufklärung ist nicht erfolgt. Vielmehr beschränkte sich die Auskunft der Zeugin ### auf die – im Rahmen ihrer erstinstanzlichen Vernehmung nicht bestätigte, aber unstreitig erteilte – Auskunft, eine Vertragsübernahme vor Eigentumsumschreibung sei nur mit dem Einverständnis der Versicherungsnehmerin möglich. Ein Hinweis auf die Möglichkeit zum Abschluss einer eigenen Gebäudeversicherung durch den Kläger oder zumindest das Angebot eines Beratungstermins zur Erörterung entsprechender Versicherungsmöglichkeiten erfolgte hingegen nicht.

Zwar war die von der Zeugin ### angesprochene Möglichkeit der rechtsgeschäftlichen Vertragsübernahme, zu deren Zweck sie in der Folge an die Versicherungsnehmerin ein Zustimmungsformular versandte, dem Eintritt in den bestehenden Vertrag ähnlich, der dem Absicherungsbedürfnis des Klägers ebenfalls entsprochen hätte. Damit war die Beratungspflicht der Beklagten zu 1 aber noch nicht erfüllt. Nachdem die Zeugin O. durch Mitteilung der Wünsche des Klägers deutlich gemacht hatte, dass es dem Kläger gerade darauf ankam, den Versicherungsschutz unabhängig vom Verhalten der Versicherungsnehmerin zu gewährleisten, wäre ihm jedenfalls die Möglichkeit zum Abschluss eines eigenen Gebäudeversicherungsvertrags aufzuzeigen gewesen.

cc) Gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1, § 63 VVG fällt auch dem Beklagten zu 2 die Verletzung einer gegenüber dem Kläger bestehenden Beratungspflicht zur Last. Nach § 61 Abs. 1 Satz 1, § 59 Abs. 1 Satz 1 VVG hat der Versicherungsvertreter den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten. Aus den genannten Gründen ist der Beklagte zu 2 dieser Pflicht, die insoweit der der Beklagten zu 1 entsprach, nicht gerecht geworden.

dd) Nach all dem sind die Beklagten dem Kläger gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1, § 63 VVG – als Gesamtschuldner gemäß § 428 BGB – verpflichtet, den durch die Beratungspflichtverletzung entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Verschuldensvermutung des § 6 Abs. 5 Satz 2, § 63 Satz 2 VVG haben sie nicht widerlegt. Es sind weder Umstände vorgetragen worden noch ersichtlich, die dafür sprächen, dass die Beklagten, denen das Verschulden der Zeugin ### gemäß § 278 BGB zuzurechnen ist, die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hätten. Demgegenüber fällt dem Kläger kein anspruchsausschließendes oder -minderndes Mitverschulden i.S. von § 254 BGB zur Last, weil er nicht rechtzeitig auf die Schuld der Versicherungsnehmerin gezahlt hätte, um den bestehenden Versicherungsschutzes aufrechtzuerhalten. Wie bereits unter II 1 a bb (2) (b) ausgeführt, eröffneten die Beklagten dem Kläger diese Möglichkeit nicht. Dass der Kläger dessen ungeachtet – wie die Berufung meint – über alle relevanten Daten verfügt hätte, um die Beitragszahlung außerhalb des ihm nicht ermöglichten Bankeinzugsverfahrens gleichwohl vornehmen zu können, ist zwischen den Parteien streitig (vgl. Protokoll der Sitzung des Landgerichts Baden-Baden vom 25.06.2022, S. 5 sowie Schriftsatz der Klägervertreterin vom 13.03.2023, S. 8) und von den – insoweit beweispflichtigen – Beklagten nicht nachgewiesen worden. Im Übrigen erschiene ein sich hieraus ergebendes Mitverschulden im Rahmen der nach § 254 BGB gebotenen Abwägung angesichts der Beratungspflichtverletzung der Beklagten und ihrer weigerlichen Haltung vernachlässigbar. Dem Kläger ist durch Verletzung der Beratungspflicht auch ein Schaden entstanden.

(a) Der Schaden des Klägers besteht hier darin, dass er bei der Beklagten zu 1 im Frühjahr 2020 keine eigene Versicherung für das von ihm erworbene Anwesen in Lauf abschloss. Für den Ursachenzusammenhang zwischen der unzureichenden Aufklärung und dem Nichtabschluss eines den Bedürfnissen des Klägers entsprechenden Vertrags spricht die durch die Lebenserfahrung begründete tatsächliche Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens (vgl. BGH, Urteil vom 11.07.2012 – IV ZR 164/11, BGHZ 194, 39 Rn. 66 m.w.N.). Diese ist hier nicht widerlegt. Insbesondere haben die Beklagten nicht bewiesen, dass der Kläger die Möglichkeit des Abschlusses einer neuen Versicherung erkannt hätte und gleichwohl untätig geblieben wäre.

Danach sind die Beklagten gemäß § 249 Abs. 1 BGB verpflichtet, den Zustand herzustellen, der bestünde, wenn der Beklagte zu 2 dem Kläger bei der Beklagten zu 1 eine Gebäudeversicherung für das von ihm erworbene Hausanwesen vermittelt hätte (sog. „Quasideckung“; vgl. BGH, Urteil vom 26.03.2014 – IV ZR 422/12, r+s 2014, 228 Rn. 19 m.w.N.). Nach dem insoweit unstreitigen Vortrag des Klägers wäre eine Gebäudeversicherung jedenfalls mit dem Inhalt der bereits bestehenden abgeschlossen worden. Der Eintritt des Versicherungsfalls in jener Versicherung steht zwischen den Parteien außer Streit. Der ersatzfähige Schaden umfasst damit jedenfalls die entfallene Versicherungsleistung, sollte der Versicherungsfall nach Gefahrübergang eingetreten sein (siehe zu dessen Bedeutung die Ausführungen unter II 1 a aa (2)), wovon hier auszugehen ist, weil die notarielle Vereinbarung bereits mehr als ein halbes Jahr vor dem Versicherungsfall geschlossen worden war und die Eigentumsumschreibung nur wenige Wochen später erfolgte, wobei der späte Eigentumswechsel laut Angaben der Zeugin O. allein darauf beruhte, dass das zuständige Finanzamt die für die Grundbucheintragung erforderliche Unbedenklichkeitsbescheinigung erst nach langer Zeit erteilt hatte (vgl. Protokoll des Landgerichts Baden-Baden vom 15.06.2022, GA I 51).

Auf diesen Anspruch muss sich der Kläger nach den Regeln über die Vorteilsausgleichung den Prämienaufwand anrechnen lassen, den er bei Abschluss des zusätzlichen Vertrags hätte hinnehmen müssen und durch Nichtabschluss erspart hat (vgl. Dörner in Prölss/Martin, VVG 31. Aufl. § 59 Rn. 46). In Anbetracht des Privatgutachtens des Sachverständigen B. vom 26.10.2020 ist anzunehmen, dass nach der Anrechnung ein Restschaden verbleibt.

Ob dem Kläger darüber hinausgehende Schäden entstanden und von den Beklagten zu ersetzen sind, weil die bei Vermittlung einer Gebäudeversicherung geschuldete Versicherungsleistung nicht geleistet wurde, bedarf an dieser Stelle grundsätzlich keiner Entscheidung, sondern ist im Betragsverfahren zu klären. Auf jeden Fall nicht ersatzfähig ist der vom Kläger als „Wertverlust“ bezeichnete Schaden. Soweit er vorträgt, mit dem nicht behobenen Wasserschaden habe das Grundstück einen geringeren Wert als zuvor, macht er eine Vermögenseinbuße geltend, die durch die unzureichende Beratung nicht adäquat kausal verursacht wurde. Denn der Wasserschaden und der damit verbundene Wertrückgang wären auch eingetreten, wenn der Kläger auf die Möglichkeit des Abschlusses einer eigenen Gebäudeversicherung hingewiesen worden wäre.

(b) Dem Schadenseintritt steht nicht entgegen, dass die Beklagte zu 1 nach dem vom Kläger in zweiter Instanz gehaltenen Vortrag bereits aus dem bestehenden Vertrag zur Deckung verpflichtet gewesen wäre. Denn dies ist nicht der Fall.

Soweit der Kläger in zweiter Instanz erstmals den Zugang der qualifizierten Mahnung der Beklagten zu 1 bei der Versicherungsnehmerin bestreitet, ist sein Vortrag nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Eine Unwirksamkeit der Mahnung wegen unzureichender Rechtsfolgenbelehrung i.S. von § 38 Abs. 1 Satz 2 VVG ist weder dargetan noch ersichtlich. Anders als der Kläger meint, gab die Beklagte zu 1 in dem Schreiben vom 19.08.2020 nicht an, für alle Versicherungsfälle nicht eintrittspflichtig zu sein, so lange der gemahnte Beitrag nicht bei ihr eingegangen sei. Vielmehr lautete der Hinweis dahin, dass bei Verzug kein Versicherungsschutz bestehe, wenn nach Ablauf der gesetzten Frist der Versicherungsfall eintrete und zu diesem Zeitpunkt die Forderung noch nicht vollständig bezahlt sei. Nach dem Wortlaut der Belehrung wird der Versicherer im Hinblick auf Versicherungsfälle vor Fristablauf damit nicht leistungsfrei. Soweit in der Folge ausgeführt wird, der Versicherungsschutz trete erst dann wieder in Kraft, wenn der angemahnte Betrag bezahlt sei, und sei auch dann auf Versicherungsfälle beschränkt, die nach der Zahlung einträten, so sind diese Erläuterungen aufgrund der Satzstellung ersichtlich auf Versicherungsfälle nach Fristablauf beschränkt.

Auch hatte die Beklagte zu 1 – wie sie zu Recht einwendet – die Zahlungsfrist i.S. von § 38 Abs. 1 Satz 1 VVG nicht durch Schreiben vom 09.09.2020 verlängert, so dass die spätere Zahlung des Klägers noch fristwahrend erfolgt wäre. Vielmehr wurde der Versicherungsnehmerin in dem Schreiben nach Ablauf der Zahlungsfrist eine zeitlich begrenzte Möglichkeit zum Ausgleich der bestehenden Rückstände vor Abgabe an einen Inkasso-Dienstleister eröffnet. Die Einräumung einer solchen freiwilligen „Nachfrist“ ist für die Frage der Leistungsfreiheit der Beklagten zu 1 nach § 38 Abs. 2 VVG ohne Belang.

b) Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den Klageanträgen zu 1 und 3 durch Grundurteil stattgegeben hat.

Ein Grundurteil kann ergehen, wenn alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind und nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich ist, dass dem Kläger ein Anspruch, wenn auch nicht in der geltend gemachten Höhe, zusteht (BGH, Urteile vom 13.08.2015 – VII ZR 90/14, BGHZ 206, 332 Rn. 44; vom 25.10.2013 – V ZR 230/12, BGHZ 198, 327 Rn. 26; vom 07.03.2005 – II ZR 144/03, WM 2005, 1624, jew. m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Alle Fragen zum Anspruchsgrund sind erledigt (s.o.). Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand schulden die Beklagten Schadensersatz in noch unbekannter Höhe. Die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten umfasst gemäß §§ 280, 257 BGB auch den mit dem Klageantrag zu 3 geltend gemachten Anspruch auf Freistellung von den Kosten vorgerichtlicher Rechtsverfolgung, dessen genaue Höhe von der Begründetheit der Schadensersatzansprüche des Klägers im Übrigen abhängt.

2. Das Landgericht hat im Ergebnis auch dem Klageantrag zu 2 im zuerkannten Umfang zu Recht Folge gegeben.

a) Der Antrag ist in vollem Umfang zulässig. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO notwendige Feststellungsinteresse des Klägers liegt vor.

Soweit er die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige Schäden begehrt, ergibt sich das Feststellungsinteresse im Hinblick auf die drohende Anspruchsverjährung aus der Hemmungswirkung der Feststellungsklage gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB und der Verlängerung der Verjährungsfrist im Falle der Antragsstattgabe gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Denn die Verjährung des Schadensersatzanspruchs der Klägerin begann auch hinsichtlich künftiger Schadensfolgen, die bei Entstehung des Anspruchs als möglich voraussehbar waren, bereits mit ihrer ersten Vermögenseinbuße (Grundsatz der Schadenseinheit; vgl. BGH, Urteil vom 08.11.2016 – VI ZR 200/15, r+s 2017, 98 Rn. 15 m.w.N.). Zwar setzt das Feststellungsinteresse im Falle der – hier allein im Streit stehenden – Ersatzpflicht für reine Vermögensschäden weiter voraus, dass der Eintritt solcher Schäden wahrscheinlich ist (BGH, Urteil vom 04.12.2014 – III ZR 51/13, BGHZ 203, 312 Rn. 12). Aber auch das ist hier der Fall. Nachdem der Kläger plausibel dargelegt hat, dass er die Sanierung des Wasserschadens mangels Versicherungsleistung zunächst nicht habe vornehmen können, erscheint der Eintritt künftiger Schäden, die auf seine unzureichende Beratung zurückgehen, hinreichend wahrscheinlich.

Der Feststellungsantrag ist auch insoweit zulässig, als er darauf gerichtet ist, die Ersatzpflicht des Beklagten für Schäden festzustellen, die dem Kläger bereits entstanden und nicht durch den Klageantrag zu 1 erfasst sind. Zwar scheitert das Feststellungsbegehren grundsätzlich am Vorrang der Leistungsklage, wenn dem Kläger eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar ist und eine solche sein Rechtsschutzziel erschöpft (BGH, Urteile vom 19.12.2018 – IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 19; vom 10.10.2017 – XI ZR 456/16, WM 2017, 2254 Rn. 12). Ist bei Klageerhebung ein Teil des Schadens schon entstanden, ein anderer Teil aber nur absehbar, so ist der Kläger aber nicht gezwungen, seine Klage in eine Leistungs- und in eine Feststellungsklage aufzuspalten. Vielmehr ist anerkannt, dass dann, wenn eine Schadensentwicklung – wie hier – noch nicht abgeschlossen ist, der Kläger sogar in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren kann (BGH, Urteil vom 19.04.2016 – VI ZR 506/14, NJW-RR 2016, 759 Rn. 6 m.w.N.).

b) Der Antrag ist auch begründet. Aus den unter II 1 ausgeführten Gründen sind die Beklagten gemäß § 6 Abs. 5, Abs. 1 Satz 1, § 61 Abs. 1 Satz 1, § 63 VVG verpflichtet, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der unzureichenden Beratung über die Möglichkeit einer zusätzlichen Gebäudeversicherung sowie dem damit einhergehenden Fehlen einer solchen entstanden ist und noch entsteht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

 

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