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Private Rentenversicherung – Unwirksamkeit einer Kostenausgleichsregelung in AGB

AG Lichtenberg – Az.: 7 C 126/12 – Urteil vom 05.11.2012

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin wird verurteilt, an den Beklagten 272,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.11.2011 zu zahlen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist Versicherer mit Sitz in Lichtenstein. Der Beklagte ist bei ihrer fondsgebunden Rentenversicherung Versicherungsnehmer geworden.

Mit der Klage verlangt die Klägerin vom Beklagten eine Restschuld aus der Kostenausgleichsvereinbarung der Parteien.

Am 17.11.2010 unterzeichnete der Beklagte den Antrag auf Abschluss der fondsgebundenen Rentenversicherung (Kopie Bl. 17 f d.A.), die er für sich bei der Klägerin abschließen wollte. Versicherungsbeginn sollte der 01.12.2010 sein. Für die Versicherungsdauer von 35 Jahren sollte ein Monatsbeitrag von 75,00 € gezahlt werden, wobei zum Beitrag vermerkt wurde:

„In den ersten 48 Monaten wird der Monatsbeitrag um die Teilzahlungen für die Kostenausgleichsvereinbarung reduziert.“

Gleichzeitige unterzeichnete der Beklagte die Kostenausgleichsvereinbarung auf dem selben Antragsformular mit dem Inhalt:

„[…] C) Weiter Angaben zur Kostenausgleichsvereinbarung und KostenausgleichProtect

Tilgungsplan: Mit dem Abschluss einer Rentenversicherung fallen Kosten an. Diese Abschluss- und Einrichtungskosten werden bei der PL transparent im Rahmen einer Kostenausgleichsvereinbarung abgerechnet und nicht mit Beiträgen oder versteckten Kosten verrechnet. Die Auflösung des Versicherungsvertrages führt grundsätzlich nicht zur Beendigung dieser Kostenausgleichsvereinbarung

Abschlusskosten:   945 EUR

monatliche Teilzahlung:    54,08 EUR

Einrichtungskosten: 1.260 EUR

Teilzahlungspreis: 2595,60 EUR

einmalige Verwaltungskosten:  390 EUR

Gesamtpreis: 2.595 EUR […]“.

Am 27.11.2010 wurde die Versicherungspolice samt Kostenausgleichsvereinbarung dem Beklagten zugestellt. Versicherungsbeginn war der 01.12.2011.

Der Beklagte kam in der Folge wegen der Kosten der Kostenausgleichsvereinbarung in Zahlungsrückstand. Die Klägerin stellte daraufhin am 11.07.2011 gemäß § 2 Abs. 2 der Bedingungen der Kostenausgleichsvereinbarung einen Betrag i.H.v. 2.003,76 EUR fällig (Restschuld 1.993,76 EUR zzgl 10 EUR Gebühren).

Diesen Betrag macht die Klägerin zusätzlich mit 26 EUR Mahnkosten, 27 EUR Auskunftskosten, 209,30 EUR Inkassokosten, sowie 25 EUR für die außergerichtliche Rechtsverfolgung geltend. Insgesamt verlangt sie also vom Beklagten die Zahlung von 2.291,06 EUR.

Zudem macht sie die  Zinsforderungen i.H.v. 13 % auf die Restschuld zzgl. Gebühren geltend.

In der Folgezeit wand sich die Klägerin mehrfach durch das Inkassounternehmen Creditreform Konstanz an den Beklagten. Mit Schreiben vom 28.10.2011 erklärte der Beklagte durch seinen Prozessbevollmächtigten, dass die durch die Klägerin geltend gemachte Forderung nicht bestehe.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Kostenausgleichsvereinbarung.

Der Beklagte hat im Rechtsstreit hilfsweise die Vereinbarung widerrufen und Anfechtung wegen Irrtum sowie die  Aufrechnung mit einer Schadenersatzforderung wegen arglistiger Täuschung erklärt.

Die Klägerin beantragt:

1. Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2.003,76 EUR zzg. 13% Zinsen jährlich ab dem 11.08.2011 zu zahlen.

2. Den Beklagten zu verurteilen 26 EUR Mahnkosten, 27 EUR Auskunftskosten, 209,30 EUR Inkassokosten, sowie 25 EUR für die außergerichtliche Rechtsverfolgung zu zahlen nebst Zinsen i.H.v. 13 % seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen und mit der Widerklage, welche die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Beklagten zum Gegenstand hat, die Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten 272,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 20.11.2011 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Wegen der Einzelheiten der rechtlichen Ausführungen der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die internationale sowie örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 1 EuGVVO, § 12, 13 ZPO.

Der Versicherungsvertrag mit dem deutschen Versicherungsnehmer unterliegt deutschem Recht (Art. 7 Abs. 3, 6 Rom I-VO).

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Forderung von 2.003,76 EUR aus der Kostenausgleichsvereinbarung Klägerin, da diese nicht wirksam vereinbart wurde.

Zur Begründung ihres Zahlungsanspruchs stützt sich die Klägerin auf eine eigenständige Kostenausgleichsvereinbarung zu dem Versicherungsvertrag vom 27.11.2010. Tatsächlich fehlt es aber an einem Vertragsschluss mit dem Beklagten über die Kosten.

Das Vertragsformular für den Antrag auf Abschluss einer fondsgebundenen Rentenversicherung lässt nicht erkennen, dass zwei Verträge abgeschlossen worden sind. Vielmehr ist die Kostenausgleichsvereinbarung nur als Unterpunkt C im Formular zum abgedruckt. Dass die Kostenausgleichvereinbarung als einseitig verpflichtender Vertrag, wie eine Schuldverschreibung unabhängig von dem Versicherungsvertrag vom 27.11.2010 stehen soll, kann auch nicht durch Auslegung ermittelt werden. Es mag sein, dass es dem berechtigten Interesse der Klägerin entspricht ein unabhängiges Vertragsverhältnis zu schaffen, es bestand aber kein erkennbarer Rechtsbindungswille des Beklagten hinsichtlich einer solchen gesonderten Verpflichtung wegen der Kosten der Klägerin, da es ihm um den Abschluss eines Versicherungsvertrags ging, jedoch nicht darum gegenüber der Klägerin eine gesonderte Schuld wegen der Kosten einzuräumen, zumal die o. g. Randbemerkung im Antragsformular für den beklagten den Schluss zulässt, dass die Raten der Kostenausgleichsvereinbarung mit dem Monatsbeitrag zur Versicherung geleistet werden.

Die Kostenausgleichsvereinbarung kann daher nur als zusätzliche Vertragsbedingung des Versicherungsvertrages vom 27.11.2010 angesehen werden, die hinsichtlich der Kosten für die Versicherung eine Regelung trifft. Dabei handelt es sicher erkennbare um eine vorformulierte Vertragsbedingung. Dass die konkreten Summen handschriftlich eingefügt wurden, steht dem nicht entgegen, weil dies nicht darauf schließen lässt, dass die Bedingung einzeln ausgehandelt wurde, sondern dass die Summe abhängig vom Wert und der Laufzeit der Versicherung im Vorfeld ausgerechnet und eingetragen wurde. Die Klausel gilt als von der Klägerin gestellt, da der Beklagte für sich privat die Rentenversicherung abschloss und damit als Verbraucher auftrat.

Eine Einbeziehung der Kostenausgleichsvereinbarung in den Vertrag ist nicht wirksam erfolgt gemäß § 305 I c BGB.

Die Kostenausgleichsregelung mit den allgemeinen Geschäftsbedingungen ist gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam wegen einer gegen das Gebot von Treu und Glauben verstoßende Benachteiligung des Beklagten und des Verstoßes gegen das Transparentgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Landgerichts Berlin mit Urteil vom 22.11.20111 (7 O 286/10, – juris) zu dieser Frage genügt die Kostenausgleichsvereinbarungsklausel nicht den Anforderungen an die Klauseltransparenz, wenn aus ihr nicht deutlich die Gefahr der „Nettoschuldenfalle“ hervorgeht. Die Formulierung: „die Auflösung des Versicherungsvertrages führt grundsätzlich nicht zur Beendigung dieser Kostenausgleichsvereinbarung“ ist überraschend. Die Klausel fällt derart aus dem Rahmen der bisherigen Vereinbarungen und Bedingungen des Versicherungsvertrages vom 27.11.2010, dass der Beklagte nicht mit ihr zu rechnen brauchte. Schon nach dem äußeren Erscheinungsbild des Aufbaus der Vertragsbedingungen, brauchte der Beklagte nicht mit dieser Bedingung rechnen.

Die Formulierung findet sich im Fließtext unter dem Unterpunkt C). Eine solche abstrakte Schuldverschreibung in AGB kann im „Kleingedruckten“ Fließtext nicht wirksam einbezogen werden. Das Auge eines durchschnittlichen Verbrauchers bleibt an dieser Formulierung nicht hängen, auch wenn sie wie hier dick hervorgehoben wurde. Die Abfassung der faktischen Unkündbarkeit der Kostenausgleichsvereinbarung als Unterformulierung eines Unterpunkts wird der weit reichenden Folge dieser „Nettoschuldenfalle“ nicht gerecht.

Auch inhaltlich ist die Klausel intransparent. Durch die Formulierung: „die Auflösung des Versicherungsvertrages führt grundsätzlich nicht zur Beendigung dieser Kostenausgleichsvereinbarung“, wird dem Versicherungsnehmer nicht deutlich das er, auch wenn der Versicherungsvertrag gekündigt wird, dennoch bis zu 2.595 EUR zahlen muss und er somit in den ersten Jahren der Versicherungslaufzeit den Vertrag nur mit der Folge kündigen kann danach verschuldet zu sein. Damit wird der Versicherungsnehmer nicht auf die Gefahr einer Nettoschuldenfalle hingewiesen noch wird ihm das Ausmaß dieser Gefahr deutlich gemacht  (LG Berlin 7 O 286/10).

Eine unangemessene Benachteiligung erfährt der Beklagte mit der Klausel, weil die Klägerin das Gesamte Kostenrisiko des Vertrages auf den Beklagten abwälzt unabhängig vom Wert und zeitlichen Verlauf der Versicherung.

Insofern stellt diese Vereinbarung nach Auffassung des Gerichts eine unzulässige Umgehung der Regelung von § 169 Abs. 2 Satz 2 VVG dar. Der Gesetzgeber wollte in Übereinstimmung mit der VVG-Informationspflichtenverordnung, dass der Versicherer alle Kosten im Versicherungsvertrag offen legt, wobei nur die reinen Abschlusskosten, wie die Vertriebskosten (hier der Betrag von 945,00 €) gesondert auszuweisen ist und alle übrigen Kosten (hier Einrichtungs- und Verwaltungskosten) einkalkuliert in der Jahresprämie zu verrechnen sind (vgl. Prölss/Martin 28. Aufl. vor §150 Rn 63). Damit ist es dem Versicherer verboten, im Fall einer vorzeitigen Kündigung noch nicht getilgte Abschluss – und Vertriebskosten vom Versicherer zu verlangen (vgl. Prölss o.a. § 169 Rn 61). Ein abweichendes Rechtsgeschäft wie diese Kostenausgleichsvereinbarung ist nichtig (§ 169 Abs. 5 Satz 2 VVG, 134 BGB; LG Düsseldorf, Urteil vom 10.02.2011, 11 O 401/10 – juris). Außerdem bindet die Klägerin den Beklagten an den Vertrag. Beim Widerrufsrecht räumt sie ein, dass es sich um ein verbundenes Geschäft handelt und der Widerruf des einen Vertrages auch zum Widerruf des anderen Vertrages führt. Dann ist beim Kündigungsrecht eine Trennung vorgenommen worden und nur der Versicherungsvertrag ist kündbar nicht aber die Kostenausgleichsvereinbarung.

Eine Klausel erhaltende Auslegung kommt vorliegend nicht in Betracht. (BGH NJW 1982, S. 2309).

Aus diesen Gründen ist die Klage auch mit den unbegründeten Nebenforderungen abzuweisen.

Die Widerklage des Beklagten ist gemäß § 33 ZPO zulässig und begründet.

Zwar begründen Rechtsverfolgungskosten grundsätzlich keinen Schadenersatzanspruch. Hier hat aber die Klägerin mit dem intransparenten Vertrag für die Kosten gemäß §§ 311, 249 Abs. 1 BGB ein zustehen, die dem Beklagte entstanden sind, um rechtlichen Rat über die Deutung und Auswirkung der im Streit stehenden Vereinbarung zu erhalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

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