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Teilkaskoversicherung – Wirksamkeit einer Sachverständigenklausel

Gültigkeit der Sachverständigenklausel in der Teilkaskoversicherung bestätigt

In einem bemerkenswerten Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Az.: 4 U 98/18) vom 16. Oktober 2020, wurde die Wirksamkeit einer Sachverständigenklausel in der Teilkaskoversicherung festgestellt. Der Fall betraf eine Meinungsverschiedenheit über die Höhe des Wiederbeschaffungswertes eines entwendeten Fahrzeugs, was zur Einleitung eines Sachverständigenverfahrens führte. Das Urteil liefert tiefe Einblicke in die rechtlichen Bedingungen und Herausforderungen, die ein solches Verfahren mit sich bringt und welche Rolle die Sachverständigenklausel dabei spielt.

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Streitpunkt: Bindungswirkung des Sachverständigenverfahrens

Der Kern des Streits betraf die Interpretation des Sachverständigenverfahrens und dessen mögliche Bindungswirkung. Der Kläger argumentierte, dass das Sachverständigenverfahren als Schlichtungsverfahren zu betrachten sei, das eine solche Bindungswirkung nicht aufweise. Damit berief er sich auf den § 309 Nr. 14 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), der Verfahren, die den Versicherungsnehmer davon abhalten, seine Ansprüche gerichtlich geltend zu machen, einschränkt.

Entscheidung des Gerichts: Sachverständigenverfahren ist bindend

Das OLG Düsseldorf entschied jedoch anders. Es stellte klar, dass das Sachverständigenverfahren nicht als Schlichtungsverfahren im Sinne des § 309 Nr. 14 BGB angesehen wird, sondern eine eigenständige und bindende Wirkung aufweist. Das Gericht betonte, dass der Sinn eines Sachverständigenverfahrens darin bestehe, die speziellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Fachmanns einzusetzen, um schnellstmögliche Schadensregulierung zu ermöglichen. Damit wurde die Kontroverse um die Bindungswirkung des Sachverständigenverfahrens geklärt.

Einfluss auf die Praxis der Versicherungsverhältnisse

Das Urteil unterstreicht die Bedeutung von Sachverständigenverfahren und deren bindende Wirkung in Versicherungsverhältnissen. Es legt den Fokus auf den Einsatz von Fachkenntnissen zur Schadensregulierung, die oftmals ein komplexer und zeitintensiver Prozess ist. Damit bekräftigt das Urteil die Wirksamkeit der Sachverständigenklausel in der Teilkaskoversicherung und trägt zur Klarstellung in strittigen Versicherungsfällen bei.

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf schafft Klarheit und Sicherheit für Versicherungsnehmer und Versicherer gleichermaßen und bietet eine wichtige rechtliche Orientierung für zukünftige Fälle dieser Art.

[…]


Das vorliegende Urteil

OLG Düsseldorf – Az.: 4 U 98/18 – Urteil vom 16.10.2020

Die Berufung des Klägers gegen das am 24.07.2018 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf – Einzelrichter – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Leistungen aus einer Teilkaskoversicherung, die der Kläger bei der Beklagten für einen Audi A 7 Sportback abgeschlossen hatte, welcher ihm am 22.07.2015 entwendet wurde. Teil der in den Vertrag einbezogenen AKB ist folgende Regelung (siehe Bl. 119 GA):

A.2.10    Meinungsverschiedenheiten über die Schadenhöhe (Sachverständigenverfahren)

A.2.10.1  Bei einer Meinungsverschiedenheit über die Höhe des Schadens ein-schließlich der Feststellung des Wiederbeschaffungswerts oder über den Umfang der erforderlichen Reparaturarbeiten entscheidet ein Sachverständigenausschuss.

Da die Parteien über die Höhe des Wiederbeschaffungswertes uneinig waren, leite-ten sie das Sachverständigenverfahren ein. In seiner Entscheidung vom 08.08.2017 (Anlage K 6) bezifferte der Obmann den Brutto-Wiederbeschaffungswert des entwendeten Fahrzeugs auf 57.000,- EUR. Diesen Betrag regulierte die Beklagte abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung in Höhe von 150,- EUR.

Der Kläger behauptet unter Berufung auf ein von ihm zuvor eingeholtes Privatgut-achten des Sachverständigen L. vom 24.11.2015 (Anlage K 2), der Wieder-beschaffungswert habe 62.500,- EUR betragen, und begehrt von der Beklagten die Differenz von 5.500,- EUR sowie die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwalts-kosten.

Das Landgericht hat die Klage durch das angefochtene Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Wirksamkeit der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten vorgesehenen Vereinbarung des Sachverständigenverfahrens begegne keinen Bedenken. Sie sei insbesondere nicht nach § 309 Nr. 14 BGB unwirksam. Bereits vom Wortlaut der Vorschrift sei die Vereinbarung des Sachverständigenverfahrens nicht erfasst. Um ein Schlichtungs- bzw. Mediationsverfahren handele es sich beim Sachverständigenverfahren nicht. Letzteres schaffe vielmehr eine Bindungswirkung, welche sich mit der Sachkunde ein-geschalteter neutraler Sachverständiger begründen lasse und – unter bestimmten Voraussetzungen – der Nachprüfbarkeit der Gerichte. Das im Sachverständigenverfahren ermittelte Ergebnis entfalte Bindungswirkung, da es nicht offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweiche, § 84 Abs. 1 Satz 1 VVG. Als Richtschnur gelte, dass Abweichungen unter 10 % nicht erheblich seien. Auch § 84 Abs. 1 Satz 3 VVG, wonach die Feststellung durch gerichtliche Entscheidung zu treffen ist, wenn die Sachverständigen die Feststellung nicht treffen können oder wollen oder sie verzögern, sei nicht einschlägig, da der Obmannsspruch bei Einreichung der Klage bereits vorgelegen habe.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung und macht geltend, das Land-gericht habe die Bedeutung des Wortes „Schlichtungsverfahren“ fehlinterpretiert, indem es gemeint habe, das Sachverständigenverfahren falle nicht hierunter, weil es Bindungswirkung entfalte. Das Landgericht widerspreche sich dann auch selbst, indem es das Sachverständigenverfahren als gerichtlich überprüfbar beschreibe und somit darstelle, dass es eben keine Bindungswirkung habe. Die Regelung des § 309 Nr. 14 BGB habe zudem nur deklaratorische Bedeutung, da bereits nach § 307 BGB der Rechtsweg für den Verbraucher nicht erschwert werden dürfe. Nach dem Wortlaut von § 309 Nr. 14 BGB dürfte dieser hier Anwendung finden, denn das Sachverständigenverfahren sei gerade ein Verfahren, durch das der Versicherungsnehmer davon abgehalten werde, seine Ansprüche gerichtlich geltend zu machen, weil er sich gütlich, außergerichtlich mit dem Versicherer einigen soll. Eine unangemessene Benachteiligung sehe das OLG Frankfurt, dem folgend auf Anregung des Rechtsausschusses des Bundesrates der Bundesrat und die Bundesregierung.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 24.07.2018

1.  die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 5.500,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.08.2015 zu zahlen sowie

2.  die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von seiner Zahlungsverpflichtung im Hinblick auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten gegenüber den Rechtsanwälten M. & N., …, 4 D., in Höhe von 571,44 EUR freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien ge-wechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Die diesbezügliche Feststellung des Landgerichts greift der Kläger allein mit der Begründung an, entgegen der Ansicht des Landgerichts sei A.2.10.1 AKB unwirksam. Das ist unzutreffend.

1.)

Zwar unterliegt die genannte Klausel der Inhaltskontrolle. Sie gehört nicht zum gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kontrollfreien Bereich der Leistungsbeschreibung, welche Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistungen festlegt und ohne die mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des Vertragsinhalts kein Vertrag mehr angenommen werden kann. Zur Leistungsbeschreibung gehört, dass die Beklagte den Wiederbeschaffungswert eines entwendeten Fahrzeugs zu ersetzen hat. A.2.10.1 AKB modifiziert dieses Hauptleistungsversprechen nur und zwar dahingehend, dass eine streitige Höhe dieses Wertes in einer bestimmten Art und Weise festgestellt wird. Eine solche Modifizierung ist der Inhaltskontrolle zugänglich.

2.)

A.2.10.1 AKB hält der Inhaltskontrolle jedoch Stand.

a) § 309 Nr. 14 BGB ist – wie vom Landgericht zutreffend angenommen – nicht einschlägig.

Die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts beruhen weder auf einer Fehlinterpretation des Begriffs „Schlichtungsverfahren“ noch sind sie widersprüchlich. Dass der Gesetzgeber in § 84 VVG für das Versicherungsrecht die vom Landgericht aufgezeigten Ausnahmen von der Bindungswirkung der in einem Sachverständigenverfahren getroffenen Feststellungen festgelegt hat, bestätigt gerade die Bindungswirkung als solche. Diese Bindungswirkung steht der Annahme entgegen, beim Sachverständigenverfahren handele es sich um ein Schlichtungsverfahren im Sinne von § 309 Nr. 14 BGB. Denn letzteres ist gerade dadurch geprägt, dass mit ihm der Versuch einer außergerichtlichen, gütlichen Einigung unternommen wird und es damit als zusätzliches Verfahren zu durchlaufen ist.

Sinn und Zweck der Norm rechtfertigen es ebenfalls nicht, § 309 Nr. 14 BGB auf das Sachverständigenverfahren anzuwenden. Hintergrund der Einführung dieses Klauselverbots ist die Befürchtung, dass der Verbraucher von der gerichtlichen Durchsetzung seiner Rechte abgehalten werden könnte, wenn ein zusätzliches Verfahren zu durchlaufen ist. Zudem wollte der Gesetzgeber Verfahrensverzögerungen vorbeugen, die den Verbraucher ebenfalls davon abhalten könnten, eine Klage zu erheben, oder die ggf. dazu führen, dass sich seine Position im späteren Prozess verschlechtert (vgl. statt vieler: Wurmnest in: MüKoBGB, 8. Aufl. 2019, § 309 Nr. 14 Rdnr. 2 m.w.N.). Demgegenüber ist es der Sinn eines Sachverständigenverfahrens, die besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten des Fachmannes dort einzusetzen, wo es den Beteiligten des Versicherungsverhältnisses an eigenem Wissen mangelt und auch die gerichtliche Tatsachenfeststellung weitgehend auf fremde Sachkunde zurückgreifen müsste (vgl. BGH 08.02.1984 IVa ZR 49/82 Rdnr. 15, zitiert nach juris). Bezweckt wird, die Schadensregulierung möglichst rasch mit sachverständiger Hilfe zu erledigen und gerade keinen – möglicherweise langwierigen und kostenspieligen – Streit vor den staatlichen Gerichten um die oftmals komplizierte Schadensfeststellung auszutragen (vgl. BGH Urteil vom 01.04.1987 IVa ZR 139/85 Rdnr. 10, BGH, Urteil vom 10.12.2014 IV ZR 281/14, zitiert nach juris).

3.) Ein Verstoß gegen § 307 BGB liegt nicht vor.

Der durch 84 VVG n.F. bzw. § 64 VVG a.F. flankierte § 14 AKB in der Fassung 2008 und früher, in dem die Durchführung des Sachverständigenverfahrens bei Meinungsverschiedenheiten über die Schadenshöhe obligatorisch vorgesehen war, hat der entsprechenden Inhaltskontrolle durch die Gerichte, bis 31.12.2001 nach § 8 AGBG, durchgängig Stand gehalten. Dabei wurde durchaus auch in den Blick genommen, dass im Einzelfall das von einem Versicherungsnehmer einzugehende hohe Kostenrisiko geeignet sein mag, diesen von der Geltendmachung seiner Ansprüche abzuhalten (vgl. OLG Köln r + s 2010, 233).

4.) Die vom Kläger zitierte Entscheidung des OLG Frankfurt (WRP 2015, 755) gibt ebenso wenig Anlass zu einer anderen Beurteilung wie der ebenfalls zitierte Aufsatz von Eidenmüller und Engel (ZIP 2013, 1704) und die in Bezug genommenen Drucksachen von Bundesrat und Bundestag. Sie alle befassen sich nicht mit dem vom Kläger im Vorabsatz angesprochenen Sachverständigenverfahren, sondern mit dem Schlichtungsverfahren.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.500,- Euro festgesetzt.

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