Skip to content

Gebäudeversicherung – Leicht fahrlässige Verursachung eines Gebäudeschadens durch Mieter

LG Wiesbaden – Az.: 8 O 174/08 – Urteil vom 26.04.2011

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.135,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 63.135,93 € seit dem 31.03.2007 bis zum 06.11.2007 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 13.135,93 € seit dem 07.11.2007 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.761,08 € vorgerichtlich entstandener Anwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.11.2008 zu zahlen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin fordert als Gebäudeversicherer von der Beklagten als Privathaftpflichtversicherer Ausgleich der ihrem Versicherungsnehmer erstatteten Aufwendungen für die Regulierung eines Brandschadens, den der Versicherungsnehmer der Beklagten, welcher in dem Objekt zum fraglichen Zeitpunkt Mieter einer Wohnung war, leicht fahrlässig verursacht hat.

Die Klägerin ist Wohngebäudeversicherung des Objekts … Straße … in Stadt1, für welches eine Zeitwertversicherung bei der Klägerin besteht. Die Beklagte ist die Haftpflichtversicherung des Herrn B, welcher im o. g. Objekt Mieter war. Am 12.07.2003 brach in dem versicherten Gebäude ein Feuer aus, das durch den Versicherungsnehmer der Beklagten leicht fahrlässig herbeigeführt wurde. Die Klägerin holte zur Schadensfeststellung vorgerichtlich ein Gutachten des Sachverständigen SV1 ein und regulierte auf Basis des von dem Sachverständigen SV1 festgestellten Zeitwertschadens den Schaden durch Zahlung eines Betrages in Höhe von 122.249,99 € an den Versicherungsnehmer Dr. A. Nachdem die Klägerin ihre Ausgleichsforderung gegenüber der Beklagten beziffert hatte und sich daraufhin weitere Korrespondenz zwischen den Parteien über die Höhe der Ausgleichsforderung anschloss, zahlte die Beklagte am 06.11.2007 einen Betrag in Höhe von 50.000,00 € an die Klägerin. Die Klägerin fordert den Ausgleich eines weiteren Schadens in Höhe von 13.135,93 € sowie Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Sie behauptet, der Netto-Zeitwertschaden an dem Objekt betrage 112.714,49 €. Hiervon seien nicht gedeckte Schäden an Heizungs-, Kessel- und Warmwasseraufbereitungsanlagen innerhalb der vom Versicherungsnehmer der Beklagten gemieteten Wohnung herauszurechnen, was einen Betrag in Höhe von 1.185,00 € ergebe, sodass ein berücksichtigungsfähiger Netto-Zeitwertschaden von 11.529,49 € verbleibe. Hinzu kämen Aufräumungs- und Abbruchkosten in Höhe von netto 8.550,00 € sowie Schutz- und Bewegungskosten in Höhe von netto 1.035,00 €. Ferner seien dem Schaden Sachverständigenkosten für das Gutachten des Sachverständigen SV1 in Höhe von brutto 5.207,37 € hinzuzurechnen. Von dem sich aus den vorgenannten Positionen ergebenden Gesamtschaden in Höhe von 126.271,86 € stehe der Klägerin ein Ausgleichsanspruch auf hälftiger Basis analog § 59 Abs. 2 VVG zu, mithin 63.135,93 €. Abzüglich der von der Beklagten vorgerichtlich geleisteten 50.000,00 € verbleibe ein restlicher Betrag in Höhe von 13.135,93 €, der mit der Klageforderung zu 1) geltend gemacht wird.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 13.135,93 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus 63.135,93 € seit dem 31.03.2007 bis zum 06.11.2007 sowie 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus 13.135,93 € seit dem 07.11.2007 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.761,08 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit aufgrund vorgerichtlich entstandener Anwaltskosten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, ein Ausgleichsanspruch aus § 59 Abs. 2 VVG a. F. analog bestehe nicht. Der Privatsachverständige SV1 habe den Zeitwertschaden fehlerhaft berechnet, indem er einen pauschalen Abzug „Neu für Alt“ in Höhe von 44 % vorgenommen habe, was keine zutreffende Methode der Zeitwertermittlung sei. Die Wertminderung für die einzelnen Gewerke müsse vielmehr linear festgestellt werden, d. h. die für den jeweiligen Gebäudetyp übliche Gesamtnutzungsdauer müsse der ggf. durch Instandsetzung oder Modernisierung verlängerten oder durch unterlassene Instandsetzung oder andere Gegebenheiten verkürzten Restnutzungsdauer gegenüberstellt und gemäß Anlage 8 der Wertermittlungsrichtlinie 2006 der Zeitwert ermittelt werden. Diese Art der Zeitwertermittlung sei die einzig richtige Methode, um den realen Zeitwert festzustellen. Der Ansatz einer Pauschale in Höhe von 44 % durch den Sachverständigen SV1 sei unzulässig. Darüber hinaus sei die Entwertungsquote bei dem vorliegenden Gebäude viel zu niedrig angesetzt, da aufgrund des in Teilbereichen dringend sanierungsbedürftigen Zustands nur von einer Restnutzungsdauer von lediglich 20 Jahren hätte ausgegangen werden können. Demgegenüber habe der Sachverständige SV1 die Restnutzungsdauer mit über 50 Jahren angesetzt.

Ein Anspruch hinsichtlich der für den Sachverständigen aufgewandten Kosten sowie der vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten sei schon dem Grunde nach nicht gegeben, da diese Kosten von einem Ausgleichsanspruch gem. § 59 Abs. 2 VVG a. F. nicht erfasst seien. Die Beklagte habe auf die Ausgleichsforderung Zahlung geleistet, sodass Verzug nicht eingetreten sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben aufgrund Beweisbeschluss vom 18.08.2009 (Bl. 94 d. A.) in Verbindung mit Beschluss vom 22.09.2009 (Bl. 106 d. A.) nebst Beweisbeschluss vom 12.08.2010 (Bl. 295 d. A.) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens nebst ergänzendem Gutachten sowie dessen mündlicher Erläuterung. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. SV2 vom 09.06.2010 (Bl. 155 ff d. A.) nebst Ergänzungsgutachten vom 25.11.2010 (Bl. 308 ff d. A.) sowie dessen mündlicher Erläuterung gem. Protokoll der Sitzung vom 29.03.2011 (Bl. 353 ff d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Ausgleichsanspruch aus § 59 Abs. 2 VVG a. F. analog in Höhe der Klageforderung zu.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 13.09.2006, Az. IV ZR 273/05; BGH, Urteil vom 18.06.2008, Az. IV ZR 108/06) steht dem Gebäudeversicherer, dem der Regress gegen den Mieter verwehrt ist, gegen dessen Haftpflichtversicherer entsprechend den Grundsätzen der Doppelversicherung (§ 59 Abs. 2 Satz 1 a. F.) ein Anspruch auf hälftigen Ausgleich zu. Dies ist für die Fälle, in denen der Mieter einen Schaden durch einfache Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, anerkannt.

Hinsichtlich der Höhe des Ausgleichsanspruchs können nur der Zeitwert und die Positionen angesetzt werden, die der Haftpflichtversicherer auch zu ersetzen hat (BGH, Urteil vom 13.09.2006, Az. IV ZR 273/05).

Ersatzfähig ist demnach der Netto-Zeitwertschaden. Dieser beträgt, wie sich aus den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. SV2 ergibt, denen das Gericht in vollem Umfang folgt, 124.429,20 €, wobei die Abbruch- und Schutzkosten in Höhe von insgesamt 9.585,50 € (8.500,50 € + 1.035,00 €) bereits eingerechnet worden sind. Von dem Sachverständigen herausgerechnet sind bereits die Kosten für die nicht ersatzfähigen Positionen, welche die von der Haftpflichtversicherung nicht gedeckten Schäden an Heizungs-, Kessel- und Warmwasseraufbereitungsanlagen innerhalb der gemieteten Wohnung betreffen in Höhe von insgesamt 1.185,00 €.

Die Berechnung des Sachverständigen SV2 ist überzeugend. Wie der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten und im Rahmen seiner mündlichen Anhörung erläutert hat, waren für seine Begutachtung nicht allein die Werte der Immobilienwertverordnung maßgebend, sondern vielmehr die individuellen Gegebenheiten des Bauwerks und der einzelnen Bauteile, die der Sachverständige einzeln mit Abschlägen bewertet hat. Einen pauschalen Abzug wie der Sachverständige Dipl.-Ing. SV1 hält der Sachverständige SV2 für nicht sachgerecht und hat diesen auch nicht vorgenommen. Dennoch kommt der Sachverständige mit einer völlig anderen Methode erstaunlicherweise zu ähnlichen Ergebnissen, die die Bewertung des Sachverständigen SV1 geringfügig überschreiten. Wie der Sachverständige weiter überzeugend im Rahmen seiner mündlichen Anhörung ausgeführt hat, würde ein pauschales Abstellen auf die Restnutzungsdauer dazu führen, dass man den einzelnen Bauteilen auch einen pauschalen Wert zumessen würde, was nicht richtig sein kann. Wie der Sachverständige weiter überzeugend ausgeführt hat, kann die tatsächliche Nutzung auch über eine theoretisch angesetzte Restnutzungsdauer hinausgehen. Weiterhin war bei dem streitgegenständlichen Objekt zu berücksichtigen, dass dieses in einer einfachen Umgebung als einfaches Bauwerk genutzt worden ist. Auch die Berücksichtigung der Baunebenkosten sowie Planungs- und Überwachungskosten in Höhe von 18.297,81 € (Bl. 258 d. A.) durch den Sachverständigen ist nicht rechtsfehlerhaft. Diese Kosten sind schadenbedingt erforderlich geworden und wären ohne das Schadensereignis zu diesem Zeitpunkt nicht angefallen. Diese Kosten können nicht im Rahmen einer Vorteilsausgleichung von dem Zeitwertschaden abgezogen werden. Zwar sind ersparte Aufwendungen grundsätzlich nach der Differenzhypothese anzurechnen (Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 70. Aufl., München 2011, Vorbemerkung vor § 249, Randziffer 93). Eine Anrechnung setzt jedoch voraus, dass der ersatzberechtigte Gebäudeeigentümer auch tatsächlich Aufwendungen erspart hat. Dies ist nach dem Sachverhalt nicht ersichtlich. Weder ist ersichtlich, dass konkrete Sanierungsmaßnahmen an einzelnen Bauteilen anstanden, noch dass der Eigentümer diese zu einem in näherer Zukunft bestimmten Zeitpunkt durchgeführt hätte und, wenn überhaupt, in welchem Umfang er diese durchgeführt hätte, sodass auch keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Planungs- und Überwachungskosten in der jetzt erforderlichen Höhe überhaupt entstanden wären.

Dem Zeitwertschaden in Höhe von 124.429,20 € sind die Kosten des Sachverständigen SV1 in Höhe von 5.207,37 € brutto hinzuzurechnen. Die Kosten der Schadensfeststellung sind Teil des zu ersetzenden Schadens (Palandt/Grüneberg, § 249, Randziffer 58). Sie sind auch Teil des vom Haftpflichtversicherer zu ersetzenden Schadens und deshalb vom Ausgleichsanspruch gem. § 59 Abs. 2 VVG a. F. analog nicht ausgenommen. Dabei ist es unerheblich, dass der Sachverständige SV1 von falschen Bewertungsmaßstäben ausgegangen ist und damit sein Gutachten möglicherweise nicht verwertbar war. Eine Ersatzpflicht entsteht nämlich in der Regel auch dann, wenn das Gutachten objektiv ungeeignet ist oder seine Kosten übersetzt sind (Palandt/Grüneberg, § 249, Randziffer 58). Es ergibt sich demnach ein Gesamtschaden in Höhe von 129.636,57 € (124.429,20 € zuzüglich 5.207,37 €), sodass der hälftige von der Beklagten zu ersetzende Ausgleich 64.818,28 € beträgt. Hierauf hat die Beklagte bereits 50.000,00 € bezahlt, sodass eine Restforderung in Höhe von 14.818,28 € verbleibt. Dieser Betrag übersteigt die Klageforderung zu Ziffer 1), sodass der Klage in vollem Umfang stattzugeben war.

Die Beklagte ist auch zum Ersatz der Kosten vorgerichtlicher Rechtsverfolgung in Höhe von 1.761,08 € verpflichtet. Der Anspruch ergibt sich aus §§ 280 Abs. 2 i. V. m. 286 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befand sich seit 31.03.2007 nach Ablauf der von der Klägerin gesetzten Zahlungsfrist mit der Zahlung des mit der Klage geforderten Betrages in Verzug, sodass sie den Verzögerungsschaden zu ersetzen hat, zu welchem auch die Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gehören.

Der Anspruch auf Ersatz der Verzugszinsen ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 i. V. m. 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1 ZPO.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Versicherungsrecht

Egal ob Ihre Versicherung die Zahlung verweigert oder Sie Unterstützung bei der Schadensregulierung benötigen. Wir stehen Ihnen zur Seite.

 

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Versicherungsrecht

Urteile aus dem Versicherungsrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!