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Vollkaskoversicherung – Leistungsfreiheit bei Verlassen des Unfallorts

LG Heidelberg – Az.: 2 O 312/19 – Urteil vom 18.02.2020

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 15.150,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger nimmt nach einem Schadensereignis vom 28.01.2019 die Beklagte als seine Kaskoversicherung in Anspruch.

Zwischen den Parteien besteht eine Vollkaskoversicherung.

Das Schadensereignis am 28.01.2019 führte zum Totalschaden des klägerischen Fahrzeugs VW Golf mit dem amtlichen Kennzeichen HD-… …. Der Kläger befuhr mit seinem Fahrzeug aus B. kommend die K4160 in Richtung G.. An der Einmündung K4161/L600 überfuhr der Kläger ein Verkehrsschild, das Fahrzeug überschlug sich und kam in dem neben der Straße verlaufenden Bach zum Endstand. Der Kläger begab sich nach der Kollision zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt zurück zum Vereinsheim in B.. Um 7:00 Uhr verständigte der Kläger seine Ehefrau telefonisch über den Unfall. Die Ehefrau des Klägers holte diesen in der Folge im Vereinsheim in B. ab und verbrachte ihn in ein Krankenhaus, wo er untersucht wurde (vgl. Anlage K1). Gegen 8:30 Uhr verständigte sie die Polizei.

Durch den Unfall zog sich der Kläger eine 10 cm lange klaffende, 1 cm tiefe Risswunde oberhalb der Hutkrempe orthogonal zur Sagitalnaht auf der Verbindungslinie zwischen den Ohren sowie eine Hautablederung und eine Schürfwunde zu. Der Kläger verursachte Beschädigung des Verkehrsschildes einen Fremdschaden in Höhe von 200,00 €.

Der Schaden wurde der Beklagten angezeigt. Diese ließ ein Schadensgutachten (Anlage K2) erstellen. Die Reparaturkosten überschreiten den Wiederbeschaffungswert in Höhe von 16.800,00 € um mehr als das Doppelte. Der Restwert des Fahrzeugs beträgt 1.350,00 €; die Selbstbeteiligung des Klägers an der Vollkaskoversicherung 300,00 €.

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 14.06.2019 (Anlage K3) eine Regulierung ab. Zur Begründung führte sie an, der Kläger habe Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag verletzt. Er habe Alkohol zu sich genommen und sich unerlaubt von der Unfallstelle entfernt. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers forderten die Beklagte mit Schreiben vom 01.08.2019 (Anlage K5) außergerichtlich zur Zahlung auf. Dies wies die Beklagte mit Schreiben vom 06.08.2019 zurück (Anlage K6).

In den streitgegenständlichen Versicherungsbedingungen ist unter anderem geregelt:

E.1.1.3

Sie müssen alles tun, was zur Aufklärung des Versicherungsfalls und des Umfangs unserer Leistungspflicht erforderlich ist. Sie müssen dabei insbesondere folgende Pflichten beachten:

– Sie dürfen den Unfallort nicht verlassen, ohne die gesetzlich erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen und die dabei vorgeschriebenen Wartezeiten zu beachten (Unfallflucht).

– Sie müssen unsere Fragen zu den Umständen des Schadenereignisses, zum Umfang des Schadens und zu unserer Leistungspflicht wahrheitsgemäß und vollständig beantworten. Wir können verlangen, dass Sie uns in Textform antworten.

– Sie müssen uns angeforderte Nachweise vorlegen, soweit es Ihnen billigerweise zugemutet werden kann, diese zu beschaffen.

– Sie müssen unsere für die Aufklärung des Sachverhalts des Schadens erforderlichen Weisungen befolgen, soweit dies für die zumutbar ist.

– Sie müssen uns Untersuchungen zu den Umständen des Schadenereignisses und zu unserer Leistungspflicht ermöglichen, soweit es Ihnen zumutbar ist.

E.2.1

Verletzen Sie vorsätzlich eine ihrer in E.1 geregelten Pflichten, haben sie keinen Versicherungsschutz. Verletzen Sie ihre Pflichten grob fahrlässig, sind wir berechtigt unsere Leistung in einem der Schwere ihres Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Weisen Sie nach, dass sie die Pflicht nicht grob fahrlässig verletzt haben, bleibt der Versicherungsschutz bestehen.

E.2.2

Abweichend von I. 2.1 sind wir zur Leistung verpflichtet, soweit Sie nachweisen, dass die Pflichtverletzung weder für die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang unserer Leistungspflicht ursächlich war. Dies gilt nicht, wenn Sie die Pflicht arglistig verletzen.

Der Kläger trägt vor, Grund des Rechtsstreits sei ein Schadensereignis vom 28.01.2019 gegen 0:30 Uhr. Der Kläger sei mit seinem Fahrzeug von der Straße abgekommen. Der Kläger sei mit dem Kopf gegen ein Fahrzeugteil im Innenraum geprallt. Der heftige Anprall habe eine Gehirnerschütterung hervorgerufen. Der Kläger könne sich an das Unfallgeschehen vor dem Unfall, den eigentlichen Unfall sowie das Geschehen nach dem Unfall nicht mehr erinnern. Er leide an Amnesie. Das Unfallgeschehen könne daher lediglich anhand der polizeilichen Feststellungen sowie der Angaben der Ehefrau wie folgt rekonstruiert werden:

Der Kläger sein Mitglied und technischer Vorstand bei der D. B.. Einen Tag vor dem Unfall sei in dem Vereinsheim der D. eine Feierlichkeit durchgeführt worden. Der Kläger habe sich am darauffolgenden Abend entschlossen zum Versammlungsort im Schwimmbad B. zurückzukehren, um dort aufzuräumen und sauber zu machen. Wann genau er dort eingetroffen sei, könne er aufgrund der Amnesie nicht mehr sagen. Wahrscheinlich sei es, dass zwischen 18:00 Uhr und 20:00 Uhr von zu Hause aufgebrochen sei. Während der Aufräumarbeiten habe der Kläger ein bis zwei Gläser Weizenbier – im Nachhinein meine er eher ein Glas – getrunken. Gegen 0:30 Uhr habe der Kläger mit seinem Fahrzeug aus B. kommend die K4160 in Richtung G. befahren. Die Fahrbahn sei rutschig und teils auch glatt gewesen. Der Kläger habe sich nach der Kollision selbstständig zurück zum Vereinsheim in B. begeben, um von dort aus seine Ehefrau zu kontaktieren. Beim Verlassen des Pkw habe der Kläger sowohl seine Geldbörse als auch seinen Schlüsselbund und sein Mobiltelefon im Fahrzeug zurückgelassen. Es sei daher davon auszugehen, dass der Kläger verwirrt gewesen sei bzw. sich in einem Schockzustand befunden habe. Der Kläger habe an die Möglichkeit mit dem Mobiltelefon Hilfe zu rufen nicht gedacht. Wann genau der Kläger sein Fahrzeug in Richtung Vereinsheim verlassen habe, sei ebenfalls nicht bekannt. Es sei nicht auszuschließen, dass der Kläger noch eine lange Zeit bewusstlos in seinem Fahrzeug gelegen habe. Die Polizei habe festgestellt, dass der Kläger ab 5:30 Uhr erfolglos versucht habe seine Frau auf dem Festnetztelefon zu erreichen. Zu diesem Zeitpunkt sei er vermutlich im Schwimmbad in B. eingetroffen. Er habe sodann sofort versucht, Hilfe zu holen. Der Fußweg von der Unfallstelle zu dem Schwimmbad betrage etwa 30 Minuten. Es sei daher naheliegend, dass der Kläger sein Fahrzeug um etwa 5:00 Uhr verlassen habe. Folglich müsse er für etwa 4,5 Stunden bewusstlos gewesen sei.

Der Kläger habe sich weder unerlaubt von der Unfallstelle entfernt noch habe er zum Unfallzeitpunkt unter Alkoholeinfluss gestanden. Eine Alkoholisierung des Klägers zum Unfallzeitpunkt habe nicht festgestellt werden können. Der Kläger habe unter anderem seine Geldbörse am Unfallort zurückgelassen. Über diese hätte die Polizei problemlos die Personalien feststellen können. Zudem habe sich der Kläger aufgrund seiner Kopfverletzung nach dem Unfall in einem schuldunfähigen Zustand befunden. Es sei ihm bei Verlassen der Unfallstelle nicht bewusst gewesen, dass er das Verkehrsschild beschädigt habe. Da der Kläger mehrere Stunden bewusstlos in seinem Fahrzeug gelegen habe, habe er seiner Wartepflicht Genüge getan. Er habe sich erst Stunden nach dem Unfall von der Unfallstelle entfernt um Hilfe zu holen. Zumindest sei der Kläger seiner Verpflichtung nach § 142 Abs. 2 StGB nachgekommen. Der Unfall sei durch die Ehefrau des Klägers unverzüglich durch Notruf bei der Polizei angezeigt.

Der Kläger beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, 15.150,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 958,19 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt: Klageabweisung.

Die Beklagte bestreitet den vom Kläger behaupteten Sachverhalt und trägt vor, von einer unfallbedingten anterograden Amnesie des Klägers sei nicht auszugehen. Dass der Kläger eine Gehirnerschütterung durch den Unfall erlitten habe, werde bestritten. Der Anlage K1 lasse sich lediglich entnehmen, dass bei dem Kläger der Verdacht auf eine Gehirnerschütterung bestanden habe. Weiterhin sei in Anlage K1 vermerkt, dass der Kläger angegeben habe, dass keine Bewusstlosigkeit bestanden habe, er sich jedoch nicht mehr an die genaue Unfallzeit erinnern könne. Der Airbag habe ausgelöst, danach habe er sich aus dem Auto befreit und sich vom Unfallort entfernt. Es sei davon auszugehen, dass die Angaben des Klägers gegenüber den Ärzten, also noch bevor er mit der Polizei gesprochen habe, von ihm stammen würden und zwar aus der eigenen Erinnerung. Dass die Angaben des Klägers gegenüber den Ärzten zutreffend seien, zeige sich unter anderem an der Angabe zum Airbag. Es habe daher auch keine stundenlange Bewusstlosigkeit bestanden. Gegen eine Bewusstlosigkeit würden auch das Spurenbild am Unfallort sprechen, aus welchem ersichtlich sei, dass sich der Kläger tatsächlich unmittelbar nach dem Unfall von der Unfallstelle und aus dem Pkw entfernt habe. Widersprüchlich sei des Weiteren, dass der Kläger nunmehr angebe, sich an den Unfall an sich, die Unfallstelle etc. nicht erinnern zu können, weil der Kläger nach den Angaben seiner Frau dieser sämtliche Angaben zum Unfall habe machen können. Weiterhin wäre der Unfallzeitpunkt um 0:30 Uhr bestritten, der Kläger habe gegenüber seiner Ehefrau angegeben, dass Unfallzeitpunkt 23:00 Uhr gewesen sei. Im Übrigen sprächen auch diese Angaben gegen eine Amnesie. Dass die Fahrbahn glatt und rutschig gewesen sei, werde bestritten. Der Kläger verschweige, dass bei ihm ausweislich der Ermittlungsakte um 10:41 Uhr, also mehr als 10 Stunden nach dem Unfall eine Atemalkoholkonzentration in Höhe von 0,04 mg/Liter gemessen worden sei. Weiterhin sei zu beachten, dass der Kläger zunächst angegeben habe, dass er im Zeitraum vor dem Unfall zwei Weizenbiere à 0,5 l getrunken und nach dem Unfall kein Nachtrunk stattgefunden habe. Die nunmehr klägerseits behauptet Trinkmenge werde daher bestritten. Ferner sei typisch für alkoholisierte Fahrer, dass diese sich nicht nach einem Unfall sofort nach Hause begeben, sondern an einen anderen Ort flüchten würden, wo der Abbau der Alkoholisierung zunächst abgewartet werden solle. Es werde im Übrigen bestritten, dass der Kläger knapp 3 km zu Fuß ins Vereinsheim zurückgelaufen sei. Weiterhin werde bestritten, dass der Kläger ab 5:30 Uhr erfolglos versucht habe, seine Ehefrau zu erreichen. Darüber hinaus hätte der Kläger – seinen Vortrag unterstellt – ab diesem Zeitpunkt auch ebenso gut selbst die Polizei verständigen können.

Das Gericht hat die Ermittlungsakte des gegen den Kläger von der Staatsanwaltschaft Heidelberg geführten Ermittlungsverfahren 560 Js XX/19 auf Antrag des Klägers beigezogen.

Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.01.2020 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger hat keinen versicherungsvertraglichen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 15.150,00 €.

Die Beklagte ist auf Grund einer nach Eintritt des Versicherungsfalls verletzten Aufklärungsobliegenheit des Klägers von ihrer Leistungspflicht nach E.2.1 der Versicherungsbedingungen i.V.m. § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG frei geworden.

Der Kläger hat vorsätzlich gegen die in E.1.1.3 der Versicherungsbedingungen geregelte Aufklärungspflicht, den Unfallort nicht zu verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen, verstoßen.

Verlässt der Versicherungsnehmer unerlaubt den Unfallort, geht dies regelmäßig mit konkreten Feststellungsnachteilen für den Versicherer einher, die einen Kausalitätsgegennachweis nach E.2.2 der Versicherungsbedingungen i.V.m. § 28 Abs. 3 VVG unmöglich machen und damit zum Verlust des Vollkaskoschutzes führen (vgl. OLG Naumburg Urteil vom 21.06.2012, 4 U 85/11, juris).

Der Kläger hat eingeräumt, nach dem Unfall und – insoweit unterstellt – nach einer von ihm vermuteten Bewusstlosigkeit den Ort mit dem beschädigten Fahrzeug verlassen zu haben. Da er auf diese Weise mit dem vorangegangenen Unfall nicht mehr auf erste Sicht in Zusammenhang zu bringen war, hat er nicht nur den Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach § 142 Abs. 1 StGB verwirklicht, sondern insbesondere auch gegen die Aufklärungsobliegenheit aus E.1.1.3 der Versicherungsbedingungen verstoßen, wo es, gerichtet an den Versicherungsnehmer, heißt, dass Sie den Unfallort nicht verlassen dürfen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen.

Der Kläger hat zudem vorsätzlich gehandelt. Soweit er dargetan hat, er sei nach dem Unfall desorientiert gewesen und habe den Ort unter Schock stehend verlassen, lässt dies keine Zweifel an seinem Vorsatz – dies trägt der Kläger bereits auch gar nicht vor – oder seiner Schuld aufkommen. Konkrete Anhaltspunkte für einen vorsatz- oder schuldausschließenden Unfallschock, welchen der Kläger als Versicherungsnehmer darzulegen und zu beweisen hätte (vgl. OLG Celle, Urteil vom 19. November 2009, Az.: 8 U 79/09, zitiert nach juris, Rdnr. 25), lassen sich hieraus nicht entnehmen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Ein vorsatz- oder schuldausschließender Unfallschock kommt nämlich nur unter außergewöhnlichen äußeren und inneren Bedingungen zustande und erreicht auch dann selten eine solche Stärke, dass eine die Willensfreiheit beeinflussende Bewusstseinsstörung vorliegt (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 24. Januar 2001 – 7 U 23/00 –, juris). Für einen solchen Schock müssen also entsprechende Anzeichen vorhanden sein. Hierfür ist vorliegend nichts – auch unter Berücksichtigung des bestrittenen Vortrags des Klägers, er könne sich an nichts bzw. lediglich an einzelne Bilder erinnern – ersichtlich. Zunächst sprechen die Unfallfolgen dagegen; eine Gehirnerschütterung wurde ausweislich der vorgelegten Anlage K1 nicht festgestellt. Gegen einen derart außergewöhnlichen Schock spricht jedoch insbesondere das eigene, behauptete Verhalten des Klägers, der nach dem Unfall zielgerichtet und keineswegs orientierungslos bei Nacht zurück in das Vereinsheim gegangen ist. Er hat ferner in adäquater Weise versucht, seine Ehefrau telefonisch zu erreichen, um sich mit dieser zu besprechen, so dass davon auszugehen ist, dass er „Herr der Dinge“ war und nicht unter einem schuldausschließenden Schock stand. Mangels hinreichender Anknüpfungspunkte, die auf einen vorsatz- oder schuldausschließenden Unfallschock schließen lassen könnten, kommt die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zu der rein pauschalen Behauptung des Klägers, er habe sich nach dem Unfall in einem schuldunfähigen Zustand befunden, nicht in Betracht (OLG Celle, Urteil vom 19. November 2009 – 8 U 79/09 –, Rn. 26, juris).

Der Kläger hätte im Übrigen selbst dann eine Obliegenheitsverletzung begangen, wenn er sich zunächst ohne Vorsatz oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hätte, weil dann § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB eingriffe. Hiernach ist eine Strafbarkeit auch dann gegeben, wenn ein Unfallbeteiligter sich zwar berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat, aber die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht. Diese Feststellung hat dadurch zu erfolgen, dass entweder dem Berechtigten nach § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB oder einer nahe gelegenen Polizeidienstelle gegenüber die erforderlichen Angaben gemacht werden (§ 142 Abs. 3 StGB). Daran fehlt es vorliegend schon deshalb, weil der Kläger – seine Angaben als zutreffend zugrunde gelegt – spätestens ab 5.30 Uhr die Polizei hätte informieren können; dies jedoch erst um 8.30 Uhr von seiner Ehefrau nachgeholt wurde. Nicht zuletzt angesichts des Bestreitens der Beklagten sowie der aus der Ermittlungsakte ersichtlichen Angaben der Ehefrau des Klägers geht das Gericht zudem vielmehr davon aus, dass eine Bewusstlosigkeit des Klägers nicht bestanden habe, so dass es dem Kläger – wenn eine Unfallzeit um 00:30 Uhr unterstellt wird – bereits ab 01:00 Uhr möglich gewesen wäre, die erforderlichen Feststellungen nachzuholen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.10.1991, 12 U 152/19, juris). Ob der Kläger dies rauschbedingt unterlassen hat, kann mithin dahinstehen.

Schließlich hilft dem Kläger auch die Regelung des § 28 Abs. 3 Satz 1 VVG i.V.m. E.2.2 der Versicherungsbedingungen nicht weiter, wonach abweichend der Versicherer zur Leistung verpflichtet bleibt, sofern es dem Versicherungsnehmer, selbst bei vorsätzlichem Fehlverhalten gelingt nachzuweisen, dass sich seine Obliegenheitsverletzung nicht auf die Feststellung des Versicherungsfalls oder die Feststellung und den Umfang der Leistungspflicht ausgewirkt hat.

Der Kläger hat einen Kausalitätsgegennachweis nicht erbracht.

Der Nachweis fehlender Ursächlichkeit ist bei Verletzung einer Aufklärungsobliegenheit erst dann erbracht, wenn feststeht, dass dem Versicherer hierdurch keine Feststellungsnachteile erwachsen sind. Bleibt dies unklar und in der Schwebe, ist der Versicherungsnehmer beweisfällig und der Versicherer nach Maßgabe des § 28 Abs. 2 VVG leistungsfrei geblieben (Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21. Juni 2012 – 4 U 85/11 –, Rn. 25 – 29, juris)

So verhält es sich hier. Denn bereits das unerlaubte Entfernen des Klägers als Fahrer von der Unfallstelle hat in diesem Sinne zu konkreten Feststellungsnachteilen bei der Beklagten geführt, welche sich auch durch die späteren, unergiebigen Angaben des Klägers nicht mehr haben kompensieren lassen. So waren insbesondere keine genaueren Feststellungen mehr möglich zu einer möglichen Alkoholisierung des Klägers, die gegebenenfalls zu einem Wegfall des Versicherungsschutzes oder zu einer Leistungskürzung hätten führen können. Hätte der Kläger stattdessen als Fahrer des Pkw die Unfallstelle nicht verlassen und dort gewartet, bis kurz darauf die Polizeibeamten am Unfallort eintrafen, stünde nicht nur die Person des Fahrers eindeutig fest, sondern wäre auch dessen mögliche Alkohol- oder Drogenbeeinflussung objektiv überprüfbar gewesen. Da der Kläger jedoch, aus welchem Grunde immer, erst mehrere Stunden später durch seine Ehefrau die Polizei von dem Unfall hat informieren lassen, waren derartige Feststellungen, etwa mittels einer aussagekräftigen Blutprobe, nicht mehr möglich, sondern ausgeschlossen.

Mangels Hauptanspruch besteht auch kein Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 2 ZPO.

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