LG Bochum – Az.: I-11 S 104/16 – Beschluss vom 05.09.2016
Die Kammer beabsichtigt, die Berufung der Klägerin vom 05.07.2016 gegen das am 21.06.2016 verkündete Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Der Klägerin wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen nach Zugang dieses Beschlusses gegeben.
Gründe
Die Kammer ist einstimmig der Auffassung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherheit einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).
Der Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der von ihr geleisteten Beträge gemäß § 346 Abs. 1 BGB.
Der Klägerin stand zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung kein Rücktrittsrecht mehr zu.
Der vorliegende Versicherungsvertrag ist im Antragsmodell gemäß § 8 VVG in der Fassung vom 29.07.1994 bis 07.12.2004 (i.F.: § 8 VVG a.F.) geschlossen wurde, nicht nach dem sog. Policenmodell des § 5a VVG a.F.. Denn eine Übergabe der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen erfolgte bereits bei Antragstellung. Grundsätzlich stand der Klägerin damit gemäß § 8 Abs. 5 VVG a.F. ein Rücktrittsrecht zu. Die Norm lautete wie folgt:
„Bei der Lebensversicherung kann der Versicherungsnehmer innerhalb einer Frist von vierzehn Tagen nach Abschluß des Vertrages vom Vertrag zurücktreten. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung. Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer über sein Rücktrittsrecht belehrt und der Versicherungsnehmer die Belehrung durch Unterschrift bestätigt hat. Unterbleibt die Belehrung, so erlischt das Rücktrittsrecht einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie. Die Sätze 1 bis 4 finden keine Anwendung, soweit der Versicherungsnehmer ein Widerspruchsrecht nach § 5 a hat.“
Die Frist von 14 Tagen war zum Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts durch die Klägerin im Jahr 2012 allerdings bereits abgelaufen. Der Klägerin stand auch kein unbefristetes Rücktrittsrecht zu. Die Regelungen in § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG a. F. sowie § 8 Abs. 5 S. 4 VVG a. F. sind zwar richtlinienkonform dergestalt einschränkend auszulegen, dass im Bereich der Lebens- und Rentenversicherung sowie Zusatzversicherung zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht/Rücktrittsrecht unbefristet fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat (vgl. BGH, Urteil vom 7.5.2014 – IV ZR 76/11 und vom 17. 12. 2014 – IV ZR 260/11). Allerdings liegt hier eine ordnungsgemäße Rücktrittsbelehrung im Antrag vom 28.04.2004 vor. Diese entspricht dem Wortlaut des § 8 Abs. 5 S. 1 und 2 VVG a. F.. Der Wortlaut des § 8 Abs. 5 VVG a.F. stellt keine weitergehenden Anforderungen an die Rücktrittsbelehrung. Der BGH hat zwar zu § 8 Abs. 4 VVG a.F. festgestellt, „dass eine gesetzlich angeordnete Belehrung, damit sie ihren Zweck erreichen kann, inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus Sicht der Verbraucher eindeutig sein muss. Weiter erfordert der Zweck einer solchen Vorschrift, dem auch der Sinngehalt des Wortes „Belehrung“ entspricht, eine Form der Belehrung, die dem Aufklärungsziel Rechnung trägt. Deshalb kann nur eine Erklärung, die darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das Wissen, um das es geht, zu vermitteln, als Belehrung angesehen werden“ (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2013 – IV ZR 52/12 -, juris), was auch für die Rücktrittsbelehrung nach § 8 Abs. 5 VVG a.F. zu fordern ist (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2014 – IV ZR 260/11 -, juris). Aber auch diesen Anforderungen genügt die vorliegende Belehrung. Sie ist insbesondere ausreichend drucktechnisch hervorgehoben. Sie ist deutlich abgesetzt vom restlichen Text und trägt in Fettdruck die Überschrift „Rücktrittsrecht“. Zusätzlich wird die Aufmerksamkeit auf die Belehrung gelenkt, da sich neben dieser ein angekreuztes Kästchen findet. Die Unterschrift der Klägerin findet sich rechts unterhalb der Belehrung. Insoweit entspricht die vorliegende Belehrung auch nicht den den Entscheidungen des BGH vom 17. 12. 2014, Az. IV ZR 260/11, und vom 16. Oktober 2013, Az. IV ZR 52/12 zu Grunde liegenden Belehrungen. So befand sich dort die Belehrung insbesondere inmitten eines Textblocks, der insgesamt fett gedruckt war, so dass sich die eigentliche Belehrung auch nicht durch Fettdruck aus diesem Block hervortat.
Auch inhaltlich ist die Belehrung nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Klägerin bedurfte es weder einer gesonderten Belehrung darüber, dass der Versicherungsvertrag mit dem Zugang des Versicherungsscheins zustande kommt, noch dass der Rücktritt schriftlich auszuüben war und ohne Angabe von Gründen erfolgen konnte. Denn § 8 Absatz 5 VVG a. F. enthielt solche inhaltlichen Anforderungen an die Belehrung gerade nicht. Maßgeblich war daher allein die zuverlässige Aufklärung des Versicherungsnehmers über sein Rücktrittsrecht. Hierfür genügte die Orientierung am Gesetzestext. Hinzu kommt, dass das Gesetz für die Rücktrittserklärung die Wahrung der Schriftform nicht eindeutig verlangt hat. Deshalb wurde in der versicherungsrechtlichen Literatur auch die Auffassung vertreten, der Rücktritt müsse nicht schriftlich erklärt werden. Demgegenüber haben zwar weite Teile des Schrifttums aus der Verwendung des Wortes Absendung gefolgert, dass für den Rücktritt Schriftform erforderlich ist. Es kann indes nicht Sache des Versicherers sein, die insoweit unklare gesetzliche Bestimmung im Rahmen der Belehrung in bestimmter Weise auszulegen; vielmehr reicht es – wie ausgeführt – aus, wenn die Belehrung sich am Gesetzeswortlaut orientiert, was hier geschehen ist (OLG Hamm, Hinweisbeschluss v. 24.10.2014 – 20 U 73/14). Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 20.042.016 verschiedene Entscheidungen des BGH anführt, so verhalten diese sich sämtlich zum Policenmodell und damit der Belehrung nach § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a. F..
Mangels Hauptanspruchs besteht auch kein Anspruch auf die begehrten Nebenforderungen.