LG Wiesbaden – Az.: 9 O 166/09 – Urteil vom 27.01.2011
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.000,00 EUR zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von elf Zehnteln des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten Leistungen aus einer bei dieser für den Kläger bestehenden privaten Unfallversicherung.
Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine private Unfallversicherung, in deren Rahmen insbesondere Invaliditätsleistungen in Höhe von 120.000,00 EUR mit einer Progression bis zu 350.000,00 EUR und einer Versicherungsleistung in Höhe von 420.000,00 EUR bei Vollinvalidität versichert sind. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage A 1 zu der Klageschrift vom 08.06.2009 verwiesen. Für das Versicherungsverhältnis maßgebend sind die AUB 99 XXL. Der Kläger ist seit dem Jahre 1995 bei der F. AG beschäftigt. Dort erlitt er am 13.03.2007 bei der Frühschicht einen Unfall. Als er auf ein Podest steigen wollte, übersah er ein dort liegendes Blatt und rutschte auf diesem aus. Durch den Sturz prallte er mit der linken Gesäßhälfte gegen das Podest und erlitt eine Prellung mit Bluterguß. Obwohl das Hämatom in der Folgezeit sich zurückbildete, konsultierte der Kläger nachfolgend diverse Ärzte. Die am 13.12.2007 gefertigte MRT-Aufnahme nahm der Kläger zum Anlaß, bei der Beklagten unter dem 14.01.2008 eine auf den Unfall vom 13.03.2007 zurückzuführende Invalidität anzuzeigen. Die Beklagte antwortete hierauf mit Schreiben vom 22.01.2008 und teilte dem Kläger mit, daß derzeit keine Invaliditätsleistungen fällig seien. Mit Schreiben vom 14.04.2008 teilte der Kläger der Beklagten mit, daß bei der A. Versicherung AG für ihn über seinen Arbeitgeber noch eine Gruppenunfallversicherung bestehe. Mit dem Invaliditätsanmeldebogen zur privaten Unfallversicherung vom 15.05.2008 machte der Kläger bei der Beklagten mit Rücksicht auf den Unfall vom 13.03.2007 abermals Ansprüche auf Invaliditätsleistungen geltend. Die Beklagte nahm dies zum Anlaß, bei Herrn Dr. med. B.-H. unter dem 30.07.2008 und wegen der von dem Kläger hiergegen formulierten Einwendungen unter dem 14.01.2009 eine gutachterliche Stellungnahme einzuholen. Mit Schreiben vom 22.01.2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß sie mit Rücksicht auf die Stellungnahmen des Herrn Dr. med. B.-H. an ihrer ablehnenden Haltung festhalte.
Der Kläger behauptet, durch den Unfall vom 13.03.2007 sei bei ihm, dem Kläger, eine dauernde Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit eingetreten, die Beeinträchtigungen im linksseitigem ISG-Bereich seien nämlich unfallabhängig. Demgegenüber stünden die beiden Vorschädigungen, namentlich die Oesophagusbougie und die Sprunggelenkarthroskopie links, in keinerlei Zusammenhang mit dem Unfall vom 13.03.2007. Auch würden die entzündlichen Veränderungen, die nach Ansicht der Beklagten für seine, des Klägers, Schmerzen im fraglichen Bereich verantwortlich seien, durch die Ergebnisse der Laboruntersuchungen gerade nicht bestätigt. Ursächlich für seine, des Klägers, Schmerzen und Beeinträchtigungen sei vielmehr der Sturz vom 13.03.2007. Dadurch, daß die Schmerzen nach wie vor bestünden, keine Besserung eintreten werde und auch nicht eintreten könne, sei eine Invalidität von zwanzig vom Hundert gegeben. Es treffe auch nicht zu, daß er, der Kläger, es in vorwerfbarer Weise verabsäumt habe, den Unfall vom 13.03.2007 der Beklagten unverzüglich anzuzeigen. Die unmittelbaren Unfallfolgen, namentlich die Prellung und der Bluterguß, seien nämlich nach ein paar Wochen abgeklungen. Die weitere Entwicklung der Verletzung und deren Folgen seien aber für ihn, den Kläger, nicht sogleich absehbar gewesen. Es habe diverser Arztbesuche bedurft, bis endlich die MRT-Aufnahme vom 13.12.2007 gefertigt worden sei, auf Grund derer er, der Kläger, die Beklagte sogleich von dem Versicherungsfall in Kenntnis gesetzt habe. Die Beklagte halte ihm, dem Kläger, aber auch vergeblich vor, er, der Kläger, habe ihr gegenüber das Bestehen einer weiteren Unfallversicherung verschwiegen. Er, der Kläger, sei sich über deren Existenz zunächst nicht im klaren gewesen. Es handele sich nämlich um eine Gruppenunfallversicherung, die über seinen Arbeitgeber auch für ihn, den Kläger, bestehe. Eben hierauf sei er, der Kläger, erst durch einen Arbeitskollegen aufmerksam geworden, woraufhin er, der Kläger, die Beklagte eben hiervon unverzüglich in Kenntnis gesetzt habe.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von EUR 24.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, bei dem Kläger seien auf Grund des Unfalls vom 13.03.2007 keine Dauerfolgen verblieben; es habe lediglich eine harmlose Beckenprellung vorgelegen, die längstens nach zwei Wochen wider ausgeheilt sei.. Ohnehin sei sie, die Beklagte, leistungsfrei, weil der Kläger zum einen es verabsäumt habe, den Unfall unverzüglich anzuzeigen und zum anderen das Bestehen einer anderweitigen Unfallversicherung verschwiegen habe.
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die zugehörigen Anlagen sowie das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 17.12.2009 verwiesen, in welcher der Kläger informatorisch angehört worden ist.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Herrn Dr. med. D. T. vom 24.08.2010 sowie das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 16.12.2010 Bezug genommen, in welcher der gerichtlich bestellte Sachverständige sein schriftlich erstattetes Gutachten mündlich erläutert und ergänzt hat.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus der streitgegenständlichen Unfallversicherung mit Rücksicht auf den von ihm erlittenen Unfall vom 13.03.2007 und dessen Folgen ein Anspruch auf Zahlung einer Invaliditätsleistung in Höhe von 12.000,00 EUR zu, weil der Unfall vom 13.03.2007 bei dem Kläger zu einer Funktionsbeeinträchtigung im Bereich des linken Iliosakralgelenks geführt hat, wobei die unfallbedingten, dauerhaften Funktionsbeeinträchtigungen am linken Iliosakralgelenk des Klägers mit zehn vom Hundert zu bewerten sind.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des erkennenden Gerichts fest, daß die vom Kläger geklagten Beeinträchtigungen im Bereich des linken Iliosakralgelenks kausal auf den von dem Kläger am 13.03.2007 erlittenen Unfall zurückzuführen sind. Das Gericht folgt insoweit den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen in dessen Gutachten vom 24.08.2010 und aus Anlaß seiner Anhörung in der Sitzung vom 16.12.2010. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat insoweit zunächst einmal gut nachvollziehbar ausgeführt, daß der vom Kläger erlittene Sturz recht heftig gewesen sein muß, anderenfalls es wohl kaum zu einer Prellung mit Hämatombildung gekommen wäre. Die sodann unter dem 13.12.2007 gefertigte MRT-Aufnahme deutet der gerichtlich bestellte Sachverständige dahingehend, daß es im Bereich des linken Iliosakralgelenks des Klägers zu einer Verschmelzung im Sinne einer partiellen knöchernen Überbauung gekommen ist. Bestätigt findet sich dieser Befund nach den Worten des Sachverständigen sodann in der daraufhin gefertigten CT-Aufnahme, mit deren Hilfe knöchernes Gewebe sich ohnehin besser abbilden lasse als mit Hilfe der MRT. Nach dem Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 13.03.2007 und der erst rund neun Monate später erfolgten Bildgebung gefragt, wußte der Sachverständige auszuführen, daß es in der Tat in der Zwischenzeit eine Alternativursache hätte geben können, Indizien für eine solche für ihn, den Sachverständigen, indessen nicht zu erkennen seien. Insbesondere mochte der Sachverständige der von der Beklagten vertretenen These von einem entzündlichen Vorgang nicht nähertreten. Seinen Ausführungen zufolge seien zwar Krankheiten bekannt, in deren Folge es zu einer Veränderung des fraglichen Gelenks nach Art derjenigen bei dem Kläger festgestellten kommen könne. Allerdings wäre es dem Sachverständigen zufolge äußerst ungewöhnlich, wenn sich derartige Veränderungen so einseitig ausbildeten, wie man es bei dem Kläger beobachten kann. Das Gericht folgt dem uneingeschränkt, zumal die nach den Worten des gerichtlich bestellten Sachverständigen äußerst unwahrscheinliche Alternativursache im Sinne eines entzündlichen Vorgangs von der Beklagten zu beweisen gewesen wäre. Diesen Beweis zu führen, ist ihr indes nicht gelungen. Daß der Kläger an einer der von dem Sachverständigen beispielhaft genannten Krankheiten litte, die auch ohne eine äußere Einwirkung allein durch ein entzündliches Geschehen Veränderungen nach Art der hier interessierenden herbeiführen würden, wird von der Beklagten noch nicht einmal behauptet.
Den Grad der unfallbedingten Invalidität bewertet das Gericht im Anschluß an die Ausführungen des Sachverständigen mit zehn vom Hundert. Das Gericht nimmt dabei zunächst einmal zur Kenntnis, daß es dem Sachverständigen zufolge einschlägige Bewertungen beziehungsweise Empfehlungen bei Verletzungen nach Art der hier interessierenden in der einschlägigen Fachliteratur nicht gibt. Plausibel und jederzeit nachvollziehbar erscheint dem Gericht allerdings die vom Sachverständigen vorgenommene Analogienbildung, in deren Folge der Sachverständige zu einem Grad der unfallbedingten Invalidität von zehn vom Hundert gelangt. Denn dem Sachverständigen zufolge hat die partielle Verknöcherung des Iliosakralgelenks für den Kläger zunächst einmal eine Bewegungsbeeinträchtigung zur Folge, die wegen der zahlreichen Schmerzrezeptoren in dem an sich in drei Ebenen beweglichen Gelenk für den Kläger nachvollziehbar schmerzhaft ist. Der Sachverständige wußte dies anschaulich dahingehend zu verdeutlichen, daß das betreffende Gelenk nicht völlig versteift sei, mit der Folge, daß es für den Kläger bei entsprechenden ungünstigen Bewegungen erst recht schmerzhaft sein kann. Die von dem Kläger beschriebenen Folgen für den Alltag und die sportlichen Aktivitäten des Klägers hielt der Sachverständige für nachvollziehbar, weil Beeinträchtigungen im Bereich des Iliosakralgelenks sich auf die gesamte Statik auswirkten. Von einer völligen Versteifung des Gelenks auf operativen Wege riet der gerichtlich bestellte Sachverständige indes dringend ab, weil es sich insoweit, gemessen an dem zu erwartenden Erfolg, um einen viel zu massiven Eingriff handelte, von dem man ohne Not besser Abstand nehmen sollte.
Ausgehend von einem Grad der unfallbedingten Invalidität von zehn vom Hundert errechnet sich bei einer Versicherungssumme von 120.000,00 EUR ein von der Beklagten zu leistender Betrag in Höhe von 12.000,00 EUR.
Die Beklagte kann dem klageweise geltend gemachten Anspruch nicht den Einwand der schuldhaft verspäteten Unfallanzeige entgegenhalten. Der Kläger hat den Unfall vom 13.03.2007 zur Überzeugung des erkennenden Gerichts nicht zu spät angezeigt. Der Kläger handelte insoweit nicht vorwerfbar nachlässig. Für das erkennende Gericht ist es ohne weiteres nachvollziehbar, daß der Kläger erst auf Grund der Befunde vom Dezember 2007, namentlich die damals erfolgte Bildgebung, zu der Überzeugung gelangt ist, daß der Unfall vom 13.03.2007 für ihn, den Kläger, entgegen seinen ursprünglichen Annahmen nicht folgenlos geblieben ist. Dementsprechend ist die Unfallanzeige vom 14.01.2008 bezogen auf die erst im Dezember 2007 gewonnen Erkenntnisse nicht als eine verspätete, sondern vielmehr als eine unverzügliche anzusehen.
Die Beklagte beruft sich auch vergeblich darauf, daß der Kläger ihr, der Beklagten, eine anderweit bestehende Unfallversicherung verschwiegen habe. Dem Vortrag des Klägers, wonach er, der Kläger, der Beklagten unaufgefordert unter dem 14.04.2008 Mitteilung von der für ihn bestehenden Gruppenunfallversicherung gemacht habe, ist die Beklagte erheblich nicht entgegengetreten. Es wäre aber an der Beklagten gewesen, darzutun und zu beweisen, daß der Kläger die von ihm zunächst verneinte Frage nach dem Bestehen einer solchen in Kenntnis von der Existenz der Gruppenunfallversicherung und damit wider besseres Wissen Verneint habe. Da die Beklagte hierzu ersichtlich nicht in der Lage ist, steht insbesondere auf Grund des Schreibens vom 14.04.2008 zur Überzeugung des erkennenden Gerichts fest, daß die vom Kläger zunächst erteilte Antwort mangelndem Wissen, keineswegs aber der Absicht geschuldet war, die Beklagte insoweit zu täuschen.
Zinsen stehen dem Kläger schon deshalb nicht zu, weil sein hierauf gerichteter Klageantrag mangels Angabe eines Zeitpunkts, ab dem der Zinslauf nach dem Willen des Klägers einsetzen soll, nicht hinreichend bestimmt ist (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), das Gericht aber dem Kläger nichts zusprechen darf, was von ihm nicht ausdrücklich beantragt war (§ 308 Abs. 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.