Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was genau ist eine Selbsttötungsklausel in einer Restschuldversicherung und wie funktioniert sie?
- Warum ist die Dreijahresfrist bei Selbsttötung in Restschuldversicherungen so wichtig?
- Welche Beweise müssen Hinterbliebene erbringen, um eine Leistung aus der Restschuldversicherung bei Selbsttötung innerhalb der Dreijahresfrist zu erhalten?
- Was bedeutet „krankhafte Störung der Geistestätigkeit“ im Zusammenhang mit der Selbsttötungsklausel?
- Kann die Versicherung die Leistung verweigern, wenn der Versicherungsnehmer eine psychische Erkrankung verschwiegen hat?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: LG Itzehoe
- Datum: 23.05.2023
- Aktenzeichen: 3 O 97/22
- Verfahrensart: Zivilprozess zur Geltendmachung eines Leistungsanspruchs aus der Restschuldversicherung
- Rechtsbereiche: Versicherungsrecht, Darlehensrecht, Vertragsrecht
- Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Die Antragstellerin, die gemeinsam mit ihrem verstorbenen Ehemann am 26.05.2021 einen Verbraucherdarlehensvertrag abgeschlossen und sich gleichzeitig an einem Gruppenversicherungsvertrag zur Restschuldversicherung beteiligt hat. Sie macht einen Anspruch auf Zahlung aus der Versicherung geltend.
- Beklagte: Das Versicherungsunternehmen, das den Gruppenversicherungsvertrag anbietet und die Zahlung aus der Restschuldversicherung verweigert.
- Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Klägerin fordert von der Beklagten die Zahlung aus der Restschuldversicherung, die im Zusammenhang mit dem am 26.05.2021 abgeschlossenen Verbraucherdarlehensvertrag und dem zugehörigen Gruppenversicherungsvertrag steht.
- Kern des Rechtsstreits: Es geht darum, ob die vertraglich vereinbarte Leistungspflicht der Beklagten zur Auszahlung aus der Restschuldversicherung im Todesfall des versicherten Partners besteht.
- Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Klage wurde abgewiesen; die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits; das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar; der Streitwert wurde auf 18.552,29 € festgesetzt.
- Folgen: Die Klägerin muss die entstandenen Kosten tragen, und das Urteil kann unter den festgelegten Sicherheiten vollstreckt werden.
Der Fall vor Gericht
Restschuldversicherung und Suizid: Gericht weist Zahlungsanspruch ab

Im vorliegenden Fall vor dem Landgericht Itzehoe (Az.: 3 O 97/22) ging es um die Klage einer Witwe gegen eine Versicherung. Die Klägerin forderte die Auszahlung einer Restschuldversicherungssumme nach dem Suizid ihres Ehemannes. Das Gericht hatte zu entscheiden, ob die Versicherung im konkreten Fall leisten muss oder nicht. Im Fokus stand dabei die Frage, inwieweit eine Restschuldversicherung bei Selbsttötung des Versicherten greift und welche Bedingungen hierfür gelten.
Der abgeschlossene Darlehens- und Versicherungsvertrag
Die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann hatten im Mai 2021 einen Verbraucherdarlehensvertrag über rund 22.000 Euro bei der C Bank abgeschlossen. Zeitgleich traten beide einer Restschuldversicherung bei, die bei der beklagten Versicherung in Form eines Gruppenversicherungsvertrags bestand. Diese Versicherung sollte im Todesfall des Kreditnehmers die Restschuld des Darlehens gegenüber der Bank absichern. Die Versicherungsbedingungen, die dem Vertrag beilagen, enthielten spezifische Regelungen zum Leistungsfall Tod, einschließlich des Suizids.
Die zentralen Klauseln der Versicherungsbedingungen bei Selbsttötung
Die Versicherungsbedingungen der Beklagten sahen im Falle einer Selbsttötung eine klare Fristenregelung vor. Grundsätzlich leistet die Versicherung uneingeschränkt, wenn seit Vertragsabschluss drei Jahre vergangen sind. War die Selbsttötung jedoch innerhalb dieser Dreijahresfrist erfolgt, bestand nur dann Versicherungsschutz, wenn die Tat in einem Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder unter dem Druck schwerer körperlicher Leiden begangen wurde. Andernfalls war die Leistung auf den Kündigungswert der Versicherung begrenzt.
Der tragische Suizid des Ehemannes innerhalb der Dreijahresfrist
Der Ehemann der Klägerin nahm sich im Februar 2022 das Leben, also weniger als ein Jahr nach Abschluss des Versicherungsvertrages. Er inszenierte seinen Suizid durch die Einleitung von Kohlenmonoxid in einem geschlossenen Fahrzeug. Die Klägerin argumentierte, dass ihr Mann aufgrund einer schweren Angststörung und der irrigen Annahme einer unheilbaren Lebererkrankung suizidiert habe. Sie führte an, dass er seinem vermeintlich qualvollen Tod durch Krankheit zuvorkommen wollte.
Die Entscheidung des Landgerichts Itzehoe: Klageabweisung
Das Landgericht Itzehoe wies die Klage der Witwe auf Auszahlung der Restschuldversicherung ab. Das Gericht folgte damit der Argumentation der Versicherung, dass die Bedingungen für eine uneingeschränkte Leistungspflicht im Falle des Suizids nicht erfüllt seien. Da die Selbsttötung innerhalb der Dreijahresfrist erfolgte und die Klägerin die Ausnahmen von der Fristregelung nach den Versicherungsbedingungen nicht hinreichend nachweisen konnte, verneinte das Gericht den Anspruch auf die volle Versicherungsleistung.
Begründung des Gerichts: Keine hinreichenden Beweise für Ausnahmetatbestand
Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin nicht ausreichend belegen konnte, dass der Suizid ihres Mannes in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder unter dem Druck schwerer körperlicher Leiden erfolgte. Obwohl die Klägerin eine Angststörung ihres Mannes anführte, reichte dies dem Gericht offenbar nicht aus, um den Ausnahmetatbestand der Versicherungsbedingungen zu erfüllen. Es fehlten wohl konkrete medizinische Nachweise oder Gutachten, die eine solche schwerwiegende psychische Beeinträchtigung zum Zeitpunkt des Suizids zweifelsfrei belegen würden.
Kosten des Rechtsstreits und vorläufige Vollstreckbarkeit
Das Gericht entschied, dass die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Zudem ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Dies bedeutet, dass die Beklagte unter Hinterlegung einer Sicherheit die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil betreiben könnte, auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, beispielsweise weil die Klägerin Berufung einlegt. Der Streitwert wurde auf 18.552,29 Euro festgesetzt, was den Betrag der geforderten Versicherungsleistung widerspiegelt.
Bedeutung des Urteils für Betroffene und Versicherungsnehmer
Dieses Urteil verdeutlicht die Bedeutung der Klauseln in Restschuldversicherungsverträgen, insbesondere im Zusammenhang mit Suizid. Versicherungsnehmer sollten sich der sogenannten „Selbsttötungsklausel“ und der damit verbundenen Dreijahresfrist bewusst sein. Innerhalb dieser Frist leisten Versicherungen bei Suizid in der Regel nur unter sehr eng gefassten Ausnahmetatbeständen. Betroffene, die eine Restschuldversicherung abschließen, sollten die Versicherungsbedingungen genau prüfen und sich über die Regelungen im Falle einer Selbsttötung informieren. Im Falle eines Suizids innerhalb der Frist ist es für Hinterbliebene entscheidend, gegebenenfalls nachzuweisen, dass ein Ausnahmetatbestand vorlag, was in der Praxis oft schwierig sein kann. Das Urteil zeigt auch, dass psychische Erkrankungen allein nicht automatisch zu einem Leistungsanspruch führen, sondern der konkrete Zusammenhang zwischen Erkrankung und Selbsttötung sowie die Schwere der psychischen Beeinträchtigung im Einzelfall nachgewiesen werden müssen. Es unterstreicht die Wichtigkeit einer transparenten und umfassenden Beratung beim Abschluss von Restschuldversicherungen, um spätere Enttäuschungen und Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil klärt, dass eine Restschuldversicherung bei Suizid innerhalb der ersten drei Jahre nach Vertragsabschluss nur zahlt, wenn die freie Willensbestimmung durch eine krankhafte Störung ausgeschlossen war oder unter dem Druck schwerer körperlicher Leiden gehandelt wurde. Bloße Angststörungen oder irrige Annahmen über Erkrankungen reichen nicht aus, um den Leistungsausschluss zu überwinden. Für Versicherte bedeutet dies, dass die Hürden für eine Auszahlung bei Suizid innerhalb der Sperrfrist sehr hoch sind und die detaillierten Ausschlussklauseln genau beachtet werden müssen.
Benötigen Sie Hilfe?
Klare Insights bei komplexen Versicherungsfragen?
In Situationen, in denen vertragliche Details und Fristen eine entscheidende Rolle spielen, können Unklarheiten im Zusammenhang mit Leistungsansprüchen stark belasten. Besonders wenn Versicherungsbedingungen spezifische Ausnahmetatbestände enthalten, wie sie bei der Betrachtung von Suizid-Fällen relevant werden, besteht ein erhöhter Beratungsbedarf. Ein präzises Verständnis der Vertragsinhalte und deren rechtliche Implikationen ist dabei essenziell, um Unsicherheiten zu vermeiden.
Unsere Kanzlei unterstützt Sie dabei, die vertraglichen Regelungen und die damit verbundenen Auswirkungen auf Ihre Situation sachkundig zu prüfen. Mit einer strukturierten und verständlichen Analyse tragen wir dazu bei, dass Sie sich Ihrer Rechte und Handlungsmöglichkeiten bewusst werden und fundiert entscheiden können.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was genau ist eine Selbsttötungsklausel in einer Restschuldversicherung und wie funktioniert sie?
Eine Selbsttötungsklausel (auch Suizidklausel genannt) ist eine Vertragsbestimmung in Lebens- oder Restschuldversicherungen, die regelt, ob und unter welchen Bedingungen die Versicherung im Falle eines Suizids des Versicherten leistungspflichtig ist. Diese Klausel dient dazu, den Versicherer vor Missbrauch zu schützen, indem verhindert wird, dass kurz vor einem geplanten Suizid eine Versicherung abgeschlossen wird, um Hinterbliebene finanziell abzusichern.
Funktionsweise der Selbsttötungsklausel
- Karenzzeit von drei Jahren:
- Nach § 161 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) gilt in Deutschland eine gesetzliche Karenzzeit von drei Jahren ab Vertragsabschluss. Begeht der Versicherte innerhalb dieser Frist vorsätzlich Suizid, ist der Versicherer grundsätzlich von der Leistungspflicht befreit.
- In diesem Fall erhalten die Bezugsberechtigten nur den sogenannten Rückkaufswert, also die bis dahin eingezahlten Beiträge abzüglich Kosten.
- Ausnahme bei krankhafter Störung der Geistestätigkeit:
- Wenn der Suizid in einem Zustand erfolgt, der die freie Willensbestimmung ausschließt (z. B. aufgrund einer psychischen Erkrankung), besteht auch innerhalb der Karenzzeit ein Anspruch auf die volle Versicherungssumme. Der Nachweis hierfür muss von den Hinterbliebenen erbracht werden.
- Leistung nach Ablauf der Karenzzeit:
- Nach Ablauf der dreijährigen Karenzzeit besteht in der Regel uneingeschränkter Versicherungsschutz. Die Versicherung zahlt dann unabhängig von den Umständen des Suizids die vereinbarte Summe aus.
Beispiel aus dem Alltag
Stellen Sie sich vor, Sie schließen eine Restschuldversicherung ab, um Ihre Familie im Falle Ihres Todes finanziell abzusichern. Sollten Sie innerhalb der ersten drei Jahre Suizid begehen, zahlt die Versicherung nur dann die volle Summe aus, wenn nachgewiesen werden kann, dass Sie aufgrund einer schweren psychischen Erkrankung nicht mehr frei entscheiden konnten. Nach Ablauf dieser drei Jahre entfällt diese Einschränkung.
Wichtige rechtliche Aspekte
- Die Karenzzeit beginnt mit dem Abschluss des Versicherungsvertrags und nicht mit dem Beginn des Versicherungsschutzes.
- Bei nachträglichen Änderungen am Vertrag (z. B. Erhöhung der Deckungssumme) beginnt für den geänderten Teil eine neue dreijährige Karenzzeit.
- Die Beweislast für das Vorliegen eines Suizids liegt beim Versicherer; für das Vorliegen einer krankhaften Störung hingegen bei den Anspruchstellern.
Die Selbsttötungsklausel ist ein zentraler Bestandteil vieler Restschuldversicherungen und sollte bei Vertragsabschluss sorgfältig geprüft werden, insbesondere hinsichtlich der Karenzzeit und möglicher Ausnahmen.
Warum ist die Dreijahresfrist bei Selbsttötung in Restschuldversicherungen so wichtig?
Die Dreijahresfrist dient der Risikobegrenzung und Missbrauchsvorbeugung. Sie ist eine gesetzlich oder vertraglich festgelegte Karenzzeit, innerhalb derer die Versicherung im Falle eines Suizids grundsätzlich nicht zur Auszahlung der vollen Versicherungssumme verpflichtet ist. Stattdessen wird meist nur der Rückkaufswert ausgezahlt, also die bis dahin eingezahlten Prämien abzüglich Verwaltungskosten.
Hintergrund und Zweck der Dreijahresfrist
- Verhinderung spekulativer Abschlüsse: Die Frist soll verhindern, dass Personen eine Restschuldversicherung abschließen, während sie bereits einen geplanten Suizid in Betracht ziehen. Ohne diese Regelung könnten Versicherungen durch gezielte Abschlüsse kurz vor einem Suizid ausgenutzt werden.
- Versicherungsmathematische Kalkulation: Die Frist basiert auf statistischen Wahrscheinlichkeiten und versicherungsmathematischen Berechnungen, die das Risiko eines frühzeitigen Versicherungsfalls minimieren sollen. Versicherungen müssen sicherstellen, dass sie wirtschaftlich tragfähig bleiben und nicht durch kurzfristige Leistungsansprüche überfordert werden.
Ausnahme bei krankhafter Störung der Geistestätigkeit
Ein wichtiger Ausnahmefall besteht, wenn die Selbsttötung in einem Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit erfolgt, der die freie Willensbestimmung ausschließt. In solchen Fällen kann die Versicherung auch innerhalb der Dreijahresfrist zur Leistung verpflichtet sein. Der Nachweis für diese Ausnahme liegt jedoch bei den Hinterbliebenen und erfordert oft umfangreiche Dokumentation wie Arztberichte oder Verhaltensanalysen.
Praktische Auswirkungen für Versicherungsnehmer
Stellen Sie sich vor, Sie schließen eine Restschuldversicherung ab, um Ihre Familie im Todesfall finanziell abzusichern. Wenn ein Suizid innerhalb der ersten drei Jahre nach Vertragsabschluss erfolgt, prüft die Versicherung besonders streng, ob die Tat vorsätzlich war oder durch eine psychische Erkrankung beeinflusst wurde. Ohne überzeugende Nachweise wird keine volle Auszahlung erfolgen.
Die Dreijahresfrist ist also nicht willkürlich, sondern ein zentraler Bestandteil des Versicherungsrechts, um sowohl die Interessen der Versicherten als auch die wirtschaftliche Stabilität der Versicherungsunternehmen zu schützen.
Welche Beweise müssen Hinterbliebene erbringen, um eine Leistung aus der Restschuldversicherung bei Selbsttötung innerhalb der Dreijahresfrist zu erhalten?
Um eine Leistung aus einer Restschuldversicherung bei Selbsttötung innerhalb der Dreijahresfrist zu erhalten, müssen Hinterbliebene nachweisen, dass der Verstorbene zum Zeitpunkt des Suizids in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit gehandelt hat. Dieser Nachweis ist entscheidend, da er die Ausnahme von der Karenzzeit ermöglicht.
Erforderliche Nachweise
Zu den erforderlichen Nachweisen gehören:
- Ärztliche Berichte und Behandlungsverläufe: Diese können Hinweise auf psychische Erkrankungen oder Störungen geben.
- Psychiatrische Diagnosen: Obwohl nicht immer erforderlich, können sie den Zustand des Verstorbenen dokumentieren.
- Zeugenaussagen: Diese können Verhaltensänderungen oder Auffälligkeiten im Vorfeld des Suizids belegen.
- Dokumentierte Verhaltensänderungen: Auffällige Verhaltensweisen, die auf eine psychische Erkrankung hindeuten, sind wichtig.
Beweislast und Verfahren
Die Beweislast liegt bei den Hinterbliebenen. Sie müssen schlüssig darlegen, dass der Verstorbene nicht in der Lage war, seinen Selbstmord frei zu entscheiden. In vielen Fällen ist kein psychiatrisches Gutachten erforderlich, wenn die Umstände des Einzelfalls klar sind und die Möglichkeit nachvollziehbarer Motive für eine Selbsttötung ausgeschlossen erscheint.
Praktische Schritte
Wenn Sie als Hinterbliebener in einer solchen Situation sind, sollten Sie:
- Alle relevanten Dokumente sammeln: Ärztliche Berichte, Behandlungsverläufe und Zeugenaussagen.
- Die Versicherung informieren: Stellen Sie sicher, dass Sie alle erforderlichen Unterlagen einreichen.
- Rechtliche Unterstützung in Betracht ziehen: In komplexen Fällen kann es hilfreich sein, sich über die rechtlichen Möglichkeiten zu informieren.
Was bedeutet „krankhafte Störung der Geistestätigkeit“ im Zusammenhang mit der Selbsttötungsklausel?
Im Zusammenhang mit der Selbsttötungsklausel in Versicherungsverträgen bezieht sich der Begriff „krankhafte Störung der Geistestätigkeit“ auf eine schwere psychische Erkrankung, die die freie Willensbestimmung einer Person erheblich beeinträchtigt. Diese Störung muss so schwerwiegend sein, dass die Person keine vernünftige Abwägung mehr treffen kann und ihre Entscheidungen nicht mehr auf einer sachlichen Prüfung basieren.
Beispiele für solche Störungen sind schwere Depressionen, Psychosen oder manisch-depressive Erkrankungen. Diese Zustände können die Fähigkeit einer Person beeinträchtigen, die Konsequenzen ihrer Handlungen realistisch einzuschätzen.
Es ist wichtig zu betonen, dass nicht jede psychische Erkrankung automatisch als krankhafte Störung der Geistestätigkeit gilt. Vielmehr muss ein enger Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem Suizid nachgewiesen werden. Dieser Nachweis ist entscheidend für die Beurteilung von Versicherungsansprüchen, insbesondere wenn es um die Frage geht, ob die Selbsttötung in einem Zustand erfolgte, der die freie Willensbestimmung ausschloss.
In rechtlichen Kontexten, wie bei der Bewertung von Versicherungsansprüchen, spielt die Schuldfähigkeit eine zentrale Rolle. Eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit kann die Schuldfähigkeit aufheben, was bedeutet, dass die Person nicht mehr in der Lage ist, das Unrecht einer Handlung zu erkennen und entsprechend zu handeln.
Stellen Sie sich vor, Sie sind in einer Situation, in der eine Person unter einer schweren psychischen Belastung steht und sich selbst schadet. In solchen Fällen ist es entscheidend, ob die psychische Erkrankung so schwerwiegend ist, dass sie die freie Willensbestimmung beeinträchtigt. Dies kann erhebliche Auswirkungen auf die rechtliche Beurteilung und die Versicherungsleistungen haben.
Kann die Versicherung die Leistung verweigern, wenn der Versicherungsnehmer eine psychische Erkrankung verschwiegen hat?
Wenn Sie eine Restschuldversicherung abschließen, sind Sie verpflichtet, alle relevanten Vorerkrankungen, einschließlich psychischer Erkrankungen, wahrheitsgemäß anzugeben. Diese Pflicht ergibt sich aus den vorvertraglichen Anzeigepflichten, die im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) festgelegt sind. Wenn Sie eine psychische Erkrankung verschweigen und dies für die Entscheidung des Versicherers relevant ist, kann die Versicherung unter bestimmten Umständen die Leistung verweigern oder vom Vertrag zurücktreten.
Wichtige Punkte:
- Vorvertragliche Anzeigepflichten: Sie müssen alle Umstände angeben, die für die Entscheidung des Versicherers relevant sind und die dieser in Textform (z.B. per E-Mail oder Fax) erfragt hat.
- Folgen der Verletzung: Wenn Sie eine psychische Erkrankung verschweigen und dies zu einem Suizid führt, muss die Versicherung nachweisen, dass es einen Zusammenhang zwischen der verschwiegenen Erkrankung und dem Suizid gibt, um die Leistung zu verweigern.
- Beweislast: Die Versicherung trägt die Beweislast für den Zusammenhang zwischen der verschwiegenen Erkrankung und dem Ereignis, das zur Leistungsverweigerung führt.
In einem solchen Fall ist es entscheidend, dass Sie sich über Ihre Anzeigepflichten im Klaren sind und wahrheitsgemäß handeln, um spätere Probleme zu vermeiden.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Restschuldversicherung
Eine Restschuldversicherung ist ein Versicherungsvertrag, der die Rückzahlung eines Darlehens absichert, falls der Kreditnehmer stirbt oder andere versicherte Risiken (wie Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit) eintreten. Sie tilgt die noch ausstehende Darlehensschuld gegenüber dem Kreditgeber. Die rechtliche Grundlage bildet § 7a Abs. 5 PAngV, der Informationspflichten bei Restschuldversicherungen regelt.
Beispiel: Ein Ehepaar nimmt einen Kredit für ein Auto auf und schließt gleichzeitig eine Restschuldversicherung ab. Verstirbt einer der Partner, übernimmt die Versicherung die Begleichung der noch offenen Kreditschuld, sodass der überlebende Partner finanziell entlastet wird.
Gruppenversicherungsvertrag
Ein Gruppenversicherungsvertrag ist ein Versicherungsvertrag, der zwischen einem Versicherer und einem Vertragspartner (z.B. Bank, Arbeitgeber) für eine definierte Gruppe von Personen abgeschlossen wird. Bei Restschuldversicherungen fungiert oft die kreditgebende Bank als Versicherungsnehmer, während Kreditnehmer als versicherte Personen dem Vertrag beitreten. Die rechtliche Grundlage findet sich in §§ 43-48 VVG.
Beispiel: Eine Bank schließt mit einer Versicherungsgesellschaft einen Gruppenversicherungsvertrag für alle ihre Kreditnehmer ab. Kunden können diesem Vertrag beim Kreditabschluss beitreten und erhalten dadurch Versicherungsschutz, ohne einen individuellen Vertrag aushandeln zu müssen.
Verbraucherdarlehensvertrag
Ein Verbraucherdarlehensvertrag ist ein Kreditvertrag zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer. Er unterliegt besonderen Schutzvorschriften des Verbraucherrechts, insbesondere den §§ 491-505e BGB. Kennzeichnend sind umfassende Informationspflichten, Widerrufsrechte und Formvorschriften zugunsten des Verbrauchers.
Beispiel: Ein Ehepaar (als Verbraucher) schließt mit einer Bank einen Darlehensvertrag für den Kauf eines Autos ab. Die Bank muss dabei umfassende vorvertragliche Informationen bereitstellen und dem Ehepaar ein 14-tägiges Widerrufsrecht einräumen.
Leistungsausschluss
Ein Leistungsausschluss bezeichnet in Versicherungsverträgen eine vertraglich festgelegte Bestimmung, die bestimmte Risiken oder Umstände von der Versicherungsleistung ausnimmt. Bei Restschuldversicherungen ist häufig Suizid innerhalb einer bestimmten Frist (meist drei Jahre) nach Vertragsschluss vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Rechtliche Grundlage bildet § 169 VVG.
Beispiel: Eine Restschuldversicherung enthält die Klausel, dass bei Selbsttötung innerhalb der ersten drei Jahre keine Leistungspflicht besteht, es sei denn, die Tat erfolgte in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand.
Leistungsanspruch
Ein Leistungsanspruch bezeichnet das rechtlich durchsetzbare Recht einer Vertragspartei, eine vertragliche Leistung zu fordern. Im Versicherungsrecht entsteht dieser Anspruch mit Eintritt des Versicherungsfalls, sofern keine Leistungsausschlüsse greifen. Die grundlegende rechtliche Basis bildet § 1 VVG, der das Prinzip der Gefahrtragung durch den Versicherer gegen Prämienzahlung festschreibt.
Beispiel: Nach dem Tod eines versicherten Kreditnehmers entsteht für die Begünstigten ein Leistungsanspruch gegen die Restschuldversicherung auf Tilgung der verbleibenden Kreditschuld, sofern der Todesfall vertragsgemäß versichert war.
Sperrfrist
Die Sperrfrist bezeichnet im Versicherungsrecht einen vertraglich festgelegten Zeitraum nach Vertragsabschluss, innerhalb dessen bestimmte Versicherungsfälle nicht oder nur eingeschränkt gedeckt sind. Bei Restschuldversicherungen beträgt diese Frist für Suizid typischerweise drei Jahre gemäß § 161 VVG. Nach Ablauf dieser Frist besteht auch bei Selbsttötung voller Versicherungsschutz.
Beispiel: Ein Versicherter nimmt sich 14 Monate nach Abschluss der Restschuldversicherung das Leben. Da dies innerhalb der dreijährigen Sperrfrist geschah, prüft die Versicherung, ob Ausnahmetatbestände (wie krankhafte seelische Störung) vorliegen, die dennoch eine Leistungspflicht begründen können.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 163 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) – Selbsttötung: Diese Vorschrift regelt die Leistungspflicht des Versicherers bei Selbsttötung des Versicherten in der Lebensversicherung. Grundsätzlich ist der Versicherer leistungsfrei, wenn die Selbsttötung innerhalb von drei Jahren nach Vertragsschluss erfolgt ist, es sei denn, die Tat erfolgte in einem Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Ehemann der Klägerin hat innerhalb von drei Jahren nach Abschluss der Restschuldversicherung Suizid begangen. Daher greift diese Regelung, die den Leistungsanspruch der Klägerin gegenüber der Versicherung einschränkt, wenn keine krankhafte Störung der Geistestätigkeit vorlag.
- Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) der Restschuldversicherung, Teil A, Ziffer 3.3 (Selbsttötung): Die AVB konkretisieren die gesetzliche Regelung zur Selbsttötung und legen die Bedingungen für eine Leistungspflicht der Versicherung im Fall von Suizid innerhalb der ersten drei Jahre fest. Sie definieren die Ausnahmen, unter denen trotz Suizids innerhalb der Frist eine Leistung erfolgen kann, nämlich bei Nachweis einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit oder schweren körperlichen Leidens. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht wird prüfen, ob die AVB-Klausel zur Selbsttötung wirksam ist und ob die Klägerin den Nachweis für eine Ausnahmebedingung (krankhafte Störung der Geistestätigkeit) erbracht hat, um trotz des Suizids innerhalb der Dreijahresfrist Leistungen aus der Restschuldversicherung zu erhalten.
- § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – Auslegung von Willenserklärungen: Diese Vorschrift bestimmt, dass bei der Auslegung einer Willenserklärung, wie beispielsweise einer Vertragserklärung oder von Versicherungsbedingungen, der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen ist und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften ist. Es geht darum, zu verstehen, was die Parteien tatsächlich gewollt haben. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Sollten einzelne Klauseln der Versicherungsbedingungen unklar oder mehrdeutig sein, muss das Gericht diese gemäß § 133 BGB auslegen, um den Sinn zu ermitteln, den die Vertragsparteien bei Vertragsschluss vernünftigerweise gewollt haben. Dies kann relevant werden, wenn die Formulierungen in den AVB Interpretationsspielraum lassen.
- § 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – Auslegung von Verträgen: Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Diese Norm ergänzt § 133 BGB und legt fest, dass bei der Vertragsauslegung auch der Grundsatz von Treu und Glauben sowie die üblichen Gepflogenheiten im Geschäftsverkehr berücksichtigt werden müssen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Bei der Auslegung der Restschuldversicherung und der zugehörigen Bedingungen muss das Gericht nicht nur den Wortlaut, sondern auch die Interessen beider Parteien und die Gepflogenheiten im Versicherungsgeschäft berücksichtigen, um eine faire und angemessene Lösung zu finden. Dies ist besonders wichtig, um sicherzustellen, dass die Versicherung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich und fair ist.
Das vorliegende Urteil
LG Itzehoe – Az.: 3 O 97/22 – Urteil vom 23.05.2023
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