Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Hintergrund: Streit um Versicherungsleistung nach angeblichem Überfall
- Der Versicherungsvertrag: Schutz für Bargeld in der Postfiliale
- Der Vorfall vom Januar 2017: Raubüberfall oder interner Betrug?
- Der Rechtsstreit: Gültigkeit der Klausel und Beweislast im Zentrum
- Die Entscheidung des OLG Frankfurt: Berufung erfolglos
- Bedeutung für Betroffene: Risiken bei Mitarbeiterauswahl und Vertragsklauseln
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet die Ausschlussklausel „mut- oder böswillige Beschädigung“ in einer Transportversicherung konkret?
- Wie werden Mitarbeiter im Rahmen einer Transportversicherung als „Beauftragte“ des Versicherungsnehmers betrachtet?
- Welche Rolle spielt die „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ bei der Beweisführung durch die Versicherung im Schadensfall?
- Welche Möglichkeiten habe ich als Versicherungsnehmer, wenn die Versicherung einen Schaden aufgrund von mutwilliger Beschädigung durch einen Mitarbeiter ablehnt?
- Gibt es Umstände, unter denen der Versicherungsschutz trotz einer Ausschlussklausel für mutwillige Schäden durch Mitarbeiter bestehen bleibt?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Hinweise und Tipps
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 7 U 21/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Frankfurt
- Datum: 17.04.2024
- Aktenzeichen: 7 U 21/21
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Versicherungsrecht (Transportversicherung)
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Betreiberin einer Postfiliale und Versicherungsnehmerin einer Transportversicherung, die Versicherungsleistungen fordert.
- Beklagte: Versicherungsgesellschaft, bei der die Klägerin die Transportversicherung abgeschlossen hat.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Die Klägerin betreibt eine Postfiliale und hatte dort einen Auszubildenden beschäftigt. Sie schloss bei der Beklagten eine Transportversicherung für Zahlungsmittel (Bargeld, Schecks) bis zu einer Versicherungssumme von 40.000 € ab. Nach einem Vorfall forderte sie Leistungen aus dieser Versicherung.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging darum, ob die Beklagte zur Zahlung der Versicherungsleistung verpflichtet ist. Die Versicherungsbedingungen (AVB) enthielten eine Klausel (Ziffer 3.2.1), die Schäden ausschließt, die durch Mitarbeiter (Beauftragte) des Versicherungsnehmers, z.B. durch Diebstahl oder Unterschlagung, verursacht werden. Eine weitere Klausel (Ziffer 3.3) besagte, dass für diesen Ausschluss bereits die überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreicht, dass der Schaden auf eine solche Ursache zurückzuführen ist. Die Beklagte lehnte die Zahlung unter Berufung auf diese Klauseln ab.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Berufung der Klägerin gegen das vorherige Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main wurde zurückgewiesen. Damit bleibt die Klage erfolglos, und die Klägerin erhält keine Versicherungsleistung.
- Folgen: Die Klägerin muss die Kosten des Berufungsverfahrens tragen. Das Urteil des OLG Frankfurt sowie das vorherige Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte nur abwenden, wenn sie eine Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags erbringt, es sei denn, die Beklagte leistet ihrerseits vorher Sicherheit.
Der Fall vor Gericht
Hintergrund: Streit um Versicherungsleistung nach angeblichem Überfall

Im Zentrum dieses Falles steht die Klage einer Betreiberin einer Postfiliale gegen ihre Transportversicherung. Die Klägerin forderte Leistungen aus ihrer Versicherungspolice, nachdem sie am 21. Januar 2017 einen Überfall auf ihre Filiale meldete. Dabei sei Bargeld in beträchtlicher Höhe entwendet worden. Die Versicherung lehnte die Zahlung jedoch ab.
Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main musste nun in zweiter Instanz über die Rechtmäßigkeit dieser Ablehnung entscheiden. Es bestätigte mit Urteil vom 17. April 2024 (Az.: 7 U 21/21) die Entscheidung der Vorinstanz, des Landgerichts Frankfurt, und wies die Berufung der Klägerin zurück.
Der Versicherungsvertrag: Schutz für Bargeld in der Postfiliale
Die Klägerin hatte für ihre Tätigkeit als Partnerfiliale der X AG bei der Beklagten eine spezielle Transportversicherung abgeschlossen. Versichert waren laut Vertrag „Zahlungsmittel (nur Bargeld und Schecks)“ bis zu einer Versicherungssumme von 40.000 Euro. Grundlage des Vertrages waren die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) für Partner-Filialen der X AG.
Diese Police sollte finanzielle Verluste durch den Verlust von Bargeld während des Transports oder der Aufbewahrung in der Filiale abdecken, wie es beispielsweise bei einem Raubüberfall der Fall sein könnte. Der gemeldete Schaden überstieg die Versicherungssumme, die Forderung wurde jedoch auf diese begrenzt.
Brisante Ausschlussklausel: Kein Schutz bei Taten eigener Mitarbeiter
Ein entscheidender Punkt im Rechtsstreit war Ziffer 3.2.1 der AVB. Diese Klausel schließt Schäden vom Versicherungsschutz aus, die durch bestimmte Handlungen von Personen verursacht werden, die dem Einflussbereich des Versicherungsnehmers zuzuordnen sind. Wörtlich heißt es: „Ausgeschlossen sind Schäden, die vom Versicherungsnehmer, den Versicherten oder deren Beauftragten durch mut- oder böswillige Beschädigung, Unterschlagung, Veruntreuung oder Diebstahl herbeigeführt werden“.
Als „Beauftragte“ gelten dabei in der Regel auch Angestellte oder Auszubildende des Versicherungsnehmers. Diese Klausel soll das sogenannte Repräsentantenrisiko oder Moralisches Risiko begrenzen, also das Risiko, dass Schäden durch Personen verursacht werden, auf die der Versicherungsnehmer direkten Einfluss hat.
Beweiserleichterung für den Versicherer
Zusätzlich relevant ist Ziffer 3.3 der AVB. Diese Regelung erleichtert es dem Versicherer, sich auf einen Ausschlussgrund wie den in Ziffer 3.2.1 genannten zu berufen. Kann der Versicherer das Vorliegen eines Ausschlussgrundes nicht zweifelsfrei beweisen, genügt bereits die „überwiegende Wahrscheinlichkeit“, dass der Schaden auf eine solche ausgeschlossene Ursache zurückzuführen ist.
Diese Klausel senkt die Hürde für den Versicherer, eine Leistung zu verweigern, wenn der Verdacht besteht, dass der Schaden intern verursacht wurde, auch wenn ein gerichtsfester Beweis fehlt.
Der Vorfall vom Januar 2017: Raubüberfall oder interner Betrug?
Die Klägerin meldete ihrer Versicherung am 22. Januar 2017, dass ihre Postagentur am Vortag überfallen worden sei. Sie ging von einem Verlust von rund 60.000 Euro aus. Zum Zeitpunkt des angeblichen Überfalls war unter anderem ein Auszubildender der Klägerin, der Zeuge B, im Geschäft anwesend.
Die genauen Umstände des Vorfalls blieben jedoch umstritten. Während die Klägerin von einem Überfall durch unbekannte externe Täter ausging, hegte die Versicherung Zweifel an dieser Darstellung.
Rolle des Auszubildenden im Fokus
Die Anwesenheit des Auszubildenden B während des gemeldeten Vorfalls rückte diesen schnell in den Fokus der Ermittlungen und der Betrachtung durch die Versicherung. Gegen den Zeugen B wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue gemäß § 266 StGB eingeleitet.
Die Versicherung stützte ihre Leistungsablehnung maßgeblich auf den Verdacht, dass der Auszubildende selbst in den Vorfall verwickelt sein könnte, was unter die Ausschlussklausel 3.2.1 AVB fallen würde.
Ermittlungen eingestellt, Zweifel bleiben
Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main gegen den Zeugen B wurde am 16. Juni 2018 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Dies bedeutet, dass kein hinreichender Tatverdacht für eine Anklageerhebung festgestellt werden konnte. Ein Grund hierfür war, dass Beweismittel aus einer Telefonüberwachung nicht verwertbar waren, da die Voraussetzungen nach § 100a StPO nicht vorlagen.
Wichtig ist hierbei: Die Einstellung eines Strafverfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts ist kein Freispruch und beweist nicht die Unschuld. Für die zivilrechtliche Beurteilung im Versicherungsfall können andere Maßstäbe gelten, insbesondere aufgrund der Klausel zur „überwiegenden Wahrscheinlichkeit“.
Der Rechtsstreit: Gültigkeit der Klausel und Beweislast im Zentrum
Vor Gericht stritten die Parteien im Kern um zwei Fragen: War die Ausschlussklausel 3.2.1 AVB überhaupt wirksam? Und falls ja, lagen die Voraussetzungen für ihren Eingriff vor, insbesondere unter Berücksichtigung der Beweiserleichterung aus Ziffer 3.3 AVB?
Die Klägerin musste beweisen, dass ein versicherter Raubüberfall stattgefunden hat. Die Beklagte hingegen musste darlegen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Ausschlussgrund – hier die Tatbeteiligung eines Mitarbeiters – vorlag.
Argumente der Klägerin: Unwirksame Klausel und fehlender Tatnachweis
Die Klägerin argumentierte zum einen, dass tatsächlich ein Überfall durch Unbekannte stattgefunden habe. Zum anderen hielt sie die Ausschlussklausel 3.2.1 AVB für unwirksam gemäß § 307 BGB. Diese Vorschrift verbietet Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die den Vertragspartner unangemessen benachteiligen.
Sie argumentierte, die Klausel wälze das Risiko der Mitarbeiterauswahl und -überwachung vollständig auf den Versicherungsnehmer ab, selbst wenn diesen kein Verschulden bei der Auswahl oder Aufsicht treffe. Zudem betonte sie, dass dem Zeugen B keine Tatbeteiligung nachgewiesen werden konnte, wie die Einstellung des Strafverfahrens zeige.
Haltung der Versicherung: Ausschlussgrund gegeben
Die Beklagte Versicherung blieb bei ihrer Ablehnung. Sie verwies auf das eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen den Auszubildenden B und argumentierte, dass aufgrund der Gesamtumstände eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für dessen Beteiligung an dem Verschwinden des Geldes bestehe. Dies rechtfertige die Anwendung der Ausschlussklausel 3.2.1 AVB in Verbindung mit der Beweislastregelung in Ziffer 3.3 AVB.
Die Versicherung sah keine unangemessene Benachteiligung in der Klausel, da solche Ausschlüsse für Handlungen von Repräsentanten oder Mitarbeitern in der Transport- und Vertrauensschadenversicherung durchaus üblich seien.
Die Entscheidung des OLG Frankfurt: Berufung erfolglos
Das OLG Frankfurt folgte der Argumentation der Versicherung und bestätigte das Urteil des Landgerichts. Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen, sie muss die Kosten des Berufungsverfahrens tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Obwohl der hier vorliegende Urteilstext die detaillierten Entscheidungsgründe des OLG nicht wiedergibt, lässt das Ergebnis klare Rückschlüsse zu: Das Gericht hat die Ausschlussklausel 3.2.1 AVB und die Beweiserleichterungsklausel 3.3 AVB offenbar als wirksam angesehen und nicht als unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 BGB eingestuft.
Zudem muss das Gericht zu dem Schluss gekommen sein, dass die Beklagte ausreichende Anhaltspunkte dargelegt hat, die eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Tatbeteiligung des Auszubildenden begründen. Diese Wahrscheinlichkeit genügte nach den Vertragsbedingungen, um den Versicherungsschutz auszuschließen, auch ohne strafrechtlichen Nachweis.
Bedeutung für Betroffene: Risiken bei Mitarbeiterauswahl und Vertragsklauseln
Dieses Urteil verdeutlicht die erheblichen Risiken, die Versicherungsnehmer tragen können, wenn es um das Verhalten ihrer Mitarbeiter geht. Unternehmer, insbesondere solche mit Bargeldbeständen oder wertvollen Gütern, sollten sich der Tragweite von Ausschlussklauseln in ihren Versicherungspolicen bewusst sein.
Sorgfältige Prüfung von Versicherungspolicen
Es ist entscheidend, die Versicherungsbedingungen genau zu prüfen, insbesondere Abschnitte zu Ausschlüssen und zur Beweislast. Klauseln, die Schäden durch eigene Mitarbeiter („Beauftragte“) ausschließen, sind nicht unüblich, können aber im Schadensfall gravierende Folgen haben.
Das Risiko „Mitarbeiter“
Das Urteil unterstreicht, dass das unternehmerische Risiko auch die Auswahl und Überwachung von Personal umfasst. Selbst wenn strafrechtlich keine Schuld nachgewiesen werden kann, kann eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ aus Sicht des Zivilgerichts genügen, um den Versicherungsschutz zu verlieren, sofern die Vertragsklauseln dies zulassen.
Beweislast im Versicherungsfall
Die Klausel zur „überwiegenden Wahrscheinlichkeit“ verschiebt die Beweissituation deutlich zugunsten des Versicherers. Betroffene Versicherungsnehmer stehen vor der Herausforderung, nicht nur den Schaden, sondern im Zweifel auch das Nichtvorliegen eines Ausschlussgrundes plausibel zu machen, wenn der Versicherer entsprechende Verdachtsmomente vorbringt.
Unternehmen sollten daher nicht nur auf einen ausreichenden Versicherungsschutz achten, sondern auch interne Kontrollmechanismen implementieren, um das Risiko von Schäden durch eigene Mitarbeiter zu minimieren. Im Streitfall ist eine genaue Analyse der Vertragsklauseln und der Beweislage unerlässlich.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass Ausschlussklauseln in Transportversicherungen für Schäden durch Mitarbeiter (hier: Auszubildender) rechtswirksam sind, auch wenn den Versicherungsnehmer kein Auswahlverschulden trifft. Bei Tatbeteiligung eines Mitarbeiters am Versicherungsfall kann die Versicherung die Leistung verweigern, wobei im Zivilverfahren die „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ der Beteiligung ausreicht, selbst wenn strafrechtlich kein hinreichender Tatverdacht besteht. Beweise aus Strafverfahren, die dort einem Verwertungsverbot unterliegen (wie Telefonüberwachungsprotokolle), können im Zivilprozess durchaus verwendet werden.
Benötigen Sie Hilfe?
Klärung bei Problemen mit Versicherungsausschlüssen wegen Mitarbeitertätigkeit
Wenn es um Versicherungsfälle geht, bei denen Schäden durch eigene Mitarbeiter eine Rolle spielen, sehen sich viele Unternehmer mit komplexen Ausschlussklauseln und erschwerter Beweislage konfrontiert. Trotz bestehender Versicherung kann es vorkommen, dass der Schutz wegen des Verdachts einer internen Verursachung verweigert wird, selbst wenn ein strafrechtlicher Nachweis nicht erbracht wurde.
Unsere Kanzlei bietet Unterstützung bei der rechtlichen Prüfung solcher Ausschlussklauseln und der Auseinandersetzung mit Versicherern. Ziel ist es, die Erfolgschancen einer Forderung realistisch einzuschätzen und Ihre rechtlichen Möglichkeiten effizient auszuschöpfen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet die Ausschlussklausel „mut- oder böswillige Beschädigung“ in einer Transportversicherung konkret?
Diese Klausel in einer Transportversicherung beschreibt Situationen, in denen der Versicherungsschutz ausgeschlossen ist. Konkret bedeutet das: Wenn ein Schaden an transportierten Gütern absichtlich herbeigeführt wurde, zahlt die Versicherung in der Regel nicht.
Was versteht man unter „mutwillig“ und „böswillig“?
- Mutwillig: Eine Beschädigung ist mutwillig, wenn jemand absichtlich und ohne vernünftigen Grund handelt und dabei einen Schaden zumindest billigend in Kauf nimmt. Es steckt oft Leichtsinn, Übermut oder reine Zerstörungslust dahinter. Der Täter muss nicht unbedingt das Ziel haben, genau diesen Schaden herbeizuführen, aber er handelt bewusst rücksichtslos.
- Beispiel: Ein Mitarbeiter wirft aus Übermut Pakete im Lager umher, obwohl er weiß, dass diese dadurch beschädigt werden könnten.
- Böswillig: Hier steht die gezielte Absicht, Schaden zuzufügen, im Vordergrund. Der Handelnde will bewusst etwas beschädigen oder zerstören, oft aus negativen Motiven wie Rache, Hass oder Ärger.
- Beispiel: Ein frustrierter Fahrer tritt während des Beladens absichtlich mit Wucht gegen eine empfindliche Maschine. Ein gekündigter Mitarbeiter zerstört gezielt Ware im Lager.
Entscheidend ist also der Vorsatz: Der Schaden muss gewollt oder zumindest bewusst in Kauf genommen worden sein.
Abgrenzung zur Fahrlässigkeit
Ein wichtiger Unterschied besteht zur Fahrlässigkeit. Fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt und dadurch unabsichtlich einen Schaden verursacht.
- Fahrlässigkeit: Jemand passt kurz nicht auf und beschädigt Ware. Beispiel: Ein Gabelstaplerfahrer stößt beim Rangieren versehentlich gegen ein Regal; Ware fällt herunter und wird beschädigt. Hier fehlt die Absicht zur Beschädigung.
- Mut-/Böswilligkeit: Jemand beschädigt die Ware absichtlich oder nimmt die Beschädigung bewusst in Kauf.
Versicherungen decken Schäden durch leichte oder manchmal auch grobe Fahrlässigkeit oft ab (abhängig vom Vertrag). Schäden durch mut- oder böswillige Handlungen sind jedoch standardmäßig meist ausgeschlossen.
Bedeutung bei Schäden durch Mitarbeiter
Diese Klausel ist besonders relevant, wenn der Schaden durch eigene Mitarbeiter verursacht wird. Auch wenn ein Mitarbeiter den Schaden während seiner Arbeitszeit verursacht, greift der Versicherungsschutz nicht, wenn nachgewiesen wird, dass der Mitarbeiter mut- oder böswillig gehandelt hat. Die Handlung des Mitarbeiters wird in diesem Fall nicht als reines „Betriebsrisiko“ angesehen, das versichert wäre.
Auswirkung auf den Versicherungsschutz
Liegt eine mut- oder böswillige Beschädigung vor, lehnt die Transportversicherung die Übernahme des Schadens in der Regel ab. Der Versicherungsnehmer (also das Unternehmen, dessen Ware beschädigt wurde) bleibt dann auf den Kosten sitzen. Die Beweislast dafür, dass eine mut- oder böswillige Handlung vorliegt, trägt normalerweise die Versicherung.
Wie werden Mitarbeiter im Rahmen einer Transportversicherung als „Beauftragte“ des Versicherungsnehmers betrachtet?
Ob ein Mitarbeiter Ihres Unternehmens als „Beauftragter“ im Sinne der Transportversicherung gilt, hängt entscheidend von seinen konkreten Aufgaben und seiner Verantwortung im Zusammenhang mit dem versicherten Transport oder den versicherten Gütern ab. Es geht also nicht pauschal um jeden Angestellten.
Was bedeutet „Beauftragter“ im Versicherungskontext?
Ein „Beauftragter“ ist im versicherungsrechtlichen Sinne eine Person, die im Namen und im Interesse des Versicherungsnehmers (also Ihres Unternehmens) handelt und dabei eine gewisse Verantwortung oder Kontrollfunktion über die versicherte Sache oder den Transportablauf hat. Versicherungsbedingungen nutzen diesen Begriff oft, um festzulegen, wessen Handlungen dem Unternehmen zugerechnet werden können – das ist besonders relevant bei sogenannten Ausschlussklauseln, zum Beispiel bei vorsätzlicher Beschädigung durch Mitarbeiter.
Wann gilt ein Mitarbeiter als „Beauftragter“?
Ein Mitarbeiter wird in der Regel dann als „Beauftragter“ angesehen, wenn er Aufgaben wahrnimmt, die direkt mit dem versicherten Transport oder der Obhut (also der Verantwortung für oder dem Umgang mit) der versicherten Ware zu tun haben.
- Stellen Sie sich vor: Der LKW-Fahrer, der die Ware transportiert, oder der Lagermitarbeiter, der für das ordnungsgemäße Verladen zuständig ist, handeln klar im Rahmen ihrer Aufgaben bezüglich des Transports. Sie gelten sehr wahrscheinlich als „Beauftragte“ für Handlungen, die in diesem Zusammenhang stehen.
- Auch eine Person in leitender Position, die beispielsweise Transporte organisiert, überwacht oder spezielle Anweisungen dazu gibt, kann als „Beauftragte“ betrachtet werden.
Im Gegensatz dazu wird ein Mitarbeiter, dessen Tätigkeit nichts mit dem Transport oder der Ware direkt zu tun hat (z. B. jemand aus der Buchhaltung oder der Reinigung), normalerweise nicht als „Beauftragter“ im Sinne der Transportversicherung für Schäden an der Ware angesehen, selbst wenn er theoretisch Zugang dazu hätte.
Die entscheidende Rolle der Aufgaben und Verantwortung
Entscheidend ist also, ob der Mitarbeiter aufgrund seiner Position, seiner Aufgaben oder einer spezifischen Anweisung durch das Unternehmen für den Schutz, die Handhabung oder den Transport der versicherten Güter (mit-)verantwortlich ist. Handelt eine Person in dieser Funktion und verursacht vorsätzlich einen Schaden an der Ware, könnte dies dazu führen, dass der Versicherungsschutz aufgrund einer entsprechenden Ausschlussklausel für „Beauftragte“ entfällt.
Dabei spielt es meist keine Rolle, ob es sich um einen festangestellten Mitarbeiter, eine Aushilfe oder einen Leiharbeiter handelt, solange diese Person im Auftrag und mit entsprechender Verantwortung für Ihr Unternehmen im Zusammenhang mit dem versicherten Gut tätig wird. Die genaue Definition und Reichweite des Begriffs „Beauftragter“ ergibt sich letztlich immer aus den konkreten Versicherungsbedingungen Ihres Vertrages.
Welche Rolle spielt die „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ bei der Beweisführung durch die Versicherung im Schadensfall?
Wenn in Versicherungsbedingungen von „überwiegender Wahrscheinlichkeit“ die Rede ist, bedeutet das für die Versicherung eine Erleichterung bei der Beweisführung. Normalerweise muss im Zivilrecht derjenige, der etwas behauptet (z.B. die Versicherung, die eine Leistung ablehnen will), dies zur vollen Überzeugung des Gerichts beweisen. Das nennt man den „Vollbeweis“ oder „zweifelsfreien Beweis“.
Die Klausel zur „überwiegenden Wahrscheinlichkeit“ senkt diese Hürde. Die Versicherung muss dann nicht mehr beweisen, dass ein bestimmter Umstand (z.B. eine mutwillige Handlung eines Mitarbeiters) zweifelsfrei vorliegt. Es genügt, wenn nach Abwägung aller bekannten Umstände mehr für als gegen das Vorliegen dieses Umstands spricht. Die Wahrscheinlichkeit muss also über 50% liegen.
Was bedeutet „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ im Vergleich?
Stellen Sie sich eine Waage vor:
- Beim Vollbeweis (der Normalfall) muss die Seite dessen, der etwas beweisen will, die andere Seite deutlich überwiegen, sodass praktisch keine vernünftigen Zweifel mehr bestehen.
- Bei der überwiegenden Wahrscheinlichkeit genügt es, wenn die Waagschale auf der Seite dessen, der etwas beweisen will (hier die Versicherung), nur etwas schwerer wiegt als die andere Seite. Es muss also lediglich wahrscheinlicher sein, dass der von der Versicherung behauptete Sachverhalt zutrifft, als dass er nicht zutrifft.
Diese Beweiserleichterung wird oft in bestimmten Bereichen von Versicherungsverträgen vereinbart, beispielsweise wenn es um schwer beweisbare Ursachen wie eben mutwillige Handlungen geht.
Bedeutung für Sie als Versicherungsnehmer bei Schäden durch Mitarbeiter
Wenn Ihre Versicherung sich auf die „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ stützt, um beispielsweise zu argumentieren, ein Schaden sei durch eine vorsätzliche Handlung eines Ihrer Mitarbeiter entstanden (was je nach Vertrag den Versicherungsschutz ausschließen oder einschränken könnte), bedeutet das:
- Die Versicherung muss nicht lückenlos nachweisen, dass Ihr Mitarbeiter den Schaden absichtlich verursacht hat.
- Sie muss lediglich genügend Indizien und Fakten vortragen, die es nach allgemeiner Lebenserfahrung wahrscheinlicher machen, dass der Mitarbeiter den Schaden mutwillig herbeigeführt hat, als dass es eine andere Ursache (z.B. Fahrlässigkeit, technischer Defekt, Zufall) gab.
Für Sie als Versicherungsnehmer kann dies bedeuten, dass die Versicherung auch ohne eindeutige Beweise wie ein Geständnis oder eindeutige Zeugenaussagen versuchen kann, die Leistung zu verweigern oder zu kürzen, wenn die Umstände aus ihrer Sicht stark auf eine mutwillige Handlung hindeuten.
Wie können Sie darauf reagieren?
Auch wenn die Versicherung sich auf die „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ berufen kann, sind Sie nicht schutzlos. Sie können der Argumentation der Versicherung entgegentreten:
- Eigene Fakten und Beweise vorlegen: Sie können aktiv versuchen, die von der Versicherung vorgebrachten Indizien zu entkräften oder Zweifel an deren Schlussfolgerungen zu säen. Sammeln Sie alle Informationen, Dokumente oder Zeugenaussagen, die Ihre Sichtweise stützen oder eine alternative, für Sie günstigere Schadensursache nahelegen.
- Alternative Ursachen aufzeigen: Argumentieren Sie, warum andere Ursachen für den Schaden mindestens genauso wahrscheinlich oder sogar wahrscheinlicher sind als die von der Versicherung behauptete mutwillige Handlung.
- Plausibilität prüfen: Hinterfragen Sie die Argumentation der Versicherung kritisch: Sind die Schlussfolgerungen wirklich zwingend? Gibt es Lücken in der Argumentationskette? Ist die behauptete Wahrscheinlichkeit wirklich „überwiegend“?
Es geht also darum, die von der Versicherung angenommene Wahrscheinlichkeit zu erschüttern und darzulegen, warum deren Version des Geschehens eben nicht die wahrscheinlichste ist. Eine sorgfältige Dokumentation des Schadensfalls und aller relevanten Umstände ist dabei sehr hilfreich.
Welche Möglichkeiten habe ich als Versicherungsnehmer, wenn die Versicherung einen Schaden aufgrund von mutwilliger Beschädigung durch einen Mitarbeiter ablehnt?
Wenn Ihre Versicherung die Zahlung für einen Schaden verweigert und als Grund angibt, ein Mitarbeiter habe diesen mutwillig (also absichtlich und vorsätzlich) verursacht, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass Sie keine Ansprüche haben. Es gibt verschiedene Wege, wie Sie auf eine solche Ablehnung reagieren können.
Prüfung der Ablehnung und der Vertragsgrundlagen
Zunächst ist es wichtig, die Begründung der Versicherung genau zu prüfen. Entscheidend ist, was in Ihrem Versicherungsvertrag und den dazugehörigen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) steht. Hier ist geregelt, ob und unter welchen Umständen Schäden durch eigene Mitarbeiter abgedeckt sind.
Ein wichtiger Punkt ist oft, ob die Versicherung das Handeln des Mitarbeiters dem Unternehmen zurechnen darf. Versicherungsrechtlich wird häufig unterschieden:
- Handlungen von einfachen Mitarbeitern ohne leitende Funktion führen nicht immer automatisch zum Verlust des Versicherungsschutzes, selbst wenn sie vorsätzlich handeln.
- Anders kann es bei leitenden Angestellten oder Personen sein, die das Unternehmen repräsentieren (sogenannte Repräsentanten). Deren vorsätzliches Handeln kann eher dazu führen, dass die Versicherung nicht zahlen muss.
Es muss also geklärt werden: Hat der Mitarbeiter den Schaden tatsächlich vorsätzlich verursacht? Und: Darf die Versicherung dieses Verhalten dem Unternehmen zurechnen, um die Leistung zu verweigern? Die Beweislast dafür, dass ein Ausschlussgrund wie Vorsatz vorliegt, liegt in vielen Fällen bei der Versicherung.
Mögliche Schritte nach einer Ablehnung
Wenn Sie mit der Ablehnung nicht einverstanden sind, stehen Ihnen grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten offen:
- Widerspruch oder Beschwerde bei der Versicherung: Sie können der Entscheidung der Versicherung schriftlich widersprechen. Legen Sie Ihre Sichtweise dar und begründen Sie, warum Sie die Ablehnung für nicht korrekt halten. Möglicherweise können Sie zusätzliche Informationen oder Beweise einreichen, die Ihre Position stützen.
- Einholung eines unabhängigen Gutachtens: Ist die Ursache des Schadens oder die Frage der „Mutwilligkeit“ strittig, kann ein Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen Klarheit bringen. Dieses Gutachten kann eine andere Bewertung als die der Versicherung ergeben. Die Kosten für ein solches Privatgutachten müssen Sie in der Regel zunächst selbst tragen. Ob diese Kosten später von der Versicherung erstattet werden, hängt vom Ausgang der Auseinandersetzung ab.
- Außergerichtliche Schlichtung: Sie haben die Möglichkeit, sich an den Versicherungsombudsmann e.V. zu wenden. Dies ist eine unabhängige und für Verbraucher sowie die meisten Gewerbetreibenden kostenfreie Schlichtungsstelle. Der Ombudsmann prüft den Fall und versucht, eine Einigung zwischen Ihnen und der Versicherung zu erzielen. Seine Entscheidungen sind für die Versicherungsunternehmen bis zu einem bestimmten Wert (derzeit 10.000 Euro) bindend, wenn Sie der Entscheidung zustimmen. Bei höheren Summen gibt er eine Empfehlung ab. Das Verfahren ist oft schneller und kostengünstiger als ein Gerichtsverfahren.
- Klage vor Gericht: Wenn keine Einigung erzielt werden kann oder Sie die Entscheidung des Ombudsmanns nicht akzeptieren, bleibt die Möglichkeit, Ihren Anspruch vor Gericht durchzusetzen. Hier wird der Fall durch ein unabhängiges Gericht geprüft. Sie müssen dann in der Regel beweisen, dass die Voraussetzungen für den Versicherungsanspruch erfüllt sind. Ein Gerichtsverfahren ist meist mit Kostenrisiken verbunden (z.B. für Gericht und gegebenenfalls Anwälte).
Wichtige Aspekte: Bei allen Schritten sollten Sie auf eventuell laufende Fristen achten, beispielsweise für einen Widerspruch oder die Einreichung einer Klage. Die genauen Regelungen und Erfolgsaussichten hängen immer stark von den Details des Einzelfalls, dem Wortlaut Ihrer Versicherungspolice und der aktuellen Rechtsprechung ab.
Gibt es Umstände, unter denen der Versicherungsschutz trotz einer Ausschlussklausel für mutwillige Schäden durch Mitarbeiter bestehen bleibt?
Ja, auch wenn Ihr Versicherungsvertrag vorsätzliche oder mutwillige Schäden durch Mitarbeiter grundsätzlich ausschließt, können unter bestimmten Umständen Ausnahmen bestehen oder die Klausel im Einzelfall nicht greifen. Dies hängt jedoch stark von den genauen Formulierungen im Vertrag und den Details des Schadensfalls ab. Es gibt keine pauschale Antwort, aber folgende Punkte können eine Rolle spielen:
Die genaue Formulierung der Klausel ist entscheidend
Versicherungsverträge und ihre Klauseln sind oft sehr detailliert formuliert. Es kommt entscheidend darauf an, wie der Ausschluss im Vertrag genau beschrieben ist. Manche Klauseln sind weiter gefasst, andere enger. Manchmal sind Formulierungen nicht ganz eindeutig. Unklare Klauseln werden nach rechtlichen Grundsätzen oft zugunsten des Versicherungsnehmers ausgelegt. Das bedeutet, wenn eine Klausel missverständlich ist, könnte sie so interpretiert werden, dass doch Versicherungsschutz besteht.
War der Schaden wirklich „mutwillig“?
Nicht jede absichtliche Handlung eines Mitarbeiters ist automatisch „mutwillig“ oder „vorsätzlich“ im Sinne jeder Versicherungsbedingung. Der Begriff „mutwillig“ impliziert oft eine besondere Böswilligkeit oder Zerstörungslust. Es könnte geprüft werden, ob der Mitarbeiter den Schaden tatsächlich mit voller Absicht und dem Ziel der Schädigung herbeigeführt hat. Handlungen, die zwar bewusst, aber vielleicht aus grober Unachtsamkeit, im Affekt oder ohne direkte Schädigungsabsicht geschehen, könnten je nach Vertragsdefinition eventuell anders bewertet werden. Die genaue Definition im Vertrag ist hier ausschlaggebend.
Handelte der Mitarbeiter im Rahmen seiner Tätigkeit?
Relevant kann auch sein, ob der Mitarbeiter den Schaden während seiner Arbeitszeit und im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit verursacht hat. Manche Ausschlüsse beziehen sich möglicherweise nur auf Schäden, die in direktem Bezug zur Arbeit stehen. Handlungen, die rein privater Natur sind und keinen Bezug zur Arbeit haben (z.B. private Racheakte auf dem Firmengelände nach Feierabend), könnten unter Umständen anders beurteilt werden. Auch hier sind die spezifischen Details des Vertrags und des Vorfalls entscheidend.
Besondere Regelungen im Versicherungsvertrag
Manche Versicherungsverträge enthalten spezielle Regelungen oder Ausnahmen, die trotz eines allgemeinen Ausschlusses für Mitarbeiterschäden greifen könnten. Beispielsweise kann es einen Unterschied machen, ob der Schaden durch einen einfachen Angestellten oder durch eine Person in leitender Position (einen sogenannten Repräsentanten des Unternehmens, z.B. einen Geschäftsführer) verursacht wurde. Für Repräsentanten gelten manchmal andere Regeln. Lesen Sie Ihren Vertrag daher sehr genau auf solche möglichen Sonderfälle.
Es ist also denkbar, dass trotz einer Ausschlussklausel für mutwillige Schäden durch Mitarbeiter unter bestimmten Voraussetzungen doch Versicherungsschutz bestehen kann. Dies hängt immer von der präzisen Wortwahl im Versicherungsvertrag und den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
§ 307 BGB (Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen)
Diese Vorschrift aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) schützt Vertragspartner vor unfairen Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), also dem „Kleingedruckten“ von Verträgen. Eine Klausel ist unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders (hier: die Klägerin) entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Im konkreten Fall hat die Klägerin argumentiert, die Ausschlussklausel 3.2.1 der AVB sei nach § 307 BGB unwirksam, weil sie das Risiko für Taten von Mitarbeitern vollständig auf sie abwälze, auch ohne eigenes Verschulden bei deren Auswahl. Das Gericht musste prüfen, ob diese Benachteiligung tatsächlich „unangemessen“ im Sinne des Gesetzes ist.
Beispiel: Eine Klausel in einem Fitnessstudiovertrag, die jede Haftung für Verletzungen ausschließt, selbst wenn das Studio defekte Geräte bereitstellt, könnte nach § 307 BGB unwirksam sein.
überwiegende Wahrscheinlichkeit
Dies ist ein Beweismaßstab im Zivilprozess. Er bedeutet, dass ein Gericht eine bestimmte Tatsache als bewiesen ansieht, wenn nach Abwägung aller Umstände mehr für als gegen ihr Vorliegen spricht (also eine Wahrscheinlichkeit von über 50 %). Dieser Maßstab ist niedriger als der im Strafprozess erforderliche Beweis „zur vollen Überzeugung des Gerichts“ (vergleichbar mit „jenseits vernünftiger Zweifel“). Im vorliegenden Fall erlaubte Ziffer 3.3 der AVB der Versicherung, die Leistung schon dann zu verweigern, wenn das Vorliegen eines Ausschlussgrundes (z. B. Beteiligung des Auszubildenden) mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststand, auch ohne gerichtsfesten Beweis.
§ 170 Abs. 2 StPO (Einstellung des Ermittlungsverfahrens)
Diese Vorschrift der Strafprozessordnung (StPO) regelt die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft. Sie kommt zur Anwendung, wenn die Ermittlungen keinen hinreichenden Tatverdacht ergeben haben, also die Wahrscheinlichkeit einer späteren Verurteilung gering ist. Wichtig ist: Eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO ist kein Freispruch und beweist nicht die Unschuld des Beschuldigten. Im Fall des Auszubildenden (Zeuge B) bedeutete die Einstellung, dass die Staatsanwaltschaft nicht genügend Beweise für eine Anklage wegen Untreue sah; dies hinderte das Zivilgericht jedoch nicht daran, aufgrund anderer Beweismaßstäbe („überwiegende Wahrscheinlichkeit“) von einer Tatbeteiligung auszugehen.
Ausschlussklausel
Eine Ausschlussklausel ist eine Bestimmung in einem Vertrag, insbesondere einem Versicherungsvertrag (hier in den AVB), die bestimmte Risiken oder Schadensursachen vom Versicherungsschutz ausnimmt. Ihr Zweck ist es, den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers zu begrenzen. Im konkreten Fall schloss Ziffer 3.2.1 der AVB Schäden aus, die durch vorsätzliche Taten wie Diebstahl oder Unterschlagung durch „Beauftragte“ (z. B. Angestellte, Auszubildende) des Versicherungsnehmers verursacht werden. Das Vorliegen eines solchen Ausschlussgrundes befreit den Versicherer von der Pflicht zur Zahlung, auch wenn der Schaden an sich (Verlust von Bargeld) grundsätzlich versichert wäre.
§ 266 StGB (Untreue)
Untreue ist eine Straftat nach dem Strafgesetzbuch (StGB). Sie liegt vor, wenn jemand eine ihm eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder seine Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch demjenigen, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, einen Nachteil zufügt. Im Fall wurde gegen den Auszubildenden (Zeuge B) wegen des Verdachts der Untreue ermittelt, weil vermutet wurde, er könnte seine Stellung in der Postfiliale missbraucht haben, um das Bargeld verschwinden zu lassen und der Klägerin dadurch einen Vermögensschaden zuzufügen. Das Ermittlungsverfahren wurde jedoch eingestellt (§ 170 Abs. 2 StPO).
Auswahlverschulden
Dieser Begriff beschreibt ein Verschulden bei der Auswahl einer Person, die mit einer bestimmten Aufgabe betraut wird (z. B. ein Mitarbeiter oder Dienstleister). Es liegt vor, wenn jemand bei der Auswahl nicht die erforderliche Sorgfalt anwendet und eine erkennbar ungeeignete oder unzuverlässige Person auswählt, die dann einen Schaden verursacht. Im Prozess argumentierte die Klägerin, die Ausschlussklausel sei unfair (§ 307 BGB), weil sie auch dann greife, wenn sie kein Auswahlverschulden bei der Einstellung des Auszubildenden getroffen habe. Das Gericht entschied jedoch, dass die Klausel auch ohne ein solches Verschulden des Versicherungsnehmers wirksam ist und das Risiko für Fehlverhalten von Mitarbeitern in diesem Fall vertraglich dem Versicherungsnehmer zugewiesen werden konnte.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- AVB Ziffer 3.2.1 und 3.3 (Ausschluss mut- oder böswilliger Handlungen): Diese Klauseln in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) schließen Leistungen aus, wenn Schäden durch bestimmte vorsätzliche oder böswillige Handlungen des Versicherungsnehmers, Versicherter oder deren Beauftragten verursacht werden. Ziffer 3.3 erleichtert den Beweis für den Versicherer, indem eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Ausschluss genügt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Beklagte beruft sich auf diese Ausschlussklauseln, da sie vermutet, dass der Schaden durch eine strafbare Handlung des Auszubildenden verursacht wurde, um die Versicherungsleistung zu verweigern.
- §§ 1 ff. Versicherungsvertragsgesetz (VVG) – Allgemeine Grundlagen des Versicherungsvertragsrechts: Das VVG regelt die Rechte und Pflichten von Versicherern und Versicherungsnehmern und bildet die Grundlage für jeden Versicherungsvertrag in Deutschland. Es enthält Regelungen zur Auslegung von Versicherungsbedingungen, zur Anzeigepflicht, zu den Obliegenheiten und zum Leistungsanspruch. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das VVG ist die Basis für den zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Versicherungsvertrag und bestimmt, unter welchen Voraussetzungen die Klägerin Leistungen aus der Transportversicherung beanspruchen kann.
- Beweislast im Versicherungsrecht, insbesondere für Ausschlussklauseln: Grundsätzlich trägt der Versicherungsnehmer die Beweislast für das Vorliegen des Versicherungsfalls. Will sich der Versicherer jedoch auf einen Leistungsausschluss berufen, so trägt er die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen dieses Ausschlusses. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Beklagte muss beweisen oder zumindest die überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür darlegen, dass der Schaden durch eine in Ziffer 3.2.1 AVB genannte Handlung verursacht wurde, um die Leistung verweigern zu dürfen.
- Auslegung von Versicherungsbedingungen (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. VVG): Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Unklarheiten gehen gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders, hier also des Versicherers. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Auslegung der Klauseln 3.2.1 und 3.3 AVB ist entscheidend, um festzustellen, ob die Ablehnung der Beklagten rechtmäßig ist. Die Bedingungen müssen verständlich und transparent sein.
- § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) – Einstellung des Strafverfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts: Nach dieser Vorschrift wird ein Strafverfahren eingestellt, wenn nach Abschluss der Ermittlungen kein hinreichender Tatverdacht besteht, der eine Anklageerhebung rechtfertigen würde. Die Einstellung bedeutet nicht, dass die Person unschuldig ist, sondern dass die Beweislage für eine Verurteilung nicht ausreicht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Einstellung des Strafverfahrens gegen den Auszubildenden B bedeutet, dass die strafrechtliche Vermutung der Untreue nicht erhärtet werden konnte. Dies schwächt die Argumentation der Beklagten, den Schaden aufgrund von Ziffer 3.2.1 AVB auszuschließen, erheblich.
Hinweise und Tipps
Praxistipps für Unternehmer und Gewerbetreibende bei Versicherungsschutz gegen Schäden durch eigene Mitarbeiter
Als Unternehmer tragen Sie viele Risiken, auch im eigenen Betrieb. Ein unerwarteter Verlust von Bargeld oder Waren kann schnell herausfordernd sein. Nicht immer ist klar, wer dafür verantwortlich ist – externe Täter oder vielleicht sogar eigene Mitarbeiter?
Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.
Tipp 1: Versicherungspolice auf Mitarbeiterausschluss prüfen
Gehen Sie nicht automatisch davon aus, dass Ihre Transport- oder Inhaltsversicherung auch Schäden durch eigene Mitarbeiter abdeckt. Prüfen Sie Ihre Vertragsbedingungen (AVB) gezielt auf Klauseln, die Diebstahl, Unterschlagung oder Betrug durch Angestellte oder Beauftragte vom Versicherungsschutz ausschließen. Solche Ausschlüsse sind nicht unüblich.
Tipp 2: Beweislast bei unklaren Schäden beachten
Kann die Ursache eines Schadens (z. B. fehlendes Bargeld) nicht eindeutig geklärt werden, reicht es für den Versicherer oft schon aus, eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ nachzuweisen, dass der Schaden durch einen Mitarbeiter verursacht wurde, um die Leistung zu verweigern. Ein lückenloser Beweis für die Täterschaft des Mitarbeiters ist dann seitens des Versicherers nicht immer nötig.
⚠️ ACHTUNG: Diese Beweiserleichterung für den Versicherer kann dazu führen, dass Sie trotz eines vermeintlichen Überfalls oder Einbruchs keinen Versicherungsschutz erhalten, wenn interne Ursachen nicht plausibel ausgeschlossen werden können.
Tipp 3: Lücken im Schutz gezielt schließen
Besteht in Ihrer Hauptpolice (z. B. Transportversicherung, Inhaltsversicherung) eine Lücke beim Schutz vor Schäden durch eigene Mitarbeiter, prüfen Sie den Abschluss einer speziellen Vertrauensschadenversicherung. Diese ist darauf ausgelegt, Vermögensschäden durch vorsätzliche unerlaubte Handlungen von Betriebsangehörigen (Vertrauenspersonen) abzusichern.
Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Achten Sie genau auf die Formulierungen in den Versicherungsbedingungen. Der Begriff „Beauftragte“ kann weiter gefasst sein als nur festangestellte Mitarbeiter (z.B. auch Auszubildende, bestimmte Dienstleister). Auch die genaue Definition, wann eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ für einen internen Schaden angenommen wird, ist entscheidend und kann von Vertrag zu Vertrag variieren. Im Zweifel sollten Sie den Umfang Ihres Versicherungsschutzes explizit mit Ihrem Versicherer oder einem Fachanwalt klären.
✅ Checkliste: Versicherungsschutz bei Mitarbeiterdelikten
- Transport-/Inhaltsversicherung: Enthält sie einen Ausschluss für Schäden durch Mitarbeiter/Beauftragte?
- Versicherungsbedingungen (AVB): Klauseln zu Ausschlüssen und zur Beweislast („überwiegende Wahrscheinlichkeit“) verstanden?
- Risikoanalyse: Wie hoch ist das Risiko interner Delikte (Diebstahl, Unterschlagung) in meinem Betrieb?
- Vertrauensschadenversicherung: Ist eine zusätzliche Absicherung für Schäden durch eigene Mitarbeiter sinnvoll oder notwendig?
- Dokumentation im Schadensfall: Ereignisse sorgfältig dokumentieren, um die Ursachenklärung zu erleichtern und externe Ursachen belegen zu können.
Das vorliegende Urteil
OLG Frankfurt – Az.: 7 U 21/21 – Urteil vom 17.04.2024
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