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Reiserücktrittsversicherung – schwere Erkrankung

Gericht weist Klage gegen Reiserücktrittsversicherung wegen COVID-19-Erkrankung ab

In einem Rechtsstreit um eine Reiserücktrittsversicherung hat das Landgericht Hannover entschieden, dass die Klage eines Versicherungsnehmers abgewiesen wird, der aufgrund einer COVID-19-Erkrankung seine Reise stornieren musste und die Erstattung der Stornokosten verlangte. Das Gericht befand, dass keine bedingungsgemäße schwere Erkrankung vorlag, die die Inanspruchnahme der Versicherungsleistung rechtfertigen würde. Zudem hielt das Gericht die Bedingungen der Versicherung einer Inhaltskontrolle stand und wies die Argumentation des Klägers, die COVID-19-Erkrankung müsse als schwere Erkrankung anerkannt werden, zurück.

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✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Versicherungsnehmer klagte gegen seine Reiserücktrittsversicherung, nachdem diese die Übernahme von Stornokosten wegen COVID-19-Erkrankung ablehnte.
  • Das Landgericht Hannover wies die Klage ab und entschied, dass keine bedingungsgemäße schwere Erkrankung vorlag.
  • Die Versicherungsbedingungen wurden vom Gericht als gültig erachtet, und die COVID-19-Erkrankung des Klägers und seiner Ehefrau erfüllte nicht die Kriterien einer schweren Erkrankung laut Versicherungsbedingungen.
  • Der Kläger muss die Kosten des Rechtsstreits tragen, und das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
  • Das Gericht verneinte auch einen Schadensersatzanspruch, da der Versicherer nicht verpflichtet sei, auf unversicherte Risiken hinzuweisen oder Vertragserweiterungen anzubieten.

Schwere Erkrankung und Reiserücktrittsversicherung

Eine Reiserücktrittsversicherung soll dabei helfen, finanzielle Verluste zu minimieren, wenn eine geplante Reise aufgrund unvorhergesehener Ereignisse wie Krankheit storniert werden muss. Dabei stellt sich häufig die Frage, wann eine Erkrankung als „schwer“ im Sinne der Versicherungsbedingungen einzustufen ist und damit einen Anspruch auf Leistungen auslöst.

Die rechtliche Bewertung einer schweren Erkrankung ist ein komplexes Thema, das im Einzelfall geprüft werden muss. Ausschlaggebend ist dabei nicht nur die Schwere der Symptome, sondern auch die individuelle Situation des Versicherten. Maßgeblich sind Faktoren wie die Beeinträchtigung der Gesundheit, die Lebensqualität und die mögliche Verkürzung der Lebenserwartung.

Für eine detaillierte Betrachtung der rechtlichen Herausforderungen und konkreten Fallbeispiele ist es ratsam, sich juristischen Rat einzuholen.

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Reise stornieren: Wann greift die Reiserücktrittsversicherung?
Urteil des LG Hannover: Was bedeutet „schwere Erkrankung“ für die Reiserücktrittsversicherung? (Symbolfoto: aleks333 /Shutterstock.com)

Im Zentrum eines Rechtsstreits vor dem Landgericht Hannover stand die Klage eines Versicherungsnehmers gegen seine Reiserücktrittsversicherung. Der Kläger hatte zusammen mit seiner Ehefrau eine Pauschalreise nach Ägypten gebucht, die sie aufgrund einer COVID-19-Erkrankung nicht antreten konnten. Trotz der unerwarteten Erkrankung lehnte die Versicherungsgesellschaft die Übernahme der Stornokosten ab, was den Versicherungsnehmer dazu veranlasste, rechtliche Schritte einzuleiten.

Der Streit um die Definition einer „schweren Erkrankung“

Der Kern des Disputs lag in der Interpretation der Versicherungsbedingungen, insbesondere der Definition einer „unerwartet schweren Erkrankung“, die einen Anspruch auf Leistungen aus der Reiserücktrittsversicherung begründen würde. Die Versicherungsgesellschaft berief sich darauf, dass die COVID-19-Erkrankung des Klägers und seiner Ehefrau nicht den in den Versicherungsbedingungen festgelegten Kriterien einer schweren Erkrankung entsprach. Dies führte zu einer detaillierten Auseinandersetzung über die Anwendbarkeit der Versicherungsbedingungen und die Frage, inwiefern eine COVID-19-Erkrankung als schwer einzustufen ist.

Rechtliche Hürden und Herausforderungen

Die rechtliche Komplexität dieses Falls ergab sich aus der Notwendigkeit, die spezifischen Versicherungsbedingungen mit der realen Situation der Versicherungsnehmer abzugleichen. Der Kläger argumentierte, dass die Versicherungsgesellschaft ihre eigenen Versicherungsbedingungen zu ihrem Vorteil und zum Nachteil der Versicherten auslegt. Er bezog sich dabei auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen und das Verbraucherschutzrecht, insbesondere auf § 307 BGB, der die Unangemessenheit von Vertragsbedingungen regelt.

Die Entscheidung des Landgerichts Hannover

Das Landgericht Hannover wies die Klage des Versicherungsnehmers ab und bestätigte damit die Position der Versicherungsgesellschaft. Das Gericht fand keine ausreichenden Beweise dafür, dass die COVID-19-Erkrankung der Kläger unter die Kategorie der „unerwartet schweren Erkrankungen“ fällt, wie sie in den Versicherungsbedingungen definiert ist. Es betonte, dass die Beurteilung, ob eine Erkrankung als schwer einzustufen ist, auf dem konkreten Gesundheitszustand der versicherten Person basieren muss und nicht durch eine generelle Definition bestimmt werden kann.

Schlüsselaspekte und Urteilsbegründung

Ein wesentlicher Aspekt des Urteils war die Auffassung des Gerichts, dass die Versicherungsbedingungen einer Inhaltskontrolle standhalten und die Entscheidung der Versicherungsgesellschaft, die Leistung zu verweigern, rechtens war. Das Gericht wies auch den Vorwurf des Klägers zurück, die Versicherungsgesellschaft hätte ihn über das Risiko einer Nichtabdeckung von COVID-19-Erkrankungen informieren müssen. Es wurde klargestellt, dass der Versicherer nicht verpflichtet ist, über jede mögliche Risikoänderung zu informieren oder spezifische Hinweise auf unversicherte Risiken zu geben.

Das Landgericht Hannover bestätigte die Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Versicherungsleistung für eine aufgrund von COVID-19 stornierte Reise, basierend auf den spezifischen Versicherungsbedingungen und der Auslegung des Begriffs „schwere Erkrankung“.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was sind die Voraussetzungen für die Leistung einer Reiserücktrittsversicherung bei Erkrankungen?

Die Voraussetzungen für die Leistung einer Reiserücktrittsversicherung bei Erkrankungen sind vielfältig und hängen von den spezifischen Bedingungen des jeweiligen Versicherungsanbieters ab. Generell gilt jedoch, dass die Erkrankung unerwartet und schwer sein muss, damit die Versicherung die Stornierungskosten übernimmt. Hier sind die wichtigsten Punkte zusammengefasst:

  • Unerwartete Erkrankung: Die Erkrankung muss unerwartet auftreten. Das bedeutet, sie darf zum Zeitpunkt der Reisebuchung und des Abschlusses der Versicherung nicht bekannt gewesen sein. Vorerkrankungen oder chronische Krankheiten, die bereits vor der Buchung bekannt waren, führen in der Regel nicht zu einem Versicherungsanspruch, es sei denn, sie verschlechtern sich unerwartet und akut.
  • Schwere der Erkrankung: Die Erkrankung muss so schwer sein, dass sie die Reisefähigkeit der versicherten Person beeinträchtigt. Leichte Erkältungen, Kopfschmerzen oder ähnliche leichte Beschwerden reichen in der Regel nicht aus, um einen Anspruch auf Leistung zu begründen. Schwere Krankheiten wie Herzinfarkte, Schlaganfälle oder schwere Unfallverletzungen sind Beispiele für Erkrankungen, die in der Regel anerkannt werden.
  • Ärztliches Attest: Für die Anerkennung des Versicherungsfalls ist in der Regel ein ärztliches Attest erforderlich, das die Erkrankung und die Reiseunfähigkeit bestätigt.
  • Stornierung der Reise: Die Reise muss unverzüglich nach Bekanntwerden der Erkrankung storniert werden. Wer zu lange wartet, riskiert eine Kürzung oder den Verlust der Versicherungsleistung.
  • Erkrankungen von Angehörigen: Auch die Erkrankung von nahen Angehörigen kann unter bestimmten Umständen einen versicherten Reiserücktritt begründen, insbesondere wenn die Anwesenheit der versicherten Person aufgrund der Erkrankung erforderlich ist.
  • Weitere versicherte Gründe: Neben Erkrankungen können auch andere Ereignisse wie der Tod eines nahen Angehörigen, der unerwartete Verlust des Arbeitsplatzes oder Schwangerschaftskomplikationen zu einem versicherten Reiserücktritt führen.

Es ist wichtig zu beachten, dass die genauen Bedingungen und Ausschlüsse je nach Versicherungsanbieter und Tarif variieren können. Daher sollten Versicherte die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) ihrer Reiserücktrittsversicherung genau prüfen und sich bei Unklarheiten direkt an ihren Versicherer wenden.

Wie wird eine „unerwartet schwere Erkrankung“ im Rahmen der Reiserücktrittsversicherung definiert?

Eine „unerwartet schwere Erkrankung“ im Rahmen der Reiserücktrittsversicherung wird durch verschiedene Kriterien definiert, die sich auf den Zeitpunkt des Auftretens, die Schwere und die Unvorhersehbarkeit der Erkrankung beziehen. Diese Definitionen und Kriterien sind entscheidend dafür, ob die Versicherung die Kosten für den Reiserücktritt übernimmt.

Unerwartete Erkrankung

Eine Erkrankung gilt als unerwartet, wenn sie nach Abschluss der Reiseversicherung und nach der Reisebuchung erstmalig auftritt oder wenn eine bestehende Erkrankung sich unerwartet verschlechtert. Dabei ist es wichtig, dass in einem bestimmten Zeitraum vor Versicherungsabschluss keine Behandlung für die betreffende Erkrankung stattgefunden hat. Beispielsweise wird eine Erkrankung als unerwartet angesehen, wenn in den letzten 6 Monaten vor Versicherungsabschluss keine Behandlung durchgeführt wurde.

Schwere der Erkrankung

Die Schwere einer Erkrankung wird in der Regel durch die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit des Reiseantritts aus objektiver Sicht bestimmt. Eine Erkrankung ist demnach schwer, wenn sie so gravierend ist, dass der Versicherte die geplante Hauptreiseleistung nicht wahrnehmen kann. Dies kann durch ein ärztliches Attest bestätigt werden, das die Reiseuntauglichkeit attestiert. Beispiele für schwere Erkrankungen sind solche, die eine erhebliche Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Betätigungsmöglichkeit zur Folge haben.

Unerwartete Verschlechterung bekannter Krankheiten

Auch bei bekannten Krankheiten kann Versicherungsschutz bestehen, wenn sich diese unerwartet verschlechtern. Dies ist der Fall, wenn beispielsweise eine Allergie längere Zeit nicht behandelt werden musste, dann aber eine heftige allergische Reaktion auftritt.

Erkrankung von Mitreisenden oder engen Familienangehörigen

Wenn Mitreisende oder enge Familienangehörige vor oder während der Reise unerwartet schwer erkranken und der Kunde sich vor Ort um sie kümmern muss, ist auch dies in der Regel abgesichert.

Es ist wichtig, dass die Stornierung der Reise unverzüglich nach Eintritt des versicherten Rücktrittsgrundes erfolgt, um die Kosten möglichst gering zu halten. Die genauen Bedingungen und Ausschlüsse können je nach Versicherungsanbieter variieren, daher ist es ratsam, die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) genau zu prüfen und sich bei Unklarheiten direkt an den Versicherer zu wenden.

Inwiefern beeinflusst die COVID-19-Pandemie die Leistungen der Reiserücktrittsversicherung?

Die COVID-19-Pandemie hat die Reiserücktrittsversicherung in mehrfacher Hinsicht beeinflusst. Viele Versicherungsanbieter haben ihre Policen angepasst, um den spezifischen Risiken und Unsicherheiten, die mit der Pandemie einhergehen, Rechnung zu tragen. Hier sind die wichtigsten Punkte, wie die Pandemie die Leistungen der Reiserücktrittsversicherung beeinflusst:

1. Erweiterung des Versicherungsschutzes um COVID-19-Erkrankungen: Viele Versicherer haben ihren Versicherungsschutz erweitert, um auch Stornierungen aufgrund einer COVID-19-Erkrankung der versicherten Person oder einer mitreisenden Risikoperson abzudecken. Dies bedeutet, dass die Versicherung die Stornokosten übernimmt, wenn Sie oder eine mitreisende Person an COVID-19 erkranken und deshalb die Reise nicht antreten können.

2. Zusätzlicher Schutz bei Quarantäne: Einige Versicherer bieten spezielle Zusatzversicherungen an, die auch dann Leistungen erbringen, wenn Sie oder eine mitreisende Person aufgrund einer behördlich angeordneten Quarantäne die Reise nicht antreten können oder die Reise abbrechen müssen. Dieser Schutz kann oft zu einer bestehenden Reiserücktritts- oder Reiseabbruchversicherung hinzugebucht werden.

3. Keine Deckung bei Reisewarnungen: Trotz der Erweiterungen im Versicherungsschutz besteht in der Regel kein Versicherungsschutz, wenn eine Reise aufgrund von Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes oder anderer Behörden storniert wird. Dies gilt auch, wenn die Reisewarnung aufgrund von COVID-19 ausgesprochen wurde.

4. Pandemie-Ausschlüsse: Einige Versicherungen enthalten Klauseln, die Krankheiten, die von der WHO als Pandemie eingestuft werden, vom Versicherungsschutz ausschließen. Da COVID-19 als Pandemie eingestuft wurde, könnten solche Ausschlüsse dazu führen, dass kein Versicherungsschutz besteht. Allerdings haben viele Versicherer ihre Bedingungen angepasst oder bieten spezielle COVID-19-Zusatzversicherungen an, um diesen Ausschluss zu umgehen.

5. Wichtigkeit des Versicherungsabschlusses: Um von den erweiterten Leistungen im Zusammenhang mit COVID-19 zu profitieren, ist es wichtig, die Reiserücktrittsversicherung zeitnah zur Buchung der Reise abzuschließen. Dies stellt sicher, dass der Schutz für COVID-19-bezogene Ereignisse gilt.

6. Individuelle Ängste oder Sorgen vor Ansteckung: Individuelle Ängste oder Sorgen vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus sind in der Regel kein versicherter Rücktrittsgrund. Versicherungsleistungen werden üblicherweise nur erbracht, wenn konkrete, versicherte Ereignisse wie eine Erkrankung oder Quarantäne vorliegen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die COVID-19-Pandemie zu signifikanten Anpassungen im Bereich der Reiserücktrittsversicherungen geführt hat, um Reisenden in diesen unsicheren Zeiten zusätzlichen Schutz zu bieten. Es ist jedoch wichtig, die spezifischen Bedingungen und Ausschlüsse der jeweiligen Versicherungspolice genau zu prüfen und sich bei Unklarheiten direkt an den Versicherer zu wenden.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 307 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) – Inhaltskontrolle von AGB: Dieser Paragraph regelt die Überprüfung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners. Im Kontext des Urteils relevant, da die Klage auch auf die mögliche Unwirksamkeit der Versicherungsbedingungen gestützt wurde.
  • § 39 ZPO (Zivilprozessordnung) – Rügelose Einlassung: Erläutert die Folgen, wenn sich ein Beklagter ohne Rüge auf ein Verfahren einlässt, obwohl der Gerichtsstand möglicherweise nicht gegeben ist. Im Urteil wichtig, da die Beklagte sich trotz möglicherweise fehlenden Gerichtsstands auf das Verfahren eingelassen hat.
  • § 91 ZPO – Kostenentscheidung: Bestimmt, dass die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Das Urteil legt fest, dass der Kläger die Kosten des Verfahrens tragen muss.
  • §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO – Vorläufige Vollstreckbarkeit: Diese Paragraphen regeln die vorläufige Vollstreckbarkeit von Urteilen und die Sicherheitsleistung, die für die Abwendung der Vollstreckung erforderlich sein kann. Im Urteil wird auf diese Regelung Bezug genommen, um die Vollstreckbarkeit des Urteils zu bestimmen.
  • § 6 Abs. 5 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) – Beratungspflichten des Versicherers: Dieser Paragraph befasst sich mit den Informations- und Beratungspflichten des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer. Im Urteil relevant, da der Kläger argumentierte, die Versicherung hätte über das Risiko einer Nichtabdeckung von COVID-19 informieren müssen.
  • § 215 VVG – Gerichtsstand bei Versicherungsverträgen: Legt fest, unter welchen Umständen ein Gerichtsstand bei Streitigkeiten aus Versicherungsverträgen besteht. Obwohl im Urteil nicht direkt angesprochen, steht es im Kontext der Diskussion über die Zulässigkeit der Klage und die rügelose Einlassung der Beklagten.


Das vorliegende Urteil

LG Hannover – Az.: 2 O 6/23 – Urteil vom 20.03.2023

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern der Kläger nicht zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet hat.

4. Streitwert: 7.575,- €

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Leistungen aus einer Reiserücktrittsversicherung in Anspruch.

Der Kläger schloss bei der Beklagten am 29. November 2018 für sich und seine Ehefrau xxx (im Folgenden: Zedentin) eine Reiserücktrittsversicherung ab (19), deren Schutz sich auch auf Familienangehörige insbesondere Ehepartner erstreckt; diese unterliegt dem Bedingungswerk „Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Reiserücktrittversicherung (ABRV 08/2022) (Anlage K 6 der Klagschrift; im Anlagensonderheft, im Folgenden: AVB), welches u. a. folgende Regelungen enthält:

„3.1 In welchen Fällen leisten wir?

Ein versichertes Ereignis liegt vor bei: (…)

3.1.3 Unerwartet schwere Erkrankung

Beachten Sie zu den unerwartet schweren Erkrankungen bitte unsere Erläuterungen im Teil D.

4. Welche Kosten erstatten wir?

4.1. Stornokosten bei Reiserücktritt

Wenn Sie Ihre Reise aus einem der in Teil B Ziffer 3.1 genannten Gründen nicht antreten können, leisten wir. Wir leisten die vertraglich geschuldeten Rücktrittskosten. (…)

Teil D – Erläuterungen (…)

1. Was verstehen wir unter einer „unerwarteten“ Erkrankung?

Nach Abschluss der Versicherung und nach Buchung der Reise gilt jedes erstmalige Auftreten einer Erkrankung als unerwartet. (…)

2. Was verstehen wir unter einer „schweren“ Erkrankung?

Eine Erkrankung definieren wir als schwer, wenn:

Der behandelnde Arzt attestiert, dass Sie reiseuntauglich sind.

Sie aufgrund von Symptomen und Beschwerden der Erkrankung die Hauptleistung der Reise nicht in Anspruch nehmen können. Diese gesundheitliche Beeinträchtigung muss von einem Arzt attestiert sein.

Durch die Erkrankung einer Risikoperson, wegen der die Anwesenheit der versicherten Person erforderlich ist. Diese Erkrankung muss von einem Arzt attestiert sein.

3. Beispiele für eine ‚unerwartet schwere Erkrankung‘ in der Reiserücktrittsversicherung:

– Die versicherte Person schließt für eine gebuchte Reise eine Versicherung ab. Kurz vor Reiseantritt erleidet sie erstmals einen Herzinfarkt.“

Der Kläger buchte für sich und die Zedentin für die Zeit vom 11. bis zum 28. Oktober 2022 bei dem Reiseveranstalter „xxx“ (im Folgenden: Reiseveranstalter) zu einem Preis vom 8.416,- € eine Pauschalreise nach Ägypten, wobei wegen der Einzelheiten auf die Buchungsbestätigung vom 17. März 2022 (Anlage K 3 der Klagschrift; im Anlagensonderheft) Bezug genommen wird.

Der Kläger wurde am 7. Oktober 2022, die Zedentin am 10. Oktober 2022 positiv auf den „Covid-19-Erreger“ getestet; insoweit wird wegen der Einzelheiten auf die entsprechenden Testprotokolle (Anlage K 9 der Klageschrift; im Anlagensonderheft) Bezug genommen. Der Reiseveranstalter teilte dem Kläger und der Zedentin im Weiteren mit, sie könnten an der Reise nicht teilnehmen. Unter Verwendung entsprechender Vordrucke der Beklagten bestätigte die behandelnde Ärztin des Klägers und der Zedentin diesen mit gesonderten Urkunden vom 18. Oktober 2022 die „Covid-19-Erkrankung“. Der Kläger und die Zedentin traten die Reise nicht an, und der Reiseveranstalter vergütete ihnen im Weiteren einen Betrag in Höhe von 841,- €.

Den von dem Reiseveranstalter einbehaltenen Reisepreis wegen für den von dem Reiseveranstalter einbehaltenen Teil des Reisepreises machte der Kläger die Erstattung bei der Beklagten geltend, welche ihm mit Schreiben vom 15. November 2022 (Anlage K 12 der Klagschrift) mitteilte, es habe bei ihm und der Zedentin keine „akute schwere Erkrankung“ vorgelegen. Mit vorgerichtlichem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 29. November 2022 (Anlage K 13 der Klagschrift) wiederholte der Kläger sein Begehren erfolglos.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte beziehe sich „zum eigenen Vorteil (unberechtigt und unbegründet)“ auf die „eigenen Versicherungsbedingungen“ (Seite 5 der Klagschrift; Bl. 3 d. A.). Es sei begrifflich nicht nachvollziehbar, dass eine Infektion mit dem Covid-19-Erreger keine „schwere Erkrankung“ darstellen solle. Unbeschadet dessen bleibe der Beklagten die Berufung auf ihre Versicherungsbedingungen aber auch deshalb versagt, weil diese, soweit sie denn im Sinne der Beklagten auszulegen seien, gegen die Vorgaben des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 1 Satz 2 BGB verstießen, wozu er sich auf das Urteil des Amtsgerichts Balingen vom 16. August 2016 (RRA 2016, 299) bezieht. Schließlich könne sich die Beklagte aber auch deshalb nicht auf die von ihr in Bezug genommene Regelung beziehen, da es an ihr gewesen wäre ihn darüber aufzuklären,

„er habe zwar einen Basisversicherungsschutz, aber gerade die im Vertrag relevanten Zeiträume grassierende Covid-19-Pandemie bzw. das Risiko, sich hiermit zu infizieren, sei nicht bei „ihr“ versichert (Seite 6 der Klagschrift; Bl. 3 R d. A.).

Mit als „Abtretungsvereinbarung‘“ überschriebener privatschriftlicher Erklärung vom 18. Oktober 2022 (Anlage K 1 der Klagschrift; im Anlagensonderheft) erklärte die Zedentin, sie trete

„sämtliche mir aus dem Pauschalreisevertrag (…) sowie gegen“ die Beklagte „aus Anlass der Flugpauschalreise (…)= nach Ägypten und die krankheitsbedingte Stornierung der Reise wegen Corona-Infektioin zustehenden Ansprüche, insbesondere aus Versicherungsvertrag“

an den Kläger ab.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1. 7.575,- €

2. weitere 800,39 auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 10. Februar 2023 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie deren vorgetragenen Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1.

Die Klage ist zulässig.

Zwar fehlt es im Hinblick auf die von dem Kläger als Zessionar geltend gemachten Zahlungsansprüche der Zedentin als versicherter Person an einem Gerichtsstand nach § 215 VVG, jedoch hat sich die Beklagte zuständigkeitsbegründend rügelos eingelassen (§ 39 ZPO).

2.

In der Sache hat die Klage keinen Erfolg; weder aus eigenem noch aus abgetretenen Recht kann der Kläger von der Beklagten bedingungsgemäße Leistungen aus der Reiserücktrittversicherung verlangen. Dem tatsächlichen Vorbringen des Klägers ist weder im Hinblick auf seine eigene Person noch auf die der Zedentin eine bedingungsgemäße „schwere“ Erkrankung zu entnehmen. Der Begriff der „schweren“ Erkrankung ist auch nicht im Sinne einer – sei es abschließenden, sei es offenen – Auflistung außerhalb der Versicherungsbedingungen nach einem objektivierten Maßstab zu verstehen, sondern nach Maßgabe des konkreten Gesundheitszustandes der jeweiligen versicherten Person. Keine Frage: Auch eine Covid-19-Erkrankung kann einen schweren Verlauf nehmen, der sie zu einer bedingungsgemäßen „schweren“ Erkrankung werden ließe. In Ermangelung eines generalisierten Maßstabes lässt sich das aber für die Infizierung des Klägers und der Zedentin eben gerade nicht sagen, und auch aus den von ihr von ihm zu den Akten gereichten ärztlichen Bescheinigungen der Frau xxx ergibt sich insoweit nichts. Dass der Kläger, wie er geltend macht, den auf den Wortlaut des Bedingungswerkes bzw. deren Ziffer 3.1 bezogenen Rechtsstandpunkt der Beklagten „nicht nachvollziehen“ (Seite 5 der Klagschrift; Bl. 3 d. A.) kann, vermag die Kammer ihrerseits nicht nachzuvollziehen.

3.

Die betroffenen Abreden in den AVB halten einer Inhaltskontrolle stand: Die von dem Kläger angeführte Entscheidung des AG Balingen, die ohnedies soweit ersichtlich keine Anhängerschaft gefunden hat, dürfte – spätestens – durch die Entscheidung BGH MDR 2023, 41f überholt sein.

4.

Soweit der Kläger der Beklagten anlastet, sie habe ihm nicht darauf hingewiesen, dass eine Covid-19-Infektion (die sich nicht als bedingungsgemäße schwere Erkrankung darstellt) keine Entschädigungsansprüche zu begründen vermag, stünde kein vertraglicher Leistungsanspruch, sondern allenfalls ein Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 5 VVG in Rede, der freilich nicht gegeben ist, denn der Versicherer ist außerhalb von Vertragsverhandlungen nicht gehalten wegen tatsächlicher Änderungen, welche unversicherte Risiken begründen könnten, von sich aus an den Versicherungsnehmer heranzutreten und ihm eine Vertragserweiterung anzubieten bzw. ihm auf die Schutzlücke hinzuweisen (vgl. Prölss/Martin-Rudi, VVG, § 6 Rz. 50 a).

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11; 711 ZPO.

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