OLG Frankfurt – Az.: 7 U 129/13 – Urteil vom 14.05.2014
Die Berufung des Klägers gegen das am 02.05.2013 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Gießen wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
Sie ist jedoch unbegründet.
Der Antrag des Klägers auf Feststellung, dass zwischen den Parteien ein neuer Krankentagegeld-Versicherungsvertrag für die Zeit nach Vollendung des 65. Lebensjahres zustande gekommen ist, hat keinen Erfolg. Unabhängig von der Frage, ob der Antrag gemäß § 256 Abs. 1 ZPO überhaupt zulässig ist, ist er jedenfalls unbegründet.
Nachdem der ursprüngliche Vertrag unstreitig beendet ist, ist ein neuer Vertrag zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Zwar hat der Kläger wiederholt in seinen Schreiben entsprechende Angebote an die Beklagte gerichtet. Diese hat in ihren Schreiben jedoch den Abschluss eines über das 65. Lebensjahr hinausgehenden Vertrages wiederholt ausdrücklich abgelehnt. Diese Erklärungen lassen aufgrund ihrer Eindeutigkeit keinen Raum für eine anderweitige Auslegung zu.
Die Beklagte hat das Angebot entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht konkludent angenommen. Insbesondere kommt dem Umstand, dass die Beklagte bis einschließlich Juni 2012 noch Prämien eingezogen hat, nicht der vom Kläger gewünschte – konkludent geäußerte – Erklärungswert zu. Der ursprüngliche Vertrag wäre nämlich nach E Nr. 2 d) AVB noch bis Ende des Jahres 2012 weitergelaufen, so dass für diesen Zeitraum auch noch Prämien zu zahlen gewesen wären. Dass der Vertrag nach A Nr. 2 AVB, § 15 Abs. 1 c) S. 1 MB/KT bereits zum 30.06.2012 endete, weil der Kläger ab 01.07.2012 seine Rente bezog, wurde der Beklagten unstreitig erst später bekannt, als nämlich mit anwaltlichem Schreiben vom 01.07.2012 der Rentenbescheid vorgelegt wurde. Es gab somit einen nachvollziehbaren Grund für die Beklagte, die Prämien weiterhin einzuziehen, der für den Kläger aufgrund der getroffenen Regelungen auch erkennbar war. Die Einziehung war daher auch aus Sicht des Klägers nicht als Zustimmung zur Fortführung des Vertrages oder als Abschluss eines neuen Vertrages zu verstehen. Soweit der Kläger meint, der ursprüngliche Vertrag wäre nach E Nr. 2 d) AVB nur dann bis zum Ende des Jahres 2012 weitergelaufen, sofern er von der in § 196 VVG vorgesehenen Option keinen Gebrauch gemacht hätte, was er vorliegend aber wiederholt gegenüber der Beklagten erklärt habe, ändert dies nichts an der Beurteilung. Allein dadurch, dass der Kläger von seinem Optionsrecht Gebrauch gemacht hat, ist nämlich noch kein Vertragsschluss zustande gekommen. Insbesondere war die Beklagte nicht verpflichtet, die über das 65. Lebensjahr hinaus geltende Krankentagegeldversicherung erneut zu den ursprünglichen Bedingungen abzuschließen. Dass sie dazu tatsächlich auch nicht bereit war, hat die Beklagte gegenüber dem Kläger wiederholt ausdrücklich erklärt.
Darüber hinaus war die Beklagte auch nach dem Hilfsantrag nicht verpflichtet, einen neuen Krankentagegeld-Versicherungsvertrag mit dem Kläger abzuschließen. Eine solche Verpflichtung ergibt sich vorliegend nicht aus § 196 VVG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 c) MB/KT. Zwar hat der Kläger grundsätzlich das Recht, nach Maßgabe von § 196 VVG den Abschluss einer neuen Krankentagegeldversicherung zu verlangen, wenn – wie vorliegend – eine Beendigung der Versicherung mit Vollendung des 65. Lebensjahres tariflich unter A Nr. 2 AVB vereinbart ist. Allerdings entfällt diese Option aufgrund des Bezugs von Altersruhegeld, weil mit diesem Bezug die Versicherungsfähigkeit nach A Nr. 2 Satz 2 AVB fehlt (Bach/Moser/Wilmes, Private Krankenversicherung, 4. Auflage 2009, § 196 VVG Rn. 6; OLG Nürnberg, Beschluss vom 26.07.2012, Az. 8 U 760/12, zitiert nach Juris).
Es handelt sich bei der Beendigung der Versicherung mit Vollendung des 65. Lebensjahres und der Beendigung aufgrund des Bezugs von Altersruhegeld um zwei unabhängig voneinander bestehende Beendigungsgründe, wobei das Ruhegeld einen umstandsbedingten und das Lebensalter einen zeitlichen Beendigungsgrund darstellt. Lediglich für den zeitlichen Beendigungsgrund sieht § 196 VVG die Möglichkeit vor, den Vertrag abweichend von den tariflichen Regelungen über das 65. Lebensjahr hinaus weiterzuführen. Zwar lassen sich dem Wortlaut des § 196 VVG keine weiteren Einschränkungen entnehmen, allerdings erschließt sich dem verständigen Versicherungsnehmer auch aufgrund der in der AVB vorgesehenen Regelung unter A Nr. 2 AVB, dass auch für die Option nach § 196 VVG weiterhin grundsätzlich Versicherungsfähigkeit vorliegen muss. Nach dieser Vorschrift ist aber nur versicherungsfähig, wer kein Altersruhegeld bezieht.
Für diese Sichtweise spricht bereits der Schutzzweck des § 196 VVG. Die Versicherung bezweckt primär die Absicherung des Verdienstausfalles im Krankheitsfall. Aus den Gründen zum Gesetzesentwurf (Deutscher Bundestag, 16. Wahlperiode, Drucksache 16/3945, S. 112, Bl. 59 d. A.) ergibt sich als Motiv für die Versicherbarkeit über das 65. Lebensjahr hinaus, dass vor allem selbständig und freiberuflich Beschäftigte den Beginn des Ruhestandes nicht fest planen können; es soll der sich abzeichnenden Entwicklung zu einem höheren Renteneintrittsalter Rechnung getragen werden. Die Regelung hat demnach einen engen Bezug zum Alter des Versicherungsnehmers und will eine mögliche Lücke schließen, die sich aus einer über das 65. Lebensjahr hinausgehenden Tätigkeit für den Fall ergeben könnte, dass der Versicherungsnehmer erkrankt und noch keine Rente bezieht. Mit dem Beginn des Ruhestandes und dem Renteneintritt geht regelmäßig der Bezug der Rente einher, ab deren Zahlung ein zusätzliches Sicherungsbedürfnis in Form der Krankentagegeldversicherung daher typischerweise nicht mehr besteht. Es kommt allein darauf an, dass der Bezieher einer Rente typischerweise keinen Arbeitsverdienst mehr hat, dessen Verlust durch Krankentagegeld ausgeglichen werden könnte (BGH, Urteil vom 25.01.1989, Az. Iva ZR 178/87 im Fall einer Berufsunfähigkeitsrente; zitiert nach Juris). Darauf, ob im Einzelfall gegebenenfalls durchaus ein Bedürfnis nach weiterer Absicherung gegeben ist sowie auf die Höhe der Rente kommt es nicht an (Prölss/Martin/Voit, VVG, 28. Auflage 2010, § 15 MB/KT Rn. 19). Die Krankentagegeldversicherung ist zudem bei Bezug einer Altersrente nicht mehr substitutiv im Sinne von § 50 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und fällt damit nicht mehr unter das Befristungsverbot von § 195 VVG (Langheid/Wandt/ Hütt, Münchener Kommentar zum VVG, 2009, § 196 Rn. 7 ff.; Bach/Moser/ Wilmes, a. a. O., § 15 MB/KT Rn. 33). Auch aus diesem Grunde ist der Bezug der Rente unabhängig vom Erreichen der Altersgrenze zu sehen (Bach/Moser/ Wilmes, a. a. O., § 15 MB/KT Rn. 33; Schwintowski/Brömmelmeyer, VVG, § 196 Rn. 9).
Demnach kann der Kläger vorliegend mangels der vorausgesetzten Versicherungsfähigkeit keinen Neuabschluss der Krankentagegeldversicherung nach § 196 VVG verlangen. Entgegen seiner Auffassung läuft die Regelung durch eine solche Auslegung auch nicht ins Leere. Seinem Bedürfnis, seinen Altersruhestand über das 65. Lebensjahr hinauszuschieben, wird mit der Vorschrift Rechnung getragen. Ob er als Selbständiger danach eine eher geringfügige Rente erhält und ob er sich insoweit zusätzlich abgesichert hat, zum Beispiel durch den Abschluss einer Lebensversicherung, ist für die Frage des Neuabschlusses der Krankentagegeldversicherung aus den dargelegten Gründen nicht relevant.
Die in § 15 Abs. 1 c MB/KT getroffene Vereinbarung, nach der die Krankentagegeldversicherung wegen des Bezugs von Altersrente endet, hält auch einer Wirksamkeitskontrolle stand (Senat, Urteil vom 23.11.2012, Az. 7 U 256/10; OLG Köln, Urteil vom 21.10.1993, Az. 5 U 19/93; OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.05.1998, Az. 4 U 76/97; OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.09.2008, Az. 12 U 73/08; zitiert nach Juris; zustimmend Prölss/Martin, VVG, 27. Auflage, § 15 MB/KT 94 Rn. 28 a; Bach/Moser/Wilmes, a. a. O., § 15 MB/KT Rn. 33; Langheid/Wandt/Hütt, a. a. O., § 196 Rn. 7) und wurde vom Bundesgerichtshof bislang nicht beanstandet (Urteil vom 12.07.1989, Az. IVa ZR 201/88; Urteil vom 25.01.1989, Az. IVa ZR 178/87; zitiert nach Juris).
Da mit dem Bezug der Altersrente in der Regel das Bedürfnis nach einer weiteren Absicherung vor Verdienstausfällen entfällt, benachteiligt eine Klausel, die eine Beendigung einer Krankentagegeldversicherung mit dem Bezug von Altersrente, spätestens jedoch mit Vollendung des 65. Lebensjahres des Versicherten vorsieht, denselben nicht unangemessen und verstößt daher nicht gegen § 307 BGB. Die Krankentagegeldversicherung ist eine Summenversicherung, die dazu bestimmt ist, einen krankheitsbedingten Verdienstausfall auszugleichen. Es ist daher konsequent, dass mit dem Bezug einer Rente, die an die Stelle des Arbeitseinkommens tritt, auch der Versicherungsschutz in der Krankentagegeldversicherung endet. Das entspricht dem Schutzzweck dieser Versicherungsart. Dieses Schutzes bedarf der Versicherungsnehmer nämlich dann nicht mehr, wenn sein Unterhaltsbedarf aus – unabhängig von Erkrankungen – zu zahlenden Renten, Pensionen oder sonstigen Altersruhegeldern bestritten wird; eine Absicherung wegen Verdienstausfällen ist dann überflüssig (OLG Köln, Urteil vom 21.10.1993, Az. 5 U 19/93; zitiert nach Juris). Von einer unangemessenen Benachteiligung des Versicherungsnehmers durch die Klausel kann deshalb nicht die Rede sein, zumal der Versicherungsnehmer die Wahl hat, ob er eine Rente der hier vorliegenden Art in Anspruch nehmen oder sich den Versicherungsschutz aus dem Versicherungsvertrag erhalten will (BGH, a. a. O.; vgl. § 77 Abs. 2 Nr. 2 b) SGB VI). Auch die Voraussetzung des Bezuges von Altersrente ist weder unklar noch unverständlich.
Da die weit überwiegende Anzahl der Versicherten mit Erreichen dieses Lebensalters ihr Arbeitsleben beendet und ab dann keine krankheitsbedingten Verdienstausfälle zu befürchten hat, ist die Klausel auch nicht überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB (OLG Nürnberg, Beschluss vom 26.07.2012, Az. 8 U 760/12, zitiert nach Juris). Die Regelung der Versicherungsfähigkeit einer Person im Tarif der Beklagten ist weder ungewöhnlich noch überraschend. In dem übersichtlich aufgebauten Abschnitt A des Tarifs V kann jeder Versicherungsnehmer ohne Schwierigkeiten diese Vorschrift finden, zumal auf den Passus über den versicherungsfähigen Personenkreis durch fettgedruckte Überschrift eigens hingewiesen wird. Unter diesen Umständen sind nach Auffassung des Bundesgerichtshofes Inhalt und Form der Regelung des versicherungsfähigen Personenkreises für einen Versicherungsnehmer nicht überraschend (Urteil vom 12.07.1989, Az. IVa ZR 201/88; zitiert nach Juris). Darüber hinaus ist der Begriff des Altersruhegeldes auch nicht mehrdeutig. Zwar findet sich in dem Regelwerk keine Definition dessen, was unter einer Altersruhegeld zu verstehen ist. Ein verständiger Versicherungsnehmer wird jedoch verstehen, dass es sich um von Krankheiten unabhängig zu zahlende Renten handelt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO war nicht veranlasst, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.