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Krankheitskostenversicherung – Versicherungsschutz für volljährige Kinder in Ausbildung

OLG München: Krankenversicherer müssen über günstigere Ausbildungstarife aufklären

Das Urteil des OLG München im Fall Az.: 25 U 945/15 vom 10.06.2015 befasst sich mit der Frage des Versicherungsschutzes für volljährige Kinder in Ausbildung und der Aufklärungs- sowie Beratungspflicht der Krankenversicherung. Im Kern wurde entschieden, dass die Versicherung ihre Kunden proaktiv über die Möglichkeit eines günstigeren Ausbildungstarifs informieren muss. Die Klägerin konnte erfolgreich darlegen, dass die Versicherung diese Pflicht verletzt hat, indem sie keine ausreichenden Hinweise auf die Möglichkeit eines kostengünstigeren Tarifs für in Ausbildung befindliche Kinder gab.

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✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München II wurde zurückgewiesen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hatte.
  2. Es wurde festgestellt, dass volljährige Kinder, die sich in Ausbildung oder Studium befinden, unter bestimmten Umständen zu einem günstigeren Ausbildungstarif versichert werden können.
  3. Die Versicherung hatte die Pflicht, die Klägerin über diese Möglichkeit aufzuklären und zu beraten.
  4. Vor und nach dem 01.01.2009 existieren unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen zur Beratungspflicht, wobei in beiden Fällen eine solche Pflicht bejaht wurde.
  5. Die Versicherung kam ihrer Aufklärungs- und Beratungspflicht nicht nach, indem sie keine klaren und deutlichen Hinweise auf den möglichen Ausbildungstarif gab.
  6. Die Information über den günstigeren Tarif wurde in allgemeinen Anschreiben unzureichend kommuniziert, ohne auf die Bedeutung hinzuweisen oder diesen hervorzuheben.
  7. Das Landgericht urteilte zugunsten der Klägerin, dass die Versicherung ihre Beratungsverpflichtung verletzt hat.
  8. Die Entscheidung betont die Wichtigkeit der klaren Kommunikation von Versicherungsoptionen und der proaktiven Beratung durch Versicherungen.

Ausbildungstarife für Studenten und Azubis

Volljährige Kinder haben bei einer Krankheitskostenversicherung unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf eine günstigere Beitragsgestaltung. Viele Versicherer bieten Ausbildungstarife oder besondere Konditionen für Personen an, die sich in einer Schul-, Ausbildungs- oder Studienphase befinden.

Diese Sondertarife sollen jungen Menschen den Einstieg in den Versicherungsschutz erleichtern und finanzielle Erleichterungen bieten. Jedoch muss der Versicherer seine Kunden umfassend über solche Möglichkeiten aufklären. Denn oftmals sind sich Betroffene der günstigeren Optionen nicht bewusst.

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Transparente Kommunikation: OLG München bestätigt Beratungspflicht

Das Oberlandesgericht München hatte über die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München II zu entscheiden, in einem Fall, der die Aufklärungs- und Beratungsverpflichtungen von Krankenversicherungen in den Mittelpunkt rückte.

Krankheitskostenversicherung – Versicherungsschutz für volljährige Kinder in Ausbildung
(Symbolfoto: ALPA PROD /Shutterstock.com)

Im Kern ging es um den Versicherungsschutz für volljährige Kinder, die sich noch in Ausbildung oder im Studium befinden. Der Streit entzündete sich an der Frage, ob die Krankenversicherung die Klägerin hätte darüber aufklären müssen, dass für ihre Kinder ein günstigerer Ausbildungstarif in Betracht kommt.

Der Sachverhalt: Unzureichende Beratung durch die Versicherung

Die Kinder der Klägerin befanden sich zum Zeitpunkt des 25. Lebensjahres noch in Ausbildung bzw. Studium. Die Krankenversicherung hatte es unterlassen, die Klägerin explizit darauf hinzuweisen, dass ein Wechsel in den günstigeren Ausbildungstarif möglich sei. Das Landgericht München II urteilte, dass die Versicherung ihre Beratungspflicht verletzt habe. Es argumentierte, dass eine vertragliche Nebenpflicht zur Beratung während der Vertragslaufzeit bestehe, die die Versicherung in diesem Fall nicht erfüllt habe.

Rechtliche Grundlagen der Beratungspflicht

Das Gericht stellte klar, dass sowohl vor als auch nach der Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) am 01.01.2009 eine Beratungspflicht der Versicherung existiert. Für den Sohn der Klägerin, der vor diesem Datum das relevante Alter erreichte, galt das alte VVG, das den Versicherer verpflichtet, auf bessere Versicherungsmöglichkeiten hinzuweisen, wenn die Umstände dies nahelegen. Für die Tochter, die danach das relevante Alter erreichte, waren die neuen VVG-Regelungen maßgeblich. Hier ist die Beratungspflicht noch expliziter geregelt, inklusive der Pflicht, den Versicherungsnehmer nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und zu beraten.

Die Entscheidung des OLG München: Bestätigung der Beratungspflicht

Das OLG München bestätigte das Urteil des Landgerichts und wies die Berufung der Versicherung zurück. Es stimmte mit der Auffassung überein, dass die Versicherung die Klägerin hätte aktiv über den günstigeren Ausbildungstarif informieren müssen. Die Versicherung hätte rechtzeitig und deutlich auf diese Möglichkeit hinweisen müssen, was sie nicht tat. Insbesondere kritisierte das Gericht, dass die allgemeinen Anschreiben der Versicherung nicht ausreichend waren, um die Klägerin über die Möglichkeit des Ausbildungstarifs aufzuklären. Die Hinweise waren entweder versteckt oder so formuliert, dass der Eindruck einer unausweichlichen Beitragsanpassung ohne Handlungsspielraum erweckt wurde.

In einem Fall, der die Beratungs- und Aufklärungspflichten von Krankenversicherungen gegenüber ihren Versicherten beleuchtet, bestätigt das Oberlandesgericht München die Wichtigkeit transparenter und proaktiver Kommunikation. Es unterstreicht die Notwendigkeit für Versicherungen, ihre Kunden umfassend über mögliche Tarifoptimierungen zu informieren, insbesondere wenn sich Lebensumstände ändern, die einen günstigeren Tarif ermöglichen.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Welche Voraussetzungen gelten für den Versicherungsschutz volljähriger Kinder in Ausbildung?

Für den Versicherungsschutz volljähriger Kinder in Ausbildung in der Krankenversicherung in Deutschland gelten spezifische Voraussetzungen, die sich je nachdem, ob es sich um eine gesetzliche oder private Krankenversicherung handelt, unterscheiden können. Hier sind die wichtigsten Punkte zusammengefasst:

Gesetzliche Krankenversicherung (GKV)

  • Familienversicherung: Volljährige Kinder können bis zum 25. Lebensjahr beitragsfrei in der Familienversicherung der Eltern mitversichert bleiben, wenn sie sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befinden, ein Studium absolvieren oder ein freiwilliges soziales bzw. ökologisches Jahr leisten.
  • Einkommensgrenzen: Es gibt eine Einkommensgrenze für die beitragsfreie Mitversicherung. Volljährige Kinder dürfen ein bestimmtes monatliches Einkommen (2023: 485 Euro) nicht überschreiten. Diese Grenze kann sich jährlich ändern.
  • Altersgrenze: Die Altersgrenze für die beitragsfreie Familienversicherung liegt grundsätzlich bei 25 Jahren. Es gibt jedoch Ausnahmen, die eine Verlängerung ermöglichen, z.B. durch Wehr- oder Zivildienst.

Private Krankenversicherung (PKV)

  • Wechselmöglichkeit: Mit Beginn eines Studiums oder einer Ausbildung haben volljährige Kinder, die bisher über die Eltern privat versichert waren, die Möglichkeit, sich zu entscheiden, ob sie in der PKV bleiben oder in die GKV wechseln möchten.
  • Beitragspflicht: In der PKV gibt es keine beitragsfreie Familienversicherung wie in der GKV. Kinder sind entweder über einen eigenen Vertrag versichert oder bleiben über die Eltern versichert, wobei für jedes Familienmitglied Beiträge anfallen.
  • Versicherungspflichtgrenze: Für Schulabgänger, die ein Arbeitsentgelt über der Geringfügigkeitsgrenze (2023: 520 Euro monatlich) und unter der Versicherungspflichtgrenze (2024: 69.300 Euro jährlich) haben, besteht Versicherungspflicht in der GKV. Auszubildende ohne Arbeitsentgelt und des Zweiten Bildungsweges können sich von der Versicherungspflicht befreien lassen.

Allgemeine Hinweise

  • Überprüfung des Versicherungsschutzes: Es ist wichtig, den Versicherungsschutz und die Tarife regelmäßig zu überprüfen, insbesondere bei Übergängen wie dem Wechsel von der Schule zur Ausbildung oder zum Studium.
  • Antragstellung: Bei einem Wechsel der Versicherungsart oder bei der Beantragung einer Befreiung von der Versicherungspflicht ist es notwendig, dies innerhalb bestimmter Fristen zu tun.

Es ist ratsam, sich direkt bei der jeweiligen Krankenversicherung (gesetzlich oder privat) über die spezifischen Voraussetzungen und Möglichkeiten zu informieren, da sich Regelungen ändern können und individuelle Faktoren eine Rolle spielen.

Inwiefern spielen das Alter und der Ausbildungsstatus bei der Krankenversicherung eine Rolle?

Das Alter und der Ausbildungsstatus spielen in der Krankenversicherung in Deutschland eine wesentliche Rolle, sowohl in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) als auch in der privaten Krankenversicherung (PKV). Diese Faktoren beeinflussen die Beitragshöhe, den Versicherungsschutz und die Verfügbarkeit bestimmter Tarife.

Gesetzliche Krankenversicherung (GKV)

  • Ausbildungsstatus: Mit dem Beginn einer Ausbildung oder eines Studiums ändert sich der Versicherungsstatus. Auszubildende sind in der Regel über ihren Arbeitgeber pflichtversichert und zahlen Beiträge basierend auf ihrer Ausbildungsvergütung. Studenten unterliegen der studentischen Krankenversicherungspflicht und können sich zu einem vergünstigten Beitragssatz versichern.
  • Alter: Kinder und Jugendliche sind in der Regel bis zum 25. Lebensjahr über die Familienversicherung ihrer Eltern beitragsfrei mitversichert, sofern sie sich in Ausbildung befinden und bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschreiten. Nach dem 25. Lebensjahr oder mit dem Beginn einer bezahlten Ausbildung müssen sie sich selbst versichern.

Private Krankenversicherung (PKV)

  • Eintrittsalter: Das Eintrittsalter ist ein entscheidender Faktor für die Beitragshöhe in der PKV. Je jünger eine Person beim Eintritt in die PKV ist, desto niedriger sind in der Regel die Beiträge, da über einen längeren Zeitraum Alterungsrückstellungen aufgebaut werden können.
  • Ausbildungsstatus: Für bestimmte Gruppen, wie Beamtenanwärter und Referendare, gibt es spezielle Ausbildungstarife, die günstigere Beiträge bei gleichzeitig umfassendem Schutz bieten. Nach der Ausbildung oder bei einem Wechsel des Berufsstatus kann eine Anpassung des Tarifs erforderlich sein.

Allgemeine Unterschiede und Besonderheiten

  • Beitragsberechnung: In der GKV sind die Beiträge einkommensabhängig, während in der PKV das Eintrittsalter, der Gesundheitszustand und der gewählte Tarif die Beiträge bestimmen.
  • Versicherungsschutz im Alter: In der PKV werden Maßnahmen wie Alterungsrückstellungen und Beitragsentlastungstarife im Alter eingesetzt, um die Beiträge im Rentenalter stabil zu halten oder zu senken. In der GKV richtet sich der Beitrag im Rentenalter nach der Rente und eventuellen weiteren Einkünften.

Zusammenfassend hängen die Auswirkungen von Alter und Ausbildungsstatus auf die Krankenversicherung stark von der gewählten Versicherungsart (GKV oder PKV) und den individuellen Umständen ab. Während in der GKV der Fokus auf einer einkommensabhängigen Beitragsberechnung liegt, spielen in der PKV das Eintrittsalter und der Gesundheitszustand eine zentrale Rolle für die Beitragshöhe.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 522 Abs. 2 ZPO (Zivilprozessordnung): Regelung zur Zurückweisung einer Berufung ohne mündliche Verhandlung, wenn das Gericht einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Dieser Paragraph ist relevant, da das OLG München auf dieser Grundlage entschieden hat, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München II zurückzuweisen.
  • VVG a.F. (Versicherungsvertragsgesetz alte Fassung), Art. 1 Abs. 1 EGVVG: Die Vorschrift betont die Pflicht des Versicherers, den Versicherten auf bessere Versicherungsoptionen hinzuweisen. Sie war maßgeblich für die Beurteilung der Beratungspflicht vor dem 01.01.2009 und verdeutlicht die Anforderungen an die Versicherer, ihre Kunden über günstigere Tarife zu informieren.
  • §§ 6, 7 VVG n.F. (Versicherungsvertragsgesetz neue Fassung) i.V.m. §§ 1, 3, 6 VVG InfoVO: Diese Gesetze definieren die Informations- und Beratungspflichten des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer, insbesondere nach Vertragsschluss. Die Relevanz ergibt sich aus der Notwendigkeit für die Versicherung, die Klägerin über den günstigeren Ausbildungstarif zu informieren.
  • Art. 1 Abs. 1 EGGVG: Stellt klar, dass auch nach Inkrafttreten des neuen VVG bestimmte vorherige Regelungen ihre Gültigkeit behalten. Dies unterstreicht, dass Beratungspflichten nicht ausschließlich durch neue Vorschriften definiert werden, sondern auch durch die Interpretation und Anwendung bestehender Normen.
  • § 241 Abs. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Regelt, dass sich aus einem Schuldverhältnis Nebenpflichten ergeben können, wie z.B. Informationspflichten. Dieser Paragraph ist von Bedeutung, da das Gericht feststellte, dass die Versicherung ihre Informationspflicht verletzt hat, indem sie die Klägerin nicht ausreichend über die Möglichkeit des Ausbildungstarifs informierte.
  • Rechtsbereich des Versicherungsrechts: Umfasst allgemein die rechtlichen Regelungen, die das Verhältnis zwischen Versicherern und Versicherten betreffen. Die Identifikation und Erläuterung der spezifischen Gesetze und Paragraphen bieten ein tieferes Verständnis dafür, wie Versicherungsunternehmen ihre Kunden über Vertragsbedingungen und -möglichkeiten informieren müssen.


Das vorliegende Urteil

OLG München – Az.: 25 U 945/15 – Beschluss vom 10.06.2015

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 26.02.2015, Az. 10 O 4019/14 Ver, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht und mit zutreffender Begründung verurteilt. Die von der Berufung aufgezeigten Gesichtspunkte rechtfertigen eine hiervon abweichende Beurteilung nicht.

1. Mit der Berufung nicht angegriffen wird die Auffassung des Landgerichts, es sei unstreitig, dass sich die Kinder Ch. und D. zu ihrem 25. Lebensjahr in Ausbildung bzw. Studium befunden haben.

2. Damit ist lediglich über die Rechtsfrage zu entscheiden, ob eine vertragliche Nebenpflicht zur Beratung während der Vertragslaufzeit verletzt wurde, konkret, ob eine Aufklärungs- und Beratungsverpflichtung der Beklagten bestanden hat und ob – sofern dies der Fall war – die Beklagte diese Verpflichtung verletzt hat.

2.1. Zu Recht geht das Landgericht von einer Aufklärungs- und Beratungspflicht aus. Die Beklagte war verpflichtet, die Klägerin rechtzeitig in ausreichend deutlicher Weise darauf hinzuweisen, dass bezüglich der Kinder Ch. und D. die Möglichkeit bestand, diese zum Ausbildungstarif zu versichern.

2.1.1. Für die Zeit vor dem 01.01.2009, somit für die Beratungspflicht hinsichtlich des Sohnes Ch., der am 21.07.2007 das 20. Lebensjahr vollendete, gilt das VVG a.F., Art. 1 Abs. 1 EGVVG. Danach trifft den Versicherer eine Verpflichtung, den Versicherten auf die Möglichkeit eines von ihm gebotenen besseren (günstigeren) Versicherungsschutzes hinzuweisen, wenn die ihm bekannten Umstände ein entsprechendes Bedürfnis des Versicherten nahelegen (Prölls in Prölls/Martin VVG 27. Auflage Vorbemerkung II Rn. 12); der Versicherer muss dann aufklären, wenn er erkennen oder mit der naheliegenden Möglichkeit rechnen muss, dass der Versicherungsnehmer aus mangelnden versicherungsrechtlichen oder versicherungstechnischen Kenntnissen nicht die für ihn zweckmäßigste Vertragsgestaltung gewählt hat (BGH, Urteil vom 05.02.1981 Aktenzeichen: IVa ZR 42/80). Diese Verpflichtung besteht auch bei Beitragsänderungen während des Versicherungsverhältnisses. Die Interessenlage ist hier ähnlich wie beim Neuabschluss des Versicherungsvertrages. Die Vertragsparteien sind in diesem Fall bereits durch ein Schuldverhältnis verbunden, durch das nach § 241 Abs. 2 BGB besondere Pflichten entstehen. Auf die Interessen des jeweiligen Vertragspartners ist Rücksicht zu nehmen.

2.1.2. Für die Zeit ab 01.01.2009, somit für die Beratungspflicht hinsichtlich der Tochter D., die am 08.06.2009 das 20. Lebensjahr vollendete, gelten §§ 6, 7 VVG n.F. i.V.m. §§ 1, 3, 6 VVG InfoVO, Art. 1 Abs. 1 EGGVG; weder die Ermächtigung nach § 7 VVG, noch die WG InfoVO haben abschließenden Charakter; weitere Hinweispflichten nach Treu und Glauben sind nicht ausgeschlossen (Rudy in Prölls/Martin VVG 29. Auflage § 7 Rn. 35).

Nach § 6 VVG hat der Versicherer den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten; er hat dem Versicherungsnehmer den erteilten Rat und die Gründe hierfür klar und verständlich vor dem Abschluss des Vertrags in Textform zu übermitteln. Diese Verpflichtung besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist.

2.1.3. Zu Recht hat das Landgericht sowohl nach der alten Rechtslage als auch nach der neuen Rechtslage eine Beratungspflicht der Beklagten dahingehend angenommen, dass die Beklagte die Klägerin mit der Information über die Beitragsanpassung in Hinblick auf das Alter deutlich und klar darüber hätte informieren müssen, dass – sofern sich die Kinder noch in der Ausbildung befinden – der wesentlich günstigere Ausbildungstarif in Betracht kommt.

2.1.3.1. Eine solche Information durch die Versicherung ist veranlasst. An einer solchen Information besteht ein erkennbares Interesse der Versicherten. Zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass in sehr vielen Fällen, in denen 20 jährige über die Eltern mitversichert sind, diese jungen Erwachsenen sich noch in der Ausbildung befinden. Eine solche Konstellation ist nicht etwa ein Sonderfall, sondern der Regelfall. Sind junge Erwachsene mit 20 Jahren nicht mehr in der Ausbildung, so sind sie in der Regel nicht mehr bei den Eltern mitversichert, sondern selbständig versichert. Zu Recht geht das Landgericht auch davon aus, dass das Erreichen der Altersstufe und die damit verbundene Beitragserhöhung einen konkreten Anlass für die Versicherung darstellt, auf die Möglichkeit des Ausbildungstarifs hinzuweisen. Es handelt sich vorliegend nicht um allgemeine Änderungen im Tarifgefüge wie in dem unter dem Az. 25 U 5019/04 entschiedenen Fall (Anlage B1), für die es jedenfalls nach der Rechtslage für die Zeit vor dem 01..01.2009 keine anlassunabhängige Beratungsverpflichtung des Versicherers gab. Das Erreichen der Altersgrenze führt im konkreten Vertragsverhältnis zu einer Änderung der Beitragshöhe; diese ist für sehr viele Versicherte durchaus wichtig; die Erhöhung kann – was, wie dargestellt, in der Mehrzahl der Fälle in Betracht kommt – ohne weiteres durch den deutlich niedrigeren Ausbildungstarif abgefedert werden.

2.1.3.2. Für die Beklagte war und ist das auch ohne weiteres erkennbar; der Aufklärungsbedarf ist offensichtlich; die Klägerin kannte sich ersichtlich bei der Tarifgestaltung der Beklagten nicht aus. Daran ändern auch die – in diesem Punkt unübersichtlich gestalteten „wichtigen Hinweise zur Beitragsanpassung“ (Anlagen B 2, B 4) nichts (hierzu vgl. unten 22).

2.1.3.3. Eine solche – rechtzeitig vor der Beitragsumstellung zu erteilende – Information verursacht – auch im täglichen Massengeschäft – einen zu vernachlässigenden Aufwand. In den in der Regel automatisiert abgesetzten Schreiben könnte, hervorgehoben gedruckt, der allgemeine Hinweis enthalten sein, dass sofern sich das jeweilige Kind noch in der Ausbildung befindet, der wesentlich kostengünstigere Ausbildungstarif in Betracht kommt. Alternativ könnte beim Versicherungsnehmer nachgefragt werden. Eventuelle Nachteile, wie nach wie vor die geringeren Leistungen des Jugendlichentarifs oder fehlende Altersrückstellungen mit ungünstigeren späteren Prämien, könnten entweder in allgemein gehaltener Form oder aber auf Nachfrage, wenn der Versicherungsnehmer nach dem Ausbildungstarif Erkundigungen anstellt, mitgeteilt werden. Entgegen der Auffassung der Berufung muss in einem solchen Hinweis nicht spezifiziert auf die Kinder eingegangen werden. Erforderlich ist lediglich, dass in hinreichender Deutlichkeit auf den Ausbildungstarif hingewiesen wird. Damit waren auch Recherchearbeiten, welche Kinder der Klägerin betroffen sind, nicht geschuldet; eine einzelfallbedingte Beratung ohne Anlass ist nämlich nicht geschuldet. Wie dargestellt genügt der deutliche Hinweis auf den Ausbildungstarif, der auch vor einer Beitragsumstellung wegen Erreichens der Altersgrenze mit zu vernachlässigendem Aufwand möglich ist.

2.2. Die Beklagte ist ihrer Beratungsverpflichtung nicht nachgekommen, insbesondere auch nicht durch Übersendung der Anlagen B 2, B 39 B 4.

2.2.1 . Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagte durch die allgemeinen Anschreiben den Eindruck erweckt hat, es handle sich um eine erforderliche Beitragsanpassung ohne Handlungsspielraum für die Klägerin.

So lautet das Anschreiben Anlage B 2 bezogen auf den Sohn Ch. (datiert auf November 2008 unstreitig aber im November 2007 versendet): „… damit dieser wesentliche Vertragsinhalt auch dauerhaft eingehalten werden kann, sind wir verpflichtet, die Beiträge an die geänderten Verhältnisse anzupassen. Nur so können wir auf die sich stetig verändernden Kosten im Gesundheitswesen und eine geänderte Inanspruchnahme von Leistungen reagieren. Dabei kann es – abhängig vom vereinbarten Tarif – sowohl zu Beitragserhöhungen als auch zu Beitragssenkungen kommen. Eine solche Beitragsanpassung wird zum 01.01. 2008 erforderlich. Ein unabhängiger Treuhänder hat dieser zugestimmt; diese gesetzliche Vorgabe halten wir selbstverständlich ein. Wie sich Ihr Beitrag verändert, entnehmen Sie bitte dem beigefügten Versicherungsschein…“

Im November 2009 hat die Klägerin dann eine weitere Mitteilung zur Änderung der privaten Krankenversicherung – bezogen auf die Tochter D. erhalten (Anlage B3). Dort ist ausgeführt „… um die hohe Qualität ihres Versicherungsschutzes dauerhaft sicherstellen zu können, müssen wir jährlich überprüfen, ob die in die Beiträge einkalkulierten Kosten mit den für die Leistungen tatsächlich anfallenden Aufwendungen übereinstimmen. Bei wesentlichen Abweichungen sind wir gesetzlich verpflichtet, die Beiträge an die veränderten Gegebenheiten anzupassen, was zum 01.01.2010 für einige Krankenversicherungstarife notwendig ist. Überwiegend sehr erfreulich sind die Krankentagegeldtarife verlaufen. Insbesondere bei den Selbständigen bleiben alle Beiträge stabil. Sofern sie in ihrem Vertrag zusätzlich ein Pflegetagegeld oder als Erwachsener einen Krankenhaustagegeldtarif vereinbart haben, bleiben auch hier die Beiträge unverändert. Die gesetzlich vorgeschriebene Zustimmung durch einen unabhängigen Treuhänder für die von der Beitragsanpassung zum 01.01.2010 betroffenen Tarife liegt uns vor. Wie sich Ihr Beitrag verändert, entnehmen Sie bitte dem beigefügten Versicherungsschein …“

Durch diese Informationen mit den jeweils beigefügten Versicherungsscheinen wird der Eindruck erweckt, es handle sich um eine erforderliche und unausweichliche Beitragsanpassung. Dem steht nicht entgegen, dass die „wichtigen Hinweise zur Beitragsanpassung“ in Bezug genommen und beigefügt waren, da dort zwar die Möglichkeit des Ausbildungstarifs erwähnt ist, dieser Hinweis jedoch in der Vielzahl weiterer Hinweise untergeht und deshalb nicht ausreichend ist (s. 2.2.2); wegen seiner in Anbetracht der vorgenommenen Beitragsanpassung besonderen Bedeutung hätte er in unmittelbaren Zusammenhang mit dieser oder sonst hervorgehoben erfolgen müssen, um seinen Zweck erreichen zu können.

Entsprechend hat die Klägerin auch bei ihrer Anhörung beim Landgericht angegeben, dass sie das so verstanden hat, dass an der Beitragsanpassung nicht zu rütteln ist. Auch bei einer Nachfrage bei der Beklagten hätte sie keine weitere Information bekommen. Dort hätte man ihr nur gesagt, dass bei Erreichen der Altersstufe der Beitrag entsprechend anzupassen ist. Auf den Ausbildungstarif wurde nicht hingewiesen.

Dieser Sachvortrag ist auch unstreitig.

2.2.2. Die eng bedruckten Schreiben mit den „wichtigen Hinweise zur Beitragsanpassung“ sehen ohne Hervorhebung mitten im Text unter der Überschrift „Altersgruppe“ den Hinweis vor, dass die Beklagte bei in Ausbildung befindlichen Personen gerne attraktive und preisgünstige Angebote nach Ausbildungstarifen erstellen würde. Hierbei handelt es sich weder um eine hinreichend klare und verständliche Beratung im Sinne des § 6 WG noch um eine ausreichende Aufklärung. Der äußerst wichtige Text ist drucktechnisch nicht hervorgehoben; er steht relativ weit hinten im Text unter einer Überschrift, die keinen ausreichenden Bezug zu der Thematik aufweist, und geht in einer Vielzahl von Hinweisen beispielsweise zur Rechtsgrundlage für die Beitragsanpassung, zum allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgabe, zu Ursachen der Beitragsanpassung, zu allgemeinen gesetzlichen Informationspflichten bei Beitragserhöhungen, zur Angleichung der Höchstbeträge in der privaten Pflegepflichtversicherung und im Standardtarif und zur Änderung der allgemeinen Versicherungsbedingungen . für die private Pflegepflichtversicherung unter. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann bei dieser Sachlage den Zusammenhang nicht hinreichend herstellen und wird ihn nicht dahingehend verstehen, dass er alternativ zu der vom Versicherer bereits vorgenommenen Beitragsanpassung den Ausbildungstarif wählen kann; zudem besteht die Gefahr, dass der Versicherungsnehmer den Hinweis überliest. Wegen seiner Bedeutung in Verbindung mit der vollzogenen Beitragsanpassung hat der Hinweis jedoch entweder in unmittelbaren Zusammenhang mit dieser zu erfolgen oder er hat in sonst geeigneter Weise hinreichend klar zu erfolgen und ist deutlich hervorzuheben. Die vorliegende Fassung des Hinweises genügt diesen Anforderungen nicht.

Daher ist auch durch die „wichtigen Hinweise zur Beitragsanpassung“ die Aufklärungs- und Beratungsverpflichtung der Beklagten nicht erfüllt.

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