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Wohngebäudeversicherung – Verletzung der Beratungspflichten durch Versicherungsvertreter

Beratungsfehler bei Wohngebäudeversicherung – Gericht verurteilt Versicherungsvertreter

Das Landgericht Halle (Saale) hat im Fall 5 O 414/21 ein Urteil gefällt, das die Bedeutung einer adäquaten Beratung durch Versicherungsvertreter in der Wohngebäudeversicherung hervorhebt. Der Beklagte, ein Versicherungsvertreter, wurde zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt, da er den Kläger nicht angemessen über die Versicherungssumme und die Risiken einer Unterversicherung aufgeklärt hatte. Dieser Fall unterstreicht die rechtlichen Verpflichtungen von Versicherungsvertretern und die potenziellen Konsequenzen ihrer Verletzung.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 5 O 414/21   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Verurteilung des Versicherungsvertreters: Der Beklagte wurde zur Zahlung von über 100.000 Euro plus Zinsen verpflichtet.
  2. Mangelhafte Beratung: Der Beklagte hat wesentliche Beratungspflichten verletzt, indem er den Kläger nicht über die angemessene Versicherungssumme und die Gefahren der Unterversicherung aufgeklärt hat.
  3. Fehlende Aufklärung über Versicherungswert: Der Beklagte versäumte es, den Kläger über die Ermittlung des korrekten Versicherungswertes zu informieren.
  4. Unzulängliche Dokumentation: Das Gericht stellte fest, dass das Beratungsprotokoll des Beklagten unvollständig war und wichtige Informationen fehlten.
  5. Unterversicherung: Die mangelhafte Beratung führte zur Unterversicherung des Gebäudes, was bedeutende finanzielle Verluste für den Kläger nach sich zog.
  6. Beweislast und Beweiserleichterung: Dem Kläger wurden Beweiserleichterungen gewährt, da die Dokumentation der Beratung unzureichend war.
  7. Schadensersatzanspruch: Der Kläger konnte seinen Schadensersatzanspruch erfolgreich durchsetzen.
  8. Rechtliche Konsequenzen für Versicherungsvertreter: Das Urteil hebt die Bedeutung der Beratungspflichten von Versicherungsvertretern und die möglichen rechtlichen Folgen ihrer Nichtbeachtung hervor.

Wohngebäudeversicherung und Beratungspflichten

Wohngebäudeversicherung
(Symbolfoto: Suweera_p /Shutterstock.com)

In der Welt der Wohngebäudeversicherungen spielen die Beratungspflichten von Versicherungsvertretern eine zentrale Rolle. Die Einhaltung dieser Pflichten ist nicht nur für die Korrektheit des Versicherungsvertrages wesentlich, sondern auch für die Vermeidung von Konflikten und rechtlichen Auseinandersetzungen. In dem vorliegenden Fall geht es um die Fragestellung, inwiefern ein Versicherungsvertreter seiner Beratungspflicht nachgekommen ist und welche Konsequenzen sich aus einer möglichen Pflichtverletzung ergeben.

Die Relevanz dieses Themas wird durch ein konkretes Urteil untermauert, in dem ein Kläger gegen seinen Versicherungsvertreter vorgeht. Dabei wird die Frage aufgeworfen, ob der Kläger im Rahmen des Abschlusses seiner Wohngebäudeversicherung ausreichend und korrekt beraten wurde. Die Bedeutung einer solchen Beratung, insbesondere im Kontext der Angemessenheit der Versicherungssumme und der Aufklärung über Risiken wie die Unterversicherung, wird in diesem Zusammenhang deutlich.

Der nachfolgende Text wird die Details des Urteils beleuchten, wobei die Klagegründe, das Urteil selbst und die sich daraus ergebenden Implikationen für die Praxis der Wohngebäudeversicherung und die Rolle der Versicherungsvertreter im Fokus stehen.

Streitfall Wohngebäudeversicherung: Klärung der Beratungspflichten

Im Fokus des Gerichtsverfahrens vor dem Landgericht Halle stand ein Streit um die Verletzung der Beratungspflichten durch einen Versicherungsvertreter. Der Kläger, Eigentümer eines sanierungsbedürftigen Mehrfamilienhauses, hatte über den Beklagten, einen Vertreter der … Versicherung, eine Wohngebäudeversicherung zum Zeitwert abgeschlossen. Die Versicherungssumme belief sich auf 200.000 €, wobei kein Unterversicherungsverzicht vereinbart wurde. Der jährliche Beitrag für diese Police lag bei 198,23 €, und es galten die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der … Privatpolice APB 07/12 sowie die Wohngebäudeversicherungsbedingungen WGB S 07/13.

Der Schadensfall und die Frage der Unterversicherung

Ein Brand im Jahr 2018 führte zu einer Schadensbewertung des Gebäudes, die einen Zeitwert von 508.000 € ergab, mit einem Netto-Zeitwertschaden von 142.689 € und weiteren Kosten für Aufräumungs- und Abbrucharbeiten. Die Versicherung zahlte jedoch aufgrund der Unterversicherung lediglich 50.000 €. Der Kläger machte geltend, dass der Beklagte ihn nicht ausreichend über die Ermittlung der Versicherungssumme und die Risiken einer Unterversicherung aufgeklärt hatte. Sein angenommener Wert von 200.000 € sei eine uninformierte Schätzung gewesen, die der Beklagte hätte hinterfragen müssen.

Gerichtliche Auseinandersetzung um Beratungspflichten

Der Kläger forderte vor Gericht eine Entschädigung in Höhe des vollen Schadens von 101.614 € nebst Zinsen und weiteren Kosten. Der Beklagte verteidigte sich mit der Behauptung, der Kläger sei über den Wert des Gebäudes im Bilde gewesen und habe bewusst eine niedrigere Versicherungssumme gewählt. Das Gericht hörte beide Parteien an und wertete das Beratungsprotokoll sowie die vorgelegten Dokumente aus.

Gerichtsurteil: Verletzung der Beratungspflichten festgestellt

Das LG Halle sprach dem Kläger den geltend gemachten Anspruch aus §§ 61, 63 VVG zu. Das Gericht war überzeugt, dass der Beklagte seine Beratungspflichten verletzt hatte, da er den Kläger weder über den tatsächlichen Zeitwert noch über die Folgen der Unterversicherung aufgeklärt hatte. Die unzureichende Dokumentation des Beratungsgesprächs führte zu einer Beweiserleichterung zugunsten des Klägers. Der Beklagte wurde zur Zahlung von 101.614 € nebst Zinsen und weiteren 2706,66 € verurteilt. Die Gerichtskosten fielen ebenfalls dem Beklagten zu.

Das Urteil unterstreicht die Bedeutung der Beratungspflichten von Versicherungsvertretern, insbesondere in Bezug auf die korrekte Ermittlung der Versicherungssumme und Aufklärung über das Risiko der Unterversicherung. Es zeigt auch, wie entscheidend eine vollständige und korrekte Dokumentation von Beratungsgesprächen ist. Dieser Fall dient somit als Mahnung für Versicherungsvertreter, ihre Pflichten ernst zu nehmen und für Versicherungsnehmer, sich bei Abschluss einer Versicherung umfassend zu informieren und beraten zu lassen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt

Was umfasst die Beratungspflicht eines Versicherungsvertreters?

Die Beratungspflicht eines Versicherungsvertreters in Deutschland ist im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) festgelegt. Gemäß § 6 VVG ist der Versicherungsvertreter verpflichtet, den Versicherungsnehmer umfassend zu beraten. Dies beinhaltet die Befragung des Versicherungsnehmers nach seinen Wünschen und Bedürfnissen und die Beratung unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien.

Die Beratungspflicht umfasst auch die Begründung, warum der Vertreter zu einer bestimmten Versicherung rät. In einigen Fällen kann die Beratungspflicht sogar so weit gehen, dass der Versicherungsvertreter dem Versicherungsnehmer vom Abschluss einer bestimmten Versicherung abraten muss.

Die Beratungspflicht des Versicherungsvertreters deckt sich mit den Pflichten des Versicherers, sodass der Vertreter mit Erfüllung der ihm persönlich obliegenden Pflichten auch die seines Versicherers erfüllt.

Die Beratungspflicht ist jedoch nicht absolut. Es gibt Ausnahmen, wie bei Großrisiken im Sinne des § 210 Abs. 2 VVG und bei von einem Versicherungsmakler vermittelten Versicherungsverträgen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Versicherungsnehmer durch gesonderte schriftliche Erklärung auf Beratung und Dokumentation verzichten.

Zusätzlich zur Beratungspflicht besteht auch eine Dokumentationspflicht. Der Versicherungsvertreter ist verpflichtet, jede Beratung zu dokumentieren. Dies dient dem Schutz des Verbrauchers und ermöglicht es, die Qualität der Beratung zu überprüfen.

Die Beratungspflichten während der Laufzeit des Versicherungsvertrages können sich von den anfänglichen Beratungspflichten unterscheiden.

Die Einhaltung dieser Pflichten ist von großer Bedeutung, da Verstöße gegen die Beratungs- und Dokumentationspflichten zu Schadensersatzansprüchen führen können.

Inwiefern beeinflusst die Dokumentation des Beratungsgesprächs die Beweislast im Gerichtsverfahren?

Die Dokumentation des Beratungsgesprächs spielt eine entscheidende Rolle bei der Beweislast in einem Gerichtsverfahren. Gemäß § 61 Abs. 1 S. 2, 62 VVG ist der Versicherungsvertreter verpflichtet, den Inhalt der Beratung zu dokumentieren. Diese Dokumentation kann als Beweismittel dienen, um zu bestätigen, dass eine ordnungsgemäße Beratung stattgefunden hat.

Wenn es zu einem Streitfall kommt und der Versicherungsnehmer behauptet, nicht oder falsch beraten worden zu sein, kann die Dokumentation des Beratungsgesprächs als Beweis dienen. Wenn der Versicherungsvertreter die Beratung dokumentiert hat, liegt die Beweislast beim Versicherungsnehmer, zu beweisen, dass er über die Dokumentation hinaus oder von ihr abweichend beraten wurde.

Fehlt jedoch eine solche Dokumentation, kann dies zu Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr führen. Das bedeutet, dass der Versicherungsvertreter beweisen muss, dass eine ordnungsgemäße Beratung stattgefunden hat. In einigen Fällen kann unzureichende Dokumentation sogar zu Schadensersatzansprüchen führen.

Es ist jedoch zu erwähnen, dass die Beweislast sich nicht immer umkehrt, selbst wenn die Beratung nicht dokumentiert wurde. In jedem Fall ist es für den Versicherungsvertreter von Vorteil, eine gründliche Dokumentation der Beratungsgespräche zu führen, um sich gegen mögliche Ansprüche zu schützen.


Das vorliegende Urteil

LG Halle (Saale) – Az.: 5 O 414/21 – Urteil vom 31.03.2023

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 101.614 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.03.2019 sowie weitere 2706,66 € zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf eine Gebührenstufe von bis zu 110.000 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche wegen behaupteter Pflichtverletzungen des Beklagten als Versicherungsvertreter im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Gebäudeversicherung.

Der Kläger hat mit notariellem Kaufvertrag vom 19.10.2014 das mit einem leerstehenden und sanierungsbedürftigen Mehrfamilienhaus bebaute Grundstück M, zu einem Kaufpreis von 40.000 € erworben.

Der Kläger schloss bei der … Versicherung eine Wohngebäudeversicherung für dieses Gebäude zum Zeitwert ab, mit Vertragsbeginn 14.05.2015 (Anl. K5). Die Versicherungssumme ist mit 200.000 € Zeitwert angegeben; ein Unterversicherungsverzicht ist nicht enthalten. Die Jahresprämie betrug 198,23 €. Es wurde die Geltung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der … Privatpolice APB 07/12 und die Wohngebäudeversicherungsbedingungen der … Privatpolice WGB S 07/13 (Anl. K6) vereinbart.

Der Beklagte war seinerzeit als Versicherungsvertreter für die … Versicherungsservice GmbH tätig und hat den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag vermittelt.

Der Beklagte fertigte das Beratungsprotokoll Anl. K4 an.

Am 30.08.2018 kam es zu einem Brand im Gebäude. Der Kläger zeigte den Schaden bei der … Versicherung an. Im Rahmen der Begutachtung wurde das Gebäude mit einem Zeitwert i.H.v. 508.000 € bewertet, der Zeitwertschaden mit 142.689 € netto sowie Aufräumungs- und Abbruchkosten i.H.v. 8925 € brutto, mithin insgesamt 151.614 €. Orientiert an den Grundsätzen der Unterversicherung erstattete die Versicherung dem Kläger 40 % ohne Mehrwertsteuer, mithin 50.000 €.

Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte habe ihn hinsichtlich der richtigen Versicherungssumme seinerzeit nicht ausreichend aufgeklärt und fehlerhaft beraten. In dem Gespräch habe er gegenüber dem Beklagten als Versicherungssumme den Betrag von 200.000 € angegeben, zugleich erläutert, dass dies aus der Luft gegriffen sei und er keine Vorstellung davon habe, ob diese Versicherungssumme zutreffend und ausreichend wäre. Der Beklagte habe weder nachgefragt noch in den Zeitwert erläutert oder erläutert, wie die Versicherungssumme zu ermitteln sei; auch nach Faktoren der Wertbestimmung habe der Beklagte nicht gefragt. Auf Konsequenzen bei unzutreffenden Angaben, insbesondere einer Unterversicherung, sei nicht hingewiesen worden. Er habe daher geglaubt, richtig und ausreichend versichert zu sein. Das Beratungsprotokoll sei unvollständig ausgefüllt, daher im Ergebnis unbrauchbar. Denn sein dort vermerkter Kundenwunsch sei gerade nicht Ergebnis der – nicht erfolgten – Beratung durch den Beklagten gewesen, sondern habe lediglich auf einer in den Raum gestellten Schätzung, die der Beklagte hätte hinterfragen müssen, beruht. Hätte ihn der Beklagte über die Bedeutung der Versicherungssumme aufgeklärt, hätte er den Vertrag zu der richtigen Versicherungssumme abgeschlossen.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 101.614 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.03.2019 sowie weitere 2706,66 € zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, der Kläger habe seinerzeit erklärt, das Grundstück aus einer Zwangsversteigerung erworben zu haben. Er ist der Ansicht, dem Kläger habe wegen des im Zuge der Zwangsversteigerung üblicherweise eingeholten Bewertungsgutachtens der Gebäudewert bekannt sein müssen.

Im Rahmen des Beratungsgespräches habe er mit der zugehörigen Maske des Wertermittlungsprogrammes das Gebäude eingegeben und einen Versicherungswert in Höhe von über 500.000 € ermittelt. Da das Gebäude zu diesem Zeitpunkt leerstehend gewesen sei, sei lediglich die Versicherung zum Zeitwert möglich gewesen. Dem Kläger sei aber die daraus resultierende Prämie im Hinblick auf die Kosten der noch erforderlichen Sanierung zu hoch gewesen. Die Reduzierung des Versicherungswertes sei daher auf ausdrücklichen Wunsch des Klägers erfolgt. Er habe diesen darauf hingewiesen, dass für den Fall, dass das Gebäude nur teilweise im Wert versichert sei, die Versicherung im Schadensfall auch nur teilweise einstandspflichtig sei.

Der Kläger sei im Übrigen geschäftlich nicht völlig unbedarft, denn er betreibe einen Dönerstand, durch eine Unternehmerpolice abgesichert. Daher sei ihm klar gewesen, dass der Versicherungswert nicht nur Einfluss auf die zu leistende Prämie habe, sondern auch Einfluss auf den Umfang der Einstandspflicht der Versicherung.

Die Kammer hat beide Parteien im Termin der mündlichen Verhandlung im Rahmen der Sachaufklärung angehört. Wegen der Angaben der Parteien wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2023,175 ff. der Akten, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch aus §§ 61, 63 VVG zu, denn er hat bewiesen, dass der Beklagte seine Beratungspflicht nicht nachgekommen ist.

Zwischen den Parteien sind Schadenseintritt, Schadenshöhe, der nach dem Schadensfall ermittelte Zeitwert i.H.v. 500.000 € sowie das Vorliegen einer Unterversicherung unstreitig.

Der Kläger ist grundsätzlich beweisbelastet für seine Behauptung der Falschberatung. Ihm werden bei fehlerhafter Dokumentation der Beratung Beweiserleichterungen zugebilligt, bis hin zur Beweislastumkehr. Da die Beweislastumkehr eher den Sachverhalten vorbehalten bleiben sollte, in denen überhaupt keine Dokumentation erfolgt ist, ist vorliegend wohl von einer Beweiserleichterung zugunsten des Klägers auszugehen. Denn die Dokumentation der Beratung ist unzulänglich; es fehlt der tatsächlich beratene Versicherungswert und die behauptete Empfehlung des Beklagten.

Es müssen nicht sämtliche Einzelheiten des Beratungsgespräches in Textform dokumentiert werden. Allerdings muss, um dem Schutzbedürfnis des Versicherungsnehmers und damit Sinn und Zweck der Dokumentationspflicht gerecht werden zu können, daraus hervorgehen, welche objektive Risikosituation vorliegt. Inhaltsleere und abstrakte Checklisten, die beliebig für jedes Versicherungsgespräch austauschbar sind, mithin keinen anschaulichen Rückschluss auf eine konkrete Beratungssituation zulassen, sind keine Dokumentation im Sinne des Gesetzes. Daher sind Wünsche und Bedürfnisse des Versicherungsnehmers und die darauf folgende Empfehlung nebst Begründung zu dokumentieren, ohne dass eine detaillierte Darstellung des Gesprächsablaufes erforderlich ist. Es genügt eine kurze, stichwortartige Notierung des Absicherungsinteresses, der es beeinflussenden Umstände und Verhältnisse und der ihm dienenden Vorschläge des Versicherungsvermittlers (Langheid/Rixecker, VVG, 7. Aufl., § 6 Rn. 25 f.).

Entsprechend sieht der Vordruck der Dokumentation (Anl. K4) verschiedene Rubriken vor: Wünsche und Bedürfnisse des Kunden, Versicherungsinteresse/Versicherungswunsch/Versicherungsbedarf des Kunden, Empfehlung des Vermittlers, konkreter Versicherungswunsch bzw. Entscheidung des Kunden, Gründe für den erteilten Rat/die Empfehlung, Gibt es abweichende Kundenwünsche zu den empfohlenen Versicherungen, Nicht vom Kunden gewünschte Versicherungen/Absicherungen sowie Versicherungsantrag.

Der Beklagte hat in diese Dokumentation in der Rubrik Empfehlung des Vermittlers, konkreter Versicherungswunsch bzw. Entscheidung des Kunden eingetragen: „Kundenwunsch zum Wert von 200.000 € absichern“. In der Rubrik „Gibt es abweichende Kundenwünsche zu den empfohlenen Versicherungen?“ Ist „nein“ eingetragen und in der Rubrik „Nicht vom Kunden gewünschte Versicherungen/Absicherungen“ ist eingetragen: „Es bestehen keine abweichenden Kundenwünsche zu den vom Vermittler empfohlenen Versicherungen/zur empfohlenen Absicherungen.“

Wird diese Dokumentation ernst genommen, hat keine Beratung hinsichtlich des Versicherungswertes stattgefunden noch viel weniger eine Beratung zu einem Versicherungswert von über 500.000 €. Denn es ist ausdrücklich vermerkt, dass es zu der empfohlenen Absicherung keinen abweichenden Kundenwunsch gegeben habe.

Auch wird die Dokumentation einer Beratung für eine Gebäudeversicherung und dem zu versichernden Wert nicht gerecht. Der Umfang der Beratungspflicht richtet sich nach dem konkreten Versicherungswunsch und dem konkreten Versicherungsverhältnis. Die Wertbestimmung bei der Gebäudeversicherung ist von komplexer Natur und bedarf sorgfältiger Prüfung durch den Versicherungsvermittler und Befragung des Versicherungsnehmers, gegebenenfalls muss sich der Versicherungsvermittler durch Inaugenscheinnahme oder Einholung einer Werteinschätzung ein eigenes Bild machen. Dass der Kläger über besondere Kenntnisse über die Wertbestimmung im Rahmen der Gebäudeversicherung verfügt, hat selbst der Beklagte nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich. Der Dokumentation ist im Übrigen nicht zu entnehmen, worauf der Kundenwunsch des Versicherungswertes von 200.000 € überhaupt beruht. Damit kann nicht nachvollzogen werden, ob dieser Kundenwunsch auf Fehlvorstellungen und Unkenntnis des Klägers als Versicherungsnehmer beruht. Dies zu ermitteln gehört aber zu den Beratungspflichten eines Versicherungsvermittlers.

Die Dokumentation steht, soweit sie ausgefüllt ist, in Widerspruch zum Vortrag des Beklagten. Denn der Beklagte trägt vor, den Kläger zu einem Versicherungswert von über 500.000 € und zur Unterversicherung beraten zu haben, dieser habe aber dennoch einen Versicherungswert von lediglich 200.000 € aus Gründen der Prämienersparnis absichern wollen. In der Dokumentation findet sich aber nichts dergleichen notiert. Dort wird vielmehr der Eindruck vermittelt, dass der Kundenwunsch mit der Versicherungsempfehlung übereingestimmt hat. Hinweise auf die oben genannten Behauptungen des Beklagten finden sich in der Dokumentation nicht.

Der Beklagte hat im Rahmen seiner Anhörung auf die Frage, weshalb das Behauptete sich nicht wenigstens im Freitext finde, erklärt, dass man dies dort hätte eintragen können, er es immer so gehandhabt habe, sich viele Randnotizen zu erstellen, sicher auch hier. Diese Notizen seien aber im Zuge einer Umstellung der Akten verloren gegangen.

Der Beklagte hat keine sonstigen weiteren Unterlagen, beispielsweise Antragstellung oder Auszüge aus der von ihm behaupteten Wertermittlungsmaske o. ä. vorgelegt. Hierzu war ihm ausdrücklich mit Verfügung vom 19.10.2022 Gelegenheit gegeben worden. Auch er selbst hatte dies bereits mit Schriftsatz vom 07.02.2022 (Bl. 18 der Akten) angekündigt und damit die Fristverlängerung zur Klageerwiderung begründet.

Der Kläger hat im Rahmen seiner Anhörung angegeben, den Versicherungswert mit 200.000 € auf Frage des Beklagten angesagt zu haben. Der Beklagte habe dazu nicht nachgefragt und auch sonst nicht über den Versicherungswert und nicht über unterschiedliche Versicherungswerte wie Zeitwert, Neuwert oder gleitenden Neuwert gesprochen. Die 200.000 € habe er nach Auskunft eines Immobilienmaklers, den er vor dem günstigen Kauf nach dem Wert des Objektes gefragt habe, gesagt bekommen und entsprechend in dem Gespräch mit dem Beklagten wiedergegeben. Zur Frage der Unterversicherung sei gar nichts besprochen worden.

Die Angaben des Klägers sind glaubhaft, seine Angaben waren ausreichend detailliert. Sie entsprechen im Übrigen exakt dem, was der Beklagte in seiner Dokumentation, aus der gerade keine Beratung durch den Beklagten hervorgeht, aufgeschrieben hat.

Die Angaben des Beklagten hingegen haben nicht überzeugt. Es wäre für ihn ein Leichtes gewesen, in die Dokumentation in der dafür ausdrücklich vorgesehenen Rubrik seine behauptete Empfehlung, die Versicherung mit einem Versicherungswert von über 500.000 € abzuschließen, einzutragen. Stattdessen wurde vielmehr ausdrücklich vermerkt, dass es zwischen seiner Empfehlung und im Kundenwunsch keinen Unterschied gebe. Gerade aufgrund der vom Beklagten für sich reklamierten Erfahrung seiner Tätigkeit in der Versicherungsbranche ist diese Verhaltensweise nicht nachvollziehbar. Nach der Schilderung des Beklagten sei es in dem Beratungsgespräch einige Male hin und her gegangen hinsichtlich der vorgenommenen Veränderungen, bis die Prämie dem Kläger gepasst habe. Dieses Hin und Her findet sich in der Dokumentation überhaupt nicht. Die Dokumentation enthält nichts zu dem herausgenommenen Verzicht auf den Unterversicherungsschutz. Bei der Gebäudeversicherung ist dies aber eine wesentliche Änderung zugunsten der Versicherungsnehmer der vergangenen Jahre, dass die Versicherer inzwischen zumeist auf den Einwand der Unterversicherung verzichten, sodass es inzwischen als Ausnahme zu betrachten ist. Dies wäre Grund gewesen, das verbleibende Risiko der Unterversicherung in der Dokumentation niederzulegen. Denn, wie ausgeführt, Sinn der Dokumentation ist es, dem Versicherungsnehmer die von ihm eingegangenen Risiken (hier behauptet: wesentlich niedriger Versicherungswert und kein Verzicht auf den Einwand der Unterversicherung) klar vor Augen geführt zu bekommen, bevor die Versicherung abgeschlossen wird.

Insgesamt ist die Kammer, unabhängig von möglichen Beweiserleichterung wegen mangelhafter Dokumentation, davon überzeugt, dass der Beklagte seine Beratungspflichten verletzt und weder über den tatsächlichen Zeitwert noch die Folgen der Unterversicherung und des hier nicht erklärten Verzichts auf den Einwand der Unterversicherung belehrt hat.

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei beratungsgemäßem Verhalten die Versicherung mit der wesentlich niedrigeren Versicherungssumme abgeschlossen hätte, sind nicht ersichtlich.

Die vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten stehen dem Kläger aus §§ 280, 281 BGB zu.

Die Verzugszinsen beruhen auf §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

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