LG Offenburg – Az.: 2 O 315/18 – Urteil vom 03.04.2020
1. Es wird festgestellt, dass der Existenzschutzversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer …66 mit dem rückwirkenden Leistungsausschluss für Leistungsfälle nach Verlust von Grundfähigkeiten und Feststellung einer Pflegestufe, die durch den Verlust der Gebrauchsfähigkeit beider Beine im Kniegelenk ausgelöst werden, weiterhin fortbesteht, insbesondere nicht durch die Anfechtungserklärung der Beklagten vom 23.10.2018 beendet wurde.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 33.600,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den unveränderten Fortbestand eines Existenzschutzversicherungsvertrags.
Der Kläger und das beklagte Versicherungsunternehmen sind seit 01.11.2016 über einen Existenzschutzversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer …66 miteinander verbunden.
Der Versicherungsvertrag kam über Vermittlung eines dem Kläger seit Jahren bekannten Versicherungsvermittlers, dem Zeugen F., zustande. Dieser füllte im September 2016 zusammen mit dem Kläger einen „Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrages“ bei der Beklagten aus. Die Fragen nach Behandlungen in den letzten 5 Jahren wegen Krankheiten oder Unfallfolgen der Atmungsorgane (Nr. 2) und nach Allergien (Nr. 14) beantwortete der Kläger zusammen mit dem Zeugen F. per Kreuz im entsprechenden Feld mit „ja“. Die Gesundheitsfragen Nr. 7 nach Bindegewebs- oder entzündlichen Gelenkserkrankungen mit dem Klammerzusatz „z.B. […] Arthritis“ sowie Nr. 13 nach Krankheiten oder Unfallfolgen „des Bewegungsapparates, der Knochen, Gelenke, Muskeln, Bänder und Sehnen (z.B. Bewegungseinschränkungen, Schmerzen, Bänder- oder Meniskusschäden)“ wurden mit „nein“ (vgl. Anlage K1) beantwortet.
Als Reaktion auf die Übermittlung des vorgenannten Antrags übersandte die Beklagte Anfang Oktober 2016 einen „Neuantrag auf Abschluss einer Existenzschutzversicherung“ (im Folgenden auch: „Neuantrag vom 04.10.2016“). Darin wurde unter der Rubrik „Gesundheitsfragen“ ohne jegliche Nummerierung der einzelnen Fragen gefragt (vgl. Anlage B3):
„Hat es in den letzten 5 Jahren
– Erkrankungen […]
– Behandlungen von chronischen Erkrankungen […]
– […] gegeben? oder
Bestehen bei Ihnen von durch einen Arzt oder andere Leistungserbringer im Gesundheitswesen diagnostizierte, dauerhafte oder immer wieder auftretende Krankheiten, Unfallfolgen, körperliche/geistige Veränderungen oder Funktionsbeeinträchtigungen? oder […]“
Unter dem Block aus Gesundheitsfragen heißt es pauschal: „Herr D. gibt an: ja“.
Im anschließenden Feld für diesbezügliche „Auskünfte und Erklärungen“ beantwortete der Kläger vorgedruckte Nachfragen zu seinem Asthma, seiner Milbenallergie und weitere Nachfragen.
Mitte Oktober 2016 policierte die Beklagte aufgrund der Angaben aus vorgenanntem Neuantrag den gewünschten Versicherungsschutz mit Versicherungsbeginn ab 01.11.2016 ohne jegliche Leistungsausschlüsse (Anlage B6).
Mit Schreiben vom 25.10.2017 zeigte der Kläger der Beklagten den Eintritt des vorgeblichen Versicherungsfalls aufgrund einer Gonathrose ICD-10 Code M17.0 G an (Anlage B7) und legte der Beklagten u.a. einen Bericht des Facharztes für Unfallchirurgie, Herrn Dr. med. R., vom 20.07.2016 vor, wonach er sich bereits seit 02.06.2015 in dessen fachärztlicher Praxis in ambulanter Behandlung befinde und eine medial betonte TEP-pflichtige Gonarthrose Grad IV beidseits diagnostiziert worden sei. In dem Arztbericht heißt es weiter, dass sich der Kläger entschlossen habe, auf der rechten Seite in absehbarer Zeit einen bicondylären Oberflächenersatz implantieren zu lassen (Anlage B8).
Mit Schreiben vom 21.11.2017 antwortete die Beklagte dem Kläger wie folgt (vgl. Anlage K2):
„Aus den nunmehr vorliegenden Unterlagen haben wir erfahren, dass Sie bereits vor Antragsstellung, dem 06.10.201[6] an folgender Erkrankung litten:
– Medial betonte TEP-pflichtige Gonarthrose Grad IV beidseits
Das Verschweigen der vorhandenen Erkrankung war für die Beurteilung des von uns zu übernehmenden Risikos von Bedeutung. Bei Kenntnis dieser Erkrankung hätten wir den Vertrag nicht in der vorliegenden Form angenommen.
Nach § 19 Absatz 4 VVG werden folgende Ausschlüsse rückwirkend ab Beginn, dem 01.11.2016, wirksam:
Abweichend von den dem Vertrag zu Grunde liegenden Bedingungen sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen:
Leistungsfälle nach „Verlust von Grundfähigkeiten“ und „Feststellung einer Pflegestufe“:
Die durch den Verlust der Gebrauchsfähigkeit beider Beine im Kniegelenk ausgelöst werden.
[….]
Sollten Sie mit diesem Ausschluss nicht einverstanden sein, haben Sie das Recht nach §19 Absatz 6 VVG, ab Zugang der Mitteilung innerhalb eines Monats fristlos zu kündigen.“
Auf dieses Schreiben antwortete der Kläger mit anwaltlichem Schriftsatz vom 14.12.2017 (Anlage B1):
„Unser Mandant hat […] korrekte Angaben gemacht.
Es kann also das entsprechende Risiko aus diesem Grund nicht herausgenommen werden. […].
Der abgeänderte Versicherungsvertrag wird daher nicht angenommen.
Es verbleibt bei dem ursprünglichen Vertrag, den unser Mandant damals abgeschlossen hat.“
Mit Schreiben vom 23.10.2018 erklärte die Beklagte hilfsweise zur bereits erklärten Vertragsanpassung die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung (Anlage K5).
Der Kläger behauptet, dass er die Gesundheitsfrage Nr. 13 nicht wissentlich und willentlich falsch beantwortet habe. Vielmehr habe sich der Zeuge F. seinerzeit extra bei einem befreundeten Arzt erkundigt, ob „Arthritis“ im Sinne von Gesundheitsfrage Nr. 7 mit der bei ihm festgestellten Arthrose gleichzusetzen sei. Da dies von dem befreundeten Arzt verneint wurde, habe man Nr. 7 und, da nicht explizit nach Arthrose gefragt wurde, auch Nr. 13 mit „nein“ beantwortet. Auch die Gesundheitsfragen aus dem Neuantrag vom 04.10.2016 habe er wahrheitsgemäß mit „ja“ beantwortet. Weitere Erläuterungen habe er im Neuantrag unterlassen, da er im Hinblick auf den zuvor bereits ausgefüllten „Antrag auf Abschluss einer Existenzschutzversicherung“ davon ausgegangen sei, dass lediglich weitere Ausführungen zu seinem bereits zuvor angegebenen Asthma und seiner Allergie gewollt seien.
Der Kläger ist der Ansicht, dass der Versicherungsvertrag deshalb mit seinem ursprünglichen Inhalt, d.h. ohne den vorgenannten Ausschluss von Kniegelenksleiden, fortbestehe, insbesondere auch nicht durch die Anfechtungserklärung vom 23.10.2018 beendet wurde.
Der Kläger hat seine Klage mit Schriftsatz vom 06.12.2018 um einen zweiten Antrag erweitert (Bl. 83 d.A.).
Der Kläger beantragt zuletzt,
1.) Es wird festgestellt, dass der Versicherungsschein Existenzschutzversicherung VS Nr. …66 folgende Erkrankung mit beinhaltet: Medial betonte TEP-pflichtige Gonarthrose Grad IV beidseits.
2.) Es wird festgestellt, dass durch die Anfechtung der Beklagten vom 23.10.2018 die Existenzschutzversicherung Nr. …66 nicht aufgehoben wurde, sondern weiterhin fortbesteht.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, dass der Kläger die Frage Nr. 13 aus dem Maklervertrag im September 2016 wissentlich und willentlich falsch beantwortet habe. Der Kläger habe darüber hinaus im allein maßgeblichen Versicherungsneuantrag vom 04.10.2016 eine weitere Möglichkeit verstreichen lassen, seine Knieleiden anzugeben.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Feststellungsantrag unter Ziffer 1.) unzulässig sei, da dieser nicht zum Ausdruck bringe, dass der Vertrag mit einer bestimmten Erkrankung abgeschlossen worden und die Beklagte deshalb leistungspflichtig sei. Die Klage sei auch unbegründet, da der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 14.12.2017 von seinem Gegenkündigungsrecht nach § 19 Abs. 6 VVG Gebrauch gemacht habe. Jedenfalls sei der Vertrag wirksam angepasst bzw. wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten worden, da der Kläger der Beklagten seine Gonarthrose IV. Grades bei Antragstellung verschwiegen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst jeweils dazugehöriger Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung des Zeugen F. . Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 02.10.2019 (Bl. 181 d.A.) sowie vom 04.03.2020 (Bl. 227 ff. d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Feststellungsklage unter Ziffer 1.) ist zulässig aber unbegründet.
1.) Die Feststellungsklage unter Ziffer 1.) ist zulässig, insbesondere ist das erforderliche Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO gegeben, weil aufgrund der Vertragsanpassungserklärung der Beklagten vom 21.11.2017 eine Rechtsunsicherheit in Bezug auf den unveränderten Fortbestand des Vertrages besteht. Das festzustellende Rechtsverhältnis im Sinne der vorgenannten Vorschrift ist der unveränderte Fortbestand des Versicherungsvertrages. Der Feststellungsantrag des Klägers ist deshalb dahingehend auszulegen, dass er die Feststellung begehrt, dass der noch konkret zu bezeichnende, rückwirkende Leistungsausschluss unwirksam ist oder dass der bezeichnete Versicherungsvertrag unverändert fortbesteht (vgl. Neuhaus/ders., Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Aufl. 2020, Kapitel 19 Rn. 17 f.).
2.) Die Feststellungsklage unter Ziffer 1.) ist allerdings unbegründet, da die Beklagte den rückwirkenden Leistungsausschluss für die Kniegelenksschäden wirksam nach § 19 Abs. 4 S. 2 VVG in den Versicherungsvertrag eingefügt hat.
Nach vorgenannter Vorschrift werden Leistungsausschlüsse auf Verlangen des Versicherers rückwirkend Vertragsbestandteil, wenn dem Versicherungsnehmer eine von ihm zu vertretende Anzeigepflichtverletzung vorzuwerfen ist und der Versicherer den Vertrag – was vorliegend unstrittig ist – bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände zu anderen Bedingungen geschlossen hätte.
a) Der Kläger hat seine Anzeigepflicht verletzt, indem er im für den Vertragsschluss allein maßgeblichen Neuantrag vom 04.10.2016 keine Erklärungen zu seiner von Herrn Dr. med. R. diagnostizierten Gonarthrose IV. Grades abgab, obwohl die Beklagte in rechtlich zulässiger Weise weit gefasst nach dem Bestehen von dauerhaften, durch einen Arzt diagnostizierten körperlichen Veränderungen oder Funktionsbeeinträchtigungen fragte.
b) Der Kläger hat seine Anzeigepflichtverletzung zu vertreten.
aa) So steht zwar zur Überzeugung des Gerichts nach Durchführung der Beweisaufnahme fest, dass der Kläger Ausführungen zu seiner beidseitigen Gonathrose IV. Grades nicht wissentlich und willentlich verschwiegen hat.
Maßgeblich für die Überzeugungsbildung war insbesondere die Aussage des Zeugen F. .
Aus einer Zeugenaussage allein, mag sie auch noch so nachvollziehbar und glaubhaft sein, folgt allerdings weder die Richtigkeit noch die Unrichtigkeit des Bekundeten. Es ist grundsätzlich gleich wahrscheinlich, ob die Auskunftsperson lügt, sich irrt oder die Wahrheit sagt (sog. Nullhypothese). Danach hat jede Aussage solange als unwahr zu gelten, bis diese Vermutung sich angesichts der Umstände nicht mehr aufrechterhalten lässt. Methodisch ist deshalb eine Aussage in erster Linie nach Anhaltspunkten für eine realitätsbegründete Schilderung, nach Anzeichen für Wahrheit und nicht für Lüge zu überprüfen (Kirchhoff, MDR 2010, 791, 792 f. m.w.N.). Es ist daher Aufgabe des erkennenden Gerichts nach Anhaltspunkten zu suchen, dass die Auskunftspersonen die Wahrheit sagen. Dies geschieht durch sog. Realitätskennzeichen. Diese deuten darauf hin, dass die Auskunftsperson Geschehnisse mit realem Erlebnishintergrund berichtet.
Die Aussage des Zeugen F. erfüllt mehrere Realitätskennzeichen, sodass davon auszugehen ist, dass sie auf einem realen Erlebnishintergrund beruht. So konnte der trotz der Streitverkündung völlig unaufgeregte Zeuge F. chronologisch und widerspruchsfrei die wesentlichen Details des fraglichen Vertragsschlusses schildern, ohne den Eindruck zu vermitteln, Teile seiner Aussage spontan erfunden oder sich vor der Vernehmung ausgedacht zu haben. Er konnte insbesondere schildern, wie er sich im Spätsommer 2016 zusammen mit dem Kläger Gedanken über den Unterschied zwischen der ursprünglich abgefragten Arthritis und der nicht explizit genannten Arthrose machte und, da ihn eine Antwort auch noch am selben Abend in seiner Freizeit interessierte, wie er in seiner Mixt-Tennismannschaft eine befreundete Ärztin nach dem Unterschied zwischen beiden Begriffen fragte. Den Namen der Ärztin hat der Zeuge in der mündlichen Verhandlung ohne mit der Wimper zu zucken offenbart, wohl wissend, dass diese auch als Zeugin hätte vernommen werden können. Das Gericht nimmt daher dem Zeugen und damit auch dem Kläger ab, dass beide sich im September 2016 bei der Beantwortung der Gesundheitsfrage Nr. 7 Gedanken zum Unterschied zwischen Arthrose und Arthritis gemacht hatten und nach des Rätsels Lösung auch die Gesundheitsfrage Nr. 13 nach Behandlungen aufgrund von Krankheiten des Bewegungsapparates vorschnell mit „nein“ beantworten haben, da – so der vermeintliche Umkehrschluss der beiden – im ursprünglichen Fragebogen nur nach Arthritis und somit gerade nicht nach Arthrosen gefragt sein konnte. Der entsprechende Vortrag des Klägers sowie die Aussage des Zeugen F. decken sich dabei mit der vorgerichtlichen Korrespondenz zwischen den beiden. So hat der Kläger dem Zeugen bereits mit anwaltlichem Schreiben vom 09.02.2018 vorgeworfen, dass sich dieser damals aufgrund der Unsicherheit über den Begriff der Arthritis doch bei einem „Tenniskollegen vom medizinischen Fach“ erkundigt habe (Anlage K3), was der Zeuge mit ausführlichem Schreiben vom 01.03.2018 bestätigte (Anlage K4). Hinzu kommt, dass sowohl der Kläger als auch der Zeuge F. nach dem gewonnenen Eindruck des Gerichts bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht verstanden haben, dass es sich bei dem Neuantrag vom 04.10.2016 nicht um einen „Rückfragebogen“ zum ursprünglichen Antrag vom September 2016 handelte, sondern um den für den Vertragsschluss mit der Beklagten allein maßgeblichen Versicherungsantrag i.S.v. § 145 BGB. Aufgrund dieser Besonderheit schenkt das Gericht sowohl dem Zeugen als auch dem Kläger Glauben, wenn sie behaupten, dass die Frage im Neuantrag vom 04.10.2016 nach dauerhaften körperlichen Veränderungen und Funktionsbeeinträchtigungen von beiden quasi als belanglos ohne nähere Erläuterungen überflogen wurde, gerade weil sie davon ausgingen, dass es der Beklagten nur auf die Beantwortung der darin vorgedruckten Fragen zum Asthma und der Allergie ankomme. Um dieses Missverständnis zu vermeiden, hätte die Beklagte bei der Übermittlung des Neuantrags vom 04.10.2016 klarstellen können, dass der vermeintliche Erstantrag vom September 2016 von ihr nicht mehr akzeptiert wird, etwa weil – so die Vermutung des Gerichts – das seinerzeitige Formular keinen drucktechnisch deutlich hervorgehobenen Hinweis i.S.v. § 19 Abs. 5 VVG enthielt, sodass der Kläger erneut die Gesundheitsfragen von vorne beantworten möge, wobei man ihm zur Vermeidung weitere Nachfragen bereits konkrete Nachfragen zum Asthma und der Allergie vorgedruckt habe. Das Ganze vor dem Hintergrund, dass der Zeuge F. kein Vermittler der Beklagten war, sodass er mit der geänderten Antragsformularpraxis der Beklagten nicht vertraut gewesen sein musste. Dass sich der Kläger und der Zeuge F. bereits seit dem Jahr 2004 kennen, erklärt zur Überzeugung des Gerichts auch, warum sich der Zeuge als Vermittler in einem Massengeschäft gerade an den Kläger als Kunden erinnern konnte.
bb) Es verbleibt allerdings der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit, da sich für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer bei der auch nur oberflächlichen Lektüre der Frage nach dem Bestehen einer durch einen Arzt diagnostizierten dauerhaften körperlichen Veränderung oder Funktionsbeeinträchtigung die Angabe der Gonanthrose IV. Grades geradezu aufdrängen musste, selbst wenn weder ausdrücklich nach Kniebeschwerden noch nach Gonathrosen gefragt wurde.
Der Kläger wusste, dass er zwei in höchstem Maße geschädigte Kniegelenke hat. Er hatte sich zudem zum Zeitpunkt der Antragsstellung bereits für die Implantation eines künstlichen Kniegelenks entschieden. Indem er dennoch davon ausging, dass die Beklagte hiervon keine Kenntnis haben möchte, hat er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonderem Maße außer Acht gelassen.
c) Die Beklagte durfte daher, da sie ihr Vertragsanpassungsrecht rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist des § 21 Abs. 1 VVG ausgeübt und den Kläger im Neuantrag vom 04.10.2016 auch durch gesonderte Mitteilung auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat, den Leistungsausschluss nachträglich mit Wirkung ex tunc in den Versicherungsvertrag einfügen.
II.
Die zulässige Feststellungsklage unter Klageantrag Ziffer 2.) ist begründet, da der Versicherungsvertrag weder aufgrund der Arglistanfechtung der Beklagten gemäß § 22 VVG, §§ 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB nichtig noch aufgrund einer Kündigung des Klägers nach § 19 Abs. 6 VVG beendet ist.
1.) Die von der Beklagten erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB beendete den Vertrag nicht.
Nach oben Gesagtem hat der Kläger der Beklagten die diagnostizierte Gonathrose IV. Grades nicht wissentlich und willentlich und damit erst recht nicht arglistig verschwiegen. Dem Kläger ist lediglich grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, was aber kein Anfechtungsrecht begründet (BeckOK BGB/Wendtland, 53. Ed. 1.2.2020, § 123 BGB Rn. 17 ff. m.w.N.).
2.) Auch hat der Kläger den Versicherungsvertrag nicht mit Schreiben vom 14.12.2017 nach § 19 Abs. 6 VVG gekündigt.
Zwar stand dem Kläger infolge der rückwirkenden Einfügung eines Leistungsausschlusses ein solches Kündigungsrecht zu. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten hat der Kläger hiervon in seinem Schreiben vom 14.12.2017 aber keinen Gebrauch gemacht. Aus der Formulierung „Der abgeänderte Versicherungsvertrag wird daher nicht angenommen. Es verbleibt bei dem ursprünglichen Vertrag, den unser Mandant damals abgeschlossen hat.“ ist nach §§ 133, 157 BGB bereits aufgrund des Wortlauts für einen objektiven Empfänger ohne weiteres verständlich, dass sich der Kläger nicht gänzlich vom Versicherungsvertrag lösen wollte, sondern sich nur gegen die nachträgliche Abänderung des Vertrages wendete.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 709 ZPO.
IV.
Der Streitwert bemisst sich gemäß §§ 3, 9 ZPO nach dem 3,5-fachen Jahreswert der Rentenleistungen (hier in Höhe von 1.000,00 €) abzüglich eines 20%igen Feststellungsabschlags (Neuhaus/ders., Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Aufl. 2020, Kapitel 19 Rn. 9 m.w.N.) und beläuft sich demzufolge auf 33.600,00 € (= 12 x 3,5 x 1.000 € x 0,8).