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Fiktive Abrechnung nach einem Verkehrsunfall unwirksam?

Schadensregulierung ohne Reparatur – Praxis der fiktiven Abrechnung auf dem Prüfstand

Es kommt immer wieder vor, dass seitens des Bundesgerichtshofs gewisse Regelungen schlicht und ergreifend rechtlich gekippt werden. Das Verkehrsrecht ist in diesem Zusammenhang ein sehr gutes Beispiel, denn bislang galt die Schadensregulierung nach einem Verkehrsunfall als eindeutig geregelt. Der Haftpflichtversicherungsgeber von dem Unfallverursacher trägt die Reparaturkosten von der geschädigten Person. Es gab in diesem Zusammenhang jedoch auch die Problematik, dass eine geschädigte Person überhaupt nicht den Willen nach einer Reparatur des Schadens an dem Fahrzeug verspürte. Dies führte jedoch nicht dazu, dass die geschädigte Person automatisch auf die Reparaturkosten als Entschädigung an sich verzichten musste. Das Prinzip der fiktiven Abrechnung war hierfür gängig.

Dem reinen Grundprinzip nach funktionierte die fiktive Rechnung auf der Grundlage, dass die geschädigte Person von dem Versicherungsgeber des Unfallverursachers denjenigen Betrag erhalten hat, welcher durch die Reparatur des Fahrzeugschadens auch tatsächlich entstanden wäre. Diesbezüglich gab es jedoch durchaus auch Stolperfallen.

Die fiktive Abrechnung im Detail

Sollte eine geschädigte Person den Schaden an dem eigenen Fahrzeug selbst reparieren oder auf den Verzicht der Reparatur erklären, so kann dennoch seitens der geschädigten Person ein Schadensersatz von der unfallverursachenden Person verlangt werden. Um diesen Schadensersatzanspruch beziffern zu können, ist die sogenannte fiktive Abrechnung maßgeblich. Diese fiktive Abrechnung muss von der geschädigten Person erstellt werden. Hierbei gilt es jedoch zu beachten, dass bei Weitem nicht alle Positionen auch wirklich in einer fiktiven Abrechnung auftauchen dürfen.

Die Kosten für einen Gutachter zur Feststellung der Schadenshöhe bzw. Ermittlung der fiktiven Reparaturkosten können auf jeden Fall in einer fiktiven Abrechnung auftauchen. Das Kfz-Gutachten ist sogar zwingend erforderlich, da es ja im Zusammenhang mit einem Verzicht auf eine Reparatur auch keine Werkstattrechnung oder Reparaturbestätigung geben kann.

Wie wird die fiktive Abrechnung bei dem Versicherungsgeber geltend gemacht?

Schadensregulierung Verkehrsunfall - Fiktive Abrechnung
Nach einem Autounfall lassen die meisten Betroffenen den Schaden am Fahrzeug in einer Autowerkstatt reparieren. In manchen Fällen verzichten die Geschädigten jedoch auf eine Reparatur in einer Werkstatt, weil sie zum Beispiel die Reparatur selber durchführen können. Die Praxis der fiktiven Abrechnung stand nun unter der Lupe des BGH. (Symbolfoto: AK-GK Studio/Shutterstock.com)

Als erster Schritt für die fiktive Abrechnung ist zunächst ein Gutachten zwingend erforderlich. In diesem Gutachten werden die Reparaturkosten der Höhe nach beziffert. Das Gutachten geht dabei stets von einer vollständigen Instandsetzung aller entstandenen Unfallschäden, die auch auf den Unfall zurückzuführen sind, aus. Der Unterschied zwischen einer sogenannten konkreten Abrechnung und einer fiktiven Abrechnung ist dementsprechend überhaupt nicht groß. Im Gegensatz zu einer konkreten Abrechnung, welche auf Werkstattrechnungen beruht, bezieht sich die fiktive Abrechnung lediglich auf ein Kfz-Gutachten, in welchem die zu erwartenden Werkstattrechnungen gutachterlich bestätigt werden.

In der gängigen Praxis haben häufig die Versicherungsgeber der unfallverursachenden Person die Gutachter vorgeschlagen. Mit einem derartigen Gutachter muss sich jedoch die geschädigte Person nicht zwangsläufig zufriedengeben. Eine unfallgeschädigte Person hat durchaus das Recht darauf, das Gutachten von einem Gutachter der eigenen Wahl erstellen zu lassen.

Der Gutachter muss qualifiziert sein

Es ist jedoch nicht so, dass eine unfallgeschädigte Person ein Gutachten von jeder beliebigen Person erstellen lassen kann. Der Gutachter musste vielmehr die entsprechende Qualifikation hierfür besitzen und zudem auch über den Titel „öffentlich bestellter sowie vereidigter Sachverständiger“ verfügen und in der Lage sein, den entsprechenden Sachkundenachweis führen zu können. In der gängigen Praxis wurde daher sehr häufig ein Gutachten von der DEKRA oder auch von dem TÜV bzw. freiberuflichen Sachverständigen als Grundlage für die fiktive Abrechnung genommen.

Als Ausnahme galt stets der sogenannte „Bagatellschaden“. Bei derartig kleinen Schäden konnte auch ein Kostenvoranschlag von einer Kfz-Werkstatt als Basis für die fiktive Abrechnung dienen und bei der gegnerischen Versicherung eingereicht werden.

Diese Posten konnten in eine fiktive Abrechnung aufgeführt werden

  • die Reparaturkosten für die Unfallschäden auf der Basis des Gutachtens
  • der Nutzungsausfall für das beschädigte Fahrzeug (im Zeitraum der Reparatur)
  • alternativ zu dem Nutzungsausfall: die Kosten für ein Mietfahrzeug
  • Rechtsanwaltskosten, falls diese für die Durchsetzung der Ansprüche erforderlich werden
  • Gutachterkosten

Mit Ausnahme der Rechtsanwalts- sowie auch Gutachterkosten durfte eine geschädigte Person bei den Posten Reparaturkosten lediglich die Netto-Beträge geltend machen, da die Reparatur ja nicht erfolgt ist und dementsprechend auch keine Steuer auf die Reparaturrechnung zu entrichten war.

Wann war die fiktive Abrechnung überhaupt möglich?

Die fiktive Abrechnung war lediglich dann nach einem entstandenen Verkehrsunfall möglich, wenn bei dem Fahrzeug der geschädigten Person kein Totalschaden festgestellt wurde. Von dem Totalschaden wurde stets dann gesprochen, wenn die zu erwartenden Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert um 130 Prozent übersteigen. Als Wiederbeschaffungswert wurde dabei die Summe veranschlagt, welche für ein gleichwertiges Fahrzeug des Fahrzeugs vor dem Verkehrsunfall erforderlich gewesen wäre. Sollte eine geschädigte Person nunmehr eine Rechnung bei der gegnerischen Versicherung einreichen, welche den Wiederbeschaffungswert um 130 Prozent überstiegt, so konnte die gegnerische Versicherung eine Leistungsverweigerung vornehmen. In derartigen Fällen hätte die geschädigte Person lediglich den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs vor dem Verkehrsunfall als Schadensersatz erhalten. Von dem Wiederbeschaffungswert wurde dann zudem auch noch der Restwert von dem durch den Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeug in Abzug gebracht.

Die Praxisproblematiken bei der fiktiven Abrechnung

Die fiktive Abrechnung ist in der gängigen Praxis nicht gänzlich ohne Schwierigkeiten. Zumeist entstehen diese Schwierigkeiten bei der Bezifferung der Reparaturkostenhöhe. Ein Gutachter nimmt als Basis für die Reparaturkosten in der gängigen Praxis den Stundensatz von einer sogenannten Markenwerkstatt. Eine Markenwerkstatt ist jedoch in der gängigen Praxis durchaus merklich teurer als eine sogenannte „freie“ Werkstatt. Dementsprechend erfolgte häufig seitens der Versicherungsgeber der unfallverursachenden Person der Hinweis, dass es auf dem Markt für die Reparatur des Fahrzeugs auch günstigere Angebote gibt. Eine Streichung der Leistung war in der Regel die Folge. Als Grundlage für diese Maßnahme nahmen die Versicherer stets die Grundsätze der Schadensminderungspflicht der geschädigten Person im Zusammenhang mit dem Bereicherungsverbot.

BGH erklärt diese Abrechnungsmethode unter gewissen Umständen für unwirksam

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich jüngst mit der Frage der fiktiven Abrechnung beschäftigt und diese unter gewissen Umständen für unwirksam erklärt. Konkret ging es um einen Fall, in welchem die geschädigte Person nach einem Unfall das eigene Fahrzeug lediglich auf notdürftige Art und Weise in vollständiger Eigenregie reparierte. Das Ziel dieser Maßnahme war, dass das Fahrzeug nach der notdürftigen Reparatur auf dem Markt für Gebrauchtfahrzeuge für einen besseren Preis verkauft werden konnte. Der Aufwand der geschädigten Person betrug dabei 999,95 Euro als Umsatzsteuer.

Der BGH erklärte daraufhin, dass in derartigen Konstellationen eine unzulässige Vermischung von einer fiktiven Abrechnung sowie einer konkreten Schadensberechnung vorliegt und dass diese Praxis rechtlich als unzulässig bewertet werden muss. Die Richterinnen und Richter an dem BGH unterstrichen, dass eine Abrechnung von einer geschädigten Person gegenüber der gegnerischen Versicherung entweder auf der Basis der fiktiven Abrechnung oder auf der Basis einer konkreten Schadensabrechnung zu erfolgen hat. Zwischen diesen beiden Abrechnungsmethoden kann es laut BGH nichts geben. Eine geschädigte Person muss sich also dementsprechend vor der Abrechnung mit der Versicherung der unfallverursachenden Person entscheiden, auf welche Art und Weise die Abrechnung erfolgen soll. Überdies wurde von dem BGH auch deutlich gemacht, dass im Fall einer fiktiven Abrechnung stets die Preise zugrunde gelegt werden müssen, welche zum Zeitpunkt der Erstellung eines entsprechenden Gutachtens auch tatsächlich Gültigkeit hatten. Preiserhöhungen von Vergleichswerkstätten, auf die sich die geschädigte Person im Zusammenhang mit einer fiktiven Abrechnung beim Vorliegen von ganz bestimmten Rahmenkriterien von der Versicherung der unfallverursachenden Person verweisen lässt, dürfen sich nicht zum Vorteil der geschädigten Person auswirken.

Auch nach der Entscheidung des BGH wird deutlich, dass die fiktive Abrechnung weiterhin für Streitigkeiten zwischen einer unfallgeschädigten Person und einem Versicherungsgeber einer unfallverursachenden Person sorgen wird. Sofern dies der Fall ist, sollte eine unfallgeschädigte Person jedoch nicht versuchen, diese Streitigkeit in Eigenregie zu lösen. Vielmehr ist der Gang zu einem erfahrenen Rechtsanwalt für Verkehrsrecht der erheblich bessere und erfolgversprechendere Weg, da auf diese Weise die eigenen Ansprüche erheblich zielgerichteter und schneller durchgesetzt werden können.

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