Rechtliche Auseinandersetzung um Krankentagegeld und Berufsunfähigkeit
Der vorliegende Fall dreht sich um einen Kläger, der von seiner Krankenversicherung, der Beklagten, die Zahlung von Krankentagegeld verlangt. Der Kläger ist seit 1963 bei der Beklagten krankenversichert und hat seit Dezember 1968 einen Anspruch auf Krankentagegeld in Höhe von täglich 50 DM. Die Tarifbedingungen der Versicherung besagen, dass der Versicherungsschutz bei Eintritt der Berufsunfähigkeit nach sechs Monaten endet. Berufsunfähigkeit wird definiert als eine Erwerbsunfähigkeit von mehr als 50% auf nicht absehbare Zeit.
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Übersicht
Zahlungsrückstände und gesundheitliche Probleme
Im Januar 1974 gab es Zahlungsrückstände des Klägers bezüglich der Prämien für Dezember 1973 und Januar 1974. Diese wurden im Februar 1974 beglichen. Weitere Zahlungsrückstände für die Monate Februar bis Mai 1974 wurden durch einen Scheck des Klägers im Mai 1974 beglichen. Im selben Monat zeigten sich beim Kläger gesundheitliche Probleme, die zu einer Krankenhauseinweisung führten. Ende Mai 1974 wurde eine Leberoperation durchgeführt.
Feststellung der Berufsunfähigkeit
Im Oktober 1974 stellte ein Professor fest, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt 100% arbeitsunfähig war und voraussichtlich bis Ende 1974 in diesem Zustand bleiben würde. Es wurde auch festgestellt, dass der Kläger sowohl arbeitsunfähig als auch berufsunfähig war. Die Beklagte stellte daraufhin die Zahlung des Krankentagegeldes zum 30.11.1974 ein und berief sich auf die Tarifbedingungen, die besagen, dass der Versicherungsschutz bei Eintritt der Berufsunfähigkeit nach sechs Monaten endet.
Differenzen in der Interpretation
Der Professor, der die Berufsunfähigkeit festgestellt hatte, erklärte später, dass er nicht den Beginn einer dauerhaften Erwerbs- und Berufsunfähigkeit festgelegt hatte. Er betonte, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt natürlich arbeitsunfähig war, aber nicht dauerhaft berufsunfähig. Ein weiteres medizinisches Gutachten im Jahr 1976 stellte fest, dass der Kläger nur eingeschränkt arbeitsfähig war und nur ruhige Büroarbeit für maximal 2-3 Stunden täglich ausüben konnte.
Klage und Argumentation
Der Kläger verlangte die Zahlung des Krankentagegeldes für Dezember 1974 und Januar 1975 und argumentierte, dass die Beklagte sich nicht darauf berufen könne, dass er zur Zeit der Erkrankung aus medizinischer Sicht auf nicht absehbare Zeit mehr als 50% erwerbsunfähig gewesen sei. Er betonte, dass der Begriff „auf nicht absehbare Zeit“ unklar sei und diese Unklarheit zu Lasten der Beklagten gehen müsse. Der Kläger forderte insgesamt 3.100 DM zuzüglich Zinsen. Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.
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Das vorliegende Urteil
AG Wuppertal – Az.: 10 O 461/75 – Urteil vom 15.10.1976
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Krankentagegeld in Anspruch. Er ist bei der Beklagten seit 1963 krankenversichert; seit Dezember 1968 erstreckt sich der Versicherungsschutz auch auf Zahlung von Krankentagegeld in Höhe von täglich 50,– DM nach dem Tarif KT 15. In den Tarifbedingungen (KTB) heißt es in Ziffer 16. unter dem Titel „Beendigung des Versicherungsvertrages aus anderen Gründen“ in Absatz (2) mit dem Untertitel „Berufsunfähigkeit“:
„Wird ein Versicherter berufsunfähig, endet insoweit der Versicherungsvertrag mit Ablauf des sechsten Monats nach Eintritt der Berufsunfähigkeit. Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50% erwerbsunfähig ist.
Der Eintritt der Berufsunfähigkeit ist dem Verein unverzüglich anzuzeigen“.
Unter dem 7.1.1974 mahnte die Beklagte beim Kläger unter Belehrung gemäß § 39 VVG Prämien für Dezember 1973 und Januar 1974 an; weitere Mahnung erfolgte am 24.1.1974 bezüglich der vorgenannten Prämien. Diesen Rückstand beglich der Kläger Anfang Februar 1974. Am 7.3.1974 mahnte die Beklagte in Bezug auf die Prämien für Februar und März 1974 sowie am 6.5.1974 für den Zeitraum Februar bis Mai 1974.
Letztgenannten Rückstand beglich der Kläger durch Hingabe eines Schecks, den er am 12.5.1974 absandte.
Im selben Monat – nach der Darstellung des Klägers am 24., nach der der Beklagten bereits am 12. Mai – zeigten sich beim Kläger Übelkeit und Erbrechen, wobei das Erbrochene stark blutig war. In der Folgezeit wurde der Kläger in ein Krankenhaus eingeliefert, und zwar nach Darstellung des Klägers zunächst in das Krankenhaus H.-O., sodann in die Abteilung von Professor Dr … an der Medizinischen Hochschule H. .
Am 27.5.1974 nahm Professor Dr S. an dem Kläger eine Leberoperation vor (Shuntoperation nach Varizenblutung). Mit Schreiben vom 31.10.1974 antwortete Professor … der Beklagten auf deren entsprechende Anfrage unter anderem:
„1. ZZt besteht eine Arbeitsunfähigkeit von 100%.
2. Dieser Grad der Minderung der Arbeitsfähigkeit besteht seit 27.5.1974.
3. Herr … ist voraussichtlich noch bis Ende 1974 100% arbeitsunfähig.
4. Es besteht bei … eine komplette Leberzirrhose:
Zustand nach Shuntoperation wegen Varizenblutung.
5. ZZt ist Herr … sowohl arbeitsunfähig wie berufsunfähig. Es läßt sich jedoch erwarten, daß im Laufe des Jahres 1975 eine eingeschränkte Erwerbsfähigkeit wieder hergestellt wird.
6. Von uns wurde die Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit erstmals am 27.5.1974 festgestellt.
7. Nach Mitteilung von … ist ein Rentenantrag gestellt“.
Mit Schreiben vom 14.11.1974 verweigerte die Beklagte, die zunächst Krankentagegeld gezahlt hatte, dem Kläger mit Wirkung vom 30.11.1974 an weitere Tagegeldzahlungen mit der Begründung, beim Kläger bestehe seit dem 27.5.1974 Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit. Für die Beendigung der Versicherung zum 30.11.1974 berief sich die Beklagte dabei auf Ziffer 16.(2) KTB.
Unter Bezugnahme auf dieses Schreiben schrieb Professor Dr S. unter dem 25.11.1974 an die Beklagte:
„Ihrem og Schreiben an … muß ich entnehmen, daß Sie meine Antwort auf Frage 6 zu Ihrem Schreiben vom 23.10.1974 anders interpretieren als es von mir verstanden werden sollte.
Ab 27.5.1974 lag … wegen einer schweren Blutung in unserer Klinik. Bei diesem schweren Krankheitsbild war er zu diesem Zeitpunkt und bis jetzt noch andauernd natürlich arbeitsunfähig und erwerbsunfähig. Daß von mir hiermit nicht der Beginn einer Dauererwerbsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit festgelegt wurde, geht klar aus meiner Antwort zu Ihrer Frage 5 hervor.
Im übrigen wurde Ende Okt 1974 … wegen seines Rentenantrags amtsärztlich untersucht. Ich bitte, dem Befund dieser amtsärztlichen Untersuchung nicht vorzugreifen“.
Der letzte Absatz eines Schreibens vom 19.6.1975, in dem Professor … auf Bitten des Klägers einen Bericht über den Verlauf der Erkrankung gab, lautet:
„Aufgrund des bisherigen Verlaufes ist anzunehmen, daß in absehbarer Zeit wieder Arbeitsfähigkeit und Erwerbsfähigkeit eintritt“.
Am 19.9.1974 stellte der Kläger einen Rentenantrag bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Das medizinische Fachgutachten zum Rentenantrag, von Dr med … auf eine Untersuchung vom 25.10.1974 hin erstellt, endet mit der Feststellung:
„Das Leistungsvermögen im Erwerbsleben ist praktisch aufgehoben. Auch durch Heilbehandlung nach § 13 AVG wird keine wesentliche Besserung zu erzielen sein. Arbeiten von wirtschaftlichem Wert können regelmäßig nicht mehr erbracht werden. Die Leistungseinbuße besteht seit Mai 1974, dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit“.
In einem weiteren freien internistischen Fachgutachten zum Rentenantrag, von Dr med … unter dem 15.4.1976 erstellt, heißt es unter anderem:
„Das Leistungsvermögen ist deutlich eingeschränkt. Jegliche körperliche Belastung – auch häufiges Autofahren – muß unterbleiben.
Eine ruhige Arbeit im Büro ohne Hetze und Streß könnte der Versicherte noch ausüben. Bei der für die Leberzirrhose typischen schnellen Ermüdbarkeit, auch bei geistiger Tätigkeit, ist ihm eine derartige Büroarbeit nur für höchstens 2 – 3 Stunden täglich zuzumuten. Für die bisher ausgeübte Tätigkeit besteht Erwerbsunfähigkeit.
Da der Ablauf der Gesundheitsschädigung sich nicht sicher voraussagen läßt, ist eine Nachuntersuchung in einem Jahr angezeigt“.
Die Beklagte hat die Zahlung von Krankentagegeld zum 30.11.1974 eingestellt; mit Schreiben vom 7.1.1975 bestätigte sie dem Kläger diese Entscheidung als endgültig.
Der Kläger behauptet, er nehme wegen des Ausfalls des Krankentagegeldes Bankkredit in Höhe des begehrten Zinssatzes in Anspruch.
Er ist der Ansicht, die Beklagte könne sich nicht erfolgreich darauf stützen, er sei zur Zeit der Erkrankung aus medizinischer Sicht auf nicht absehbare Zeit mehr als 50% erwerbsunfähig gewesen. Zum einen ergebe sich insbesondere aus der erläuternden Stellungnahme des Professor … , daß der Wiedereintritt der vollen Erwerbsfähigkeit des Klägers abzusehen sei. Zum anderen sei der Begriff „auf nicht absehbare Zeit“ unklar; es sei nicht durch Auslegung zu ermitteln, was „absehbar“ sei. Diese Unklarheit müsse zu Lasten der Beklagten gehen.
Der Kläger macht als Teilbetrag die Zahlung des Krankentagegeldes für die Monate Dezember 1974 und Januar 1975 geltend.
Er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn
3.100,– DM zuzüglich 8,5% Zinsen von
1.550,– DM seit dem 1.1.1975 und von
1.550,– DM seit dem 1.2.1975 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, ihr Vollstreckungsnachlaß zu gewähren.
Sie beruft sich wie in der vorprozessualen Korrespondenz der Parteien darauf, der Kläger sei aus damaliger Sicht auf nicht absehbare Zeit mehr als 50% erwerbsunfähig gewesen.
Im übrigen trägt die Beklagte vor, sie sei schon deshalb leistungsfrei, weil der Kläger seit der qualifizierten Mahnung vom 24.1.1974 im Verzug gemäß § 39 VVG gewesen sei.
Desweiteren sei Leistungsfreiheit deshalb gegeben, weil das Begehren des Klägers treuwidrig sei. Der Kläger habe nämlich im Mai 1974 wegen und in Kenntnis des bevorstehenden Versicherungsfalles die rückständigen Prämien gezahlt.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher Aussagen der Zeugen … und Professor … sowie Beiziehung der Rentenakten des Klägers bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte sowie durch Einholung einer Auskunft bei dieser Anstalt.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie der sonstigen Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die Beklagte ist aufgrund der vertraglichen Bestimmung der Ziffer 16.(2) KTB von der vertraglichen Leistungspflicht befreit.
Der Kläger war ab Mai 1974 berufsunfähig im Sinne der vorgenannten Bestimmung, dh nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50% erwerbsunfähig.
Zu dieser Überzeugung ist die Kammer aufgrund der Beweisaufnahme gelangt.
Zunächst teilt das Gericht die Bedenken des Klägers bezüglich der Auslegungsfähigkeit des Merkmals „auf nicht absehbare Zeit“ nicht. Vielmehr ist die Kammer der Auffassung, daß dieser Begriff hinreichend klar ist.
Ein Versicherungsnehmer ist in dem von ihm bisher ausgeübten Beruf nach medizinischem Befund „auf nicht absehbare Zeit“ mehr als 50% erwerbsunfähig, wenn er zZt der Erhebung des medizinischen Befundes mehr als 50% erwerbsunfähig ist und wenn aus ärztlicher Sicht entweder nicht gesagt werden kann, ob der Versicherungsnehmer überhaupt jemals wieder eine Erwerbsfähigkeit von wenigstens 50% erlangen wird, oder wenn die Wiedererlangung einer Erwerbsfähigkeit von wenigstens 50% zwar zu erwarten steht, aus ärztlicher Sicht aber nicht – auch nicht ungefähr – gesagt werden kann, wann die Wiedererlangung einer Erwerbsfähigkeit von wenigstens 50% eintreten wird. Im Falle des Klägers läßt sich schon nicht sagen, ob er überhaupt jemals eine Erwerbsfähigkeit von mehr als 50% wiedererlangen wird.
Dies ergibt sich insbesondere aus dem medizinischen Fachgutachten des Dr … zum Rentenantrag des Klägers. Abschließend zu seinem Gutachten stellt Dr med … fest, daß „Arbeiten von wirtschaftlichem Wert regelmäßig nicht mehr erbracht werden“ können. Dies bedeutet nicht nur Eintritt der Berufsunfähigkeit im Sinne der Ziffer 16. (2) KTB, sondern sogar eine Dauererwerbsunfähigkeit.
In seiner schriftlichen Zeugenaussage hat … sich im wesentlichen auf das in der Rentenakte befindliche Fachgutachten bezogen; daß er im nachhinein eine andere medizinische Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit des Klägers aus damaliger Sicht heraus befürwortet, ist nicht ersichtlich.
Damit hat … bereits eine über die gemäß Ziffer 16. (2) KTB lediglich erforderliche Negativfeststellung hinausgehende Prognose gestellt, nämlich die der Dauererwerbsunfähigkeit.
Hiermit ist unzweifelhaft festgestellt, daß der Kläger aus damaliger medizinischer Sicht zum Zeitpunkt des Eintritts der – für Mai 1974 unbestrittenen – Berufsunfähigkeit auch in Zukunft für den ausgeübten Beruf erwerbsunfähig sein werde.
Es ist auch nicht ersichtlich, daß … dieser Prognose unzutreffende Voraussetzungen zugrundegelegt hätte. Denn es ist unstreitig, daß die Krankheitssymptome, die er in die Anamnese nach Angaben des Klägers aufgenommen hat, beim Kläger tatsächlich vorgelegen hatten; gleiches gilt für die erfolgte operative Behandlung.
Schließlich ist auch nicht etwa dargetan, daß der Schluß, den … auf Grundlage der Krankheitsgeschichte des Klägers zog, medizinisch aus damaliger Sicht nicht haltbar gewesen sei. Wenn der Kläger nunmehr vorträgt, er sei mittlerweile wieder berufstätig, so steht das dem Vorgesagten nicht entgegen. Denn, wie sich aus der Fassung und dem Sinn der Ziffer 16. (2) KTB ergibt, ist auf den Eintritt der Krankheit als entscheidenden Zeitpunkt zur Stellung der Prognose bezüglich der Erwerbsunfähigkeit abzustellen.
Berufsunfähigkeit des Klägers im Sinne der Ziffer 16. (2) KTB selbst noch zum Zeitpunkt, da die Klage bereits anhängig war, nämlich zum 13.4.1976, konstatiert auch Dr … , der den Kläger an diesem Tage zur Erstellung eines zweiten Fachgutachtens zur Rentenakte untersucht hat.
Nach dessen Ausführungen konnte der Kläger zu diesem Zeitpunkt – fast ein Jahr nach der Erkrankung – selbst „eine ruhige Arbeit im Büro ohne Hetze und Streß“ „nur für höchstens 2 – 3 Stunden täglich“ ausüben. Gemessen an der üblichen Arbeitszeit von 8 Stunden täglich stellt dies eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit im Beruf von deutlich mehr als 50% dar.
Ausweislich des letzten Absatzes seines Gutachtens sah sich Dr … nicht in der Lage, den weiteren Verlauf der Gesundheitsschädigung sicher vorherzusagen. Dies aber bedeutet nichts anderes, als daß er aus seiner – dh medizinischer – Sicht nicht absehen konnte, ob, wie und wann sich das Krankheitsbild des Klägers ändern würde; für Dr … war mithin ein Ende der mehr als 50%-igen Erwerbsunfähigkeit des Klägers nicht abzusehen.
Schließlich stehen auch die Ausführungen von Professor … , dem behandelnden Arzt des Klägers, der Annahme der Berufsunfähigkeit im Sinne der Ziffer 16. (2) KTB nicht entgegen.
Dessen Ausführungen in seiner schriftlichen Aussage können – wie auch schon sein erstes Schreiben vom 31.10.1974 und die weiteren Schreiben an die Beklagte sowie an den Kläger – nur insoweit im Sinne des Klägers verstanden werden, als Professor … eine Dauererwerbsfähigkeit nicht konstatieren wollte. Eine solche aber ist, wie sich aus der Definition des Begriffes der Berufsunfähigkeit in den Tarifbedingungen ergibt, nicht erforderlich.
Was die Frage der Unabsehbarkeit der Besserung der mehr als 50%-igen Erwerbsunfähigkeit angeht, ergibt die Aussage von Professor … allerdings nichts. Denn hinsichtlich dieser Frage hat er sich nicht festgelegt; seine Feststellung, der Kläger sei weder absolut erwerbsunfähig noch berufsunfähig, gibt keinen Anhaltspunkt zum Grade der vorhandenen Erwerbsfähigkeit.
Auch wenn Professor … unter dem 19.6.1975 schrieb, es sei anzunehmen, daß in absehbarer Zeit wieder Arbeitsfähigkeit und Erwerbsfähigkeit eintrete, so hat er sich zwar des Wortes „absehbar“ bedient. Jedoch ergibt sich aus dem klaren Wortlauf dieses Satzes, daß Professor … hier lediglich eine Vermutung ( … ist anzunehmen … ) äußerte; daß er tatsächlich konstatieren wollte, eine Besserung der Erwerbsfähigkeit sei abzusehen, ist nicht zu erkennen. Zudem hat sich Professor … auch hier nicht zum Grade einer möglichen Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit des Klägers geäußert.
Nach alledem endete der Versicherungsvertrag gemäß Ziffer 16. (2) KTB bereits ein halbes Jahr nach Eintritt der Berufsunfähigkeit des Klägers im Sinne dieser Vorschrift; die Beklagte wurde aus diesem Grunde leistungsfrei. Mithin kann die Frage, ob der Kläger in Kenntnis des Versicherungsfalls die rückständigen Prämien zahlte oder bereits aus Gründen reinen Zeitablaufs bei Eintritt des Versicherungsfalls noch im Zahlungsverzug war, dahinstehen.