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Krankentagegeldversicherung – Leistungen aus privater Berufsunfähigkeitsversicherung

LG Köln – Az.: 23 O 284/17 – Urteil vom 25.04.2018

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 48.756,00 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.12.2016 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückzahlung von Krankentagegeldleistungen in Anspruch.

Der am … 1961 geborene Beklagte unterhält bei der Klägerin eine private Krankentagegeldversicherung nach dem Tarif KTNA42 mit einer Karenzzeit von 42 Tagen und einem Tagessatz von 204,00 EUR. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankentagegeldversichersicherung, Teil I Rahmenbedingungen RB/KT 2009 sowie Teil II Tarifbedingungen TB/KT 2009, zu Grunde. In § 8 Abs. 2 der AVB ist Folgendes bestimmt:

㤠8 Ende des Versicherungsschutzes

[…]

(2) Der Versicherungsschutz endet ebenfalls mit Wegfall einer im Tarif bestimmten Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit, mit Eintritt der Berufsunfähigkeit oder mit Bezug einer Berufsunfähigkeits- oder Erwerbsunfähigkeitsrente (§19 Abs. 1 a) bis c)).“

§ 19 Abs. 1 lit. c) der AVB enthält zudem folgende Regelung:

„§ 19 Sonstige Beendigungsgründe

(1) Das Versicherungsverhältnis endet hinsichtlich der betroffenen versicherten Person

[…]

a) mit dem Bezug einer Berufsunfähigkeits- oder Erwerbsunfähigkeitsrente. “

Ferner hat nach § 15 S. 1 der AVB der Versicherungsnehmer den Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente unverzüglich anzuzeigen. Nach Satz 2 dieser Regelung sind in dem Fall, dass der Versicherer von dem Eintritt dieses Ereignisses erst später Kenntnis erlangt, beide Teile verpflichtet, die für die Zeit nach Eintritt des Ereignisses empfangenen Leistungen, soweit sie nicht vertraglich geschuldet sind, einander zurück zu gewähren.

Nachdem der Beklagte arbeitsunfähig erkrankte, zahlte die Klägerin nach Ablauf der Karenzzeit zunächst bedingungsgemäß das vereinbarte Krankentagegeld.

Mit Schreiben vom 24.10.2016 teilte die … Lebensversicherung dem Beklagten mit, diesem rückwirkend ab dem 01.08.2015 eine Berufsunfähigkeitsrente aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung zu gewähren.

Nachdem die Klägerin davon im November 2016 Kenntnis erlangt hat, forderte sie den Beklagten unter Bezug auf § 8 Abs. 2 und § 19 Abs. 1 c) i. V. m. § 15 RB/KT 2009 zur Rückzahlung der geleisteten Krankentagegelder für den Zeitraum vom 30.10.2015 bis zum 27.06.2016 in Höhe von insgesamt 48.756,00 € auf. Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.12.2016 wies der Beklagte den geltend gemachten Zahlungsanspruch der Klägerin zurück.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Krankentagegeldvertrag sei durch den rückwirkenden Leistungsbezug von der … Lebensversicherung nach Ablauf des dreimonatigen Nachleistungszeitraums mit dem 01.11.2015 beendet.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 48.756,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.12.2016 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, er sei nicht berufsunfähig und dies auch nie gewesen. Die … leiste allein aufgrund ununterbrochener, länger als 6 Monate bestehender Arbeitsunfähigkeit. Ferner seien von § 19 Abs. 1 c) AVB ausschließlich Rentenzahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, nicht jedoch Leistungen aus einem rein privatrechtlichen Versicherungsverhältnis erfasst. Ohnehin verstießen die Regelungen in den AVB gegen §§ 3, 9 AGBG. Die Einstellung der Krankentagegeldzahlung sei aufgrund der Höhe der Berufsunfähigkeitsrente zudem unverhältnismäßig. Ferner erhebt der Beklagte den Einwand der Entreicherung und behauptet, sämtliche Zahlungen seien zur Sicherung des Lebensunterhalts bereits verbraucht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet.

1.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung von Krankentagegeld in Höhe von 48.756,00 € für den geltend gemachten Zeitraum (239 Tage x 204,00 EUR = 48.756,00 EUR) aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Krankentagegeldvertrag i.V.m. § 15 S. 2 RB/KT 09. Die Klägerin war aufgrund des zeitgleichen Bezugs von Berufsunfähigkeitsrenten durch den Beklagten nicht leistungspflichtig.

Nach § 19 Abs. 1 lit. c) AVB endet das Versicherungsverhältnis u.a. mit dem Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente. Die Leistungen der … Lebensversicherung stellen nach Auffassung der Kammer Rentenzahlungen im Sinne dieser Tarifbedingungen dar, auch wenn sie der Beklagte aufgrund seiner mehr als sechs Monate andauernden Arbeitsunfähigkeit erhalten hat (so auch OLG Hamm, Hinweisbeschl. v. 10.02.2016 – I-20 U 204/15).

Die Regelung in § 19 Abs. 1 lit. c AVB ist dahingehend auszulegen, dass auch der Rentenbezug wegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit im Sinne der Bedingungen des Berufsunfähigkeitsversicherers eine Beendigung der Krankentagegeldversicherung zufolge hat.

Wegen der denkbaren unterschiedlichen Regelungsmöglichkeiten in der Krankentagegeld- und Berufsunfähigkeitsversicherung wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer erkennen, dass eine „Rente wegen Berufsunfähigkeit“ auch in anderen Fallgestaltungen gewährt wird als in denen der nachgewiesenen Berufsunfähigkeit und, dass es maßgeblich auf den tatsächlichen Bezug einer Rente wegen Berufsunfähigkeit ankommt. Die Bedingung unterscheidet nach ihrem Wortlaut auch nicht zwischen dem Vorliegen einer tatsächlichen oder fingierten Berufsunfähigkeit. Die Beendigung wird vielmehr allein vom Bezug einer hierfür geleisteten Rente abhängig gemacht.

Im Übrigen lässt sich aus dem Sinn und Zweck der Regelung darauf schließen, dass ein Nebeneinander von Krankentagegeld- und Berufsunfähigkeitsleistungen nicht gewollt ist und eine mehrfache Absicherung des Verdienstausfalls als Folge gesundheitlicher Störungen unterbunden werden soll, sodass es auch unter diesem Aspekt nicht darauf ankommen kann, ob die Berufsunfähigkeitsrente aufgrund festgestellter oder fingierter Berufsunfähigkeit geleistet wird.

Aus den gleichen Gründen ist auch unerheblich, ob die Rente aus einer gesetzlichen Versicherung oder einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung bezogen wird. Auch der Erhalt einer Berufsunfähigkeitsrente aus einer privaten Versicherung führt deshalb zur Leistungsfreiheit des Versicherers (vgl. BGH VersR 89,392 = NJW-RR 89, 605; Prölss/Martin-Voit, WG, 30. Aufl. 2018, § 15 MB/KT, Rn. 18).

Die Regelung in § 19 Abs. 1 lit. c) der AVB ist auch wirksam. Sie hält einer Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB stand. Die Klägerin hat dem Beklagten – der Rechtsprechung des BGH entsprechend – den Abschluss einer Anwartschaftsversicherung in § 19 Abs. 2 RB/KT eingeräumt, so dass unter diesem Gesichtspunkt keine Unwirksamkeit der Bedingung gegeben ist.

Auch wird sich der um Verständnis bemühte Versicherungsnehmer durch die streitgegenständliche Tarifbedingung nicht unangemessen in seinen Rechten beschränkt sehen, da er es vielmehr durch etwaige Beantragung einer Berufsunfähigkeitsrente selbst in der Hand hat, seine Ansprüche aus den jeweiligen Versicherungsverhältnissen so geltend zu machen, dass der Verdienstausfall entweder über das Krankentagegeld oder über die Berufsunfähigkeitsrente im Rahmen der versicherten Summen kompensiert wird.

Das Argument des Beklagten, dass die Berufsunfähigkeitsrente verhältnismäßig gering sei, ändert an dieser Bewertung nichts. Es liegt bei der versicherten Person selbst, sich durch Renten angemessen absichern und den Rentenbetrag durch entsprechende Prämienzahlungen seinen Bedürfnissen anzupassen. Die Rechtsfrage mag anders zu beurteilen sein, wenn ein erhebliches Missverhältnis zwischen Rentenbezug und Krankentagegeld vorliegt. Dies ist hier indes nicht der Fall.

Der Beklagte beruft sich ferner auf Entreicherung und trägt vor, sämtliche Zahlungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts verwendet zu haben. Es kann dahinstehen, ob es sich überhaupt um einen bereicherungsrechtlichen Anspruch handelt, im Rahmen dessen sich der Beklagte auf Entreicherung berufen kann.

Selbst wenn man dies anders sieht, sind die vom Beklagten vorgetragenen Aufwendungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohnehin nur solche, die auch bei Ausbleiben der Zahlungen hätte machen müssen, so dass er diese anderweitig erspart hat und dementsprechend nicht entreichert ist.

2.

Die geltend gemachte Zinsforderung ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB. Im anwaltlichen Schreiben vom 06.12.2016 hat der Beklagte eine Leistung ernsthaft und endgültig im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB verweigert und befand sich mithin in Verzug.

3.

Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung auf Grund des Schriftsatzes der Klägerin vom 22.03.2018 zur Gewährung rechtlichen Gehörs war nicht geboten. Der Schriftsatz enthielt keinen entscheidungserheblichen neuen Sachvortrag; insbesondere wurde der erhobene Einwand des zwischenzeitlichen Eintritts einer Berufsunfähigkeit und des Bezugs einer Erwerbsunfähigkeitsrente bei der Entscheidung nicht berücksichtigt.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

III.

Der Streitwert wird auf 48.756,00 EUR festgesetzt.

 

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