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Kfz-Versicherung – Nichtzahlung Erstprämie und verschuldeter Verkehrsunfall – Regress

LG Erfurt – Az.: 8 O 672/19 – Urteil vom 04.11.2021

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 8.491,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13. Januar 2019 sowie 5,00 € vorgerichtliche Mahnkosten und 415,96 € Inkassokosten zu zahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die klagende Inkassogesellschaft verlangt von dem Beklagten – aus abgetretenem Recht und im Wege des Regresses – Zahlung von 8.491,13 €. Dem liegt eine entsprechende Regulierung der Zedentin, einer auf Kfz-Versicherungen spezialisierten Versicherungsgesellschaft, an einen Unfallgegner des Beklagten zu Grunde. Die Versicherung sah sich zur Leistung verpflichtet, auch wenn sie zwischenzeitlich – wegen Nichtzahlung der Erstprämie – vom Versicherungsvertrag zurückgetreten war.

Der Beklagte bestreitet seine Eigenschaft als Versicherungsnehmer, die Nichtzahlung der Erstprämie und das Unfallgeschehen, jedenfalls eine Mitverursachung oder ein Verschulden seinerseits.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe bei der Zedentin eine Versicherung zum Fahrzeug PKW Peugeot 406 mit dem amtlichen Kennzeichen … beantragt. Die Zedentin habe die Annahmeerklärung und den Versicherungsschein unter dem 7. November 2017 übermittelt. Die Zahlung der Erstprämie – eine Jahresprämie in Höhe von 521,20 € – sei allerdings ausgeblieben. Daher sei die Zedentin nach Zahlungserinnerung und Ankündigung mit Schreiben vom 2. Januar 2018 vom Versicherungsvertrag zurückgetreten.

Zwischenzeitlich habe sich jedoch am 27. Dezember 2017 in Ilmenau ein Unfall mit dem vorläufig versicherten Fahrzeug ereignet. Der Beklagte sei mit seinem Fahrzeug auf einem Parkplatz vor der Sparkasse beim Ausparken an das bereits ausgeparkte und im Zeitpunkt der Kollision stehende Fahrzeug des Geschädigten angestoßen und habe den Unfallschaden alleine verursacht und verschuldet. Die Zedentin habe daher – nach ordnungsgemäßer Prüfung – in voller Höhe reguliert.

Die Klägerin ist der Auffassung, diese Regulierung sei im Lichte der damals vorhandenen Erkenntnisse und im Rahmen des – über die einbezogenen AKB eingeräumten – Regulierungsermessens gerechtfertigt gewesen. Der Beklagte habe aufgrund des Rücktritts keinen Versicherungsschutz genossen. Im Innenverhältnis schulde er daher den Ausgleich.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 8.491,13 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 8.491,13 € seit dem 13. Januar 2019, sowie 5,00 € vorgerichtliche Mahnkosten der Zedentin und 415,96 € Inkassokosten zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin und sieht keinerlei Einstandspflicht auf seiner Seite. Halter und Versicherungsnehmer sei sein Sohn gewesen. Es fehle daher auch an der Passivlegitimation. Im Übrigen habe er keinen Unfall herbeigeführt. Er habe das Fahrzeug des Geschädigten nicht berührt. Die Schäden seien nicht kongruent. Trotz entsprechender Hinweise habe die Versicherung reguliert.

Das Gericht hat den Beklagten eingehend angehört und zudem Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeug:innen … Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Oktober 2021 wird verwiesen.

Im Übrigen wird wegen sämtlicher Einzelheiten des Vorbringens der Parteien auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Beklagte haftet der Klägerin – als ehemaliger Versicherungsnehmer der Zedentin – auf Ausgleich der zu Recht erfolgten Unfallregulierung. Es fehlt weder an der Aktiv- noch Passivlegitimation.

Da die Versicherung wirksam vom Versicherungsvertrag zurückgetreten ist, entfiel nach § 37 Abs. 2 VVG der Versicherungsschutz des Beklagten. Mithin haftet er für die zwischenzeitlich eingetretenen und von ihm zu verantwortenden Schäden.

Entgegen der Ansicht des Beklagten durfte der Versicherer – im Rahmen seines Regulierungsermessens – den Unfallschaden des Geschädigten in voller Höhe regulieren. Die Grenzen dieses Regulierungsermessens sind nicht überschritten. Einem Regress nach Anspruchsübergang gemäß § 86 VVG steht daher nichts im Wege.

Im Einzelnen:

1.

Die Aktivlegitimation der Klägerin steht nach Vorlage der Abtretungsurkunde außer Frage. Ein Abtretungsverbot ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht angeführt.

Es bestehen weiter keine Zweifel daran, dass der Beklagte selbst und nicht sein Sohn Versicherungsnehmer war. Dies geht bereits aus den Antragsunterlagen vom 26./30. Oktober 2017 hervor. Hier ist als Versicherungsnehmer und Halter des unfallbeteiligten Fahrzeuges der Beklagte vermerkt. Lediglich als weiterer Fahrer wird der Sohn des Beklagten aufgeführt. Auch für die Beitragszahlung machte sich der Beklagte stark, der schließlich den Antrag eigenhändig und „als Versicherungsnehmer“ unterschrieb. Weiterhin richtete sich der gesamt folgende Schriftverkehr konsequenter Weise an den Beklagten. Dieser fertigte auch die Schadensanzeige.

2.

Der Rücktritt der Zedentin vom Versicherungsvertrag mit Schreiben vom 2. Januar 2018 war gerechtfertigt und wirksam. Die Nichtzahlung der Erstprämie ist belegt; der Beklagte vermochte seinerseits keinerlei Zahlungsnachweis zu führen. Für eine vom Beklagten nicht zu vertretende Nichtzahlung gibt es keinen Anhaltspunkt.

3.

Das Unfallgeschehen vom 27. Dezember 2017 fiel in die Zeit vor dem Rücktritt. Die Nachhaftungsfrist gemäß § 3 PflVG in Verbindung mit § 117 Abs. 2 VVG war noch nicht abgelaufen. Die Zedentin war daher im Außenverhältnis zu einer Schadensregulierung verpflichtet. An ihrer Leistungsfreiheit im Innenverhältnis bestehen keine Zweifel. Die Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 VVG sind erfüllt, insbesondere erfolgten die geforderten Hinweise im Antragsformular wie im Versicherungsschein in ordnungsgemäßer Weise.

4.

Die Versicherung nahm zu Recht eine Regulierungspflicht dem Grunde wie der Höhe nach an. Die Regulierung der gesamten vom Unfallgegner geltend gemachten Schäden begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Im Lichte des gesamten Akteninhalts, der vorgelegten Urkunden und der Parteianhörung wie Zeugenvernehmung ist das Gericht davon überzeugt, dass die Zedentin zum maßgeblichen Zeitpunkt der Regulierung von einer Pflicht zum Schadensausgleich – wie erfolgt – ausgehen durfte. Diese Sichtweise wird auch nachträglich – aufgrund der auch hierauf erstreckten Beweisaufnahme – bestätigt. Es mangelt an jedwedem Fehlgebrauch des dem Versicherer eingeräumten Regulierungsermessens.

a) Mit Blick auf die Schadensregulierung im Versicherungsfall gelten althergebrachte, anerkannte und bewährte Grundsätze. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Belange des Verbraucherschutzes zunehmendes Gewicht erhalten, nicht zuletzt aufgrund der Asymmetrie zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer. Mithin ist ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen (vgl. Art. 38 GRC).

aa) Eine Kfz-Versicherung ist aus dem Versicherungsvertrag – in der Regel ein Langzeitverhältnis – stets zur gebührenden Berücksichtigung der berechtigten Belange und Interessen ihres Versicherungsnehmers verpflichtet. Hieraus ergeben sich Rücksichtnahmepflichten wie Sorgfaltspflichten.

Dies gilt in besonderer Weise bei einem Ausgleich von Drittschäden, der zu Nachteilen auf Seiten des Versicherungsnehmers führen kann, etwa zu einer substanziellen Selbstbeteiligung. Weiter kann der Schadensfreiheitsrabatt des Versicherungsnehmers auf dem Spiele stehen, oder über die Versicherungssumme hinausgehende Ansprüche des geschädigten Dritten können durch das Verhalten des Versicherers präjudiziert werden. Erst recht gilt das Gebot der Rücksichtnahme im Falle einer Leistungsfreiheit des Versicherers im Innenverhältnis, da hier die gesamte Schadenslast letztlich beim Versicherten liegt. Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zufolge muss ein Versicherer alles tun, was zur Abwehr ungerechtfertigter Ansprüche sachgerecht und notwendig ist und im Kollisionsfall seine eigenen Interessen hintanstellen (s. nur BGH, Urteil vom 7. Februar 2007 – IV ZR 149/03, juris Rn. 12).

bb) Vor diesem Hintergrund normiert § 100 VVG, dass der Versicherer verpflichtet ist, den Versicherungsnehmer von Ansprüchen freizustellen, die von einem Dritten auf Grund der Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache geltend gemacht werden, und unbegründete Ansprüche abzuwehren (s. auch Ziff. 5.1 Abs. 1 AHB). Die Verpflichtung zur Abwehr unberechtigter Ansprüche – dem Grunde wie der Höhe nach – stellt neben der Freistellungsverpflichtung eine Hauptverpflichtung des Versicherers dar (Prölls/Martin/Klimke, VVG, 31. Aufl. 2021, A.1.1.AKB 350 Rn. 34). Der Befriedigung begründeter Ansprüche und der Abwehr unbegründeter Forderungen kommt gleichrangige Bedeutung zu (Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2015, § 24 Rn. 12; BGH, Urteil vom 7. Februar 2007 – IV ZR 149/03, juris Rn. 12; s. bereits BGH, Urteil vom 30. September 1992 – IV ZR 314/91, juris).

cc) Die Kfz-Haftpflichtversicherung verfügt – wie anderweitige Haftpflichtversicherer – aus guten Gründen über ein weitgehendes Regulierungsermessen (s. zum Regulierungsermessen und dessen Grenzen bereits BGH, Urteil vom 20. November 1980 – IVa ZR 25/80, juris Rn. 17 – 19; s. weiter Maier, in: Münchener Kommentar zum VVG, Band 3, 2. Aufl. 2017, KH 410 Rn. 112, sowie den Rechtsprechungsüberblick bei Nugel, jurisPR-VerkR 8/2018 Anm. 2). Eine entsprechende Vollmacht wird durch Ziff. A.1.1.4 AKB eingeräumt:

„Wir sind bevollmächtigt, gegen Sie geltend gemachte Schadenersatzansprüche in Ihrem Namen zu erfüllen oder abzuwehren und alle dafür zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens abzugeben.“

dd) Aufgrund dieser Regulierungsvollmacht hat der Versicherer die Befugnis, im Rahmen des übernommenen Risikos eine Schadensregulierung nach eigenem pflichtgemäßem Ermessen und unabhängig von Weisungen des Versicherungsnehmers durchzuführen. Der Versicherungsnehmer kann seiner Versicherung mithin kein „Regulierungsverbot“ auferlegen.

Nach Eintritt eines Versicherungsfalles obliegt es allein der Versicherung, auf der Grundlage sämtlicher vorhandenen Informationen begründete Schadensersatzansprüche zu befriedigen oder aber unbegründete Ansprüche abzuwehren. Im Ergebnis entscheidet so die Versicherung, ob sie eine Regulierung vornimmt oder aber ganz oder teilweise ablehnt und es darauf ankommen lässt, dass der geschädigte Dritte seine Ansprüche gerichtlich geltend macht. Bevor ein Versicherer im Einzelfall an den geschädigten Dritten zahlt, wird er die Sach- und Rechtslage bereits im eigenen Interesse sorgfältig prüfen.

ee) Da es sich um ein pflichtgemäßes wie gebundenes und kein freies Ermessen handelt, treffen die Versicherung spezifische Sorgfaltspflichten (s. etwa Maier, in: Münchener Kommentar zum VVG, Band 3, 2. Aufl. 2017, KH 410, Rn. 112). Sie hat insbesondere sämtliche zur umfassenden Beurteilung des Schadensfalls erforderlichen Informationen einzuholen, auch von verfügbaren Zeugen, und ihrem Versicherungsnehmer Gelegenheit zur Äußerung und Stellungnahme zu geben. Eine Beweisantizipation ist zulässig; bei eindeutigen Zeugenaussagen bedarf es keiner sachverständigen Begutachtung. Auf Grundlage der so ermittelten Tatsachen ist die Rechtslage sorgfältig zu prüfen. Die Entscheidungsfindung – Regulierung oder nicht? – hat in transparenter, nachvollziehbarer und nachprüfbarer Weise zu geschehen, mit entsprechender Dokumentation.

ff) Die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Versicherungsnehmers zeigt sich darin, dass der Versicherer im Kollisionsfall seine eigenen Interessen hintanstellen muss. Diese Pflicht wird insbesondere dann verletzt, wenn eine – so die ständige Rechtsprechung – „völlig unangemessene Schadensregulierung“ erfolgt, d. h. offensichtlich unbegründete Ansprüche reguliert werden (s. Prölls/Martin/Klimke, VVG, 31. Aufl. 2021, A.1.1.AKB 350, Rn. 42). Dies ist etwa dann der Fall, wenn die vom Unfallgegner geltend gemachten Ansprüche nach den gegebenen Beurteilungsgrundlagen eindeutig und leicht nachweisbar unbegründet sind, der Versicherer also ohne Prüfung der Sach- und Rechtslage – „auf gut Glück“ – den Geschädigten befriedigt (BGH, Urteil vom 20. November 1980 – IVa ZR 25/80, juris Rn. 18; eine Pflichtverletzung bejahend OLG Köln, Urteil vom 19. März 1992 – 5 U 100/91, juris Rn. 8: Regulierung bei „ganz ungeklärter Sachlage“).

gg) Im Falle eines Wegfalls des Versicherungsschutzes – wie vorliegend aufgrund Rücktritts – bestehen gesteigerte Anforderungen an die Ermessensausübung. Hier hat die Versicherung in besonderer Weise darauf Rücksicht zu nehmen, dass der ursprüngliche Versicherungsnehmer einem Regress ausgesetzt ist und im Ergebnis selbst haftet. Dies verpflichtet zu besonders sorgfältiger Prüfung der Ansprüche des Unfallgegners wie von deren Erfolgsaussichten. Zudem dürften Gesichtspunkte der Prozessökonomie und rein wirtschaftliche Erwägungen hier zurücktreten. Mithin ist es dem Versicherer bei einer erkennbaren Rückgriffsmöglichkeit wohl verwehrt, zweifelhafte Forderungen ausgleichen, um Zeit und Kosten zu sparen und einen Prozess zu vermeiden.

Zu dieser Fallkonstellation – Regressmöglichkeit – hat der Bundesgerichtshof in seiner wegweisenden Entscheidung aus dem Jahr 1980 ausgeführt (BGH, Urteil vom 20. November 1980 – IVa ZR 25/80, juris Rn. 17):

„Erst recht gilt das aber in den Fällen der vorliegenden Art, dann nämlich, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz entzogen hat, nur noch dem Geschädigten im Außenverhältnis haftet und den Versicherungsnehmer von vorneherein auf Rückgriff in Anspruch zu nehmen gedenkt (BGHZ 24, 308, 323). Trotz der jetzt an sich bestehenden Leistungsfreiheit des Versicherers aus dem Versicherungsvertrag bleibt der Versicherer hier gehalten, die Interessen des Versicherungsnehmers zu schonen. Diese „Nachwirkung“ des Versicherungsvertrages gewinnt nunmehr sogar besondere Bedeutung. Was der Versicherer bei ungestörtem Versicherungsverhältnis vorwiegend im eigenen Interesse erledigt, ist er nunmehr zum Schutz des Versicherungsnehmers diesem gegenüber zu tun verpflichtet: Er muß unbegründete Entschädigungsansprüche abwehren sowie den Schaden mindern und sachgemäß feststellen.“

hh) Zur Beurteilung des Verhaltens des Versicherers ist auf die gesamten Umstände des Einzelfalls und den Zeitpunkt seiner Entscheidung über die Frage der Schadensregulierung abzustellen. Der Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Schadensregulierung ist maßgeblich.

ii) Die Darlegungs- wie Beweislast für eine schuldhafte Pflichtverletzung seitens der eigenen Kfz-Haftpflichtversicherung trägt bereits nach den allgemeinen, im Zivilprozess geltenden Grundsätzen der Versicherungsnehmer, denn es handelt sich um eine für ihn günstige – anspruchsbegründende – Tatsache (s. AG Düsseldorf, Urteil vom 4. Juli 2018 – 291c C 29/18, juris Rn. 4).

jj) Eine den Versicherer gemäß §§ 280, 241 Abs. 2 BGB zum Schadenersatz verpflichtende schuldhafte Vertragspflichtverletzung schließt zugleich einen Rückgriff gegen den Versicherungsnehmer aus (s. nur OLG Köln, Urteil vom 19. März 1992 – 5 U 100/91, juris Rn. 8).

b) Im Lichte dieser Grundsätze, Maßstäbe und Leitlinien begegnet die vorgenommene Regulierung keinen durchgreifenden Bedenken. Es ist keinerlei Ermessensfehler erkennbar, vor allem keine völlig unangemessene Schadensregulierung. Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagte seiner Darlegungslast zu einer etwaigen Pflichtverletzung nachgekommen ist, woran Zweifel bestehen.

aa) Zunächst hat die Versicherung die verfügbaren und für eine Entscheidung gebotenen Informationen eingeholt, nämlich über die Schadensanzeige des Beklagten hinaus eine schriftliche Zeugenaussage eines nicht am Unfall beteiligten Zeugen. Im Übrigen lagen die Stellungnahmen des anwaltlich vertretenen Geschädigten vor.

bb) Auf dieser Grundlage hat die Versicherung die nicht zu beanstandende, sachgemäße und vernünftige Entscheidung getroffen, den Schaden in voller Höhe zu regulieren. Sie durfte nämlich von einer vollständigen Haftung ihres (ehemaligen) Versicherungsnehmers dem Grunde nach ausgehen, während es zur Höhe eine sachverständige Begutachtung und Belege gab.

Es gereicht der Versicherung dabei nicht zum Nachteil, dass sie die Schadenanzeige des Beklagten als widersprüchlich, unvollständig und nicht überzeugend wertete. Der Beklagte will nämlich eine Kollision und einen durchaus substanziellen Schaden am gegnerischen Fahrzeug nicht bemerkt haben. Weiter bleibt es unverständlich, wie eine „Delle“ am gegnerischen Fahrzeug entstanden sein soll, wenn der Beklagte das eigene Fahrzeug nicht bewegt haben möchte, es mithin weiterhin in der Parklücke verblieben sein soll.

Darüber hinaus und entscheidend lag der Versicherung der eigens eingeholte Bericht eines nicht am Unfall beteiligten Zeugen vom 15. Februar 2018 vor: „Unfallverursacher wurde durch Beifahrer abgelenkt, ist Rückwärts rausgefahren, ist dabei Frau … ans Auto gefahren.“

Vor diesem Hintergrund wäre es der Versicherung auch nicht zumutbar gewesen, sich auf eine Auseinandersetzung zum Haftungsgrund mit dem anwaltlich vertretenen Geschädigten einzulassen. Es bestand auch kein Grund oder Anlass, die Richtigkeit und Angemessenheit der Höhe des Schadens, vor allem der Reparaturkosten, in Frage zu stellen, zumal der Abrechnung eine sachverständige Begutachtung zu Grunde lag. Aus der hier maßgeblichen ex ante-Sicht war die Regulierung mithin die gebotene Entscheidung.

cc) Diese sachgerechte und angemessene Sicht zum Zeitpunkt der Regulierung wurde nachträglich durch die auch zum Unfallhergang durchgeführte Beweisaufnahme eindrücklich bestätigt.

Die Zeugin … führte in glaubhafter und überzeugender Weise aus, dass sie nach dem Ausparken bereits Richtung Straße gestanden habe, als es zur Kollision kam. Der Beklagte sei mit seinem Fahrzeug beim Ausparken an ihr stehendes Fahrzeug gefahren („hinten dran“). Die Aussage des Zeugen … war zwar unergiebig. Allerdings ist seine ursprüngliche schriftliche Bekundung zu berücksichtigen, bei der dieser Zeuge mit frischer Erinnerung von einer ausschließlichen Verursachung des Unfalls durch den Beklagten ausgegangen war. Der Zeuge … vermochte nichts zum Unfallgeschehen beizutragen, wobei Details seiner Aussage im Widerspruch zu Behauptungen des Beklagten stehen.

Nach alledem ist das Gericht davon überzeugt, dass der Beklagte den Schaden alleine verursacht und verschuldet hat und somit aus §§ 7 ff. StVG, 823 ff. BGB haftete. Nach dem auch auf dem Parkplatz geltenden § 9 Abs. 5 StVO hat der Rückwärtsfahrende die Gefährdung des anderen Verkehrs auszuschließen. Nur ein überblickter, also mit Gewissheit freier Raum darf rückwärts befahren werden. Ereignet sich in einem örtlichen, zeitlichen Zusammenhang ein Unfall während des Zurücksetzens, besteht ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden des zurücksetzenden Fahrers.

Für den Unfallgegner war die Kollision hingegen unabwendbar und unvermeidbar. Mit einem plötzlich und unerwartet rückwärts ausparkenden Fahrzeug war nicht zu rechnen. Im Übrigen tritt die Betriebsgefahr seines Fahrzeuges gegenüber dem gravierenden Verschulden des Beklagten vollständig zurück. Der Beklagte missachtete nämlich seine erhöhten Sorgfaltspflichten beim Ausparken.

Bei dieser Sachlage, d. h. im Lichte der unbestrittenen oder bewiesenen Tatsachen, ist auch und erst recht bei einer ex post-Betrachtung die vollständige Regulierung gerechtfertigt.

5.

Die vom Beklagten nicht angegriffenen Nebenforderungen begegnen keinen durchgreifenden Bedenken. Die Betrauung eines Inkassounternehmens war vorliegend gerechtfertigt.

6.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, während sich der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 ZPO ergibt.

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