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Kfz-Kaskoversicherung – Pflicht zur Belehrung über die Folgen einer Obliegenheitsverletzung

Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 4 U 49/10 – Urteil vom 17.03.2011

1. Auf die Berufung der Beklagten wird – unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen – das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 20. April 2010, Az.: 4 O 549/08, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.250,– € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05. Dezember 2007 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagte zu ¾ und der Kläger zu ¼. Die Kosten der Berufungsinstanz trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die beklagte Versicherung wegen eines zwischen den Parteien umstrittenen Diebstahls eines Pkw Opel Astra aus einer Teilkaskoversicherung in Anspruch.

Die Parteien schlossen einen am 08. August 2005 beginnenden Kraftfahrzeugversicherungsvertrag mit Teilkasko bei einem Selbstbehalt von 150,– €.

Der Kläger hat behauptet, sein Pkw Opel Astra, welchen er am 09. Dezember 2006 gegen 22:30 Uhr in der M. Straße in R. vor der Garage des Zeugen R. G. verschlossen zurückgelassen und dort am 10. Dezember 2006 gegen 20:30 Uhr nicht wieder vorgefunden habe, sei gestohlen worden.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 9.696,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05. Dezember 2007 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat einen Diebstahl des Fahrzeugs bestritten und insbesondere darauf verwiesen, dass der Kläger, was zwischen den Parteien unstreitig geblieben ist, zunächst bei der Anzeige des Diebstahls gegenüber der Polizei angegeben habe, seinen Fahrzeug-Erstschlüssel am Freitag, den 08. Dezember 2006 verloren zu haben, später allerdings behauptet habe, der Schlüssel sei ihm erst am 09. Dezember 2006 abhanden gekommen. Des Weiteren hat sie die Auffassung vertreten, wegen einer Obliegenheitsverletzung des Klägers von der Leistungsverpflichtung frei geworden zu sein, weil dieser sich am 12. November 2007 bei einem Besprechungstermin gegenüber ihrem Mitarbeiter, dem Zeugen C., geweigert habe, weitere Angaben zum Diebstahl zu machen. Ferner hat sie den Wert des Pkw Opel Astra bestritten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat Beweis erhoben zum behaupteten Diebstahl des Pkw, dem Ablauf des Besprechungstermins vom 12. Januar 2007 und zur Ausstattung des Fahrzeugs durch Vernehmung diverser Zeugen sowie über den Wiederbeschaffungswert des Pkw Opel Astra durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Ferner hat es den Kläger informatorisch angehört.

Der Klage hat das Landgericht durch Urteil vom 20. April 2010 überwiegend stattgegeben und dem Kläger einen Ersatzanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 7.400,– € zugesprochen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe das äußere Bild eines Diebstahls nachgewiesen, welches die Beklagte nicht habe erschüttern können. Auf eine Obliegenheitsverletzung anlässlich des Besprechungstermins könne sich die Beklagte nicht berufen, da ihr Versicherungsagent den Kläger nicht gedrängt habe, weitere Angaben zu machen. Der Wiederbeschaffungswert von 7.400,– € stände auf Grund des eingeholten Sachverständigengutachtens fest.

Hiergegen richtet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie beanstandet vor allem die Beweiswürdigung des Landgerichts, welches Widersprüche in den Angaben des Klägers und der gehörten Zeugen nicht ausreichend berücksichtigt habe. Zudem sei rechtsfehlerhaft eine Obliegenheitsverletzung des Klägers verneint worden. Da dieser sich geweigert habe, weitere Angaben zu machen, habe ihn ihr Versicherungsagent hierzu auch nicht drängen müssen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 20. April 2010 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil.

Im Übrigen wird von der Darstellung des Sachverhalts gemäß § 540 Abs. 2 in Verb. mit § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO und § 26 Nr. 8 EGZPO Abstand genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist zum ganz überwiegenden Teil bis auf den im angefochtenen Urteil versehentlich nicht berücksichtigten Selbstbehalt in Höhe von 150,– € unbegründet.

Denn sie kann nicht mit Erfolg darauf gestützt werden kann, dass die Entscheidung des Landgerichts auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO beruht (§ 513 Abs. 1, 1. Altern. ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1, 2. Altern. ZPO). Das Landgericht hat dem Kläger zu Recht gegenüber der Beklagten einen Ersatzanspruch aus den §§ 1, 49 VVG, 12 Abs. 1 AKB a. F. in Verb. mit dem zugrunde liegenden Versicherungsvertrag zugesprochen. Dieser bemisst sich der Höhe nach allerdings nicht auf 7.400,– €, sondern unter Berücksichtigung des vereinbarten Selbstbehaltes auf 7.250,– €. Insoweit bedurfte das Urteil der Abänderung mittels Abweisung der Klage.

Im Übrigen liegen allerdings keine konkreten Anhaltspunkte im Sinne der §§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vor, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung durch den Senat gebieten. Insbesondere bestehen keine Verfahrensfehler, die dem Landgericht bei der Feststellung des Sachverhaltes unterlaufen sind. Ein Verstoß gegen die Verfahrensregeln der freien Beweiswürdigung im Sinne des § 286 ZPO liegt nicht vor. Die erstinstanzlichen Erwägungen zur Würdigung der Beweislage lassen sich nicht erfolgreich mit der abstrakten Erwägung oder Vermutung ihrer Unrichtigkeit angreifen. Vielmehr müssen bestimmte, das erstinstanzliche Verfahren oder Urteil betreffende Anhaltspunkte hierfür gegeben sein, die sich in erster Linie aus Verfahrensfehlern ergeben können. Hierfür bedarf es grundsätzlich der unvollständigen Würdigung der Beweislage oder eines Verstoßes gegen Denk- oder Naturgesetze oder einer Außerachtlassung anerkannter Erfahrungssätze, wobei ein solcher Verfahrensfehler nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO nur dann erheblich ist, wenn er eine erneute Feststellung durch den Senat gebieten würde.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Beklagte versucht im Kern lediglich, die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung durch eine andere – ihr günstigere – zu ersetzen. Das ist nicht zulässig, denn die Würdigung der Beweislage ist ureigenste und alleinige Aufgabe des Tatrichters, die nicht durch eine andere von den Parteien vorgenommene Beweiswürdigung ersetzt werden darf.

Ein von der Fahrzeugteilversicherung umfasster Diebstahl des versicherten PKW ist gegeben (1), auf eine eventuelle Obliegenheitsverletzung des Klägers kann sich die Beklagte mangels ordnungsgemäßer Belehrung nicht berufen (2). Die geltend gemachten Zinsen begegnen keinen Bedenken (3).

1.

Der äußere Tatbestand eines Diebstahls ist erwiesen (a), den zu entkräften der Beklagten nicht im hinreichenden Maße gelungen ist (b).

a) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es dem Versicherungsnehmer für den Nachweis einer Entwendung seines Pkw auf der sogenannten ersten Stufe lediglich obliegt, das äußere Bild eines Diebstahls als Minimalsachverhalt vorzutragen und zu beweisen. Hierzu genügt der Beweis, dass der Wagen zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt und dort nicht wieder aufgefunden wurde (BGH, NJW-RR 2002, 671; OLG Köln, VersR 2009, 252, 253; OLG Koblenz, VersR 2009, 214, 215; Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., AKB 2008 A.2.2 Rdnr. 18; Stapler, in: Stiefel/Meyer, AKB, 18. Aufl., AKB A.2.2 Rdnr. 87 – 89). Dieses ist dem Kläger nach der überzeugenden Beweiswürdigung des Landgerichts gelungen.

Seine eigenen Angaben zum Abstellen und Nicht-wieder-Auffinden des Pkw sind durch die glaubhaften Bekundungen der Zeugen G. und L. bestätigt worden. Der Umstand, dass der Kläger angegeben hat, der Pkw des Zeugen G. habe sich vor der Garage befunden, während der Zeuge bekundet hat, sein Pkw habe in der Garage gestanden, stehen der Glaubhaftigkeit der Schilderung zum Abstellen des Pkw nicht entgegen. Zum einen handelt es sich lediglich um ein entferntes Detail am Rande, wozu weder das Landgericht noch die Parteien während der Beweisaufnahme näher nachgefragt haben. Zum anderen sind nach einem Zeitablauf von mehr als zwei Jahren geringfügige Abweichungen in der Darstellung eines Geschehens in Randbereichen nicht ungewöhnlich und lassen allein noch keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Gesamtgeschehens aufkommen.

b) Der Beklagten ist es nicht gelungen, auf der sogenannten zweiten Stufe das äußere Bild eines Diebstahls dadurch zu entkräften, dass sie ihrerseits konkrete Tatsachen dargelegt oder bewiesen hätte, aus denen sich eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, die Entwendung könnte nur vorgetäuscht sein (vgl. BGH, VersR 1987, 146; OLG Koblenz, VersR 2009, 214, 215; Stapler, in: Stiefel/Meyer, AKB, 18. Aufl., AKB A.2.2. Rdnr. 101 – 104).

Soweit die Beklagte darauf verweist, der Kläger habe gegenüber der Polizei bei Anzeige des Diebstahls abweichende Angaben zum Zeitpunkt des Schlüsselverlustes gemacht, ist ihr insofern Recht zu geben, dass widersprüchlichen Angaben des Versicherungsnehmers zum Verlust oder Verbleib der Fahrzeugschlüssel für die Frage eines nur vorgetäuschten Diebstahls besondere Bedeutung zukommen kann. Allerdings sind solche widersprüchlichen Angaben im Einzelfall zu bewerten und anhand des Gesamtergebnisses der Beweisaufnahme zu würdigen, wobei nicht jeder unaufklärbare Widerspruch zum Anspruchsverlust des Versicherungsnehmers führen kann. Im vorliegenden Fall hat sich letztlich nicht aufklären lassen, weshalb der Kläger offenkundig unzutreffenderweise den Schlüsselverlust gegenüber der Polizei bereits auf den 08. Dezember 2006 datierte. Für gewöhnlich wäre zu erwarten gewesen, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer unmittelbar nach einem Diebstahl die letzten drei Tage (08. bis 10. Dezember 2006) noch gut in Erinnerung hat und in der Lage ist, bei seiner Strafanzeige zutreffende Angaben zu machen. Andererseits kann die Angabe eines falschen Datums durchaus unterschiedliche Gründe haben. Eine Täuschungs- oder Verschleierungsabsicht, welche dabei grundsätzlich mit als Ursache in Betracht zu ziehen ist, liegt hier allerdings im Kontext der übrigen Angaben in der Strafanzeige eher fern. Wenige Zeilen zuvor gab der Kläger nämlich darin an, noch am 09. Dezember 2006 mit dem Pkw zur Garage des Zeugen G. gefahren zu sein, was gedanklich voraussetzt, dass er sich an diesem Tage noch im Besitz des Schlüssels befunden haben muss. Damit war für jedermann auf den ersten Blick offensichtlich, dass der Verlust nicht einen Tag zuvor stattgefunden haben konnte. Im Übrigen ist auch nicht erklärlich, weshalb dem Kläger eine Vordatierung des Schlüsselverlustes im Zusammenhang mit seinen übrigen Angaben bei der Annahme eines bloß vorgetäuschten Diebstahls nützlich gewesen sein sollte. Vor diesem eher ungewöhnlichen Hintergrund erscheint es nicht angemessen, dem Kläger die ihm als Versicherungsnehmer grundsätzlich zukommende Redlichkeitsvermutung abzusprechen, zumal seine Angaben im Übrigen vollständig durch die glaubhaften Angaben der gehörten Zeugen Bestätigung gefunden haben.

Aus dem Umstand, dass der Kläger gegenüber dem Versicherungsagenten der Beklagten anlässlich des Besprechungstermins am 12. November 2007 nicht bereit gewesen war, über das bereits am 12. Dezember 2006 ausgefüllte Schadensanmeldungsformular und die bereits eingereichten Unterlagen hinaus, weitere Angaben zur Sache zu machen, lässt sich hier ebenso wenig etwas gegen die Redlichkeitsvermutung herleiten. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass der Kläger nachvollziehbar ungehalten darüber war, dass die Beklagte sich fast ein Jahr nicht um die Regulierung des Versicherungsfalls gekümmert hatte. Daneben ist das Verhalten des Klägers aber auch deshalb erklärlich, weil die Beklagte ihn, wie sogleich (unter Punkt II 2 a, b) noch des Näheren auszuführen, zuvor nicht ordnungsgemäß über die Folgen einer solchen unzulässigen Aufklärungsverweigerung belehrt hat.

2.

Ohne Erfolg meint die Beklagte, sie sei wegen Verletzung der dem Kläger nach § 7 I Abs. 2 Satz 3 AKB a. F. obliegenden Verpflichtung, alles zu tun, was zur Aufklärung des Sachverhaltes dienlich sein kann, gemäß § 6 Abs. 3 VVG a. F. in Verb. mit § 7 V Abs. 4 AKB a. F. leistungsfrei geworden.

Ihr ist zwar beizupflichten, dass sich der Umfang der Aufklärungsobliegenheit nicht in der Beantwortung von Fragen in einem Schadensformular erschöpft. Zutreffende Auskünfte muss der Versicherungsnehmer vielmehr auch auf mündliche Bitten des Versicherers um weitere Informationen erteilen (OLG Saarbrücken, ZfS 2008, 631). Damit lässt sich nicht vereinbaren, dass der Kläger gegenüber dem Versicherungsagenten der Beklagten, dem Zeugen C., die Beantwortung weiterer Fragen im Besprechungstermin verweigerte. Auch seine Erklärungen hierzu, nicht gewusst zu haben, welche weiteren Fragen der Zeuge C. an ihn habe stellen wollen und dass es ihm auf Grund des Zeitablaufes mangels konkreter Erinnerung ohnehin nicht mehr möglich gewesen sei, diese Fragen zu beantworten, können ihn nicht entlasten. Verweigert der Versicherungsnehmer kategorisch die Beantwortung weiterer Fragen, so kann er sich nicht darauf berufen, dass ihm deshalb einzelne Fragen nicht mehr gestellt wurden. Auch ein eingeschränktes Erinnerungsvermögen enthebt den Versicherungsnehmer nicht der Obliegenheit, sich den einzelnen Nachfragen zu stellen. Es ist ihm möglich und zumutbar, bei Beantwortung der Fragen seine eingeschränkte oder fehlende Erinnerung anzumerken.

Ob dennoch eine Obliegenheitsverletzung, so wie vom Landgericht (unter Verweis auf Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., AKB 2008 E.1, Rdnr. 15), angenommen, zu verneinen ist, weil der Versicherungsagent der Beklagten den Kläger nicht auf eine Beantwortung der Fragen gedrängt habe, erscheint hier zweifelhaft, kann allerdings letztlich dahinstehen. Das Erfordernis seitens des Versicherungsagenten, nachzufragen und auf eine Antwort zu drängen, bezieht sich wohl nur auf das Offenlassen einzelner Fragen (vgl. etwa OLG Köln, VersR 1997, 992; OLG Düsseldorf, VersR 1994, 41; OLG Hamm, VersR 1996, 53 und VersR 1994, 590, 591), nicht jedoch auf eine grundsätzliche Weigerung, überhaupt noch weitere Fragen zu beantworten. Eben dies hat der Kläger aber getan, selbst wenn er, wie vom Zeugen C. glaubhaft bekundet, sich bereit fand, eventuell nach Einholung von Rechtsrat unbedingt notwendige Fragen noch zu beantworten. Ein solches bloßes Inaussichtstellen späterer Antworten kann einen Versicherungsnehmer kaum entlasten, zumal auch für ihn auf der Hand liegt, dass sich bei weiterem Zeitablauf die Aufklärungsmöglichkeiten für die Versicherung erheblich verschlechtern werden (OLG Düsseldorf, VersR 1994, 41, 42).

a) Dennoch kann sich die Beklagte nicht auf die Obliegenheitsverletzung des Klägers berufen, da sie diesen über einen drohenden Anspruchsverlust nicht, wie von der Rechtsprechung gefordert, ausdrücklich und unmissverständlich belehrt hat (BGH, VersR 1998, 447, VersR 2007, 683; OLG Hamm, r + s 2000, 9; OLG Saarbrücken, VersR 2004, 50, 52). Beim Erfordernis einer solchen Belehrung handelt es sich um ein im Rahmen der sogenannten Relevanzrechtsprechung für folgenlose Obliegenheitsverletzungen aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitetes Korrektiv für die gravierenden Rechtsfolgen, welche den Versicherungsnehmer bei Anwendung des Alles-oder-Nichts-Prinzips treffen können. Die Belehrung bezweckt insoweit den Schutz des Versicherungsnehmers vor einem drohenden Rechtsverlust (BGH, VersR 2007, 683). Entsprechend ihrer besonderen Bedeutung muss die Belehrung nicht bloß inhaltlich ausdrücklich und unmissverständlich sein, sondern sich auch drucktechnisch aus dem übrigen Text hervorheben (OLG Nürnberg, VersR 1996, 746; OLG Hamm, VersR 1999, 89; OLG Köln, VersR 2009, 252). Allein der Umstand, dass sich die Belehrung vor dem Unterschriftsfeld befindet, genügt hierfür nicht. Sie muss vielmehr durch Fettdruck oder in anderer Weise drucktechnisch herausgestellt werden (OLG Köln, VersR 2009, 252). Dem wird die Belehrung der Beklagten in ihrem Schadensanzeigenformular (Anlage K 3), welches der Kläger am 12. Dezember 2006 ausfüllte, nicht gerecht, da sie sich optisch gegenüber dem übrigen Text nicht hervorhebt.

b) Ungeachtet dessen hätte es hier auf Grund der besonderen Umstände ohnehin einer erneuten Belehrung anlässlich des Besprechungstermins vom 12. November 2007 bedurft. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass eine solche Belehrung nicht stattfand. Der Zeuge C., Versicherungsagent der Beklagten, hat bekundet, nichts Sicheres hierzu angeben zu können. Hingegen hat der Zeuge K. glaubhaft angegeben, es habe keine erneute Belehrung stattgefunden.

Eine wiederholte Belehrung ist zwar regelmäßig nicht erforderlich, wenn der Versicherer ergänzende Auskünfte einholt. Allerdings kann es der Grundsatz von Treu und Glauben dem Versicherer gebieten, auf Grund besonderer Umstände eine bereits gegebene Belehrung zu wiederholen (BGH, VersR 2007, 683; OLG Saarbrücken, VersR 2004, 50, 52; OLG Hamm, Urteil vom 25. August 2000, Az.: 20 U 178/98, zitiert nach juris, Rdnr. 12; OLG Oldenburg, r + s 1998, 181). Danach ist im Einzelfall zu prüfen, inwieweit die Appellfunktion der vorangegangenen Belehrung noch fortwirkt oder nicht. In erster Linie stellt die Rechtsprechung hierbei auf die zeitliche Nähe zwischen ursprünglicher Belehrung und späterem Nachfragen ab. So hat das OLG Saarbrücken (ZfS 2008, 631, 633) bei einem Monat, der seit der vorangegangenen Belehrung verstrichen war, keine Wiederholung verlangt. Ebenso der BGH bei einem Ablauf von zwei Monaten (BGH, VersR 2007, 683). Hingegen hat er (VersR 1998, 447) die Notwendigkeit einer erneuten Belehrung bei einem Zeitablauf von vier Monaten erwogen, allerdings letztlich bei seiner Entscheidung offen gelassen. Das OLG Oldenburg vertritt hierzu eine Minderheitsmeinung und verlangt grundsätzlich bei allen Nachfragen eine erneute Belehrung (r + s 1997, 450). Es hat darüber hinaus allerdings auch deutlich gemacht, dass ein Zeitablauf von vier Monaten in jedem Fall eine neue Belehrung nach sich ziehen müsse (OLG Oldenburg, r + s 1998, 144). Das OLG Hamm hat in einem Urteil vom 25. August 2000 (Az.: 20 U 178/98, zitiert nach juris, Rdnr. 12) herausgestellt, dass zumindest nach einem Jahr eine erneute Belehrung notwendig sei.

Hier liegt ein Zeitraum von rund elf Monaten zwischen schriftlicher Belehrung und erneuter mündlicher Befragung durch den Zeugen C. . Allerdings nicht nur dieser recht lange Zeitraum, sondern auch die weiteren Umstände sprechen für die Notwendigkeit einer erneuten Belehrung. Zum einen war, sofern man die ursprüngliche Belehrung überhaupt für ausreichend erachten sollte, diese wegen ihrer fehlenden optischen Hervorhebung nicht sonderlich eindringlich für den Kläger. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass dieser sich, auch aus Sicht des Zeugen C. erkennbar, bei dem Besprechungstermin im Irrtum über die rechtliche Tragweite seiner Verweigerung befand. Offensichtlich war er der Ansicht, mit der schriftlichen Beantwortung der zuvor gestellten Fragen und mit der Einreichung der erbetenen Unterlagen alles Erforderliche für eine Regulierung seitens der Beklagten getan zu haben. Wenn der Zeuge C. in einer solchen Situation kommentarlos die erneut eingereichten Unterlagen entgegennimmt und dem Kläger nicht deutlich macht, dass die Beantwortung weiterer Fragen zur Aufklärung des Sachverhaltes erforderlich ist und bei einer Weigerung der Verlust des Versicherungsschutzes droht, genügt ein solches der Beklagten zuzurechnendes Verhalten nicht, um den oben aufgezeigten Grundsätzen von Treu und Glauben gerecht zu werden.

Soweit in dem vorprozessualen Schreiben des Rechtsanwalts Gr. vom 17. Juni 2008 (Anlage B 3) eine Verweigerung weiterer Sachaufklärung gesehen werden könnte, hat dies außer Betracht zu bleiben, da die Beklagte bereits zuvor mit ihrem Schreiben vom 05. Dezember 2007 eine Einstandspflicht endgültig abgelehnt hatte und deshalb für den Kläger als Versicherungsnehmer keine weitere Obliegenheit zur Aufklärung mehr bestand.

Der vom Landgericht auf der Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens festgestellte Wiederbeschaffungswert von 7.400,– € wird von der Beklagten mit ihrer Berufung nicht angegriffen und ist deshalb für die Höhe des Ersatzanspruches maßgeblich. Allerdings hat das Landgericht offensichtlich versehentlich den zwischen den Parteien in der Teilkaskoversicherung vereinbarten Selbstbehalt von 150,– € nicht berücksichtigt. Danach steht dem Kläger lediglich ein Ersatzanspruch in Höhe von 7.250,– € gegen die Beklagte zu.

3.

Die zugesprochenen Zinsen in gesetzlicher Höhe folgen der endgültigen Ablehnung ihrer Einstandspflicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 05. Dezember 2007 (§§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1, 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB in Verb. mit § 247 BGB).

III.

Die Kostenentscheidung entspricht den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO, wobei sich das geringfügige Obsiegen der Beklagten wegen des erstinstanzlich nicht berücksichtigten Selbstbehalts auf die Kostentragung in der Berufungsinstanz nicht ausgewirkt hat.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 713 ZPO in Verb. mit § 26 Nr. 8 EGZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nicht ersichtlich. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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