LG Limburg – Az.: 3 S 81/18 – Urteil vom 02.11.2018
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17.04.2018 verkündete Urteil des Amtsgerichts Dillenburg – Zweigstelle Herborn -, Az.: 32 C 755/16, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.329,83 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.08.2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage zurückgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahrens wird auf 2.329,83 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin, eine Haftpflichtversicherung, macht gegen den Beklagten, ihren Versicherungsnehmer, einen Gesamtschuldnerausgleich im Innenverhältnis wegen Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit geltend.
Der Beklagte unterhielt für sein Fahrzeug bei der Beklagten eine Haftpflichtversicherung, der die Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB 2014, Anlage K 1, Bl. 8 ff. d. A.) zu Grunde lagen. Diese lauten auszugsweise wie folgt:
Pflicht zur Anzeige des Schadensereignisses
E. 1.1 Sie sind verpflichtet, uns jedes Schadensereignis, das zu einer Leistung durch uns führen kann, innerhalb einer Woche in Textform (…) anzuzeigen. (…)
„Aufklärungspflicht
E.1.3 Sie sind verpflichtet, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadenereignisses dienen kann. Dies bedeutet insbesondere, dass Sie unsere Fragen zu den Umständen des Schadenereignisses und des Schadensumfangs wahrheitsgemäß und vollständig beantworten müssen und den Unfallort nicht verlassen dürfen, ohne die erforderlichen Feststellungen (z. B. zum Alkohol- oder Drogenkonsum des Unfallfahrers) zu ermöglichen.
E.6.1 Leistungsfreiheit bzw. Leistungskürzung
Verletzen Sie vorsätzlich eine ihrer in E.1 bis E.5 geregelten Pflichten, haben Sie keinen Versicherungsschutz. (…)
E.6.2 Leistungspflicht trotz Pflichtverletzung
Abweichend von E.6.1 sind wir zur Leistung verpflichtet, soweit Sie nachweisen, dass die Pflichtverletzung weder für die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang unserer Leistungspflicht ursächlich war. Dies gilt nicht, wenn Sie die Pflicht arglistig verletzen.“
Am 17.10.2014 gegen 22.20 Uhr streifte der Beklagte mit dem bei der Klägerin haftpflichtversicherten Fahrzeug beim Ausparken ein neben ihm auf dem Parkplatz seines Arbeitgebers abgestelltes Fahrzeug. Hierbei vernahm er ein streifendes Geräusch. Der Beklagte setzte zurück und fuhr sodann in einem größeren Bogen aus der Parklücke heraus. Anschließend fuhr er nach Hause, ohne irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen. Arbeitskollegen des Beklagten verständigten die Polizei, die den Beklagten innerhalb einer Stunde nach der Kollision zu Hause aufsuchte und den Unfall aufnahm. Die Klägerin glich den Schaden an dem anderen Fahrzeug in Höhe des klageweise geltend gemachten Betrags aus.
Der Beklagte zeigte der Klägerin mit Schreiben vom 30.10.2014 (Anlage K 14, Bl. 101 ff. d. A.) den Unfall an. Er führte u. a. aus, er habe beim Ausparken zwar ein kurzes Geräusch vernommen, er habe dies auf eine Berührung mit den Parkplatz befindlichen Plastikpfosten geschoben.
Die Klägerin beruft sich auf ihre Leistungsfreiheit gemäß Teil E Ziff. 1.3 der dem Vertrag zu Grunde liegenden AKB, da der Beklagte den Unfallort ohne die Ermöglichung von Feststellungen verließ. Mit Schreiben vom 25.06.2015 (Anlage K 13, Bl. 59) begehrte sie die Erstattung der an die Geschädigte geleisteten Aufwendungen.
Mit Schriftsatz vom 24.07.2015 (Anlage B 1, Bl. 74 f. d. A.) wies der Prozessbevollmächtigte die Forderung der Klägerin zurück. Der Beklagte habe den streitgegenständlichen Unfall gerade nicht bemerkt, so dass eine Aufklärungspflichtverletzung nach E. 1.3 AKB nicht gegeben sei. Mit Schreiben vom 03.08.2015 forderte die Klägerin den Beklagten nochmals vergeblich unter Fristsetzung bis zum 21.08.2015 zur Begleichung der Regressforderung auf.
Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe in Kenntnis der Kollision mit dem anderen Fahrzeug seine Fahrt fortgesetzt. Für den Beklagten sei das neben ihm befindliche Fahrzeug als Kollisionspartner ohne weiteres erkennbar gewesen, insbesondere auch nach Einschalten des Abblendlichts und während der kurzen Anhaltephase. Der Beklagte habe arglistig gehandelt, sowohl beim Verlassen des Unfallorts als auch der späteren Unfallmeldung bzw. der Zurückweisung des Erstattungsbegehrens.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 2.329,83 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.07.2015 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat behauptet, es sei so dunkel gewesen, er habe seine Hand nicht vor Augen sehen können. Er habe das von ihm unstreitig wahrgenommene leicht schabende Geräusch auf eine Berührung mit einem aufgestellten Pfosten zurückgeführt. Diese seien auf dem Parkplatz schon häufig – auch von ihm selbst – beschädigt worden. Der Arbeitgeber mache jedoch nie zivilrechtliche Ansprüche geltend. Nachdem ihm zu Hause aufgrund des Schadensbildes klar geworden sei, dass er wohl nicht nur einen Pfosten gestreift hätte, habe er sofort seine Ehefrau gebeten, die Telefonnummer des Betriebes heraus zu suchen.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin habe gegen den Beklagten keinen Anspruch gemäß § 426 Abs. 1 BGB, § 116 Abs. 1 VVG, da sie nicht nach § 28 Abs. 2 VVG leistungsfrei geworden sei. Der Beklagte habe zwar gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG vorsätzlich eine vertragliche Obliegenheit verletzt. Gemäß Ziff. E. 1.3 AKB dürfe im Falle eines Unfalls der Unfallort nicht verlassen werden, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. Nach Vernehmung der Zeugen … und … sowie Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens sei es davon überzeugt, der Beklagte habe die Kollision mit einem parkenden Fahrzeug wahrgenommen. Der Beklagte habe jedoch den Kausalitätsgegenbeweis gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 VVG führen können. Da er bereits innerhalb von einer Stunde nach dem Unfallereignis ausfindig gemacht, der Schadensumfang und die Ursache vollumfänglich und eindeutig aufgeklärt, zudem auch Alkohol- und Drogenkonsum von den Polizeibeamten nicht feststellbar gewesen seien, sei weder erkennbar oder vorgetragen, welche sonstigen Feststellungen seitens der Klägerin bei einer sofortigen Meldung möglich gewesen wären. Der Kausalitätsgegenbeweis sei auch nicht gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VVG ausgeschlossen. Arglist sei nicht festzustellen. Einen allgemeinen Erfahrungssatz dergestalt, dass ein Versicherungsnehmer, der trotz Kenntnis seiner Verpflichtung die Unfallstelle verlasse ohne die erforderlichen Feststellungen zu treffen, stets mit einem gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Willen handele, gebe es nicht. Vielmehr sei erforderlich, dass besondere weitere Umstände hinzutreten, die für sich allein oder in ihrer Gesamtschau keinen anderen Schluss als denjenigen auf Arglist ernstlich in Betracht kommen lassen. Konkrete Anhaltspunkte, die für die Verfolgung eines gegen die Interessen der Klägerin gerichteten zwecks beim Verlassen des Unfallortes sprächen (Vermeidung von Schwierigkeiten bei der Feststellung der Ansprüche, Abhalten des Versicherers von Ermittlungen oder Beschleunigung der Regulierung), seien nicht ersichtlich, auch nicht durch die Angabe des Beklagten, er sei von einer Kollision mit einem Pfosten anstelle eines anderen Fahrzeugs ausgegangen. Es sei vorstellbar, dass es dem Beklagten schlicht unangenehm gewesen sei, das Fahrzeug der Kollegin beschädigt oder dass er in Gedanken mit anderen Dingen beschäftigt gewesen sei und gar nicht die möglichen Konsequenzen eines Verlassens des Unfallortes in Betracht gezogen hat. Auch die wahrscheinlich nicht wahrheitsgemäße Unfallmeldung sei keine arglistige Obliegenheitsverletzung. Diese sei mit Angst vor einer strafrechtlichen Ahndung des Verhaltens als ausschlaggebende Motivation erklärbar.
Im Übrigen wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiter verfolgt. Das Amtsgericht habe zu Unrecht eine arglistige Obliegenheitsverletzung verneint. Diese liege sowohl in der unerlaubten Entfernung vom Unfallort als auch in den objektiv unrichtigen Angaben, die der Beklagte über seinen Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 24.07.2015 (Anlage B 12, Bl. 268 f. d. A.) erklären ließ. Das Amtsgericht habe verkannt, dass den Beklagten im Hinblick auf seine subjektive Motivation für das Entfernen vom Unfallort bzw. der falschen Schadensanzeige eine sekundäre Darlegungslast obliege. Seine Behauptung, er sei irrtümlich von einer Kollision mit einem Pfosten ausgegangen, sei widerlegt. Dann aber habe der Beklagte zumindest das Ziel verfolgt, unerkannt zu entkommen. Dieses schließe zwangsläufig eine Beeinträchtigung des Aufklärungs- und Regulierungsinteresses der Klägerin ein.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil dahingehend zu ändern, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.329,83 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.07.2015 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das Urteil unter Wiederholung seines bisherigen Vortrags. Es gebe keine Hinweise auf eine die Interessen der Versicherung beeinträchtigende Absicht.
II.
Das Rechtsmittel der Berufung ist an sich statthaft (§ 511 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).
In der Sache hat die Berufung mit Ausnahme eines geringfügigen Teils der beantragten Zinsen Erfolg.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Regressanspruch in Höhe von 2.329,83 € gemäß §§ 426 Abs. 2 BGB i. V. m. § 116 Abs. 1 S. 2 VVG zu. Unstreitig hat die Klägerin im Gesamtschuldverhältnis der Parteien den Haftpflichtschaden der Geschädigten vollständig reguliert. Die Klägerin ist jedoch nach E.1.3 der in den Versicherungsvertrag einbezogenen AKB 2014 i. V. m. § 28 Abs. 2 S 1, 3 S. 2 VVG von ihrer Leistungsverpflichtung frei geworden, da der Beklagte arglistig eine Obliegenheit verletzte. Der Kausalitätsgegenbeweis nach § 28 Abs. 3 S. 1 VVG ist ausgeschlossen.
Der Beklagte hat unstreitig die bei Eintritt des Versicherungsfalls bestehende vertragliche Obliegenheit verletzt, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes sowie der Minderung des Schadens dienlich sein kann (E.1.3 AKB 2014). Er verließ nach der Kollision umgehend den Parkplatz, ohne die erforderlichen Feststellungen zu seiner Person, des von ihm geführten Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt war, zu ermöglichen. Dies stellt er selbst nicht in Abrede.
Der Beklagte hat die Obliegenheit auch vorsätzlich verletzt. Das Gebot, nach einem Verkehrsunfall die Unfallaufnahme durch die Polizei an Ort und Stelle abzuwarten, stellt auch bei eindeutiger Haftungslage eine „elementare, allgemeine und jedem Versicherungsnehmer und Kraftfahrer bekannte Pflicht“ dar (vgl. BGH, Urteil vom 1.12.1999, Az: VI ZR 71/99, zitiert nach juris). Den überzeugenden Feststellungen des Amtsgerichts zufolge, hat der Beklagte – entgegen seines Vortrags – wahrgenommen, dass er nicht lediglich mit einem Poller, sondern mit einem dort abgestellten Fahrzeug kollidierte. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts ist in der Berufungsinstanz nur nach Maßgabe des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO einer Überprüfung zugänglich. Hiernach ist die Kammer an die vom Erstgericht festgestellten Tatsachen gebunden, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Dies ist unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen, der vernommenen Zeugen und der konkreten Unfallsituation nicht der Fall. Abgesehen von einer Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags werden auch keine konkreten Anhaltspunkte dargelegt.
Eine weitere Obliegenheitsverletzung hat der Beklagte in Konsequenz der vorgehend genannten Feststellung – der Wahrnehmung der Kollision mit einem Fahrzeug – durch die bewusst unrichtigen Angaben in der Schadensanzeige nach Eintritt des Versicherungsfalls gemacht (vgl. „da für mich aber nach wie vor kein weiteres Auto vorhanden war, dies auf die vorhandene Plastikbegrenzungspfosten geschoben“, Anlage vom 29.10.2014, Bl. 105 d. A.). Auf das zeitlich nachfolgende das Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 24.07.2015 (Anlage B 12, Bl. 268 f. d. A.) kommt es hingegen nicht (mehr) an. Mit Schreiben vom 25.06.2015 hatte die Klägerin dem Beklagten bereits die Entziehung des Versicherungsschutzes mitgeteilt und ihn aufgefordert, den an den Unfallgegner gezahlten Betrag zu erstatten. Eine Einwirkung auf eine Entscheidungsfindung der Klägerin ist daher nicht mehr möglich.
Dem Beklagten ist es jedoch verwehrt, sich auf den Kausalitätsgegenbeweis des § 28 Abs. 3 S. 1 VVG, E. 6.2 AKB zu berufen, da er – entgegen den Ausführungen des Amtsgerichts – die Aufklärungspflichtverletzung zum Nachteil der Klägerin arglistig begangen hat.
Der Vorwurf der Arglist setzt keine Bereicherungsabsicht des Versicherungsnehmers voraus. Vielmehr genügt bereits ein gegen die Interessen des Versicherers gerichteter Zweck. Arglistig handelt der Versicherungsnehmer schon dann, wenn er die Obliegenheitsverletzung bewusst begeht und dabei billigend in Kauf nimmt, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann (vgl. BGH, Urteil vom 22.06.2011, Az.: IV ZR 174/09, zit. nach juris). Für das Vorliegen von Arglist ist der Versicherer beweispflichtig (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28. Februar 2018, Az.: I-20 U 188/17, zit. nach juris).
Die Anforderungen, die an die Annahme arglistigen Verhaltens im Sinne des § 28 Abs. 3 S. 2 VVG zu stellen sind, sind wie vom Amtsgericht zutreffend dargestellt, umstritten. Nicht jedes unerlaubte Entfernen vom Unfallort kann generell auch als arglistig im Sinne der versicherungsrechtlichen Regelungen zur Obliegenheitsverletzung angesehen werden. Entscheidend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls (vgl. BGH, Urteil vom 21.11.2012, Az.: IV ZR 97/11; OLG Hamm, Beschluss vom 28. Februar 2018, Az. I-20 U 188/17; OLG Saarbrücken, Urt. v. 10.02.2016; Az.: 5 U 75/14, LG Karlsruhe, Urteil vom 13.04.2017, Az.: 20 S 101/16, zit. nach juris).
Die Kammer ist aufgrund einer Würdigung der Gesamtumstände davon überzeugt, dass sich der Beklagte durch das Entfernen vom Unfallort bewusst Feststellungen zum Schadenshergang, insbesondere der Beteiligung seiner Person, entziehen wollte. Dem Beklagten obliegt hinsichtlich seiner Motivation für das Entfernen vom Unfallort eine sekundäre Darlegungslast, da es sich hier um eine innere Tatsache handelt, über die die darlegungspflichtige Partei naturgemäß keine Kenntnis besitzt und sich diese auch nicht verschaffen kann, hingegen der Prozessgegner die Kenntnis hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (BGH, Urteil vom 17.10.1996 – IX ZR 293/95, NJW 1997, 128, 129; MüKoZPO/Fritsche ZPO 5. Auflage 2016, § 138 Rn. 21-23, zit. nach beck-online). Der Vortrag des Beklagten, er habe gedacht, er sei mit einem Poller anstelle eines anderen Fahrzeugs kollidiert, ist aufgrund der der Entscheidung zu Grunde zu legenden Feststellungen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) widerlegt. Damit ist der Vortrag der Klägerin, Ziel des Beklagten sei es gewesen, unerkannt zu entkommen, zugestanden. Darüber hinaus vermag die Kammer auch Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die Ermöglichung von Feststellung aufgrund eines Schockzustands oder aus Gründen der Überforderung auszuschließen. Hierfür sind angesichts des glimpflich ausgegangenen Parkunfalls, dem eigenen Beklagtenvortrag sowie der Aussage der Ehefrau keine Anzeichen ersichtlich. Hinweise auf eine „Verdeckungsabsicht“ im Hinblick auf ein Strafverfahren (Trunkenheit im Verkehr, § 316 StGB) bestehen ebenfalls nicht, im Gegenteil sprechen sowohl die Aussage der Polizeibeamtin als auch die Tatsache, dass der Beklagte gerade von seiner Spätschicht kam, gegen einen Alkoholkonsum. Der Beklagte hatte Kenntnis von dem Schadensereignis, von seiner Verpflichtung zur Ermöglichung von Feststellungen, er wusste aber auch das durch das von ihm bezweckte unerkannte Verlassen der Unfallstelle eine Fahrerfeststellung wie auch Feststellungen zu den Unfallfahrzeugen und dem eingetretenen Schaden wesentlich erschwert werden. Das gleichwohl erfolgte Verlassen des Unfallorts lässt damit den einzig Schluss zu, dass der Beklagte für den Schaden nicht aufkommen wollte – weder aus eigener Tasche noch über die Versicherung, die ihn für die Inanspruchnahme ggf. auch noch hochstuft. Wenn sich der Beklagte aber seiner eigenen Schadensersatzverpflichtung entziehen will, dann macht er sich zwangsläufig auch mindestens am Sinne eines begleitenden Bewusstseins Gedanken über die Auswirkungen seines Verhaltens auf die Eintrittspflicht des Haftpflichtversicherers. Dies schließt unter den gegebenen Umständen eine mögliche Beeinträchtigung des Aufklärungs- und Regulierungsinteresses der Klägerin mit ein. Konkrete Vorstellungen hierüber sind nicht erforderlich.
Dass die Verkehrsunfallflucht sich im vorliegenden Fall weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Bemessung des Umfangs der Leistungspflicht ausgewirkt hat, weil der Beklagte beobachtet und bereits ca. eine Stunde nach dem Unfall als Verursacher ermittelt werden konnte, steht der Annahme der Arglist nicht entgegen, da dies für den Beklagten zu dem Zeitpunkt, als er die Obliegenheit verletzte, nicht vorhersehbar war.
Die Frage, ob auch in dem unrichtigen Ausfüllen der Schadensanzeige eine arglistige Obliegenheitsverletzung liegt, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.
Der zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich mangels vorheriger Mahnung erst einen Tag nach Ablauf der mit Schreiben vom 03.08.2015 gesetzten Frist aus §§ 286, 288 ZPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Die Kosten der Beweisaufnahme werden nach § 21 Abs. 1 S. 1 GKG nicht erhoben (vgl. erstinstanzliches Urteil).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Schuldnerschutzanordnungen unterbleiben, weil die Voraussetzungen, nach denen ein Rechtsmittel stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen (§§ 713, 544 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 GKG, 3 ZPO.