Skip to content

BU-Versicherung – Vorsätzliche Verletzung Anzeigepflicht bei Gesundheitsfragen

OLG Hamm – Az.: I-20 U 37/20 – Beschluss vom 03.04.2020

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Es wird Gelegenheit gegeben, binnen fünf Wochen Stellung zu nehmen.

Gründe

I.

Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.

Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil die Beklagte mit Schreiben vom 12.03.2019 jedenfalls wirksam vom Vertrag zurückgetreten ist.

Die Einwendungen des Klägers, bezüglich derer zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Berufungsbegründung (Bl. 39 ff. der elektronischen Gerichtsakte zweiter Instanz [im Folgenden: eGA II-35 f.]) verwiesen wird, greifen nicht durch:

1. Der Kläger machte die unstreitig objektiv falschen und gefahrerheblichen (nicht maßgeblich ist hier die Frage der Vertragsschlusskausalität im Sinne des § 19 Abs. 4 Satz 1 VVG) Angaben vorsätzlich.

Dies wird nach § 19 Abs. 3 Satz 1 VVG vermutet. Die Beweislast für das Nichtvorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit liegt beim Versicherungsnehmer (BT-Drs. 16/3945 S. 65).

Vorsatz ist gekennzeichnet durch das Zusammentreffen eines Wissens- und eines Wollens-Elementes in der Vorstellung der handelnden Person (BGH Urt. v. 17.2.2016 – IV ZR 353/14, r+s 2016, 303 Rn. 23). Vorsatz setzt anders als Arglist aber nicht voraus, dass der Antragsteller erkennt und billigt, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts gar nicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde (vgl. m. w. N. nur BGH Beschl. v. 10.5.2017 – IV ZR 30/16, r+s 2017, 408 Rn. 16).

a) Das Wissens-Element ist aufgrund der unstreitigen Kenntnis des Klägers von den anzeigepflichtigen Umstände und den gestellten Gesundheitsfragen erfüllt.

b) Zudem ist auch das Wollens-Element gegeben, da der Kläger jedenfalls die bestehende Vermutung nicht widerlegt hat.

Für das Wollens-Element reicht bedingter Vorsatz aus (vgl. m. w. N. nur BGH Beschl. v. 10.5.2017 – IV ZR 30/16, r+s 2017, 408 Rn. 16 „erkennt und billigt“), er muss also nur billigend in Kauf nehmen, dass er falsche Angaben macht.

Am Vorsatz des Antragstellers kann es bspw. fehlen, wenn dieser trotz aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers erkennbarer Frage nach einem offenbarungspflichtigen Umstand erklären und im Hinblick auf § 19 Abs. 3 Satz 1 VVG beweisen kann, dass er – der Antragsteller – die Frage falsch verstanden hat, also einem beachtlichen Irrtum unterlegen war.

Dies kann aber bereits aufgrund der eigenen schriftsätzlichen und mündlichen Angaben des Klägers nicht festgestellt werden.

Denn ihm war ausweislich seiner Angaben zu Protokoll des Landgerichts klar, dass er seinen Versicherungsschutz von einer reinen Risikolebensversicherung zu einer Rentenversicherung nebst Risikoschutz änderte. Er wusste, dass sich die Beiträge für die Hauptversicherung erhöhten und er damit umfangreichere Leistungen erhielt. Damit ging auch eine erhebliche Änderung der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung einher. Denn diese deckte nun im Falle der Berufsunfähigkeit auch die erheblich höheren Beiträge der neuen Rentenversicherung nebst Risikoschutz (Beitragsbefreiung). Zudem erhöhten sich auch die Beiträge der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung durch die Vertragsänderung. Zugleich senkte sich die vereinbarte Barrente für den Fall der Berufsunfähigkeit drastisch von zuletzt 987,50 EUR (Nachtrag zum 01.07.2016) auf 850,00 EUR (Änderungsantrag).

Auch die Antragsfragen waren eindeutig, z. B.: „Erfolgten in den letzten 5 Jahren …“.

Es ist vor diesem Hintergrund als reine Schutzbehauptung zu werten, der Kläger sei dennoch davon ausgegangen, dass die Fragen nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung im Jahre 2017, sondern auf den Zeitpunkt der ersten Antragstellung im Jahre 2013 beantwortet werden müssten. Denn der Kläger ging doch nach seinen eigenen schriftlichen und mündlichen Angaben davon aus, es handele sich um eine wesentliche, ihm günstige Änderung. Bei einer solchen bedarf es, allein schon für die Lebensversicherung üblicherweise der Beantwortung von Gesundheitsfragen.

Wenn der Kläger dennoch – ausweislich seines Vortrages in der Klageschrift – „gar nicht nachvollziehen“ konnte, dass er „nochmals Fragen zu seiner Gesundheit beantworten musste“, und sie „dann einfach wie ursprünglich einmal im Jahr 2013 mit nein beantwortete“, macht er deutlich, dass er sehr wohl verstanden hatte, was die Beklagte wollte.

Jedenfalls nahm er durch sein Verhalten billigend in Kauf, die richtig verstandenen, aber aus seiner Sicht nicht nachvollziehbaren Fragen falsch zu beantworten. Er machte damit Angaben „ins Blaue hinein“, was zur Annahme von Vorsatz ausreicht.

Auch im Hinblick auf vermeintliche Sprachschwierigkeiten hätte er nachfragen können und müssen.

2. Das Verhalten der Beklagten ist auch nicht rechtsmissbräuchlich. Sie hatte im Hinblick auf den zusätzlichen Rentenschutz sowie die Abdeckung der dafür zu zahlenden höheren Beiträge durch die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ein vitales Interesse daran, erneut Gesundheitsfragen zu stellen, da sich ihr Deckungsrisiko im Hinblick auf zwischenzeitliche Änderungen der Gesundheit des Klägers erheblich erhöhte.

3. Auch ein der Beklagten zuzurechnendes Beratungsverschulden ist nicht ersichtlich. Denn ausweislich der vom Kläger unterschriebenen Nebenabrede hatte die Beklagte den Kläger darüber ausdrücklich und schriftlich aufgeklärt, dass der alte Vertrag aufgehoben würde.

Ein Risiko hätte für den Kläger darin entgegen seinem Berufungsvorbringen nicht gelegen, hätte er die Gesundheitsfragen zutreffend beantwortet. Die Beklagte hätte dann – ausweislich ihres vorprozessualen und innerprozessualen Vorbringens – den Antrag nicht angenommen. Damit wäre der alte Vertrag nicht verändert worden, da die Nebenabrede ersichtlich nur greifen sollte, würde der Änderungsantrag angenommen. Das Risiko entstammt mithin allein der Falschangabe des Klägers.

II.

Auf die Gebührenermäßigung für den Fall der Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222 GKG) wird hingewiesen.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Versicherungsrecht

Egal ob Ihre Versicherung die Zahlung verweigert oder Sie Unterstützung bei der Schadensregulierung benötigen. Wir stehen Ihnen zur Seite.

 

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Versicherungsrecht

Urteile aus dem Versicherungsrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!