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Hausratversicherung – Leistungsfreiheit bei Drogenherstellung in der Wohnung

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 U 82/19 – Beschluss vom 18.01.2020

Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung gegen das am 04.09.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken, Az. 14 O 169/18, zu gewähren, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 04.09.2019 – 14 O 169/18 –, mit dem seine Klage auf Leistungen aus einem Vertrag über eine Hausratsversicherung abgewiesen wurde. Der Vertrag bestand seit dem 19.08.2016. Nach den ihm zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen (im Folgenden: VHB) ist die Beklagte verpflichtet, Entschädigung für versicherte Sachen zu leisten, wenn diese – zum Beispiel – durch Brand oder Einbruchdiebstahl zerstört oder beschädigt wurden. Ziffer 18 VHB enthält folgende Regelungen zur Gefahrerhöhung:

„18.1 Gefahrerhöhung

Eine Gefahrerhöhung liegt vor, wenn nach Abgabe Ihrer Vertragserklärung die tatsächlich vorhandenen Umstände so verändert werden, dass der Eintritt des Versicherungsfalls (siehe Ziffer 4.1) […] wahrscheinlicher wird. […]

[…]

18.2 Ihre Pflichten bei einer Gefahrerhöhung

18.2.1 Sie dürfen nach Abgabe Ihrer Vertragserklärung ohne unsere vorherige Zustimmung keine Gefahrerhöhung vornehmen oder deren Vornahme durch Dritte gestatten.

[…]

18.5 Leistungsfreiheit wegen Gefahrerhöhung

18.5.1 Tritt nach der Gefahrerhöhung der Versicherungsfall (siehe Ziffer 4.1) ein, haben Sie keinen Versicherungsschutz, wenn Sie Ihre Pflichten aus Ziffer 18.2.1 vorsätzlich verletzt haben. […]“

Hausratversicherung - Leistungsfreiheit bei Drogenherstellung in der Wohnung
(Symbolfoto: Von JPBC/Shutterstock.com)

Am 06.12.2016 brachen unbekannte Täter in der Wohnung des Klägers ein, während dieser sich in Urlaub befand, und setzten sie in Brand. Im Rahmen der Ermittlung der Brandursache fand man in der Wohnung über drei Kilogramm Amphetamin und Marihuana. Das Amtsgericht Saarbrücken verurteilte den Kläger zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

Vorgerichtlich erbrachte die Beklagte – ohne Anerkennung einer Rechtspflicht – Versicherungsleistungen in Höhe 20.000 €. Nachdem sie Einsicht in die Ermittlungsakte genommen hatte, erklärte sie mit Schreiben vom 10.10.2018 die Anfechtung des Versicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung (Anlage 10, Anlagenband Beklagte) mit der Begründung, der Kläger habe ihr bei Vertragsschluss nicht mitgeteilt, als Drogendealer tätig zu sein; hätte sie dies gewusst, hätte sie den Vertrag selbstverständlich nicht geschlossen.

Der Kläger hat mit der beim Landgericht Saarbrücken erhobenen Klage die Zahlung einer Entschädigung aus der Hausratsversicherung in Höhe von rund 72.000 € geltend gemacht (Hotelübernachtungskosten ca. 10.000 €, angeblich gestohlene bzw. zerstörte Hausratsgegenstände rund 82.000 €, abzüglich der vorgerichtlich gezahlten 20.000 €).

Die Beklagte hat ihre Leistungspflicht in Abrede gestellt und dies auf den Umstand gestützt, dass der Kläger als Drogendealer zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls mehrere Kilogramm Drogen in seiner Wohnung gelagert hatte. Sie hat sich auf die vorgerichtlich erklärte Vertragsanfechtung berufen und zudem das Deponieren der Drogen als vorsätzlich verschwiegene Gefahrerhöhung betrachtet.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 04.09.2019 abgewiesen. Der Versicherungsfall sei zwar unstreitig eingetreten. Die Beklagte sei aber wegen einer vorsätzlichen wesentlichen Gefahrerhöhung gemäß Ziffer 18.5.1 VHB i.V.m. §§ 23 Abs. 1, 26 VVG leistungsfrei geworden. Die Aufnahme einer Drogenproduktion in der versicherten Wohnung zum Zweck des Drogenhandels habe die Gefahr eines Einbruchsdiebstahls und damit auch die Gefahr einer Brandstiftung – zur Verdeckung des Einbruchs oder aus Frustration über eine enttäuschte Beutehoffnung – erheblich erhöht. Das habe, auch für den Kläger, auf der Hand gelegen. Die gesetzliche Kausalitätsvermutung des § 26 Abs. 3 Nr. 1 VVG habe der Kläger nicht widerlegt.

Der Kläger verlangt Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil. Im Entwurf seiner Berufungsbegründung vertritt er die Ansicht, das – unstreitige – Aufbewahren von Drogen in der Wohnung könne die Gefahr für den Eintritt des Versicherungsfalls allenfalls dann erhöht haben, wenn es diesen in irgendeiner Weise ausgelöst oder verursacht hätte. Dafür sieht er keine Anhaltspunkte. Nach seiner Einschätzung wäre der Versicherungsfall auf die vorhandenen Drogen nur dann zurückführbar gewesen, wenn diese auch tatsächlich entwendet worden wären (Bl. 223b d.A.).

Die Beklagte meint, der Kläger verwechsele die Voraussetzungen der Gefahrerhöhung mit denjenigen des Kausalitätsgegenbeweises.

II.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist zurückzuweisen. Die vom Kläger in Aussicht genommene Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das die Klage abweisende landgerichtliche Urteil beruht weder gemäß den §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO auf einer Rechtsverletzung, noch würden die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

1.

Es kann dahinstehen, ob versicherungsvertragliche Ansprüche des Klägers schon daran scheitern, dass der Kläger bei Vertragsschluss gefahrerhebliche Tatsachen verschwieg und die Beklagte ihre Vertragserklärung im Hinblick darauf wirksam wegen arglistiger Täuschung anfechten konnte (§ 22 VVG, § 123 Abs. 1 BGB). Jedenfalls ist die Beklagte, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, gemäß den §§ 26 Abs. 1 Satz 1, 23 Abs. 2 VVG, Ziffer 18.5.1, 18.2.1 VHB von ihrer Leistungspflicht befreit, weil der Kläger die Gefahr für den Eintritt des Versicherungsfalls vorsätzlich erhöht hat.

2.

Gemäß § 23 Abs. 1 VVG darf der Versicherungsnehmer nach Abgabe seiner Vertragserklärung ohne Einwilligung des Versicherers keine Gefahrerhöhung vornehmen. Tritt der Versicherungsfall nach einer Gefahrerhöhung ein, so ist der Versicherer gemäß § 26 Abs. 1 VVG nicht zur Leistung verpflichtet, wenn die Verpflichtung nach § 23 Abs. 1 VVG vorsätzlich verletzt wurde, es sei denn, die Gefahrerhöhung war für den Eintritt des Versicherungsfalles oder den Umfang der Leistungspflicht nicht ursächlich (§ 26 Abs. 3 Nr. 1 VVG).

Gefahrerhöhungen im Sinne des § 23 Abs. 1 VVG sind Änderungen gefahrerheblicher Umstände nach Vertragsabschluss, die das Risiko des Eintritts des Versicherungsfalls nicht nur unerheblich steigern; sie müssen einen Zustand schaffen, der seiner Natur nach geeignet ist, auf Dauer die Grundlage eines neuen natürlichen Gefahrenverlaufs zu bilden und so den Eintritt des versicherten Risikos generell zu fördern (Senat, Urteil vom 15.01.2003 – 5 U 261/02 – RuS 2003, 147). Der Versicherungsnehmer muss diesen Zustand willentlich herbeigeführt haben, wofür es genügt, dass er die gefahrerhöhenden Umstände kannte. Für den Vorsatz als Voraussetzung der Leistungsbefreiung nach § 26 Abs. 1 VVG bedarf es darüber hinaus des Bewusstseins, den Eintritt des Versicherungsfalls wahrscheinlicher gemacht zu haben (vgl. BGH, Urteil vom 10.09.2014 – IV ZR 322/13 – juris; Langheid in: Langheid/Rixecker, VVG, 2019, § 26 Rdn. 2).

Gemäß § 26 Abs. 3 Nr. 1 VVG bleibt die Leistungspflicht des Versicherers bestehen, soweit die Gefahrerhöhung für den Eintritt des Versicherungsfalles oder den Umfang der Leistungspflicht nicht ursächlich geworden ist. Dieser Kausalitätsgegenbeweis obliegt dem Versicherungsnehmer. Er ist erst dann geführt, wenn die vom Versicherer angedeuteten Möglichkeiten als nicht bestehend bewiesen werden oder dargetan wird, dass die Möglichkeit der Kausalität der Gefahrerhöhung für den Schaden so fern liegt, dass ihre Widerlegung nicht verlangt werden kann (Armbrüster in: Prölss/Martin, VVG, 30. Auflage 2018, § 20 Rdn. 13).

3.

Das Landgericht hat die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 VVG angenommen und den Kausalitätsgegenbeweis des § 26 Abs. 3 Nr. 1 VVG als nicht erbracht angesehen.

Der Kläger habe, wie sich aus seinen Angaben in seiner persönlichen Anhörung ergebe, nach Abschluss des Versicherungsvertrags begonnen, Drogen in der versicherten Wohnung herzustellen (Seite 6 des Urteils, Bl. 200 d.A.). Damit habe er willentlich die Gefahr eines Einbruchdiebstahls und auch die Gefahr einer Brandstiftung erheblich erhöht. Andere Personen hätten von der im großen Stil durchgeführten Drogenproduktion Kenntnis erlangen und damit rechnen können, dass sich erhebliche Drogenvorräte oder auch Bargeldbeträge aus Drogengeschäften in der Wohnung befänden. Dadurch sei ein erheblicher Anreiz für Einbrüche gesetzt worden. Auch das Risiko einer Brandstiftung sei gestiegen. Das Legen eines Brandes könne der Beseitigung von Einbruchsspuren dienen oder auch aus Frustration erfolgen, weil die erhoffte Beute nicht aufgefunden werden konnte oder auch aus anderen im kriminellen Milieu typischerweise naheliegenden Motiven (Rache, Denkzettel, Revierkämpfe, Seite 5 f. des Urteils, Bl. 199 f. d.A.). Die Beklagte habe bewiesen, dass der Kläger die Verpflichtung aus § 23 Abs. 1 VVG vorsätzlich verletzt habe. Denn es habe – auch für ihn – auf der Hand gelegen, dass mit der Aufnahme einer Drogenproduktion die Gefahr einhergehe, dass andere sich der im betroffenen Haus vermuteten Drogen bemächtigen wollten und z.B. zur Verdeckung auch einen Brand legen würden (Seite 8 des Urteils, Bl. 202 d.A.). Den Kausalitätsgegenbeweis gemäß § 26 Abs. 3 Nr. 1 VVG habe der Kläger nicht geführt. Dass sich die im vorstehend dargelegten Sinne erhöhte Gefahr tatsächlich realisiert habe, könne jedenfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden (Seite 8 des Urteils, Bl. 202 d.A.).

4.

All das ist weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht zu beanstanden.

a.

Anhaltspunkte, die Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit der den rechtlichen Annahmen des Landgerichts zu Grunde liegenden tatsächlichen Feststellungen begründen würden, sind nicht ersichtlich. Jene Feststellungen würden den Senat als Berufungsgericht binden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

b.

Die Rechtsausführungen des Landgerichts stehen im Einklang mit den oben dargelegten Grundsätzen. Das Landgericht hat sich, was die vorsätzliche Erhöhung der Einbruchsgefahr durch das Lagern von Drogen in einer Wohnung anbelangt, einer in einem ähnlichen Fall ergangenen Entscheidung des OLG Celle angeschlossen (OLG Celle, VersR 2017, 756; siehe auch Karczewski in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 4. Auflage 2020, § 26 Rdn. 2). Der Senat teilt diese Auffassung. Er hält auch die Einschätzung des Landgerichts, wonach die Aufnahme der Drogendealertätigkeit und die Herstellung und Aufbewahrung der Drogen im versicherten Objekt die Brandgefahr gesteigert habe, für richtig. Diese Einschätzung beruht auf der nicht zu beanstandenden Annahme, dass Brandlegungen zum Vertuschen von Einbruchsspuren oder zur Schwächung oder Einschüchterung eines „Konkurrenten“ im kriminellen Drogenmilieu wahrscheinlicher wurden (vgl. zur Erhöhung der Brandgefahr durch das Betreiben eines Bordells BGH, Beschl. v. 20.06.2012 – IV ZR 150/11 – juris; OLG Hamm, VersR 2016, 249; OLG Naumburg, Urteil vom 14.04.2016 – 4 U 26/15 – juris).

c.

Die Einwände, auf welche der Kläger seine Berufung zu stützen beabsichtigt, sind unbegründet.

Der Kläger meint, die Beklagten sei trotz des in der Wohnung unterhaltenen Drogendepots leistungspflichtig, weil – wie er behauptet – bei dem Einbruch keine Drogen entwendet worden seien, so dass ein „Täterwissen im Drogenmilieu“ als Ursache ausscheide. Der Kläger verkennt damit, dass es an ihm wäre, zur vollen Überzeugung des Gerichts nachzuweisen, dass der Einbruch und die dabei erfolgte Brandlegung keinerlei Zusammenhang zu der gefahrerhöhenden Drogenproduktion und -lagerung in der versicherten Wohnung aufgewiesen hätten (§ 26 Abs. 3 Nr. 1 VVG). Dass ihm dieser Beweis nicht gelungen ist, hat das Landgericht zutreffend ausgeführt (siehe auch Karczewski in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 4. Auflage 2020, § 26 Rdn. 19: in den Fällen der Drogenproduktion im Keller eines Hauses mit nachfolgendem Einbruchdiebstahl gelinge der Nachweis fehlender Kausalität in der Regel nicht).

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