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Gebäudeversicherungsvertrag – Aufklärungs- und Beratungspflicht des Versicherers

OLG Hamm, Az.: I-20 U 149/15, Beschluss vom 12.08.2015

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.

Gründe

Gebäudeversicherungsvertrag - Aufklärungs- und Beratungspflicht des Versicherers
Symbolfoto: Von Freedomz /Shutterstock.com

Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.

Die angefochtene Entscheidung hält rechtlicher Überprüfung durch den Senat stand. Sie beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere, der Klägerin günstigere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.

Das Landgericht hat die Klage der Klägerin, mit der sie Entschädigungsleistungen aus einer bei der Beklagten genommenen Wohngebäudeversicherung im Zusammenhang mit einem Schadenereignis vom 20.06.2013 begehrt, zu Recht abgewiesen.

1.)

Das Landgericht hat hierbei zunächst angenommen, dass nach dem im Zeitpunkt des Schadenereignisses maßgeblichen Deckungsumfang der Versicherung ein versichertes Schadenereignis nicht vorgelegen habe. Denn die Beklagte könne sich auf den in § 6 Ziff. 3 Buchstabe b) VGB 2008 Klassik bedungenen Ausschluss berufen, wonach sich der Versicherungsschutz gegen Leitungswasser ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen u.a. nicht auf Schäden durch Witterungsniederschläge erstreckt.

Dieser rechtliche Begründungsansatz des Landgerichts und die ihm zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen werden von der Klägerin mit ihrer Berufungsbegründung bereits nicht konkret angegriffen.

Der Senat hat zudem bereits entschieden, dass die Ausschlussklausel wirksam ist und schon nach ihrem Wortlaut eine bloße Mitverursachung ausreichen lässt; in dieser Auslegung hält die Klausel einer Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle stand; sie ist weder überraschend im Sinne von § 305c BGB noch benachteiligt sie den Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (vgl. Senat, Urt. v. 28.08.2013, 20 U 2/13, juris, Rn. 29, 30 m. w. Nachweis, r+s 2014, 357).

2.)

Das Landgericht hat weiter angenommen, dass der Klägerin auch kein Deckungsanspruch gegen die Beklagte aus § 6 Abs. 1, Abs. 4 VVG wegen der Verletzung von Beratungspflichten (Elementarrisiken) zustehe. Hierbei ist das Landgericht davon ausgegangen, dass im Rahmen der Umstellung des Versicherungsvertrages auf die Klägerin im Jahre 2010 für die Beklagte keine vorvertragliche Beratungspflicht gem. § 6 Abs. 1 VVG bestanden habe, da die Klägerin nach dem Versterben ihres Vaters lediglich in das bestehende Versicherungsverhältnis eingetreten sei. Ferner hat es angenommen, dass eine anlassbezogene Beratungspflicht der Beklagten nach Vertragsschluss gem. § 6 Abs. 4 VVG nicht bestanden habe.

Die hiergegen gerichteten Rügen der Berufung erweisen sich als nicht durchgreifend.

Zwar kann ein Versicherer gem. § 249 Abs. 1 BGB unter Schadensersatzgesichtspunkten verpflichtet sein, den Versicherungsnehmer so zu stellen, wie er bei Abschluss eines anderen Versicherungsvertrags mit adäquatem Versicherungsschutz stehen würde (sog. „Quasideckung“, vgl. BGH, Urt. v. 26.03.2014, IVZR 422/12, juris, Rn. 19, VersR 2014, 625; Münkel, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 2. Aufl. 2011, § 6 VVG Rn. 46; jeweils mit weiteren Nachweisen).

Zutreffend hat das Landgericht aber bereits eine (vorvertragliche) Beratungspflicht der Beklagten gem. § 6 Abs. 1 VVG bei „Umstellung“ des Vertrages auf die Klägerin verneint.

Allerdings findet § 6 Abs. 1 VVG auch bei einer Umstellung des bisherigen Vertrages auf einen neuen Vertrag sowie bei weitgehenden Vertragsänderungen, die es erforderlich machen, die gegenwärtige Situation des Versicherungsnehmers in großem Umfang zu durchleuchten, Anwendung (OLG Karlsruhe, Urt. v. 15.01.2013, 12 U 121/12, juris, Rn. 31, VersR 2013, 885 = r+s 2013, 436; Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 6 VVG Rn. 52).

Ein neuer Vertrag liegt aber nur vor, wenn der aus den gesamten Fallumständen zu ermittelnde Wille der Vertragsparteien darauf gerichtet war, die vertraglichen Beziehungen auf eine selbständige neue Grundlage zu stellen und nicht lediglich einzelne Regelungen des bestehenden Vertrages zu modifizieren. Der maßgebliche Wille der Vertragsparteien muss dabei seinen Niederschlag in den Vertragsverhandlungen und Vertragserklärungen finden. Für einen neuen Vertrag kann hierbei die Veränderung wesentlicher Vertragsinhalte, etwa des versicherten Risikos, des versicherten Objekts, der Vertragsdauer, der Vertragsparteien und der Gesamtversicherungssumme sprechen (vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 22.10.2014, IV ZR 303/13, juris, Rn. 21 mit weiteren Nachweisen).

Das Landgericht hat den Abschluss eines Neuvertrages maßgeblich deshalb verneint, weil die Versicherungsnehmereigenschaft bereits in Ansehung des Todes des Vaters der Klägerin im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf sie übergegangen sei. Soweit die Klägerin dem im Berufungsrechtzug mit der Begründung entgegen tritt, sie sei nicht Alleinerbin nach ihrem Vater geworden, kommt es auf diesen Gesichtspunkt bereits nicht an.

Denn die Klägerin hat schon in der Klageschrift vorgetragen, dass das (seit Anfang 2005) in ihrem Eigentum stehende versicherte Objekt lediglich mit einem Nießbrauch für ihre in den Jahren 2008 und 2010 verstorbenen Eltern belastet war. Bei der von Seiten ihrer Eltern genommenen Gebäudeversicherung handelte es sich mithin zu deren Lebzeiten um eine Fremdversicherung (vgl. Frank, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2009, § 1045 Rn. 9 ff.) im Sinne der §§ 43 ff. VVG, die durch Beendigung des Nießbrauchs (§ 1061 BGB) zur Eigenversicherung der Klägerin wurde und mit ihr auf ihre Kosten fortgesetzt wurde. Geendet haben würde die Versicherung dem beklagten Versicherer gegenüber nur dann, wenn die Eltern der Klägerin die Gebäudeversicherung als Nießbraucher von Anfang an nur auf die Dauer des Nießbrauchs genommen hätten (Frank, a.a.O., § 1045 Rn. 14). Dies hat die Klägerin aber weder vorgetragen noch ist es sonst ersichtlich.

Nach alledem handelt es sich bei der Umstellung der Versicherungsnehmereigenschaft auf die Klägerin lediglich um eine Änderung des ursprünglichen Vertrages und keine sog. Novation. Denn eine Aufhebung des alten Vertrages und die Begründung eines neuen Vertrages sind nur anzunehmen, wenn ein solcher Wille der Parteien deutlich hervortritt. Wegen der weitreichenden Folgen eines Neuabschlusses darf ein solcher Wille den Parteien nicht unterstellt werden, weshalb im Zweifelsfall von einem Abänderungsvertrag auszugehen ist (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 22.07.2013, 7 U 276/12, BeckRS 2014, 20957, Rn. 22).

Ohnehin aber schuldet der Versicherer nicht stets und in allen Fällen Aufklärung und Beratung. Vielmehr ist es grundsätzlich Aufgabe des Versicherungsnehmers, sich in eigener Verantwortung über die zu versichernden Risiken klar zu werden und über den hierfür in Betracht kommenden Versicherungsschutz zu informieren (vgl. Senat, Urt. v. 27.02.2013, 20 U 164/12, n.v.; Urt. v. 23.08.2000, 20 U 22/00, juris, Rn. 41, r+s 2001, 334 = NJW-RR 2001, 239). Abgesehen von dem Fall, dass ein Versicherungsnehmer seinen Wunsch nach weitergehender Beratung konkret zum Ausdruck bringt, kann von einem Versicherer nur dann Aufklärung und Beratung erwartet werden, wenn sich ein konkretes Bedürfnis hierfür offenbart, welches auch nach der Konzeption der §§6 Abs. 1, Abs. 4, 61 Abs. 1 eine Aufklärungs- und Beratungspflicht auslöst. Ein solches Bedürfnis besteht immer dann, wenn der Versicherungsnehmer sich erkennbar falsche Vorstellungen über den abzuschließenden Vertrag oder den Umfang des Versicherungsschutzes macht oder wegen der Komplexität der Materie jedenfalls mit Missverständnissen und Irrtümern des Versicherungsnehmers zu rechnen ist oder das erkennbar zu versichernde Risiko von dem ins Auge gefassten Versicherungsschutzes nicht vollständig umfasst wird (Senat, Urt. v. 27.02,2013, 20 U 164/12, n.v.; OLG Saarbrücken, Urt. v. 19.10.2011, 5 U 71/11, juris, Rn. 39 mit weiteren Nachweisen, VersR 2012, 1029 = r+s 2012, 296).

Schon hiervon kann aber im Streitfall nicht ausgegangen werden. Denn allein die fehlende Absicherung gegen mögliche Risiken genügt – wie das Landgericht zutreffend erkannt hat – für die Annahme einer Beratungspflicht für sich genommen nicht (Senat, Urt. v. 27.02.2013, 20 U 164/12, n.v.).

Schon aus diesem Grund kommt auch keine die Beklagte gem. § 6 Abs. 4 VVG nach Vertragsabschluss treffende Pflicht zur vorsorgenden Rechtsberatung darüber, ob der vereinbarte Versicherungsschutz den Bedürfnissen des Versicherungsnehmers weiter genügt oder Lücken aufweist, in Betracht.

Auf die Gebührenermäßigung für den Fall der Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222 GKG) wird hingewiesen.

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