Skip to content

Hausratversicherung – Einsteigediebstahl

KG Berlin – Az.: 6 U 131/16 – Beschluss vom 03.04.2018

In dem Rechtsstreit hat der Senat nunmehr über die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 23 des Landgerichts Berlin vom 8. September 2016 beraten, sieht eine gewisse Erfolgsaussicht für die Berufung der Beklagten und schlägt den Parteien deswegen eine gütliche Einigung vor.

Gründe

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig.

Die Berufung kann gemäß § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Hier weckt die Berufungsbegründung Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung durch das Landgericht. Die Grundsätze der Rechtsprechung zu Beweiserleichterungen im Bereich der Hausratsversicherung hat das Landgericht allerdings zutreffend angewendet.

1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs werden dem Versicherungsnehmer einer Hausratsversicherung aus dem Leistungsversprechen des Versicherers abgeleitete Erleichterungen für den Beweis eines bedingungsgemäßen Diebstahls versicherter Sachen zugebilligt (vgl. BGH, Urt. v. 20. 12. 2006 – IV ZR 233/05 – = NJW-RR 2007, 466 f. = VersR 2007, 241 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 9; Urt. v. 18. 10. 2006 – IV ZR 130/05 – = VersR 2007, 102 ff = NJW 2007, 372 ff. – zitiert nach juris: Rdnr. 14). Sie beruhen auf der Erwägung, dass der Täter eines Einbruchsdiebstahls regelmäßig darum bemüht ist, bei der Tat keine Spuren zu verursachen, die ihn überführen könnten. Ebenso versucht er, unbemerkt zu bleiben, um die Tatdurchführung nicht zu gefährden. Deshalb ist es oft nicht möglich, im Nachhinein den Tatverlauf konkret festzustellen. Deshalb sind die Beweiserleichterungen als eine dem Vertrage innewohnende, materiellrechtliche Verschiebung des Eintrittsrisikos zugunsten des Versicherungsnehmers zu verstehen (vgl. BGH NJW-RR 2007, 466 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 9 m. w. Nachw.). Ohne sie wäre der Wert einer Sachversicherung, soweit sie das Diebstahlsrisiko abdeckt, in Frage gestellt. Der Versicherungsnehmer bliebe oft schutzlos, obwohl er sich durch den Abschluss der Versicherung gerade auch für Fälle schützen wollte, in denen die Umstände der Entwendung nicht umfassend aufgeklärt werden können (vgl. BGH, a. a. O.).

Der Versicherungsnehmer genügt seiner Beweislast, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender – nicht überwiegender (vgl. BGH NJW-RR 1993, 797 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 2) – Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen. Zu dem Minimum an Tatsachen, die das äußere Bild eines Einbruchsdiebstahls ausmachen, gehört neben der Unauffindbarkeit der zuvor am Tatort vorhandenen, als gestohlen gemeldeten Sachen, dass – abgesehen von den Fällen des Nachschlüsseldiebstahls – Einbruchsspuren vorhanden sind (vgl. BGH, Urt. v. 8. 4. 15 – IV ZR 171/13 – zitiert nach juris: Rdnr. 13; BGH NJW-RR 2007, 466 f.; BGH NJW 2007, 372 ff.). Der Nachweis des äußeren Bildes setzt nicht voraus, dass die vorgefundenen Spuren “stimmig” in dem Sinne sind, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch schließen lassen. Insbesondere müssen nicht sämtliche, typischerweise auftretenden Spuren vorhanden sein. Nur wenn ein Einbuch auf dem Wege, wie er nach dem äußeren Spurenbild vorzuliegen scheint, aus anderen Gründen völlig auszuschließen ist, kann es trotz Vorhandenseins an sich genügender Spuren am Nachweis des erforderlichen Mindesttatbestandes fehlen (BGH, Urt. v. 8. 4. 15 – IV ZR 171/13 – zitiert nach juris: Rdnr. 22 m. w. Nachw.).

Der Versicherungsnehmer muss dabei keine Tatsachen vortragen, aus denen sich ergibt, wie die Täter von außen an den Ort (im konkreten Sachverhalt: Balkontür zu einer Loggia im OG) gelangt sind, von dem aus sie – durch Spuren ersichtlich – in die Räume eingedrungen sind (vgl. BGH NJW-RR 2007, 466 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 13). Ist jedoch in einen Raum innerhalb eines Gebäudes eingebrochen worden, dann gehört es auch zum äußeren Bild des Einbruchs, dass sich Spuren für einen Einbruch am Äußeren des Gebäudes selbst finden lassen, wenn die Umstände im Einzelfall darauf schließen lassen, dass der Täter, um überhaupt zu dem aufgebrochenen Raum zu gelangen, gewaltsam von außen in das Gebäude einbrechen musste (vgl. BGH NJW-RR 1999, 1184 ff. – zitiert nach juris: Rdnr. 8).

Es gehört nicht zum äußeren Bild eines Einbruchsdiebstahls, schlüssig zu erklären und darzulegen, wie es den Tätern mit umfangreicher Beute und einem hohen Entdeckungsrisiko gelingen konnte, unbemerkt vom Tatort zu entkommen (vgl. BGH, Urt. v. 20. 12. 06 – IV ZR 233/05 – zitiert nach juris: Rdnr. 13; NJW-RR 1995, 1174 f. = VersR 1995, 956 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 9).

Der Vollbeweis für das Vorhandensein und Nichtwiederauffinden ist bei einer Vielzahl entwendeter Gegenstände (z. B. Lagerbestand, Vielzahl von Schmuckstücken als Tresorinhalt) zwar nicht für jedes Einzelstück zu führen. Erforderlich ist jedoch der Nachweis, dass jedenfalls Sachen vorhanden waren, die der angegebenen Menge in etwa – “im Wesentlichen” – entsprechen (vgl. BGH NJW 2007, 372 ff – zitiert nach juris: Rdnr. 17; NJW-RR 1995, 1174 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 11). Erbringt der Versicherungsnehmer – beim Vorhandensein von Einbruchsspuren – diesen Nachweis, steht das äußere Bild einer versicherten Entwendung der (insgesamt) als gestohlen gemeldeten Sachen fest; danach ist mit Blick auf die Schadenshöhe Raum für die Anwendung des Beweismaßes des § 287 ZPO (BGH, a. a. O.).

Hausratversicherung – Einsteigediebstahl
(Symbolfoto: Von Brian A Jackson/Shutterstock.com)

Geht es um einen sogenannten Einsteigediebstahl, so ist der Nachweis von Spuren erforderlich, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dafür sprechen, dass sich der Dieb auf ungewöhnliche, nach den üblichen Gegebenheiten des Bauwerks nicht vorgesehene Weise Zugang zu seiner Beute verschafft (vgl. BGH NJW-RR 1994, 285 f. = VersR 1994, 215 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 12). Dagegen genügt es nicht, wenn die vorhandene bestimmungsgemäße Zugangsmöglichkeit ihrer Art oder ihrem Zustand nach nur unter Schwierigkeiten, die sich auch dem Berechtigten entgegenstellen, genutzt werden kann (vgl. BGH NJW-RR 1986, 103 f. = VersR 1985, 1029 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 9).

Kommt ein Nachschlüsseldiebstahl in Betracht, dann kommen dem Versicherungsnehmer ebenfalls Beweiserleichterungen zugute. Auch dort muss er nur konkrete Umstände beweisen, die nach der Lebenserfahrung mit lediglich hinreichender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass ein Nachschlüssel benutzt wurde (vgl. BGH NJW-RR 1991, 737f. = VersR 1991, 297ff. – zitiert nach juris: Rdnr. 15; NJW-RR 1991, 738 f. = VersR 1991, 543 ff. – zitiert nach juris: Rdnr. 15). Hierzu ist der Nachweis von Umständen erforderlich, die nach der Lebenserfahrung mit lediglich hinreichender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass der Täter sich den Zugang zu den Räumen, aus denen Sachen entwendet worden sind, nur bei Überwindung zumindest einer verschlossenen Tür verschaffen konnte und dass dies mittels eines Nachschlüssels geschehen ist (vgl. BGH NJW-RR 1990, 607 – zitiert nach juris: Rdnr. 2). Der Schluss auf die Verwendung eines Nachschlüssels lässt sich ziehen, wenn Beweisanzeichen die Verwendung der vorhandenen Original- oder richtigen Schlüssel unwahrscheinlich machen (vgl. BGH, a. a. O.). Für die Verwendung eines Nachschlüssels können u. a. Kopierspuren sprechen, die auf das Fertigen eines Nachschlüssels hindeuten (vgl. BGH NJW-RR 1991, 737 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 16). Es kann bei der Gesamtwürdigung auch eine Rolle spielen, dass ein Einbruch nach den Ermittlungen ausscheidet, am Tatort Spuren vorgefunden wurden, die keiner der zugangsberechtigten Personen zugeordnet werden konnten und dass diese berechtigten Personen ein Alibi für die Tatzeit aufweisen können (vgl. BGH, a. a. O. – zitiert nach juris: Rdnr. 17).

In allen geschilderten Fällen, muss der Versicherungsnehmer mehr beweisen, als das ungeklärte Abhandenkommen von Sachen aus dem versicherten Raum. Andererseits braucht er nicht sämtliche Möglichkeiten einer nicht versicherten Entwendung auszuschließen (vgl. BGH, a. a. O. – zitiert nach juris: Rdnr. 15). Denn dies würde das Führen des Vollbeweises für die Entwendung bedeuten.

Bleibt die konkrete Art des Eindringens unklar, kann der Beweis des äußeren Bildes auch dadurch geführt werden, das bei mehreren in Betracht kommenden Tatmodalitäten die nicht versicherten Möglichkeiten ausgeschlossen oder so unwahrscheinlich sind, dass sich daraus im Gegenschluss die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines versicherten Einbruchdiebstahls ergibt (KG, VersR 2004, 733 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 3)

2) Die Anwendung der vorgenannten Beweiserleichterungen beruht auf der Annahme, dass im Regelfall der Leistungen des Versicherers beanspruchende Versicherungsnehmer redlich und nicht unredlich ist (vgl. BGH VersR 1984, 29 ff – zitiert nach juris: Rdnr. 14). Dem Versicherer werden aber ebenfalls Beweiserleichterungen eingeräumt, wenn er darlegen und beweisen will, dass ein unredlicher Versicherungsnehmer die ihm eingeräumten Beweiserleichterungen missbraucht. Auch für diesen Gegenbeweis ist kein Vollbeweis erforderlich. Erforderlich ist lediglich der Nachweis konkreter Tatsachen, die allerdings nicht nur mit hinreichender, sondern mit höherer, nämlich erheblicher Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass der Diebstahl nur vorgetäuscht ist (vgl. BGH NJW-RR 1996, 981 ff – zitiert nach juris: Rdnr. 9; NJW-RR 1996, 275 f. = VersR 1996, 186 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 12). Es sind nicht nur solche Tatsachen zu berücksichtigen, die die Annahme einer Vortäuschung begründen können, sondern schon solche, die eine Vortäuschung mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nahe legen. Konkrete Tatsachen sind dabei auch Indiztatsachen – etwa auch die fehlende Überzeugungskraft der Erklärungsversuche des Versicherungsnehmers (vgl. BGH RuS 1990, 130 f. = ZfSch 1989, 284 – zitiert nach juris: Rdnr. 12).

Die Redlichkeit und damit die Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers kann unter zwei Gesichtspunkten von Bedeutung sein. Auf sie kann es bei der Feststellung von Tatsachen ankommen, die zum äußeren Bild gehören, sei es, dass das Gericht den Versicherungsnehmer als Partei gemäß § 448 ZPO vernimmt oder ihn nach § 141 ZPO persönlich anhört (vgl. BGH NJW-RR 1995, 1174 f. = VersR 1995, 956 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 14). Die Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers kann auch bei der Feststellung der Tatsachen eine Rolle spielen, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass der Diebstahl nur vorgetäuscht ist. Der Tatrichter muss sich im Regelfall entscheiden, ob er dem Versicherungsnehmer glauben kann oder nicht; bloße Verdächtigungen reichen nicht aus (vgl. BGH, a. a. O.).

Nicht jede Unredlichkeit des Versicherungsnehmers vor oder nach dem streitigen Eintritt des Versicherungsfalls, die seine Glaubwürdigkeit in Frage stellt, spricht automatisch mit erheblicher Wahrscheinlichkeit für ein Vortäuschen des streitigen Diebstahls. Dies gilt insbesondere für Täuschungen bei der Schadensabwicklung – etwa durch eine Täuschung zur Schadenshöhe – (vgl. BGH VersR 1987, 61 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 21; NJW-RR 1987, 537 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 5; VersR 1987, 801 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 8). Ist die Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers erschüttert, weil er in Bezug auf angeblich bei dem Diebstahl entwendeten Schmuck vor gut zwei Jahren eine bewusst falsche Offenbarungsversicherung abgegeben hat, begründet dies nicht in jedem Fall eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Versicherungsnehmer den Diebstahl selbst veranlasst hat (vgl. BGH NJW-RR 1988, 342 f. = VersR 1988, 75 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 6).

Es kommt immer auf die Würdigung aller Umstände im Einzelfall an, ob aus einem unredlichen Verhalten des Versicherungsnehmers, das nicht die äußeren objektiven Umstände des behaupteten Diebstahls betrifft, auf eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für ein Vortäuschen des Diebstahls gezogen werden kann (vgl. BGH NJW-RR 1987, 537 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 5).

3) Gelingt dem Versicherer der ihm obliegende Gegenbeweis, dann ist es Sache des Versicherungsnehmers den Vollbeweis für den behaupteten Diebstahl auf eine vom Versicherungsvertrag umfasste Weise zu führen (vgl. BGH VersR 1994, 45 ff. – zitiert nach juris: Rdnr. 9; NJW 1991, 3284 f. = VersR 1991, 924 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 8).

Kann der Versicherer den Nachweis führen, der Diebstahl sei mit erheblicher Wahrscheinlichkeit nur vorgetäuscht, führt dies nicht zu einer Umkehr der Beweislast des Versicherers für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 61 VVG. Diesem Nachweis kann jedoch im Rahmen der Beweisführung gemäß § 61 VVG eine nicht unerhebliche indizielle Bedeutung zukommen, die der Tatrichter zugunsten des Versicherers bei seiner Überzeugungsbildung gegebenenfalls zu beachten hat (vgl. BGH NJW-RR 1996, 275 f. = VersR 1996, 186 f. m. w. Nachw. – zitiert nach juris: Rdnr. 15).

II.

1) Dem Kläger gelingt hier der Nachweis des äußeren Bildes eines Einbruchs in die Wohnung über die Wohnungseingangstür nicht. Das Landgericht ist insoweit zutreffend davon ausgegangen, dass die Spurenlage an der Schließanlage der Wohnungseingangstür das äußere Bild eines versicherten Einbruchsdiebstahls nicht belegen kann. Denn die von den Polizeibeamten vor Ort bei der Anzeigenaufnahme festgestellten Kratzspuren an der Falle und am Türrahmen – unabhängig von der Frage, ob diese Spuren tatsächlich frisch waren – zeigen keinen Manipulationsversuch an der Tür, der geeignet wäre, den nach dem Vortrag des Klägers doppelt ausgeschlossenen Schließmechanismus zu überwinden. Insoweit hat das Landgericht zutreffend auch von der Einholung eines Sachverständigengutachtens – beantragt von der Beklagten – abgesehen. Das Landgericht hat diesen Umstand – das Vorliegen von zur Überwindung des Schließmechanismus ungeeigneter Einbruchsspuren – bei der Frage der erheblichen Wahrscheinlichkeit für ein Vortäuschen des Diebstahls geprüft.

2) Im Ergebnis der Anhörung des Klägers und der Vernehmung der Ehefrau als Zeugin ist das Landgericht im Ergebnis davon überzeugt gewesen, dass hier ein Einsteigediebstahl über das Fenster im Zimmer des Raumes, das der Sohn des Klägers und der Zeugin nutzte, vorliegt. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist diesbezüglich nicht frei von Zweifeln an deren Richtigkeit.

a) Das Landgericht hat u. a. darauf abgestellt, dass das Fenster im Kinderzimmer aus den Angeln gehoben gewesen sei. Dabei hat es jedoch nicht berücksichtigt, dass die Zeugin diesen Zustand nicht beim Zurückkehren in die Wohnung festgestellt hat, sondern erst später, nachdem die vor Ort erschienene Polizeibeamtin – nach dem Vortrag des Klägers – das Fenster zum Teil geöffnet und unter Betätigung des Riegels wieder geschlossen hatte. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass erst dieser Vorgang zu einem “Aushängen” des ohnehin defekten Fensters geführt hat. Dafür spricht insbesondere, dass nach der Schilderung des Sohnes gegenüber den Polizeibeamten das Fenster mit waagerechter Riegelstellung nur zugedrückt gewesen ist, als er die Wohnung verließ. Wären der oder die Täter durch das nur an den Rahmen heran gedrückte Fenster in die Räume eingestiegen, hätte es zum Öffnen ausgereicht, den Fensterflügel wieder aufzudrücken. Für eine Betätigung des Fensterriegels mit der Folge eines teilweisen “Aushängens” aus den Scharnieren bestand für die Täter überhaupt kein Anlass. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein waagerecht stehender Fenstergriff dem Täter auch deutlich von außen erkennbar anzeigt, dass das Fenster nur angelehnt aber nicht verschlossen ist.

Hinzu kommt, dass die Zeugin aus eigener Wahrnehmung keine Aussage zum Zustand des Fensters zu dem Zeitpunkt machen kann, als ihr Sohn zu einem späteren Zeitpunkt nach ihrem Weggang die Wohnung verließ.

b) Die Zeugin hat sich weiter zu der zwischen dem Fensterflügel und dem Rahmen eingeklemmten Gardine geäußert. Sie kann jedoch keine Angaben dazu machen, in welchem Zustand der Sohn das Zimmer später verließ.

c) Das Landgericht hat auch die Glaubwürdigkeit der Zeugin nicht hinterfragt, obwohl hierzu im Hinblick auf die in der Ermittlungsakte festgehaltenen Äußerungen zu der Anzahl der vorhandenen Schlüssel, die im Widerspruch zum Vortrag des Klägers im Rechtsstreit stehen, besonderer Anlass bestand.

d) Soweit es um die Bedeutung einer Spur auf einem halbkreisförmigen Plastikvorsprung im Bereich der Fensterkonstruktion geht, ist festzustellen, dass der Kläger diese selbst als schwarzen Abrieb bezeichnet. Da der Vorsprung nur 2 bis 3 cm tief ist und eine Breite von 8 – 10 cm aufweist, ist fraglich, ob dieser Abrieb tatsächlich auf ein Einsteigen von Tätern hindeutet, zumal das Vorhandensein erst mit zeitlicher Verzögerung nach dem Diebstahl festgestellt worden ist.

Eine Spurenlage, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit für ein Einsteigen durch das Fenster spricht, ist nach Aktenlage nicht bewiesen.

3) Die vorstehenden Ausführungen führen zu dem Zwischenergebnis, dass das äußere Bild einer versicherten Entwendung allenfalls durch eine Aussage des Sohnes des Klägers bewiesen werden könnte. Denn er hat als letzte der berechtigten Personen die Wohnung verlasen. Nur er kann zum Zustand des Fensters und der Wohnungstür Angaben machen. Nur er kann auch zu den Schlüsselverhältnissen sachdienliche Angaben machen. Davon hängt unter Umständen ab, ob auch ein nicht versichertes Eindringen in die Wohnung gegeben sein könnte, das ebenso wahrscheinlich ist, wie ein Einsteigen durch das Fenster.

Hier liegt das Risiko des Rechtsstreits für beide Seiten, weil die Sachverhaltsfeststellung noch völlig offen ist.

4) Die Beklagte trägt keine Umstände vor, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit dafür sprechen könnten, dass der Kläger selbst einen Diebstahl in die versicherte Wohnung nur vorgetäuscht hat. Er war unstreitig zur Tatzeit beruflich verreist. Ein Motiv für ein Vortäuschen eines Diebstahls ist auch nicht ersichtlich.

Allerdings kann der Senat nicht darüber hinweg sehen, dass der Kläger die erstmals im Rechtsstreit vorgetragene Existenz von zwei weiteren Schlüssel, die in der Wohnung verwahrt wurden, gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten und auch gegenüber den von der Beklagten beauftragten Personen verschwiegen hat. Ausweislich der Ermittlungsakte hat der Kläger am 13. Juni 2014 bei der Abgabe des Schließzylinders erklärt, dass für den Profilzylinder nur die vier übergebenen Schlüssel existieren (BA, Bl. 16). Auch in der Stehlgutliste werden die zwei weiteren Schlüssel nicht aufgeführt. Ein um Sachaufklärung bemühter redlicher Versicherungsnehmer hätte sich nicht in dieser Weise verhalten. Da das äußere Bild einer versicherten Entwendung jedoch mit anderen Beweismitteln bewiesen werden könnte, kommt es darauf zunächst nicht an. Allerdings spielt dieser Gesichtspunkt bei der Frage eine Rolle, ob den Angaben des Klägers geglaubt werden kann, soweit der Entwendungsnachweis bestimmter Gegenstände geführt werden soll.

Ob die Ehefrau des Klägers während seiner Abwesenheit als seine Repräsentantin im versicherungsrechtlichen Sinn anzusehen ist, kann dahinstehen. Die Beklagte trägt keine Umstände vor, die die Ehefrau in den Verdacht bringen können, einen Diebstahl vorgetäuscht zu haben. Hinsichtlich der Anzahl der Schlüssel kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Ausweislich des Vermerks vom 11. Juli 2014 in der Ermittlungsakte hat die Ehefrau des Klägers auch bei einem Telefonat am 10. Juli 2014 mit einer Kommissarin nichts von zwei weiteren Schlüsseln erwähnt, die aus der Wohnung entwendet worden sein sollen (BA, Bl. 59). Dass es zu zwei Missverständnissen mit verschiedenen Polizeibeamten zu unterschiedlichen Zeitpunkten gekommen ist, erscheint sehr unwahrscheinlich.

Der Kläger muss sich ein etwaiges Verhalten seines Sohnes nicht zurechnen lassen, denn dieser ist nicht als Repräsentant des Klägers anzusehen. Repräsentant ist, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist (BGH, Urt. v. 14. 5. 2003 – IV ZR 166/02 – zitiert nach juris: Rdnr. 14 m. w. Nachw.)

Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache reicht nicht aus, um ein solches Repräsentantenverhältnis anzunehmen (BGH, a. a. O.). Ebensowenig begründen allein die Ehe oder eine Lebensgemeinschaft mit dem Versicherungsnehmer oder ein Miet- oder Pachtverhältnis über die versicherte Sache die Repräsentantenstellung (BGH, a. a. O., m. w. Nachw.). Repräsentant kann vielmehr nur sein, wer bei Würdigung der Gesamtumstände befugt ist, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln (Risikoverwaltung). Es braucht nicht noch hinzuzutreten, dass der Dritte auch Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag wahrzunehmen hat (BGH, a. a. O. – zitiert nach juris: Rdnr. 15 m. w. Nachw.). Diese Stellung hatte der Sohn des Klägers nicht.

Da der Sohn des Klägers jedoch auch zugleich versicherte Person bezüglich der ihm gehörenden abhanden gekommenen Sachen ist, würde sich die Leistungsfreiheit der Beklagten auf dieses Interesse beschränken, wenn die Gesamtumstände hier dafür sprechen, dass eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für ein Vortäuschen eines Diebstahls durch den Sohn vorliegt (vgl. BGH, Beschl. v. 5. 7. 2016 – 4 StR 512/15 – zitiert nach juris: Rdnr. 10 m. w. Nachw.). Dies wird auch von einer etwaigen Zeugenaussage des Sohnes abhängen.

5) Auf die Diskussion um die Wirksamkeit der Klausel in § 3 Nr. 2 f der Besonderen Bedingungen zur Hausratsversicherung wird hingewiesen (vgl. Prölss/Martin – Klimke, VVG, 30. Aufl., Nr. 300 A. § 3 VHB Rdnr. 13 – 15 m. w. Nachw.).

6) Nach dem derzeitigen Aktenstand sieht der Senat keine Leistungsfreiheit der Beklagten wegen vorsätzlicher Falschangaben zum Eindringen in die Wohnung und zur Verschlusssituation des Fensters. Auf die Ausführungen des Landgerichts kann verwiesen werden.

7) Der Senat neigt nach dem derzeitigen Beratungsstand dahin, mit dem Landgericht keine Gefahrerhöhung wegen des defekten Fensters anzunehmen.

III.

Dem Senat erscheint aus den vorstehenden Erwägungen der vom Landgericht unterbreitete Vergleichsvorschlag weiterhin zur Streitbeilegung angemessen. Der Vorschlag lautet:

1) Die Beklagte zahlt zum Ausgleich der Ansprüche wegen des streitigen Einbruchsdiebstahls in die Wohnung des Klägers im O… 1… c in B… -L…, der sich im Zeitraum vom 4. Juni 2014 gegen 18.00 Uhr bis zum 5. Juni 2014 gegen 14.30 Uhr ereignet hat, einen Betrag von 9.000,- EUR.

2) Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.

IV.

Den Parteien wird Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von drei Wochen gegeben. Weitere Verfahrensschritte ergehen nach Eingang der Stellungnahmen.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Versicherungsrecht

Egal ob Ihre Versicherung die Zahlung verweigert oder Sie Unterstützung bei der Schadensregulierung benötigen. Wir stehen Ihnen zur Seite.

 

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Versicherungsrecht

Urteile aus dem Versicherungsrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!