OLG München, Az.: 3 U 1583/95 – Urteil vom 05.07.1995
Kfz-Kaskoversicherung: Grob fahrlässige Herbeiführung des Diebstahls
Gründe
… 3. Der Kläger hat den Versicherungsfall auch herbeigeführt.
Für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „herbeigeführt“ genügt, daß der Versicherungsnehmer (VN) eine Mitursache für die erfolgte Entwendung gesetzt hat (so BGH VVGE § 61 Nr. 5; Prölss, 25. Aufl., VVG, § 61 Rn. 3). Es ist weiter in der Rspr. anerkannt, daß der Versicherungsfall auch durch Unterlassen herbeigeführt werden kann. Das ist der Fall, wenn der VN das ursächliche Geschehen in der Weise beherrscht, daß er die Entwicklung und die drohende Verwirklichung der Gefahr zuläßt, obwohl er die geeigneten Mittel zum Schutz des versicherten Interesses in der Hand hat und bei zumutbarer Wahrnehmung seiner Belange davon ebenso Gebrauch machen könnte und sollte wie eine nicht versicherte Person. Hierzu muß der VN allerdings das zum Versicherungsfall führende Geschehen gekannt haben. Es ist hierbei notwendig und ausreichend die Kenntnis von Umständen, aus denen sich ergibt, daß der Eintritt des Versicherungsfalles in den Bereich der praktisch unmittelbar in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten gerückt ist (s. hierzu im einzelnen wiederum BGH VVGE § 61 Nr. 5 und Prölss, VVG, § 61 Rn. 3).
Eine Mitursache hat der Kläger dadurch gesetzt, daß er im Bewußtsein dessen, daß der Ferrari über keine besonderen Diebstahlssicherungen verfügte, sich in einem Hotel am Gardasee eingemietet hat, ohne sich um eine gesicherte Parkmöglichkeit zu kümmern. Hätte der Kläger ein Hotel mit verschlossener Garage bzw. bewachtem Parkplatz gebucht und seinen Pkw Ferrari dort abgestellt, hätte die Entwendung des Ferrari verhindert werden können. Dem Kläger war auch bekannt, daß ein erhöhtes Entwendungsrisiko für seinen Ferrari bestand. Zum einen wußte er, daß der Ferrari nur durch Versperren der Tür und Einrasten des Lenkradschlosses gesichert werden konnte – Sicherungen, die professionelle Entwender in wenigen Minuten überwinden können -, zum anderen wußte der Kläger auch, daß gerade im Bereich des Gardasees ihm bzw. einem Mitarbeiter in den jeweiligen Jahren zuvor jeweils am ersten Tag der Anreise bei nur kurzzeitiger Entfernung vom Pkw ein Fahrzeug der gehobenen Klasse entwendet worden war. In diesem Zusammenhang kann es dahinstehen, ob allgemein im Bereich des Gardasees bzw. in Italien eine erhöhte Diebstahlsgefahr besteht (so beispielsweise BGH NJW 1984, 565, 566; LG Bielefeld VersR 1978, 1131; LG München I VersR 1993, 1145, 1146), da jedenfalls dem Kläger das spezielle Diebstahlrisiko für Luxusfahrzeuge in dieser Region persönlich bewußt war. Er wußte daher bei Antritt der Reise, daß bei der Fahrt mit einem noch teureren Luxusfahrzeug in den Bereich Gardasee diese Diebstahlsgefahr wiederum bestehen würde, und zwar in noch höherem Maße als früher, weil der Ferrari noch wesentlich werthaltiger war und durch die fehlenden zusätzlichen Sicherungsvorkehrungen leichter Objekt eines Diebstahls werden konnte. Durch die Buchung eines Hotels mit verschlossener Garage bzw. bewachtem Parkplatz hätte der Kläger diese Diebstahlsgefahr auch ohne weiteres vermeiden können. …
In diesem Zusammenhang kann auch dahinstehen, ob der Kläger den Pkw die ganze Nacht – so das Ergebnis der Beweiswürdigung durch das LG Traunstein – oder nur kurzfristig für ca. 15 Minuten – so der klägerische Vortrag – in der Hoteleinfahrt parken wollte. Bei einer längeren Parkdauer hätte die Entwendung durch das Abstellen des Pkw in einer verschlossenen Garage mit Sicherheit verhindert werden können; nicht einmal der Kläger behauptet in diesem Punkt etwas anderes. Bei einem kurzfristigen Parken hätte der Kläger ebenfalls durch ein kurzfristiges Unterstellen seines Pkw in einer verschlossenen Garage den Diebstahl verhindern können. Auch bei einem kurzfristigen Parken hat der VN die Pflicht, den drohenden Diebstahl durch geeignete Mittel – hier Unterstellen unter besonderer Sicherung – zu verhindern. …
Soweit der Kläger vorträgt, daß auch bei einem näheren Parken zum Hoteleingang der Diebstahl nicht hätte verhindert werden können, trifft ihn dafür die Beweislast. Der Beweis des ersten Anscheins tritt ihm nicht zur Seite; die Wahrscheinlichkeit, daß der Entwender den näher am Hoteleingang geparkten Pkw gleich schnell entwendet hätte wie den weiter entfernten Pkw, ist wesentlich geringer als die Wahrscheinlichkeit, daß sich der Dieb durch die größere Entfernung zur Hauptstraße, zu welcher der Pkw im Rückwärtsgang gefahren werden mußte, und durch den lebhafteren Publikumsverkehr hätte abschrecken lassen.
Es kam weiter nicht auf die Frage an, ob der Kläger den Ferrari durch den Einbau von elektronischen Wegfahrsperren bzw. Alarmanlagen bzw. durch die Verwendung einer mechanischen Lenkradsperre hätte besser sichern können oder ob ihm dies technisch nicht möglich war. Die entsprechenden Beweisangebote mußten deshalb nicht eingeholt werden. Zwar erscheint es dem Senat unwahrscheinlich, daß gerade in einem Luxusfahrzeug technisch der Einbau von zusätzlichen Sicherungen nicht möglich sein soll, doch kam es auf diese Frage nicht an. Die unterlassene und später für den Diebstahl kausal gewordene Handlung des Klägers bestand nämlich darin, bei der Buchung des Hotels nicht für eine sichere Unterstellmöglichkeit für seinen nicht zusätzlich gesicherten Ferrari gesorgt zu haben.
4. Der Kläger hat den Versicherungsfall auch durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt.
Nach st.Rspr. und h.M. in der Lit. handelt derjenige VN grob fahrlässig, welcher die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich großem Maße verletzt und dasjenige unbeachtet läßt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (so beispielsweise BGHZ 89, 153, 161; BGH VVGE § 61 Nr. 5 und Nr. 8; Prölss, § 61 Rn. 4 b; MünchKomm./Hamann, 3. Aufl., § 277 Rn. 9; OLG Köln VersR 1994, 49; LG München I VersR 1994, 50). Der VN muß bei seiner Handlung bzw. Unterlassung nicht nur objektiv pflichtwidrig gehandelt haben, sondern ihm muß auch subjektiv ein entsprechend starker Schuldvorwurf gemacht werden können.
a) Der Kläger hat objektiv in hohem Maße pflichtwidrig gehandelt, als er den Ferrari im Bewußtsein dessen, daß der Ferrari über keine zusätzlichen Sicherungen verfügte, ein Hotel anmietete und im Bereich dieses Hotels parkte, obwohl er wußte, daß das Hotel weder über eine gesicherte Garage noch über bewachte Parkplätze verfügte.
Die objektive Pflichtwidrigkeit setzt voraus, daß der betreffende VN den vorausgesetzten Sicherheitsstandard deutlich unterschreitet und dadurch der Eintritt des Versicherungsfalles gefördert wird. Diese deutliche Unterschreitung des Sicherheitsstandards hat der Kläger dadurch vorgenommen, daß er mit seinem Ferrari nach Italien an den Gardasee gefahren ist, obwohl er wußte, daß dort bereits zweimal entweder ihm oder einem Mitarbeiter seiner GmbH ein Luxusfahrzeug entwendet worden war, der Ferrari über keinerlei zusätzliche Sicherungsvorkehrungen verfügte und er ein Hotel bezog und sein Fahrzeug dort parkte, welches weder über eine gesicherte Garage noch über einen bewachten Parkplatz verfügte. Es lag für ihn wie für jeden anderen Pkw-Besitzer in dieser Situation auf der Hand, daß nur ein Hotel gebucht werden konnte, welches über einen sicheren Unterstellplatz für den Ferrari verfügte.
So ist es bereits offensichtlich, daß Luxusfahrzeuge besonders geschützt werden müssen. Denn Luxusgegenstände sind allgemein größerer Diebstahlsgefahr ausgesetzt als vielfach vorhandene, im Rahmen bleibende Wertgegenstände. Der Diebstahlsanreiz steigt proportional zum Wert der erhofften Beute, weil mit einem Diebstahl erheblich mehr Gewinn gemacht werden kann als mit einem Diebstahl einer durchschnittlich werthaltigen Sache. Dieser Diebstahlsanreiz und damit auch die Steigerung der Diebstahlsgefahr ist allen Luxusgütern immanent und allen Eigentümern von Luxusgegenständen bekannt. Daraus folgt auch, daß diesen Eigentümern von vornherein das größere Diebstahlsrisiko und damit eine verstärkte Sorgfaltspflicht für den betreffenden Gegenstand bekannt ist. Es wird also ein Eigentümer von Luxusgegenständen schon von sich aus diesen Luxusgegenstand stärker schützen als weniger wertvolle Gegenstände; ein Gemälde eines berühmten Meisters wird beispielsweise stärkere Schutzvorrichtungen benötigen als Gemälde weniger bekannter Maler; dasselbe gilt für wertvollen Schmuck, welcher stärker geschützt werden muß als weniger teure Schmuckstücke. Diese verstärkte Schutzpflicht ist der Preis für den Besitz von derartigen Luxusgütern und trifft alle Eigentümer von Luxusgegenständen. Auch wenn die Versicherungsprämien in Anbetracht der erhöhten Diebstahlsgefahr für Luxusgüter entsprechend höher sind, kann dies keine Befreiung von diesen Schutzpflichten beinhalten. Das erhöhte Entwendungsrisiko darf nicht einseitig auf die Versicherung übertragen werden, vielmehr hat sich der versicherte Eigentümer genauso zu verhalten wie ein nicht versicherter Eigentümer. Daß dennoch höhere Versicherungsprämien zu zahlen sind, beruht darauf, daß trotz dieser erhöhten Schutzpflicht für Luxusgegenstände ein erhöhtes Diebstahlsrisiko und bei Eintritt eines Versicherungsfalles ein höherer Schaden entsteht als bei weniger werthaltigen Gütern.
Für den Kläger gelten diese Feststellungen deshalb in besonderem Maße, weil ihm nicht nur dieses allgemein erhöhte Diebstahlsrisiko, sondern darüber hinaus durch die zwei vorangegangenen Entwendungen das besonders erhöhte Diebstahls- und Schadensrisiko im Bereich Gardasee bewußt war. An seine Handlungs- und Sorgfaltspflichten sind daher noch strengere Anforderungen zu stellen als bei einem Fahrer eines Luxusfahrzeugs, welcher zum ersten Mal in dieses Gebiet fährt (so auch LG München I VersR 1994, 50). Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen, weil nach Überzeugung des Senats auch bei der ersten Fahrt in dieses Gebiet nur eine Buchung mit gesicherter Unterstellmöglichkeit der Sorgfaltspflicht entspricht.
b) Der Kläger hat auch subjektiv grob pflichtwidrig gehandelt. Ihm war bewußt, daß er durch die fehlende sichere Unterbringungsmöglichkeit für seinen Ferrari das Diebstahlsrisiko bedeutend erhöht hat. …