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Haftpflichtforderung eines geschädigten Dritten – Versicherung muss leisten, wenn Versicherungsnehmer in der Insolvenz ist

LG Dortmund, Urteil vom 01.04.2010, Az: 2 O 355/09

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 97.775,10 € (in Worten: siebenundneunzigtausendsiebenhundertfünfundsiebzig 10/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2007 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen 1/10 die Klägerin und 9/10 die Beklagte mit Ausnahme der durch die Anrufung des örtlich unzuständigen Landgerichts Nürnberg-Fürth entstandenen Kosten; diese trägt die Klägerin allein.

Streitwert: 108.639,00 €.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Haftpflichtforderung eines geschädigten Dritten

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks J-Straße #, ##### V, das im Trinkwassereinzugsgebiet des Wasserversorgers der Stadt N liegt. Das Grundstück war seit den 70-er Jahren an die Firma T bzw. deren Rechtsvorgänger vermietet, die das Mietgrundstück als Betriebsgelände nutzen und dort im Erdreich Mineral- und Altöltanks eingebracht hatten. Im Mietvertrag mit der Klägerin war vereinbart, dass bei Beendigung des Mietvertrages die Mieterin zum Rückbau der betriebenen Tankstelle und der im Erdreich eingebrachten Tanks verpflichtet war. Noch vor Ablauf der Mietzeit wurde am 30.08.2002 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Mieterin eröffnet und der Streitverkündete zu 1) zum Insolvenzverwalter bestellt. Im April 2003 fand der Rückbau der Altöllagerstelle mit dem Ausbau der Erdtanks statt. Im Zuge der Arbeiten wurden Boden- und Grundwasserproben entnommen, die Grundwasserprobe am 07.05.2003 aus einem extra angelegten Schachtbrunnen von 3,85 m Tiefe. Die Wasserprobe wurde am 13.05.2003 im Labor analysiert und das Ergebnis in einem Prüfbericht des analysierenden Umweltlabors vom selben Tage festgehalten. Im Sanierungsbericht der die Bodensanierung fachlich begleitenden Geologen und Ingenieure vom 31.05.2003 wird aus der im Prüfbericht festgestellten stark erhöhten BTEX-, und PAK-Konzentration im Grundwasser dessen Sanierungsbedarf am untersuchten Standort abgeleitet. Als Grund für die Grundwasserverunreinigung wird die beim Ausbau der Altöltanks stark angelöste und stellenweise vollständig abgelöste teerhaltige Isolierschicht der Altöltanks angenommen.

Unter dem 29.10.2003 erließ das Landratsamt Nürnberg Land in Vollzug der Bodenschutzgesetze wegen des Ölschadens auf dem Grundstück der Klägerin gegen den Streitverkündeten zu 1) einen Bescheid zur Auskofferung und Entsorgung der sanierungsbedürftigen Bodenbereiche auf dem Grundstück der Klägerin, der u. a. auf den aus wasserwirtschaftlicher Sicht bestehenden dringenden Sanierungsbedarf gestützt ist. Der Streitverkündete zu 1) wurde als Handlungsstörer neben der als Zustandsstörerin ebenfalls in der Verantwortung stehenden Klägerin in Anspruch genommen. Die sofortige Vollziehbarkeit der geforderten Maßnahmen wurde im öffentlichen Interesse angeordnet.

Wegen des Insolvenzverfahrens kam es letztlich nicht zu einer Inanspruchnahme des Streitverkündeten zu 1). Vielmehr wurde die Klägerin als Zustandsstörerin in Anspruch genommen. Diese meldete Kosten für die Sanierung ihres Grundstücks in Höhe von 108.639,00 € am 21.05.2007 zur Insolvenztabelle an, die in voller Höhe am 16.08.2007 festgestellt wurden.

Zwischen dem Beklagten und den T2 Eisenwerken – über deren Vermögen ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist – bestand seit den 90-er Jahren eine Umwelt-Haftpflichtversicherung, die zuvor bei der B Versicherung bestanden hatte. Diese Versicherung bei dem Beklagten endete am 31.05.2003 mit der Einstellung des Geschäftsbetriebes durch den Streitverkündeten zu 1) als Insolvenzverwalter. Der Umwelt-Haftpflichtversicherung lagen neben den AHB die Besonderen Bedingungen für die Umweltversicherung des Beklagten (UHM) zugrunde. Der Versicherungsschutz erstrecke sich auf die in einem Organigramm aufgeführten Tochter- und Beteiligungsgesellschaften der Versicherungsnehmerin, u. a. die Rechtsvorgängerin der Insolvenzschuldnerin, die X mit Sitz auf dem Mietgrundstück der Klägerin. Als versicherte Betriebsstätte/Risikoort ist das Mietgrundstück der Klägerin genannt.

Am 24.03.2003 ließ die Versicherungsnehmerin bzw. Insolvenzschuldnerin über ihren Makler bei dem Beklagten um Deckung für die erhobenen Haftpflichtansprüche nachsuchen. Der Beklagte wies darauf hin, dass ausweislich der vorliegenden Unterlagen lediglich ein nicht versicherter Eigen- bzw. Mietschaden ersichtlich sei und der Beklagte bis auf weiteres nichts veranlassen werde. Entsprechendes teilte der Makler der Insolvenzschuldnerin mit Schreiben vom 16.04.2003 mit.

Mit Schreiben vom 26.03.2004 wandte sich der Streitverkündete zu 1) als Insolvenzverwalter ebenfalls an die Maklerin zwecks Abklärung der Eintrittspflicht der Versicherung für Altlasten-Umweltschäden auf dem Mietgrundstück der Klägerin. Die danach einsetzende Korrespondenz führte zu einem Schreiben des Beklagten vom 03.08.2004 an die Maklerin, in dem der Beklagte vorbehaltlich einer abschließenden Bewertung nach den ihm übersandten Unterlagen an seiner Auffassung festhielt, dass ein Schadensereignis vorliege, welches die bei ihr abgeschlossene Umwelthaftpflicht-Versicherung nicht tangiere. Im Jahre 2006 ließ sich der Streitverkündete zu 1) von dem Beklagten die Vertragsunterlagen zusenden. Unter dem 12.07.2007 suchte er bei dem Beklagten um Deckung nach. Mit Schreiben vom 28.08.2007 beschied der Beklagte den Streitverkündeten zu 1) dahingehend, dass der streitgegenständliche Umweltschaden nicht dem vereinbarten Versicherungsschutz unterfalle, da das eigene Betriebsgrundstück der Versicherungsnehmerin betroffen sei. Vorsorglich behielt sich der Beklagte vor, jedweden Einwand zur Deckung erheben zu können als auch die Einrede der Verjährung zu erheben, sowohl für Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag als auch für Ansprüche aus dem Mietverhältnis. Dieses Schreiben wertet der Beklagte selbst als Erteilung vorläufigen bedingungsgemäßen Deckungsschutzes unter Vorbehalt sämtlicher Einwendungen.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung der zur Insolvenztabelle festgestellten Forderung aus der Umwelthaftpflichtversicherung in Anspruch. Sie vertritt die Auffassung, dass die Insolvenzschuldnerin als Mitversicherte in den Versicherungsvertrag einbezogen ist.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 108.639,00 € nebst 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz ab 01.09.2007 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er meint, eine Mitversicherung der Insolvenzschuldnerin sei nicht schlüssig vorgetragen. Er bestreitet den Haftpflichtanspruch in allen Einzelheiten und macht deckungsrechtliche Einwendungen geltend. Er meint, der Klägerin stünde kein Direktanspruch zu, da auf die Abwicklung des behaupteten Versicherungsfalles nicht das VVG 2008, sondern das alte VVG anzuwenden sei. Der Versicherungsfall fiel nicht in die Haftungszeit des Beklagten, sondern des Vorversicherers. Es läge kein gedecktes Risiko vor, weil kein versicherter Drittschaden vorliege. Eine Verunreinigung des Grundwassers bestreitet er und verweist auf den Ausschluss für Mietsachen. Ferner macht er Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzungen geltend, weil der Streitverkündete zu 1) durch die widerspruchslose Feststellung der Forderung der Klägerin zur Insolvenztabelle gegen das Anerkenntnisverbot verstoßen habe. Dazu vertritt er die Auffassung, dass die Versicherte zum Zeitpunkt der Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle noch Obliegenheiten gebunden gewesen sei, da der Beklagte die Deckung zu keinem Zeitpunkt abgelehnt habe. Schließlich erhebt sie die Verjährungseinrede und verweist auf den vereinbarten Selbstbehalt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet, bis auf eine Zuvielforderung von 10 %, die aus dem im Versicherungsvertrag vereinbarten Selbstbehalt resultiert.

A

Der Klägerin steht gegen den Beklagten aus der bei dieser bestehenden Umwelt-Haftpflichtversicherung ein Zahlungsanspruch in Höhe der zur Insolvenztabelle festgestellten Forderung abzüglich des in den Versicherungsbedingungen vereinbarten Selbstbehaltes von 10 % zu.

I.

Nach Artikel 1 Abs. 2 EGVVG findet auf das Streitverhältnis das bis zum 31.12.2007 geltende Versicherungsvertragsgesetz Anwendung, da der Versicherungsfall vor dem 1.1.2009 eingetreten ist.

II.

Der Klägerin steht gemäß § 157 VVG a. F. ein unmittelbarer Zahlungsanspruch gegen den Beklagten zu. Denn nach dieser Vorschrift konnte die Klägerin als Gläubigerin eines Schadensersatzanspruches in der Insolvenz des Versicherungsnehmers abgesonderte Befriedigung aus der Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers verlangen. Wird – wie in vorliegendem Fall – der Haftpflichtanspruch zur Insolvenztabelle festgestellt, ist er im Sinne des § 154 VVG a. F. festgestellt, weil die widerspruchslose Feststellung der Haftpflichtforderung zur Insolvenztabelle ein Anerkenntnis im Sinne des § 154 VVG a. F. darstellt (OLG Köln, VersR 2006, 1207; OLG Celle, VersR 2002, 602; Kammergericht, NJOZ 2005, 4643), so dass der Geschädigte den Haftpflichtversicherer direkt auf Zahlung in Anspruch nehmen kann (BGH, VersR 1993, 1222; OLG Köln, a.a.O.; OLG Köln, RuS 2006, 238; Langheid in Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 157, Rdn. 3). Entgegen der Auffassung des Beklagten hat dieser unmittelbare Zahlungsanspruch nichts mit dem Direktanspruch nach § 115 VVG 2008 zu tun, der – wie ausgeführt – auf den vorliegenden Versicherungsfall noch keine Anwendung findet und der ohnehin nur für eine als Pflichtversicherung vorgeschriebene Haftpflichtversicherung gilt, wozu die Parteien nichts vorgetragen haben.

1. Mit der einem Anerkenntnis nach § 154 VVG a. F. gleichstehenden Feststellung der Haftpflichtforderung steht diese wirksam zu Lasten des Beklagten fest. Auf das Bestreiten der Einzelheiten der Haftpflichtforderung durch den Beklagten kommt es nicht an. Mit diesen Einwendungen wird das in der Haftpflichtversicherung geltende Trennungsprinzip außer Acht gelassen. Denn das Haftpflichtverhältnis, das zwischen der Klägerin als geschädigter Dritter und dem haftpflichtigen Versicherungsnehmer des Beklagten besteht, ist von dem für den vorliegenden Rechtsstreit maßgebenden Deckungsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer zu trennen. Im Deckungsprozess wird geklärt, ob der Versicherer für die Haftpflicht seines Versicherungsnehmers eintrittspflichtig ist. Mit Ausnahme des vorweggenommenen Deckungsprozesses, in dem auch die maßgebenden Haftpflichtfragen auf Basis des Vortrags des Geschädigten zu klären sind (OLG Hamm, VersR 2007, 980), sind die Ergebnisse des Haftpflichtverfahrens für den Deckungsprozesses bindend (BGH, VersR 2007, 641; VersR 2004, 590). Damit ist durch die als Anerkenntnis zu wertende widerspruchslose Feststellung der Haftpflichtforderung durch den Streitverkündeten zu 1) als Insolvenzverwalter der Streit über Grund und Höhe der Haftpflichtforderung dem Deckungsprozess entzogen. Der Beklagte ist auf deckungsrechtliche Einwendungen beschränkt, die er auch erhoben hat.

2. Solche deckungsrechtlichen Einwendungen aus dem Versicherungsverhältnis kann der Beklagte indes nicht mit Erfolg geltend machen.

a) Die Insolvenzschuldnerin, die Firma T war entgegen der Auffassung des Beklagten als versicherte Person in die Umwelt-Haftpflichtversicherung einbezogen, ganz abgesehen davon, dass auch über das Vermögen der Versicherungsnehmerin als Obergesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Denn wie sich aus dem Schreiben des Insolvenzverwalters vom 20.04.2006 ergibt, ist die Insolvenzschuldnerin aus einem Zusammenschluss der Firmen T3 einerseits und X andererseits entstanden. Beide Rechtsvorgänger sind im Organigramm zum Versicherungsvertrag als mitversicherte Tochtergesellschaften der Versicherungsnehmerin aufgeführt, die X mit der Betriebsstätte/dem Risikoort des Mietgrundstückes der Klägerin. Damit bestehen keine Zweifel, dass der Beklagte für gedeckte Haftpflichtansprüche gegen die Insolvenzschuldnerin einzustehen hat, zumal Nr. I 1.2 UHM unter Ziffer 1 alle nach dem 01.04.1998 neu hinzukommenden Unternehmen des Versicherungsnehmers oder eines mitversicherten Unternehmens in den Deckungsschutz der Umwelt-Haftpflichtversicherung einbezogen werden.

b) Der Feststellung zur Insolvenztabelle liegt eine vom Versicherungsvertrag gedeckte Haftpflichtforderung aus versicherter Zeit zugrunde, so dass der Beklagte und nicht der Vorversicherer eintrittspflichtig ist.

aa) Die Insolvenztabelle weist die festgestellte Forderung als „Schadensersatz-Umweltschaden, J-straße # in ##### V“ aus. Diese Forderung resultiert aus der mit Bescheid des Landratsamtes Nürnberg Land vom 29.10.2003 u. a. wegen Verunreinigung des Grundwassers aufgegebenen Auskofferung und Entsorgung des verseuchten Bodens des Mietgrundstückes nebst Begleitmaßnahmen. Dieses Risiko ist durch die bei dem Beklagten bestehende Umwelt-Haftpflichtversicherung gedeckt.

 (1) Nach Ziffer 2.1 UHM erfasst die Umwelt-Haftpflichtversicherung Anlagen, die bestimmt sind, gewässerschädliche Stoffe zu lagern (WHG-Anlagen). Vereinbarungsgemäß besteht Versicherungsschutz für die im Anhang zum Versicherungsschein aufgeführten Anlagen der Versicherungsnehmerin. Dort sind die unter- und oberirdischen Tanks auf dem Mietgrundstück der Klägerin aufgeführt.

 (2) Nach Ziffer I 1.1.2 UHM ist abweichend von § 4 I Ziffer 8 AHB versichert die gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts wegen Sachschäden durch Umwelteinwirkung auf Wasser einschließlich Gewässer. Um einen solchen Haftpflichtanspruch der Klägerin gegen die Insolvenzschuldnerin handelt es sich nach den Feststellungen zur Insolvenztabelle, auf die allein es wegen der Bindungswirkung ankommt. Dem Beklagten ist es verwehrt, die Haftpflicht seiner Versicherungsnehmerin in Frage zu stellen.

 (3) Der Ausschluss für Mietsachen nach § 4 Nr. 6 a AHB greift nicht ein, da nicht nur der Boden des gemieteten Grundstücks, sondern auch das Grundwasser darunter betroffen war, das vom Ausschluss nicht erfasst ist.

bb) Der Versicherungsfall ist in versicherter Zeit eingetreten, Ziffer 4 UHM.

Danach ist abweichend von § 1 Ziffer 1 und § 5 Ziffer 1 AHB Versicherungsfall „die nachprüfbare erste Feststellung des …Sachschadens (Beschädigung oder Vernichtung von Sachen) … durch den Geschädigten, einen sonstigen Dritten oder den Versicherungsnehmer. Der Versicherungsfall muss während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sein. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob zu diesem Zeitpunkt bereits Ursache oder Umfang des Schadens oder die Möglichkeit zur Erhebung von Haftpflichtansprüchen erkennbar war.“

Die danach erforderliche nachprüfbare erste Feststellung des Sachschadens (Grundwasserverunreinigung) durch Dritte lag in dem Laborbericht vom 13.05.2003, mithin vor Vertragsende am 31.05.2003. Auf den am letzten Tag des Versicherungsverhältnisses verfassten Sanierungsbericht kommt es nicht an, da aus Sicht des verständigen Versicherungsnehmers (BGH, RuS 2008, 25) unter einer „nachprüfbaren ersten Feststellung“ die objektive Befunderhebung zum Sachschaden zu verstehen ist. Demnach kommt es auch nicht darauf an, ob die Grundwasserverunreinigung schon in einer Zeit begonnen hat, als die Haftpflichtversicherung noch bei der Vorversicherung bestand. Durch Ziffer 4 UHM sollen derartige Ungewissheiten gerade ausgeräumt werden.

cc) Der festgestellte Schaden ist durch Ziffer 5 UHM erfasst. Danach ersetzt der Versicherer, „auch ohne dass ein Versicherungsfall eingetreten ist, nach einer Störung des Betriebes oder auf Grund behördlicher Anordnung Aufwendungen des Versicherungsnehmers für Maßnahmen zur Abwendung oder Minderung eines sonst unvermeidbar eintretenden Personen-, Sach- oder gemäß Ziffer 1.1.3 mitversicherten Vermögensschadens. Die Feststellung der Störung des Betriebes oder die behördliche Anordnung müssen in die Wirksamkeit der Versicherung fallen, wobei der frühere Zeitpunkt maßgeblich ist. Aufwendungen auf Grund behördlicher Anordnungen in diesem Sinne werden unter den genannten Voraussetzungen unbeschadet der Tatsache übernommen, dass die Maßnahme durch den Versicherungsnehmer oder im Wege der Ersatzvornahme durch die Behörde ausgeführt wird.“

Danach sind die zur Insolvenztabelle festgestellten Aufwendungen der Klägerin selbst dann gedeckt, wenn sie (überwiegend) zur Abwendung eines sonst entstehenden Sachschadens erfolgt sind, da die Aufwendungen auf Grund behördlicher Anordnung erfolgt sind.

c) Auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung kann sich der Beklagte nicht berufen. Zwar liegt in der widerspruchslosen Anerkennung der Haftpflichtforderung durch den Streitverkündeten zu 1) als Insolvenzverwalter ein Anerkenntnis, welches einen Verstoß gegen das Anerkenntnisverbot des § 5 Ziffer 5 AHB darstellen kann (OLG Köln, VersR 2006, 1207; OLG Celle, VersR 2002, 602). Allerdings konnte der Insolvenzverwalter nur dann eine Obliegenheitsverletzung begehen, wenn er zum Zeitpunkt der Feststellung zur Insolvenztabelle überhaupt noch Obliegenheiten gebunden war. Dies war indes nicht der Fall, weil sich der Beklagte selbst vertragswidrig verhalten hat, indem er seiner Hauptpflicht aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag nicht nachgekommen ist.

aa) Die Leistungspflicht des Beklagten aus der bestehenden Umwelt-Haftpflichtversicherung umfasste – wie allgemein in der Haftpflichtversicherung- nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 AHB die Prüfung der Haftpflichtfrage, die Abwehr unberechtigter Ansprüche sowie den Ersatz der Entschädigung, welche der Versicherungsnehmer auf Grund eines von dem Versicherer abgegebenen oder genehmigten Anerkenntnisses, eines von ihm geschlossenen oder genehmigten Vergleiches oder einer richterlichen Entscheidung zu zahlen hat. Die Abwehr unberechtigter Ansprüche (Rechtsschutzverpflichtung) ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ebenso wie die Befriedigung begründeter Haftpflichtansprüche eine mit dieser gleichrangige Hauptleistungspflicht des Versicherers und nicht nur eine untergeordnete Nebenpflicht (BGHZ 171, 56 = NJW 2007, 2258 = VersR 2007, 1116). Hat der Versicherer ernsthafte Anhaltspunkte für seine Leistungsfreiheit, kann er aber wegen noch unklarer Sachlage darüber nicht abschließend befinden, muss er sich entscheiden, ob er Deckungsschutz gewährt oder nicht, und seine Entscheidung dem Versicherungsnehmer bekannt geben. Der Versicherer kann seiner Verpflichtung in einer solchen Lage auch dadurch genügen, dass er den Rechtsschutz übernimmt unter dem Vorbehalt, die Deckung je nach dem Ausgang des Haftpflichtprozesses abzulehnen. Dagegen stellt es keine ordnungsgemäße Erfüllung der nach dem Versicherungsvertrag übernommenen Verpflichtung dar, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber leistungsbefreiende Umstände ins Feld führt, den Versicherungsnehmer aber im Unklaren darüber lässt, ob er Deckungsschutz erhält. Seine Entscheidung darüber hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer unverzüglich mitzuteilen. Er hat dem Versicherungsnehmer rechtzeitig unmissverständlich zu erklären, ob er den bedingungsgemäß geschuldeten Rechtsschutz gewährt, ggf. unter dem Vorbehalt, später hier nach dem Ausgang des Haftpflichtprozesses Leistungsfreiheit geltend zu machen. Gibt der Versicherer eine solche Erklärung nicht ab, nimmt er seine Pflicht zur Abwehr des Anspruchs nicht wahr und gibt damit zugleich seine Dispositionsbefugnis über das Haftpflichtverhältnis auf. Er ist deshalb, solange er seiner vertraglichen Verpflichtung nicht bedingungsgemäß nachkommt, so zu behandeln, als habe er dem Versicherungsnehmer zur Regulierung freie Hand gelassen. Der Versicherungsnehmer ist demgemäß auch nicht mehr Obliegenheiten gebunden. Die Versicherungsbedingungen gestatten es dem Versicherer nicht, sich einer klaren Entscheidung über seine Verpflichtung zu enthalten, den Versicherungsnehmer darüber im Ungewissen zu lassen und die Arbeits- und Kostenlast sowie das Risiko des Prozessverlustes einseitig auf ihn abzuwälzen, sich aber gleichwohl vorzubehalten, an die Regulierungsentscheidung des Versicherungsnehmers nicht gebunden zu sein, und ihn an seinen vertraglich vereinbarten Obliegenheiten festzuhalten (BGH a.a.O. und NJW 2007, 2262; LG Dortmund, RuS 2007, 415).

bb) Der Beklagte ist seiner versicherungsvertraglichen Pflicht gegenüber seiner Versicherungsnehmerin nicht nachgekommen. Bereits auf die erste über die Maklerin erfolgte Deckungsanfrage der Versicherten hat der Beklagte ausweichend und hinhaltend geantwortet, indem er einerseits darauf hingewiesen hat, dass lediglich ein nicht versicherter Eigen- bzw. Mietschaden vorliege und er „bis auf Weiteres“ nichts veranlassen werde. Darin liegt keine Deckungsablehnung, weil der Beklagte durch die Wendung „bis auf Weiteres“ die Möglichkeit weiterer Prüfung des Versicherungsfalles offengehalten hat. Der Beklagte hat aber auch seine Leistungspflicht aus der Haftpflichtversicherung nicht wahrgenommen, sondern seine Versicherte im Unklaren darüber gelassen, wie er sich letztendlich entscheiden werde. Auch auf die erneute, vom Insolvenzverwalter über den Makler veranlasste Deckungsanfrage aus dem Jahre 2004 hat der Beklagte nicht anders reagiert. Er hat vielmehr mit Schreiben vom 03.08.2004 mitgeteilt, dass eine abschließende Bewertung seiner Eintrittspflicht noch nicht möglich sei. Damit hat der Beklagte seine Versicherte nicht, wie es nach der vorzitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erforderlich gewesen wäre, seine Entscheidung über seine Eintrittspflicht unverzüglich und unmissverständlich mitgeteilt. Er hat vielmehr seine Versicherte hingehalten und im Unklaren darüber gelassen, ob sie Deckungsschutz erhalten wird. Der Beklagte lässt selbst mit Schriftsatz vom 29.06.2009 unter Ziffer 6.3.2 vortragen lassen, dass er noch bis zum 16.08.2007, also mehr als 4 Jahre nach der ersten Deckungsanfrage der Versicherten, seine eigene Eintrittspflicht für den schon im Jahre 2003 angezeigten Versicherungsfall geprüft habe. Damit muss sich der Beklagte so behandeln lassen, als habe er seiner Versicherungsnehmerin bzw. dem Streitverkündeten zu 1) als deren Insolvenzverwalter zur Regulierung des Schadensfalles freie Hand gelassen. Der Insolvenzverwalter war zum Zeitpunkt der widerspruchslosen Anerkennung der Haftpflichtforderung zur Insolvenztabelle nicht mehr Obliegenheiten gebunden mit der Folge, dass der Beklagte Leistungsfreiheit wegen Verstoßes gegen das Anerkenntnis- und Befriedigungsverbot nicht in Anspruch nehmen kann.

d) Die Verjährungseinrede des Beklagten hat keinen Erfolg. Die nach § 12 Abs. 1 VVG a. F. zu bestimmende zweijährige Verjährungsfrist für den Deckungsanspruch war bei Klageerhebung im Jahre 2009 noch nicht abgelaufen. Denn gemäß § 12 Abs. 2 VVG a. F. war die Verjährung nach Deckungsanfrage im Jahre 2003 bis zur schriftlichen Entscheidung des Beklagten gehemmt. Eine solche ist jedenfalls nicht vor Beginn des Jahres 2007 erfolgt, da der Beklagte sich bis dahin weder zu einer Deckungsablehnung noch zu einer Deckungszusage durchgerungen hat. Damit konnte die zweijährige Verjährungsfrist frühestens Ende 2007 anlaufen und wäre erst mit Ablauf des Jahres 2009 abgelaufen, wenn sie nicht durch die Klageerhebung im Jahre 2009 erneut gehemmt worden wäre.

e) Die deckungsrechtlichen Einwendungen des Beklagten haben nur insoweit Erfolg, als er hinsichtlich der Höhe des Anspruches der Klägerin auf die in Ziffer 7.2.2 UHM vereinbarte Selbstbeteiligung der Versicherungsnehmerin bei Aufwendungen im Sinne der Ziffer 5 UHM mit 10 %, mindestens 10.000,00 DM, höchstens 50.000,00 DM verweist. Diese Selbstbeteiligung kann der Beklagte dem Zahlungsbegehren der Klägerin entgegenhalten (OLG Köln, VersR 2009, 391). Denn der Klägerin kann kein weitergehender Anspruch zustehen, als der Versicherten der Beklagten, zu deren Lasten die Selbstbeteiligung mit dem Beklagten vereinbart wurde. Auf den Rechtsgedanken des § 114 Abs. 2 S. 2 VVG 2008, wonach ein Selbstbehalt des Versicherungsnehmers dem geschädigten Dritten nicht entgegengehalten werden kann, kann sich die Klägerin nicht berufen, da § 114 VVG auf den nach „altem“ VVG zu beurteilenden Versicherungsfall keine Anwendung findet und ohnehin nur bei einer als Pflichtversicherung begründeten Haftpflichtversicherung Geltung beansprucht, wozu die Klägerin nichts vorgetragen hat.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 und 281 Abs. 3 S. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und deren Abwendung auf §§ 708 Nr. 11, 709 und 711 ZPO.

 

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