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Gebäudeversicherung – Ersatz von Schutz- und Bewegungskosten nach Brandbeschädigung

Feuerschaden und Gebäudeversicherung: Erstattung von Schutz- und Bewegungskosten

Im Fokus dieses Versicherungsrechtsfalles steht ein Gebäudeschaden, der durch einen Brand verursacht wurde. Die Diskussion dreht sich um die Frage, ob die Gebäudeversicherung verpflichtet ist, die so genannten Schutz- und Bewegungskosten zu erstatten. Das Hauptproblem aus rechtlicher Sicht besteht in der Interpretation der geltenden Versicherungsbedingungen und ob diese eine ausdrückliche Beschränkung auf die tatsächlich entstandenen Aufwendungen für diese Kosten vorsehen.

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Schutz- und Bewegungskosten in der Gebäudeversicherung

Das Urteil konzentriert sich auf die Gebäudeversicherung und die Anerkennung von Schutz- und Bewegungskosten, die durch einen Brand entstanden sind. Nach Ansicht des Gerichts verlangen die Versicherungsbedingungen nicht, dass der Versicherungsnehmer diese Aufwendungen bereits getragen oder zumindest entsprechende Zahlungsverpflichtungen begründet haben muss. Die Notwendigkeit dieser Ausgaben wurde durch ein unabhängiges Gutachten bestätigt, das nach den Bestimmungen der Versicherung für beide Parteien verbindlich war.

Kontroverse um die Auslegung von Versicherungsbedingungen

Ein zentrales Element dieser Entscheidung ist die Interpretation der Versicherungsbedingungen. Im speziellen Fall macht die Versicherung geltend, dass die Bewegungs- und Schutzkosten nur zu erstatten seien, wenn die Kosten tatsächlich entstanden sind. Das Gericht argumentiert jedoch, dass die Verwendung des Begriffs „Aufwendungen“ in den Versicherungsbedingungen nicht explizit klarstellt, ob die Kosten bereits entstanden sein müssen oder noch ausstehen.

Rolle des Obmanngutachtens

Das Obmanngutachten spielt in diesem Fall eine wichtige Rolle. Dieses Gutachten bestätigte die Notwendigkeit der Aufwendungen und ist gemäß den Versicherungsbedingungen bindend. Die Versicherung konnte nicht nachweisen, dass die Erkenntnisse des Gutachtens offensichtlich von der tatsächlichen Sachlage abweichen, was die Voraussetzung für die Aufhebung der Bindungswirkung wäre.

Folgen für den Versicherungsnehmer und das Versicherungsunternehmen

Letztendlich bestätigte das Urteil, dass der Versicherungsnehmer berechtigt ist, eine Erstattung für die Bewegungs- und Schutzkosten zu verlangen, die im Zusammenhang mit dem Gebäudeschaden entstanden sind – unabhängig davon, ob er diese bereits getragen hat. Dies folgt aus der Unklarheitenregelung des BGB, die besagt, dass bei mehreren möglichen Auslegungen von Versicherungsbedingungen, diese zu Ungunsten des Versicherers als Verwender ausgelegt werden.

Als Niete zeigte sich die Taktik der Versicherung, die Zahlung der Bewegungs- und Schutzkosten von der Vorlage von Unterlagen abhängig zu machen, die den konkreten Anfall dieser Kosten belegen. Hier stellte das Gericht fest, dass dieser Ansatz nicht ausreicht, um eine Leistungspflicht zu verneinen.


Das vorliegende Urteil

OLG Rostock – Az.: 4 U 116/19 – Beschluss vom 30.07.2020

I. Den Parteien wird unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten anheimgestellt,

1. im Falle der Klägerin, die Klage hinsichtlich eines Zinsanspruches, der Jahreszinsen aus 505.348,42 € in Höhe von vier Prozent für die Zeit vom 21.09.2016 bis zum 05.04.2018 sowie in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit vom 06.04.2018 bis zum 11.04.2018 und aus 295.348,42 € in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.04.2018 übersteigt, sowie bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zurückzunehmen, und

2. im Falle des Beklagten, in eine solche teilweise Klagerücknahme einzuwilligen und die Berufung im Übrigen zurückzunehmen.

II. Sollten die Parteien der Abgabe der vorgeschlagenen Prozesserklärungen zur Erledigung des Rechtsstreits nicht näher treten können, wird zur Vermeidung eines ansonsten erforderlichen Termins zur mündlichen Verhandlung vorsorglich eine Zustimmung zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren anheimgestellt. Die Parteien werden für diesen Fall gebeten, binnen der hier gesetzten Frist mitzuteilen, ob sie

1) auf die Einreichung weiterer Schriftsätze nach Anordnung des schriftlichen Verfahrens sowie

2) auf die gesonderte Mitteilung des Verkündungstermins

verzichten. Wird einem Übergang in das schriftliche Verfahren ebenfalls nicht zugestimmt, ist eine zeitnahe Terminierung beabsichtigt.

III. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

IV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird vorläufig auf bis zu 320.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I. Die zulässige Berufung erscheint nach vorläufiger Einschätzung der Sach- und Rechtslage weitestgehend unbegründet.

1. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 295.348,42 € gemäß § 1 Satz 1 VVG in Verbindung mit Teil C §§ 3 Nr. 4a bb), 17 Nr. 1c) VSG 2008. Der Beklagte hat den Zeitwertschaden an dem versicherten Gebäude ersetzt und bestreitet auch eine Erstattungspflicht hinsichtlich der Aufräumungs- und Abbruchkosten nicht; darüber hinaus schuldet er ebenfalls die in der Differenz zu dem sachverständig festgestellten Gesamtschaden bzw. den bereits geleisteten Zahlungen des Beklagten noch verbleibende Klageforderung im Hinblick auf die Bewegungskosten für die Rohrleitungen der Kälteanlage auf dem Gebäudedach.

a. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Erstattung im Zusammenhang mit dem Gebäudeschaden versicherter Bewegungs- und Schutzkosten jedenfalls nach der hier geltenden Fassung der Versicherungsbedingungen mangels einer ausdrücklichen Beschränkung auf die insofern „tatsächlich entstandenen“ Aufwendungen wie in Teil C § 3 Nr. 4a) VSG 2010 nicht voraussetzt, dass der Versicherungsnehmer diese Aufwendungen bereits erbracht oder zumindest entsprechende Zahlungsverpflichtungen begründet hat.

aa. Ohne begleitende Einschränkungen und Erläuterungen, welche verdeutlichen, dass Aufwendungen bei einer Person bereits angefallen oder von ihr veranlasst sein sollen, bringt allein das Substantiv „Aufwendungen“ selbst bei gleichzeitiger Benennung ihres Zwecks nicht zum Ausdruck, ob der damit angesprochene Mitteleinsatz bereits geschehen sei oder nur geboten erscheine, aber noch ausstehe; ein dahingehendes Verständnis kann sich für den durchschnittlichen, um Verständnis der Bedingungen bemühten Versicherungsnehmer daher weder nach dem allgemeinen Sprachgebrauch des täglichen Lebens noch wegen der Bedeutung von „Aufwendungen“ als feststehender Begriff der Rechtssprache ergeben (vgl. so zu den dort streitigen Aufräumungs- und Abbruchkosten BGH, Urteil vom 19.06.2013, Az.: IV ZR 228/12, – zitiert nach juris -, Rn. 20 ff., zu § 3 AFB 1987). Dem betreffenden Wortsinn des Terminus „Aufwendungen“ kann kein unterschiedlicher Gehalt danach zukommen, ob er im Zusammenhang mit Aufräumungs- und Abbruchkosten oder aber mit Bewegungs- und Schutzkosten verwandt wird.

bb. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann nichts anderes aus der weitergehenden Formulierung in Teil C § 3 Nr. 4a bb) VSG 2008 abgeleitet werden, dass es sich bei den Bewegungs- und Schutzkosten um Aufwendungen handeln soll, welche „dadurch entstehen, dass (…)“. Denn eine semantische Abweichung zu „Aufwendungen für“ Aufräumungs- und Abbruchkosten nach Teil C § 3 Nr. 4a aa) VSG 2008 muss sich für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer allein daraus oder auch in der Gesamtschau nicht ergeben. Vielmehr deutet das „Entstehen“ der betreffenden Aufwendungen sogar noch eher auf (erst) in die Zukunft gerichtete Maßnahmen hin; eine alternativ mögliche und dann eindeutige Fassung wie etwa einer Erstattung von Aufwendungen, die „dadurch entstanden sind, dass (…)“, hat der Beklagte nicht gewählt.

b. Ebenso wenig ist für die Erstattung der Bewegungs- und Schutzkosten nach Teil C § 3 Nr. 4a bb) VSG 2008 erforderlich, dass bei dem Versicherungsnehmer die Absicht einer Wiederherstellung des versicherten Gebäudes besteht.

aa. In der Schadensversicherung hat der Versicherungsnehmer in Anlehnung an den Grundgedanken des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB Dispositionsfreiheit, wozu er die Entschädigungsleistung verwenden will, soweit dem nicht anderweitige Abreden im Versicherungsvertrag entgegenstehen; in seinem solchen Falle ist damit regelmäßig eine abstrakte Schadensberechnung ohne Rücksicht auf Zeitpunkt und Kosten der Wiederherstellung möglich und vorgesehen (vgl. Prölss/Martin-Armbrüster, VVG, 30. Aufl., 2018, vor § 74 Rn. 67 f., § 93 Rn. 30 m. w. N.).

bb. Nichts anderes ergibt sich hier bezüglich der Kostenversicherung daraus, dass Bewegungs- und Schutzkosten in Teil C § 3 Nr. 4a bb) VSG 2008 als Aufwendungen definiert sind, die dadurch entstehen, dass „zum Zweck“ der Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung von versicherten Sachen andere Sachen bewegt, verändert oder geschützt werden müssen.

(1) In Fortführung der Parallele zu § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kommt darin allein zum Ausdruck, dass sich die Höhe der betreffenden Kosten an dem Betrag orientiert, der im Zusammenhang mit einer Wiederherstellung der versicherten Sache erforderlich wäre, so sie der Versicherungsnehmer denn vornähme. Denn die eingangs genannte Vorschrift kann entsprechend Teil C § 3 Nr. 4a bb) VSG 2008 ohne inhaltliche Änderung dahingehend umformuliert werden, dass der Gläubiger bei Bestehen einer Schadensersatzpflicht wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache statt der Herstellung den (“dazu“ =) „zum Zweck der Herstellung“ erforderlichen Geldbetrag verlangen kann; auch mit einer solchen Fassung der gesetzlichen Regelung wäre für sich genommen aber der Grundsatz der Dispositionsfreiheit für das Recht des Schadensersatzes nicht in Frage gestellt.

(2) Die Bedeutung des Zusatzes „zum Zweck der Wiederherstellung“ in Teil C § 3 Nr. 4a bb) VSG 2008 erschöpft sich somit in der Abgrenzung der Bewegungs- und Schutzkosten von Aufwendungen, die „infolge eines Versicherungsfalles“ gegebenenfalls aus anderen Gründen als solchen einer Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung von versicherten Sachen für den Schutz oder die Bewegung nicht versicherter Sachen entstehen. Dies wäre etwa der Fall, wenn hier nicht die Gebäudereparatur eine Verlegung der Rohrleitung bedingte, sondern die Klägerin die ohnehin eingetretene Betriebsunterbrechung nutzte, um eine Photovoltaikanlage auf dem Gebäudedach zu installieren, die nur in dem Bereich einen effektiven Wirkungsgrad erreichte, in dem sich bisher die Rohrleitungen befinden; dabei anfallende Bewegungs- und Schutzkosten wären zwar durch den Versicherungsfall äquivalent-kausal verursacht, dienten aber nicht dem Zweck der Wiederherstellung der versicherten Sache.

(3) In gleicher Weise wird nach dem systematischen Gesamtzusammenhang des Klauselwerkes der VSG 2008 der Neuwert der versicherten Sache in Teil C § 15 Nr. 1b) VSG 2008 an Hand des „ortsüblichen Neubauwertes“ bestimmt, bei dem es sich grundsätzlich ebenfalls um eine zunächst rein fiktive bzw. nicht von einer tatsächlich bestehenden Wiederherstellungsabsicht abhängige Größe handelt, während Regelungen zur Entschädigungsberechnung, Fälligkeit oder Anspruchsentstehung im Sinne einer Wiederherstellungsklausel demgegenüber (erst) in Teil C § 17 VSG 2008 zusammengefasst sind. Unter Nr. 1 c) Abs. 2 finden sich dort zwar insbesondere auch Vorgaben bzw. Einschränkungen hinsichtlich einzelner Kostenpositionen, zu denen die Bewegungs- und Schutzkosten jedoch gerade nicht gehören; die strenge Wiederherstellungsklausel für den Gebäudeschaden ist als (Sonder)Regelung wiederum ebenso erst unter Nr. 2 geregelt, während unter Nr. 1 a) zunächst die Entschädigungsberechnung ohne dahingehende Einschränkung dargelegt wird. Teil C § 3 Nr. 4a bb) VSG 2008 selbst wäre vor diesem Hintergrund bei einem entsprechenden Verständnis des Passus´ „zum Zweck der Wiederherstellung“ eine im Vergleich gänzlich untypische Wiederherstellungsklausel sowohl wegen ihrer Stellung in dem Klauselgefüge als auch deshalb, weil sich ihr jedenfalls unmittelbar etwa nicht entnehmen lässt, ob beispielsweise die Fälligkeit oder schon die Entstehung des Erstattungsanspruches aufgeschoben sein sollte. Selbst bei intensivem Studium der übrigen Bedingungen wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer wegen der besonderen Regelung zur Sicherstellung des Wiederaufbaus als Voraussetzung für die Erstattung (nur) der so genannten Neuwertspitze nach all dem nicht darauf kommen, dass Ähnliches von ihm auch im Rahmen von Teil C § 3 Nr. 4a) VSG 2008 erwartet wird (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 27 m. w. N.; obwohl dort nur Aufräumungs- und Abbruchkosten im Streit standen, bezieht sich die letztere Überlegung doch ohne Differenzierung auf die dort maßgebliche und im Hinblick auf die Bewegungs- und Schutzkosten wortgleich formulierte Regelung der versicherten Kosten in § 3 AFB 1987).

(4) Im Übrigen kann eine (belegte) Wiederherstellungsabsicht des Versicherungsnehmers als Voraussetzung für den Ersatz der Bewegungs- und Schutzkosten nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in Teil C § 3 Nr. 4a bb) VSG 2008 hineingelesen werden (vgl. hierzu OLG Hamm, Urteil vom 10.03.1993, Az.: 20 U 269/92, – zitiert nach juris -, Rn. 11 f.). Denn § 55 VVG a. F. ist aufgehoben worden und es besteht kein allgemeines versicherungsrechtliches Bereicherungsverbot (vgl. Marlow/Spuhl-Rust, BeckOK VVG, Stand: 15.10.2019, § 93 Rn. 15 m. w. N.).

(5) Ergibt sich aus dem Regelungsgefüge der VSG 2008 mithin die Möglichkeit zu einem Verständnis, dass die Bewegungs- und Schutzkosten in voller Höhe bereits unabhängig von dem Nachweis einer Wiederherstellungsabsicht zu erstatten sind, geht dies in Übereinstimmung mit dem Landgericht aufgrund der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB zum Nachteil des beklagten Versicherers als Verwenderin der Versicherungsbedingungen.

cc. Bezieht sich die Berechtigung eines Verlangens des Versicherungsnehmers nach einem Abschlag gemäß Teil A § 14 Nr. 1a) Satz 2 VSG 2008 auch auf die Kostenpositionen, ergibt sich im Übrigen auch daraus nicht, dass der Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung wenigstens nachträglich zweckentsprechend verwenden müsste; denn eine Abschlagszahlung ist regelmäßig eine vorweggenommene (Teil)Erfüllung, über die nicht später abgerechnet werden muss (vgl. auch BGH, Urteil vom 02.10.1985, Az.: IVa ZR 18/84, – zitiert nach juris -, Rn. 28 m. w. N.).

c. Ein Anspruch der Klägerin besteht in der hier geltend gemachten (Rest)Höhe; nachdem Zeitwertschaden und Aufräumungs- und Abbruchkosten zwischen den Parteien unstreitig sind, begegnen auch der Anfall der Bewegungs- und Schutzkosten sowie ihre Höhe keinen Bedenken.

aa. Das Obmanngutachten ist gemäß Teil A § 15 Nr. 5 VSG 2008 bezüglich der Notwendigkeit dieser Aufwendungen für die Parteien verbindlich. Entfällt die Bindungswirkung danach nur, wenn nachgewiesen wird, dass die gutachterlichen Feststellungen offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweichen, muss die Partei, die sich auf die offenbare Unrichtigkeit der Leistungsbestimmung beruft, Tatsachen vortragen, aus denen sich dem Sachkundigen die Erkenntnis einer solchen offenbaren Unrichtigkeit aufdrängt; eine Beweiserhebung ist nur geboten, wenn Tatsachen behauptet werden, die für das Gericht schlüssig auf einen Mangel der Leistungsbestimmung hindeuten (vgl. BGH, Urteil vom 21.04.1993, Az.: XII ZR 126/91, – zitiert nach juris -, Rn. 18 m. w. N. zum Schiedsgutachten).

bb. Derartige Anhaltspunkte für eine fehlende Verbindlichkeit des Obmanngutachtens ergeben sich weder aus dem Vorbringen des Beklagten noch sind sie sonst ersichtlich.

(1) Zwar orientiert sich das Obmanngutachten wegen einer nicht gegebenen Wiederverwendbarkeit der Rohrleitungen auf dem Gebäudedach aufgrund eines mit der Demontage einhergehenden Totalschadens an einem Komplettaustausch und einer Erneuerung. Schließt eine solche Kalkulationsgrundlage die Annahme einer Wiederherstellung des Gesamtgebäudes bei einer Aufrechterhaltung seiner bisherigen Zweckbestimmung ein, ist dies aber nach den Ausführungen oben unter lit. b) zwangsläufig auch bei der Feststellung der Entschädigungshöhe unerheblich. Darüber hinaus bedingt die Definition der Bewegungs- und Schutzkosten nach Teil C § 3 Nr. 4a bb) VSG 2008 nicht, wie von dem Beklagten offenbar als impliziert angesehen, dass die identische Sache nach ihrer Demontage auch wieder installiert werden muss. Vielmehr liegt eine durch die Bewegung der nicht versicherten Sache verursachte Aufwendung auch dann vor, wenn diese Sache von dem versicherten Gebäude nicht ohne ihre Beschädigung oder gar Zerstörung entfernt werden kann und daher bei einer Remontage neue, aber gleichartige Bauteile oder Materialien Verwendung finden müssen. Allein bei einem solchen Verständnis lässt sich im Übrigen ein umfänglicher Versicherungsschutz des Versicherungsnehmers gerade in einem Fall wie dem vorliegenden gewährleisten. Denn sind die Rohrleitungen zur Wiederherstellung des Gebäudes von dessen Dach abzunehmen und erleiden sie (erst) dabei ihrerseits nicht mehr behebbare Schäden, würden diese ansonsten zu Lasten der Klägerin gehen, weil die Beschädigungen nicht „durch“ den Brand als Versicherungsfall gemäß Teil B § 4 Nr. 1a) VSG 2008 in der Inhaltsversicherung entstanden sind. Soweit auch die aus einem in einiger Entfernung herrschenden Feuer resultierenden Schäden, etwa durch Einwirkung von Rauch und Ruß auf versicherte Sachen, vom Versicherungsschutz erfasst sind (vgl. Prölss/Martin-Armbrüster, a. a. O., § 1 AFB 2010 Rn. 3 m. w. N.), hat das Feuer hier die Rohrleitungen nicht einmal mittelbar in Mitleidenschaft gezogen; ein Aufwand im Hinblick auf diese Teile ihres Kältesystems ergäbe sich für die Klägerin nur, weil sie zur Reparatur des Gebäudes vom Dach abmontiert werden müssen. Das mit der verbundenen Sach-Gewerbeversicherung erkennbar angestrebte Ziel eines umfassenden Versicherungsschutzes würde jedoch entwertet, wenn für die Klägerin (nur) durch die zu einer Wiederherstellung des Gebäudes notwendige Entfernung der Rohrleitungen ein (zusätzlicher) Schaden einherginge, dieser aber weder als Brandschaden in der Inhaltsversicherung noch im Rahmen der Bewegungs- und Schutzkosten in der Gebäudeversicherung zu erstatten wäre.

bb. Mit dem zuvor Gesagten geht gleichzeitig das Argument des Beklagten ins Leere, die Kosten für eine bloße Demontage der anschließend nicht mehr wiederverwendbaren Rohre beliefen sich auf lediglich 50.000,00 €.

cc. Letztlich ergibt sich auch aus den Darlegungen des Beklagten nicht, dass die Bewegungs- und Schutzkosten für die Rohrleitungen deshalb gar nicht erforderlich wären, weil das Dach an einer ganz anderen Stelle als dort, wo sich die Anlage befindet, von dem Brandschaden betroffen sei und eine Einsturzgefahr tatsächlich nicht bestehe. Der Beklagte bezieht sich hierfür allein auf „arge Zweifel“ des Sachverständigen, die in dem Obmanngutachten keinerlei ersichtlichen Niederschlag gefunden hätten; einen ausreichenden Tatsachenvortrag, aus dem sich dem Sachkundigen die Erkenntnis einer offenbaren Unrichtigkeit des Gutachtens aufdrängt, stellt dies nicht dar.

d. Abschließend ist der Beklagte nicht wegen einer Obliegenheitsverletzung der Klägerin hinsichtlich einer Auskunft über die Absicht einer Aufgabe ihrer Pelztierzucht in dem Gespräch am 08.06.2017 gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG leistungsfrei. Bei einer Ersatzfähigkeit der Bewegungs- und Schutzkosten unabhängig von einer tatsächlichen Wiederherstellung des beschädigten Gebäudes war eine Auskunft zu dem eingangs genannten Umstand schon nicht im Sinne von Teil A § 8 Nr. 2a hh) VSG 008 zur Feststellung des Umfangs der Leistungpflicht des Beklagten erforderlich. Zudem fehlt es an der Kausalität einer Falschauskunft der Klägerin, weil der Beklagte bei dem von ihm in Bezug genommenen Gespräch mit der Klägerin am 08.06.2017 aufgrund der ihm zu diesem Zeitpunkt schon vorliegenden Sachverständigengutachten auf andere Weise über den Sachverhalt unterrichtet war (vgl. Prölss/Martin-Armbrüster, a. a. O., § 31 Rn. 35 m. w. N.).

2. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Jahreszinsen aus 505.348,42 € in Höhe von vier Prozent für die Zeit vom 21.09.2016 bis zum 05.04.2018 sowie in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit vom 06.04.2018 bis zum 11.04.2018 und aus 295.348,42 € in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.04.2018 gemäß Teil A § 14 Nr. 3a) und c) VSG 2008, §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB.

a. Die Zinsforderung der Klägerin nach Teil A § 14 Nr. 3a) VSG 2008 besteht ab dem Tag der Schadensmeldung, d. h. seit dem 21.09.2016 (vgl. BGH, Urteil vom 19.06.2013, Az.: IV ZR 228/12, – zitiert nach juris -, Rn. 32).

b. Ein Verzug des Beklagten mit der Folge des dann anfallenden höheren Zinssatzes ist mit dem Ablauf der Zahlungsfrist zum 05.04.2018 in der anwaltlichen Zahlungsaufforderung vom 21.03.2018 eingetreten. Das landgerichtliche Urteil weist in diesem Zusammenhang eine Ungenauigkeit auf, weil der Klägerin Verzugszinsen zum einen auf 505.348,42 € „bis zum“ 05.04.2018 zugesprochen werden, zum anderen aber auch auf den darin enthaltenen und nach der Teilzahlung des Beklagten reduzierten Betrages in Höhe von 295.348,42 € „seit dem“ 05.04.2018, sodass sich für diesen einen Tag eine zu verzinsende Summe in Höhe von (505.348,42 € + 295.348,42 € =) 800.696,84 € ergäbe.

c Die Zinspflicht endet mit dem Ablauf des Tages, an dem der Schuldner zahlt (vgl. Bamberger/Roth/Hau/Poseck-Lorenz, BeckOK BGB, Stand: 01.02.2020, § 288 Rn. 7 m. w. N.), d. h. hinsichtlich des am 11.04.2018 bei der Klägerin eingegangenen Betrages in Höhe von 210.000,00 € mit diesem Tag.

3. Demgegenüber hat die Klägerin keinen Anspruch gegen den Beklagten auf die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, 249 Abs. 1, 257 BGB, denn die Inanspruchnahme anwaltlichen Beistandes durch die Klägerin ist nicht verzugsbedingt erfolgt.

aa. Eine der Beauftragung der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorausgegangene Mahnung des Beklagten im Hinblick auf eine Auszahlung geschuldeter Versicherungsleistungen ist nicht ersichtlich. Insbesondere lässt sich kein mittelbarer Rückschluss auf eine Mahnung aus dem Schreiben des Beklagten vom 28.02.2018 ziehen, soweit der Beklagte dort als Anlass für seine folgenden Ausführungen allein auf eine Bitte der Klägerin um Prüfung der Frage der Kostenpositionen Bezug nimmt; dass damit eine eindeutige und bestimmte Leistungsaufforderung (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2007, Az.: III ZR 91/07, – zitiert nach juris -, Rn. 11 m. w. N.) einhergegangen wäre, lässt sich dem nicht nehmen.

bb. Gleichzeitig war eine Mahnung aufgrund des Schreibens des Beklagten vom 28.02.2018 nicht entbehrlich, weil er darin eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung zum Ausdruck gebracht hätte. Es sind insofern strenge Anforderungen in dem Sinne zu stellen, dass das Verhalten des Schuldners nach der Gesamtwürdigung als sein letztes Wort zu verstehen ist, die Leistung endgültig nicht erbringen zu wollen (vgl. OLG München, Urteil vom 16.06.2010, Az.: 7 U 4884/09, – zitiert nach juris -, Rn. 19 m. w. N.). Der Beklagte hat der Klägerin in dem betreffenden Schreiben statt dessen lediglich mitgeteilt, dass er Vorauszahlungen auf die Kostenpositionen wie zum Beispiel Schutz- und Bewegungskosten nur, im Umkehrschluss zumindest dann aber eben doch leiste, wenn die Klägerin Unterlagen zu deren konkretem Anfall beibringe.

4. Schließlich ist die Kostenentscheidung des landgerichtlichen Urteils im Ergebnis nicht zu beanstanden.

a. Zwar hat das Landgericht die Reduzierung des ursprünglichen Klageantrages durch die Klägerin um die vorprozessual erfolgte unstreitige Zahlung des Beklagten in Höhe von 17.918,58 € weder in seinem Tatbestand erwähnt noch in den Entscheidungsgründen berücksichtigt, nachdem es dort die Kostenentscheidung auf § 91 ZPO gestützt und dieser folglich – trotz der teilweisen Klageabweisung bezüglich der Zinsen und der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten – ein vollumfängliches Obsiegen der Klägerin zugrunde gelegt hat. Die Beweiskraft des Tatbestandes nach § 314 Satz 1 ZPO steht der Berücksichtigung einer zwischenzeitlichen Verringerung des eingeklagten Hauptforderungsbetrages nicht entgegen; denn der Beweis kann nach § 314 Satz 2 ZPO durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden, dem die Chronologie der von der Klägerin gestellten Anträge zu entnehmen ist.

b. Zutreffend verweist die Klägerin aber auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, wonach der Beklagte die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, weil die Zuvielforderung der Klägerin mit einem Anteil von unter zehn Prozent des ursprünglichen Gesamtstreitwertes verhältnismäßig geringfügig war (vgl. Rauscher/Krüger-Schulz, MüKo ZPO, 5. Aufl., 2016, § 92 Rn. 19 m. w. N.) und mangels eines damit verbundenen Gebührensprungs keine zusätzlichen Kosten verursacht hat.

II. Mit den vorgeschlagenen Prozesserklärungen zu einer streitlosen Erledigung des Rechtsstreits ginge eine Reduzierung der Gerichtsgebühren für das Berufungsverfahren in Höhe von (2.462,00 € x 2 Gebühren =) 4.924,00 € einher.

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