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Gebäudehaftpflichtversicherung – Auslegung einer Ausschlussklausel für Kraftfahrzeuge

Interpretation des Versicherungsvertrags: Arbeitsmaschine als Kraftfahrzeug?

Das Urteil wirft einen detaillierten Blick auf den Gebrauch einer Ausschlussklausel in der Gebäudehaftpflichtversicherung, insbesondere auf die Auslegung des Begriffs „Kraftfahrzeug“. Im Zentrum steht eine kontroverse Frage: Fällt eine Arbeitsmaschine, die beim Abbruch eines Gebäudes verwendet wird, unter den Kraftfahrzeugbegriff und ist daher vom Versicherungsschutz ausgeschlossen?

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 10 U 391/20 >>>

Auslegung der Versicherungsbedingungen

Gemäß der angeführten Ausschlussklausel ist der Gebrauch von Kraftfahrzeugen bei einem Abbruch grundsätzlich nicht versichert. Dabei stellte das Gericht jedoch fest, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer, der die Versicherungsbedingungen sorgfältig durchliest, nicht davon ausgehen würde, dass eine reine Arbeitsmaschine, die nicht am öffentlichen Verkehr teilnehmen kann, als Kraftfahrzeug im Sinne der Ausschlussklausel gilt. Das Gericht stellte fest, dass es für den Versicherungsnehmer nicht selbstverständlich wäre, dass eine Arbeitsmaschine, welche im Abbruchprozess genutzt wird, als Kraftfahrzeug betrachtet wird.

Kontextuelle Einordnung von Arbeitsmaschinen

Die Verwendung von schwerem Gerät, wie einem Radlader, bei kontrolliertem und abschnittsweisem Abbruch stellt für das Gericht keine Besonderheit dar. Die Vorstellung, dass solche Maschinen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sein könnten, wäre für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht ersichtlich. Infolgedessen ergab sich aus der sorgfältigen Lektüre der Versicherungsbedingungen keine offensichtliche Indikation, dass der Einsatz solcher Geräte vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sein könnte.

Abwägung unterschiedlicher Bedingungswerke

In der Berufungsbegründung führte die Beklagte aus, dass bei der Auslegung Bedingungswerke aus dem Bereich der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung nicht herangezogen werden sollten. Diese müsse ein Versicherungsnehmer nicht kennen. Das Gericht stimmte dem zu und betonte, dass auch neuere Bedingungswerke einer allgemeinen Privathaftpflichtversicherung bei der Auslegung der hier strittigen Ausschlussklausel nicht zu berücksichtigen seien.

Implikationen und Schlussfolgerungen

Das Urteil betont die Wichtigkeit der verständlichen und klaren Definition von Versicherungsausschlüssen. Eine missverständliche Auslegung des Begriffs „Kraftfahrzeug“ könnte zu einer unerwarteten Versicherungslücke führen und den Versicherungsnehmer vor erhebliche finanzielle Probleme stellen. Die Entscheidung leistet einen wichtigen Beitrag zur juristischen Diskussion um die Auslegung von Versicherungsbedingungen und bietet eine klare Richtlinie für zukünftige Fälle ähnlicher Natur.


Das vorliegende Urteil

OLG Koblenz – Az.: 10 U 391/20 – Beschluss vom 02.09.2020

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Trier – Einzelrichter – vom 18. Februar 2020 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 3.330,40 € für das Berufungsverfahren festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte der Klägerin aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherungsvertrages wegen eines Schadensereignisses vom 17. April 2018 auf dem versicherten Grundstück Versicherungsleistungen erbringen muss; insbesondere, ob die Beklagte eine Schadensersatzforderung des Grundstücksnachbarn in Höhe von 1.888,60 € zu erstatten hat.

Das Landgericht hat der entsprechenden Klage im Hinblick auf die Ziffern 1.2 /1.2.1 der Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen (im Folgenden: BBR) zum Versicherungsvertrag stattgegeben.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten.

II.

Die Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg; die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts (durch Urteil); eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Hierauf hat der Senat bereits mit Hinweisbeschluss vom 22. Juni 2020 (Bl. 73 ff. eGA) hingewiesen.

Hiergegen hat die Beklagte fristgerecht mit Schriftsatz vom 10. August 2020 Einwendungen erhoben. Sie hat vorgetragen, der Senat verstoße mit seiner Auslegung der BBR gegen den Wortlaut der Ziffern 1.2 BBR sowie insbesondere der Ziffer 2.4 BBR; hier sei der Gebrauch von Kraftfahrzeugen eindeutig vom Versicherungsschutz ausgenommen.

Im Übrigen sei es absolut üblich, einen Abbruch kontrolliert vorzunehmen, also abschnittsweise vorzugehen, insbesondere deshalb, um unterschiedlichen Bauschutt, der gegebenenfalls kontaminiert sein könne, auch getrennt entsorgen zu können. Deshalb sei die Annahme des Senats im Hinweisbeschluss, bei einem Abbruch rechne ein Grundstücksbesitzer in jedem Fall mit dem Einsatz von schwerem Gerät, nicht im Einklang mit der üblichen Routine bei einem Abbruch.

Zudem sei der nur sehr geringe Versicherungsbeitrag von monatlich 3,32 € für den Versicherungsnehmer ein deutlicher Hinweis darauf, dass ein so großes Risiko wie der Gebrauch von Kraftfahrzeugen bei einem Abbruch nicht versichert sein könne.

Soweit der Senat Versicherungslücken für den Versicherungsnehmer mit seiner im Hinweisbeschluss vorgenommenen Auslegung der Ziffer 2.4 BBR vermeiden wolle, sei darauf hingewiesen, dass Risiken, wie sie sich vorstehend im Fall des Ehemanns der Klägerin und dem Einsatz des Radlagers verwirklicht hätten, in neueren Bedingungswerken grundsätzlich vom allgemeinen Privathaftpflichtversicherungsschutz umfasst seien.

Auch diese Einwendungen verhelfen der Berufung nicht zum Erfolg. Der Senat verweist zunächst auf seinen oben genannten Hinweisbeschluss, den er auch zur Grundlage dieses, auf einstimmiger Überzeugung beruhenden Beschlusses macht.

Der Senat verstößt mit seiner im oben genannten Hinweisbeschluss ausgeführten Auslegung des Zusammenspiels der Ziffern 1.2.1 und 2.4 der BBR nicht gegen das Gebot der Beachtung der Wortlautgrenze. Der Versicherungsnehmer, der der Ziffer 1.2.1 BBR zunächst entnommen hat, dass Abbrucharbeiten unter den Versicherungsschutz fallen, wird Arbeitsmaschinen, auch wenn sie nach der Legaldefinition unter den Kraftfahrzeugbegriff fallen, aus der Sicht des juristischen Laien nicht als Kraftfahrzeug im Sinne der Ziffer 2.4 BBR einordnen. Für den juristischen Laien ist für ein Kraftfahrzeug begrifflich immanent, dass es auf öffentlichen Straßen zur Beförderung von Personen und Sachen für größere Wegstrecken genutzt wird. Dass eine reine Arbeitsmaschine, die nicht am öffentlichen Verkehr teilnehmen kann, als Kraftfahrzeug i. S. d. § 1 Abs.2 Satz 2 StVG gilt, ist dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, auf dessen Verstehen der Versicherungsbedingungen bei aufmerksamer und verständiger Durchsicht es – soweit unter allen Prozessbeteiligten unstreitig – ankommt, keinesfalls selbstverständlich.

Auch dass ein Grundstücksbesitzer nach Möglichkeit einen Abbruch kontrolliert und abschnittsweise vornehmen wird, macht den Einsatz von schwerem Gerät, z.B. bei Mauern und Betonteilen aus der Sicht des Versicherungsnehmers nicht überflüssig.

Soweit die Beklagte ausführt, allein der geringe monatliche Betrag von 3,32 € für die Versicherung lasse den Versicherungsnehmer bereits skeptisch werden, ob tatsächlich der Einsatz von „schwerem Gerät“ bei Abbrucharbeiten versichert sein könne, überzeugt ebenfalls nicht. Sicherlich ist ein Jahresbetrag von rund 40 € kein besonders hoher Beitrag, für den der durchschnittliche Versicherungsnehmer besondere finanzielle Vorkehrungen treffen muss. Andererseits sind die Abbrucharbeiten ausweislich der Ziffer 1.2.1 BBR auch nicht grundsätzlich versichert, sondern bis zu einer Bausumme von 50.000 €, also von vornherein auf kleinere bis mittlere Arbeitsvolumina beschränkt. Dass damit der Einsatz von schwerem Gerät, wie einem Radlader, ausgeschlossen sein soll, ergibt sich für den durchschnittlichen, die BBR sorgfältig lesenden Versicherungsnehmer dadurch nicht.

Dass Schadensfälle wie vorliegend in neueren Bedingungswerken gegebenenfalls Versicherungsschutz in allgemeinen Privathaftpflichtbedingungswerken unterliegen, ist für die Auslegung der hier vorliegenden Klauseln nicht relevant. In der Berufungsbegründung vom 6. April 2020 hat die Beklagte selbst im Zusammenhang mit der Kritik des landgerichtlichen Urteils ausgeführt, dass bei der Auslegung Bedingungswerke aus dem Bereich der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung nicht heranzuziehen seien, denn diese Bedingungen müsse ein Versicherungsnehmer nicht kennen. Ebensowenig sind bei der Auslegung der hier streitgegenständlichen BBR neuere Bedingungswerke einer allgemeinen Privathaftpflichtversicherung heranzuziehen. Auch diese muss der Versicherungsnehmer beim aufmerksamen Studium der für ihn einschlägigen Bedingungen nicht mitberücksichtigen. Dazu fehlt es ihm an versicherungsrechtlichen Spezialwissen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung erfolgte gemäß § 3 ZPO.

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