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Gebäude- und Inhaltsversicherung – Nässeschaden und Bruchschaden

Rechtsprechung in Sachen Gebäude- und Inhaltsversicherung: Leckagen, Bruchschäden und die feinen Linien der Vertragsauslegung

Das Oberlandesgericht Oldenburg (OLG Oldenburg, Az.: 1 U 12/20) hat in einem Beschluss vom 5. März 2020 Fragen zur Interpretation von Versicherungsbedingungen im Zusammenhang mit Gebäude- und Inhaltsversicherungen behandelt.

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Interne Wasserverschiebung und Versicherungsfälle

Die juristische Auseinandersetzung drehte sich um die Klägerin und ihren Versicherungsvertrag mit der Beklagten. Der Streit entbrannte um die Definition eines Nässeschadens in Bezug auf Leitungswasser, definiert in den Versicherungsbedingungen (VB Sach) des Vertrages. Insbesondere wurde die Frage behandelt, wann ein Wasseraustritt als versicherter Schaden gilt. Der entscheidende Punkt des Konflikts: genügt es, wenn innerhalb der hierfür vorgesehenen Installationen Wasser voneinem Installationsteil in ein anderes läuft, um einen versicherten Nässeschaden zu begründen?

Der Kern des Urteils: Was ist ein Nässeschaden?

Das Gericht hat die Versicherungsbedingungen nach dem üblichen Maßstab ausgelegt und festgestellt, dass für einen Wasseraustritt mehr erforderlich ist als eine interne Wasserverschiebung. Die Beklagte führte aus, dass ein Nässeschaden nicht vorliegen könne, wenn etwa der Wasserzulauf einer Badewanne versehentlich geöffnet und das Wasser, ohne Schäden zu verursachen, durch den offenen Abfluss ablaufen würde. Das Gericht stimmte dieser Sichtweise zu, was die Vertragsauslegung in solchen Fällen erheblich beeinflussen könnte.

Vertragsauslegung und zukünftige Richtlinien

Die Entscheidung bietet einen Einblick in die Methodik der Vertragsauslegung im Bereich des Versicherungsrechts. Sie verdeutlicht, wie Gerichte den Wortlaut von Versicherungsbedingungen prüfen und interpretieren. Insbesondere hebt sie hervor, dass es bei der Auslegung von Begriffen wie „Nässeschaden“ auf eine detaillierte und sorgfältige Untersuchung ankommt. Hierbei ist zu beachten, dass der Auslegungsmaßstab des Gerichts möglicherweise nicht der ist, den Laien intuitiv anwenden würden.

Versicherungspolicen und die Bedeutung genauer Definitionen

Der Fall zeigt die Bedeutung genauer und eindeutiger Definitionen in Versicherungsverträgen und die Rolle, die die Gerichte bei deren Auslegung spielen. Die Feinheiten des Rechts und die Notwendigkeit einer genauen Wortwahl werden deutlich, wenn es darum geht, zu bestimmen, was ein versichertes Risiko darstellt und was nicht. Insofern kann das Urteil als Erinnerung daran dienen, dass man als Versicherungsnehmer genau wissen sollte, was die Bedingungen der eigenen Versicherungspolice sind und wie diese ausgelegt werden können


Das vorliegende Urteil

OLG Oldenburg – Az.: 1 U 12/20 – Beschluss vom 05.03.2020

I.

Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss und Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Berufung unter Kostengesichtspunkten binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses.

Gründe

II.

Der Senat lässt sich bei seiner Absicht, nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten:

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Die Berufung gegen das klageabweisende Urteil, mit der der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgt, hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne der §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.

Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1. Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Gebäude- und Inhaltsversicherung.

Die Klägerin ist im Bereich des Maschinenbaus tätig und unterhält bei der Beklagten, die ein Versicherungsunternehmen betreibt, eine Unternehmensversicherung. Diese schließt unter anderem die Gefahr Leitungswasser ein. Versicherungsbeginn war der 01.10.2016. Mitversichert ist neben der Klägerin die Eigentümerin und Vermieterin ihres Betriebsgrundstücks, die GG GbR.

Das Versicherungsverhältnis ist näher ausgestaltet durch die Versicherungsbedingungen der Beklagten zur (…), die weiter untergliedert sind, unter anderem in die Versicherungsbedingungen zur Sachversicherung (Gebäude-, Inhalts- und Ertragsausfall- /Betriebsschließungsversicherung, nachfolgend VB Sach).

Diese lauten auszugsweise wie folgt:

28 Versicherte Sachen

Soweit zu einer in den speziellen Bedingungen genannten Gefahr nichts Abweichendes geregelt ist, leistet der Versicherer Entschädigung für versicherte Sachen, die durch eine versicherte Gefahr zerstört oder beschädigt werden oder infolge eines versicherten Ereignisses abhanden kommen.

34 Mitversicherte Kosten

Der Versicherer ersetzt bis zur vereinbarten Entschädigungsgrenze auch ohne Berücksichtigung einer Unterversicherung (auf erstes Risiko) die infolge eines Versicherungsfalls tatsächlich entstandenen Aufwendungen und die folgenden notwendigen Kosten:

(…)

34.14 Kosten für Mehrverbrauch von Flüssigkeiten oder Erdgas

Kosten für Mehrverbrauch von Leitungswasser, Leitungswasser gleichgestellten Flüssigkeiten sowie von Erdgas sind Kosten, die dadurch entstehen, dass infolge eines Versicherungsfalls in der Leitungswasser- und Wasserlöschanlagenleckageversicherung Leitungswasser, Leitungswasser gleichgestellte Flüssigkeiten oder Erdgas (…) austreten und der Mehrverbrauch durch das Versorgungsunternehmen in Rechnung gestellt wird.

(…)

103 Versicherte Gefahren

Die Versicherung umfasst

a) Bruchschäden innerhalb von Gebäuden,

b) Bruchschäden außerhalb von Gebäuden,

c) Nässeschäden.

106 Nässeschäden

a) Ein Nässeschaden liegt bei bestimmungswidrig ausgetretenem Leitungswasser vor.

b) Das Leitungswasser muss ausgetreten sein aus

aa) Rohren der Wasserversorgung (Zu- und Ableitungen) oder damit verbundenen Schläuchen;

bb) mit dem Rohrsystem der Wasserversorgung verbundenen sonstigen Einrichtungen oder deren wasserführenden Teilen;

(…).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Versicherungsverhältnisses wird auf den Versicherungsschein (Anlagenband Blatt 196) sowie die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (Anlagenband Blatt 32) verwiesen.

Anfang des Jahres 2019 meldete die Klägerin einen Schadensfall im Zusammenhang mit einer auf ihrem Betriebsgelände befindlichen Zisterne bei der Beklagten.

Die GG GbR erhielt einen Abwassergebührenbescheid der Stadt Osnabrück über 10.712,20 €.

Die Klägerin hat behauptet, die Zisterne werde automatisch mit Leitungswasser aufgefüllt, wenn sie nicht mehr ausreichend mit Regenwasser gefüllt sei. Infolge eines Defekts des Ventils der Leitungswasserzufuhr sei der Zisterne zwischen einem Ablesetermin am 06.04.2018 und dem 20.12.2018 ständig Leitungswasser zugeführt worden. Durch die ständige Zufuhr von Leitungswasser sei die Zisterne übergelaufen. Das Wasser sei über einen Überlauf in einen Regenwasserkanal der Stadt Osnabrück gelangt. Hierdurch sei der Wasserverbrauch von 186 m³ im Jahr 2017 auf 11.500 m³ im Jahr 2018 gestiegen.

Für die Reparatur des Ventils habe sie 393,45 € aufwenden müssen und für den Mehrverbrauch an Frischwasser 16.423,28 €. Die GG GbR habe von ihr die Erstattung der 10.712,20 € für Abwassergebühren verlangt.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 393,45 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p. a. über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf seit dem 29.03.2019 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, ihr 16.423,28 € netto für ihre Mehrkosten an Frischwasser im Verbrauchsjahr 2018 im Vergleich zum Vorjahr, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p. a. hierauf seit dem 29.05.2019 zu ersetzen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.712,20 € netto für die Kosten der Abwasserbeseitigung der Stadt Osnabrück in den Regenwasserkanal nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p. a. hierauf seit dem 29.05.2019 zu zahlen,

4. die Beklagte zu verurteilen, ihr gerichtlichen Rechtsanwaltskosten netto 1.044,40 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p. a. über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf seit dem 26.04.2019 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei in Bezug auf die Abwasserkosten nicht aktiv legitimiert. Im Übrigen sei kein Versicherungsfall eingetreten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, zum Eintritt eines Bruchschadens des Ventils sei nicht substantiiert vorgetragen worden. Eine Verkantung des zu dem Ventil gehörenden Stempels sei für einen Bruchschaden nicht ausreichend. Als versicherte Gefahren kämen demnach nur diejenigen nach Ziffern 105 und 106 VB Sach in Betracht. Der Defekt an dem Ventil sei von der Regelung zu 105 VB Sach nicht umfasst. Insbesondere sei das Ventil kein Rohr.

Es fehle auch an einem Nässeschaden im Sinne der 106 BV Sach, denn an der versicherten Sache, dem Betriebsgrundstück der Klägerin mit aufstehenden Gebäuden, sei kein Schaden eingetreten. Der Austritt von Wasser sei als „Annexkosten“ mitversichert. Über den Begriff der mitversicherten Kosten einen Versicherungsfall herzuleiten, sei nicht möglich.

Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin.

Sie trägt vor, Ausgangspunkt für die Beurteilung, ob ihr ein Entschädigungsanspruch gegen die Beklagte zustehe, sei Ziffer 28 VB Sach. Nach dieser Klausel habe die Beklagte auch Entschädigung für abhandengekommene versicherte Sachen zu leisten. Das Wasser in den Leitungen des versicherten Objekts seit Zubehör nach § 97 BGB und deshalb eine mitversicherte Sache. Es sei auch abhandengekommen. Die Voraussetzungen einer Entschädigungspflicht nach Ziffer 28 VB Sach seien somit gegeben.

Hierneben sei die Beklagte auch nach Ziffer 34.14 VB Sach für die Erstattung des Mehrverbrauchs von Leitungswasser eintrittspflichtig.

Soweit das Landgericht meine, ein Bruchschaden des Ventils sei nicht substantiiert vorgetragen worden, sei dem entgegenzutreten. Eines Bruchschadens im Wege engster Auslegung habe es nicht bedurft, weil der eingetretene Versicherungsfall einen Nässeschaden darstelle. Der Zulauf des Leitungswassers in die Zisterne sei funktionswidrig und damit per se nicht dem Willen der Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin entsprechend erfolgt. Der Wasseraustritt sei demnach bestimmungswidrig erfolgt, sodass ein Nässeschaden gegeben sei. Nach dem maßgeblichen Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers sei für die Frage des bestimmungswidrigen Wasseraustritts auf den Austritt aus der Zisterne abzustellen, nicht auf das Rohrendstück an dem Ventil. Der eingetretene Schaden sei in dem Wasseraustritt zu erblicken.

Die Auffassung des Landgerichts, für einen Nässeschaden sei erforderlich, dass durch austretendes Wasser ein Schaden verursacht worden sei, sei aus den hier maßgeblichen Klauseln nicht herzuleiten. Die Definition eines Nässeschadens in Ziffer 106 lit. a) VB Sach sei abschließend und unmissverständlich, sodass für eine Auslegung weder Anlass noch Raum bestehe.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Osnabrück 9 O 1314/19, verkündet am 22.10.2019, zugestellt am 23.10.2019 die Beklagte zu verurteilen

1. an sie € 393,45 nebst 5 %-Punkten an Zinsen p. a. über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf seit dem 29.03.2019 zu zahlen,

2. ihr € 16.423 28 netto für die Mehrkosten an Frischwasserbezug im Verbrauchsjahr 2018 im Vergleich zum Vorjahr, nebst 5 %-Punkten an Zinsen p. a. hierauf ab Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen,

3. an sie € 10.712,20 netto für die Kosten der Abwasserbeseitigung der Stadt Osnabrück in den Regenwasserkanal nebst 5 %-Punkten an Zinsen hierauf seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen

und

4. die Beklagte zu verurteilen, ihr an vorgerichtlichen Anwaltskosten netto € 1.044,40 nebst 5 %-Punkten an Zinsen p. a. über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf seit dem 26.04.2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

2. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Gemäß Ziffer 28 VB Sach hat der Versicherer Entschädigung für versicherte Sachen zu leisten, die infolge eines versicherten Ereignisses abhandenkommen. Kosten für Mehrverbrauch von Leitungswasser sind gemäß Ziffer 34.14 VB Sach zu erstatten, wenn diese Kosten dadurch entstanden sind, dass infolge eines Versicherungsfalls Leitungswasser austritt und der Mehrverbrauch durch das Versorgungsunternehmen in Rechnung gestellt wird.

Beide in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen setzen also (in Übereinstimmung mit § 1 S. 1 VVG) jeweils den Eintritt eines Versicherungsfalles voraus. Ein solcher ist hier nicht gegeben.

Als versicherte Gefahren gelten hier gemäß Ziffer 103 VB Sach Bruchschäden und Nässeschäden. Hierzu ist vorab anzumerken, dass für die Definition des Versicherungsfalls im Bereich des Risikos Leitungswasser die Ziffern 103ff VB Sach maßgeblich sind, auch wenn diese ausweislich der Gesamtübersicht zu den AVB (Anlagenband Blatt 33) in Verbindung mit dem weiteren Inhaltsverzeichnis (Anlagenband Blatt 81) sich nach der Systematik der zwischen den Parteien geltenden Versicherungsbedingungen lediglich auf die Inhaltsversicherung (und damit eben nicht auf die Gebäudeversicherung) beziehen. Im Wege ergänzender Vertragsauslegung sind diese Regelungen gleichwohl hinzuzuziehen, weil sonst im Bereich der Gebäudeversicherung nicht geregelt wäre, was hier überhaupt einen Versicherungsfall im Sinne des § 1 S. 1 VVG darstellen soll, sodass sich streng genommen Entschädigungsansprüche gar nicht ergeben könnten. Dies kann nicht im Sinne der Vertragsparteien sein. Die sich so für die Gebäudeversicherung ergebende Regelungslücke ist demnach durch entsprechende Anwendung der Regelungen zur Inhaltsversicherung zu schließen.

Dies vorausgeschickt, gilt folgendes:

Ein Bruchschaden ist hier nicht gegeben. Ein Bruchschaden tritt ein, wenn das betroffene Bauteil durch Materialveränderung einen Riss oder ein Loch bekommt (Prölss/Martin/Armbrüster, 30. Aufl., § 3 VGB, Rn. 1; MK/Spielmann, 2. Auflage, Sachversicherung, Rn. 67; Bruck/Möller/Johannsen, 9. Auflage, Allgemeine Wohngebäude-Versicherung, Rn. 3). Hier trägt die Klägerin vor, der Stempel des Ventils habe festgesessen, weshalb die Leitung nicht ordnungsgemäß verschlossen worden sei. Nach diesem Vortrag ist es gerade nicht zu einem Riss oder einem Loch gekommen.

Im Übrigen befindet sich das streitgegenständliche Ventil nach den Feststellungen des Landgerichts, welche nach § 529 Abs. 1 ZPO der Entscheidung des Senats zugrunde zu legen sind, an einem Rohr außerhalb des versicherten Gebäudes. Anders als im Anwendungsbereich der Ziffer 104 VB Sach ist hier demnach ein Bruchschaden an einem Ventil gerade nicht versichert, denn Ventile werden in Ziffer 105 VB Sach nicht genannt. Der Umstand, dass Ventile in Ziffer 104 lit a) dd) VB Sach gesondert aufgeführt werden, führt dazu, dass auch nicht möglich ist, das Ventil als Endstück eines (von Ziffer 105 VB Sach erfassten) Rohres anzusehen.

Auf die von der Klägerin in der Berufungsbegründung problematisierte Frage, ob das Ventil innerhalb oder außerhalb des Gebäudes gelegen ist, kommt es demnach nicht an.

Entgegen der Auffassung der Klägerin fehlt es auch an einem Nässeschaden. Voraussetzung für einen Nässeschaden ist, dass Leitungswasser bestimmungswidrig ausgetreten ist (hier: Ziffer 106 lit. a) VB Sach). Die Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen hat am Maßstab eines verständigen Dritten unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs des täglichen Lebens zu erfolgen. Maßgebend ist, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei aufmerksamer Durchsicht und verständiger Würdigung das Regelungswerk verstehen muss (BGH, Urteil vom 16.06.1993 – IV ZR 226/92 [juris], Rn. 26).

Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird der Regelung in Ziffer 106 lit. a) VB Sach entnehmen, dass ein Versicherungsfall in Gestalt eines Nässeschadens vorliegen kann, wenn Wasser bestimmungswidrig ausgetreten ist. Die Klägerin stellt insoweit nunmehr darauf ab, ob das Geschehen von dem Willen ihres Geschäftsführers getragen war. Dies trifft jedoch nicht den Kern der Sache. Ein Versicherungsfall nach Ziffer 106 lit. a) VB Sach setzt nach seinem Wortlaut voraus, dass Wasser überhaupt ausgetreten ist. Hierzu stellt Ziffer 106 lit. b) VB Sach klar, dass das Leitungswasser aus Rohren der Wasserversorgung oder damit verbundenen Schläuchen oder mit dem Rohrsystem der Wasserversorgung verbundenen sonstigen Einrichtungen oder deren wasserführenden Teilen ausgetreten sein muss.

Die Auslegung nach dem oben dargestellten Maßstab zeigt hierbei, dass für einen Wasseraustritt nicht genügt, dass innerhalb der hierfür vorgesehenen Installationen Wasser aus einem Installationsteil in ein anderes läuft. Der Beklagten ist darin zuzustimmen, dass für den Fall, dass man dies anders sehen würde, ein Versicherungsfall in Gestalt eines Nässeschadens bereits dann gegeben wäre, wenn versehentlich der Wasserzulauf einer Badewanne geöffnet und das Wasser, ohne Schäden zu verursachen, durch die geöffneten Ausfluss ablaufen würde. Dass ein solches Ereignis keinen „Nässeschaden“ im Sinne der Ziffer 103 lit. c) VB Sach darstellen kann (anders natürlich, wenn die Badewanne überläuft, vgl. Bruck/Möller/Johannsen, 9. Auflage, Allgemeine Wohngebäude-Versicherung, Rn. 10), ergibt sich bereits aus dem allgemeinen Sprachgebrauch. Vielmehr muss das Wasser wenn auch nicht die bautechnische Einheit, in der die Leckage entstanden ist (MK/Spielmann, 2. Auflage, Sachversicherung, Rn. 51: z. B. Wasser aus einer Heizschlange den Heizkessel), so doch das Rohrsystem und die hiermit verbundenen sonstigen Einrichtungen verlassen haben.

Daran fehlt es hier. Die Klägerin trägt vor, das Wasser sei durch den Überlauf der Zisterne in den Regenwasserkanal der Stadt Osnabrück gelangt. Es hat die für den Wasserfluss vorgesehenen Installationen bzw. Einrichtungen somit nie verlassen. Entspricht das Ableiten überschüssigen Wassers einer geplanten Konstruktion, fehlt es an einem Wasseraustritt (vgl. OGH, Urteil vom 02.07.2015 – 7 Ob 105/15 I [juris], Ziffer 3.3).

Das Leitungswasser, welches über die Zisterne in den Regenwasserkanal der Stadt Osnabrück gelangt ist, ist folglich nicht infolge eines versicherten Ereignisses abhandengekommen, wie dies Ziffer 28 VB Sach voraussetzt. Ebenso wenig ist der Mehrverbrauch im Sinne des Ziffer 34.14 auf einen Versicherungsfall zurückzuführen. Vielmehr geht der Mehrverbrauch auf einen auch nicht als Rohrbruch zu bewertenden Defekt eines Ventils zurück. Ein solches Geschehen wird indes von den genannten Klauseln nicht als Versicherungsschaden erfasst.

Nach alledem ist festzuhalten, dass es an einem Versicherungsfall fehlt. Dementsprechend bestehen die geltend gemachten Entschädigungsansprüche nicht. Die geltend gemachten Nebenforderungen (Zinsen und vorgerichtliche entstanden Rechtsanwaltskosten) bestehen demnach ebenfalls nicht, denn sie hängen von dem Bestand einer Hauptforderung ab.

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