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Feuerversicherung – Leistungsfreiheit bei fehlender Anzeige einer Gefahrerhöhung

Verfehlte Anzeige einer Gefahrerhöhung: Unentbehrlichkeit der Leistungsfreiheit in der Feuerversicherung

Der Kernpunkt dieses Falles konzentriert sich auf die Feuerversicherung und das rechtliche Dilemma, das sich aus einer nicht angezeigten Gefahrerhöhung ergibt. Hierbei steht insbesondere das Verhalten des Versicherungsnehmers und seine Pflicht zur Meldung einer solchen Gefahrenerhöhung im Vordergrund, sowie die daraus resultierenden Konsequenzen. Das Hauptproblem besteht darin, dass der Versicherer sich wegen des Fehlverhaltens des Versicherungsnehmers von der Verpflichtung zur Leistung freisprechen kann.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 U 643/19 >>>

§102 Abs. 1 VVG a.F. und die Auswirkungen

Gemäß §102 Abs. 1 VVG a.F. bezieht sich der Schutzzweck auf jede Art von Leistungsfreiheit, also sowohl vollständige als auch teilweise, und solche, die auf Einwendungen oder geltend gemachten, dauerhaften Leistungsverweigerungsrechten des Versicherers beruhen. Dies bildet die Basis für die Argumentation in diesem Fall, da eine nicht erfolgte Anzeige einer Gefahrerhöhung in Frage steht.

Anwendung des Gutachtens

In dem Verfahren war ein Gutachten eine zentrale Diskussionsgrundlage, auf das sich jedoch keine der Parteien berufen hat und das nicht zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde. Selbst wenn eine Partei sich auf das Gutachten berufen hätte, hätte das Landgericht dieses nicht ohne Weiteres verwerten dürfen. Gemäß §411a ZPO kann die schriftliche Begutachtung durch die Verwertung u.a. eines staatsanwaltlich eingeholten Sachverständigengutachtens aus einem anderen Verfahren ersetzt werden.

Aussage des Klägers und der Druck

Der Kläger hat vorgebracht, dass seine Aussage aufgrund der massiven Überraschung von Angst bestimmt war, da massiver Druck auf ihn ausgeübt worden sei. Allerdings berief sich keine der Parteien auf den konkreten Inhalt der Aussage und sie wurde auch nicht zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

§§ 27 Abs. 2 und 24 Abs.und ihre Auswirkungen

Nach den §§ 27 Abs. 2 und 24 Abs. sind Anzeigen von Gefahrenerhöhungen verpflichtend. Wird die Anzeige nicht unverzüglich gemacht, ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei. Aber diese Leistungsfreiheit bleibt bestehen, wenn dem Versicherer die Gefahrenerhöhung zu dem Zeitpunkt bekannt war, in dem ihm die Anzeige hätte zugehen müssen.

Insgesamt zeigt dieser Fall die Wichtigkeit von rechtzeitigen Anzeigen von Gefahrenerhöhungen im Versicherungsbereich und die rechtlichen Konsequenzen, die sich ergeben, wenn diese Pflicht vernachlässigt wird. Es unterstreicht auch die Rolle und Verantwortung von Versicherungsnehmern in solchen Situationen, um Leistungsverweigerungsrechte der Versicherer zu vermeiden.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Thüringen – Az.: 4 U 643/19 – Urteil vom 28.08.2020

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 29.05.2019, Az. 3 O 482/18, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Meiningen ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit einer Brandversicherung.

Seit Anfang 2001 erhielt der Kläger unter seiner Privatadresse mehrere Drohbriefe. Seine Mutter, die Zeugin J. P., die meist die Post für den Kläger in Empfang nahm, händigte die Schreiben dem Kläger, der eine Etage über ihr wohnte, aus. Die Schreiben ängstigten den Kläger und seine Mutter. Bereits nach Erhalt des ersten Drohbriefes, der einige Wochen vor dem ersten Brand (27.05.2001) bei dem Kläger eingegangen war, begab sich der Kläger zur Polizei in S., machte dort Mitteilung und zeigte den Drohbrief, den er erhalten hatte. Im Nachgang wandte sich ein Kriminalpolizeibeamter telefonisch an den Kläger und erklärte, dass die Polizei nicht in der Lage sei, das Haus ganztägig zu überwachen. Auch im zeitlichen Zusammenhang mit den weiteren Bränden (08.03.2002 und 24.04.2002) erhielt der Kläger Drohbriefe, die er der Polizei übergab. Wegen der Drohbriefe, die der Kläger der Polizei übergab, wird Bezug genommen auf die Bl. 52 ff. und 283 ff der Strafakte.

Zum weiteren Sachstand, zum Vorbringen der Parteien und zu den in I. Instanz gestellten Anträgen wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht Meiningen hat durch Versäumnisurteil vom 02.11.2018 die Beklagte verurteilt, die zu Lasten des Klägers im Grundbuch des Amtsgerichts S., Blatt __ und __ und zu Gunsten der Beklagten eingetragene Grundschuld zu löschen.

Durch Urteil vom 29.05.2019 hat es das Versäumnisurteil vom 02.11.2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat gegen dieses ihm am 05.06.2019 zugestellte Urteil mit einem bei dem Berufungsgericht am 05.07.2019 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Diese hat er – nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 05.09.2019 – mit einem bei dem Berufungsgericht am 05.09.2019 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger rügt, das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, er habe zu der Brandstiftung zumindest angestiftet. Es sei unrichtig, wenn das Gericht annehme, dass für eine Anstiftung ein Motiv vorhanden gewesen sei. Das Landgericht habe außer Acht gelassen, dass er bereits vor dem Brand Drohbriefe erhalten habe und bereits nach Erhalt des ersten Drohbriefs die Sache dem zuständigen Kripobeamten mitgeteilt habe. Betreffend die Schulden habe das Gericht ignoriert, dass er über Mieteinnahmen verfügt habe und schon aus diesem Grund kein Interesse daran gehabt habe, dass das Objekt abbrennt.

Der Kläger behauptet, ungefähr zur selben Zeit, zu der er wegen der Drohbriefe auch zur Kriminalpolizei gegangen sei, sei er nach N. gefahren und habe den Erhalt der Drohbriefe auch der DAS N. gemeldet. Einige Tage später habe er dann die Nachricht bekommen, die Versicherung könne auch nichts machen. Zum Telefonat mit dem Kriminalpolizeibeamten behauptet er, Gesprächspartnerin des Kriminalpolizeibeamten, der telefonisch zurückgerufen hat, sei die Mutter des Klägers gewesen.

Wegen des weiteren Vorbringens des Klägers wird auf seine Berufungsbegründung vom 04.09.2019 und auf das Sitzungsprotokoll vom 09.07.2020 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Meiningen vom 29.05.2019, Az. 3 O 482/18, das Versäumnisurteil vom 02.11.2018 aufrechtzuerhalten; hilfsweise das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 29.05.2019, Az. 3 O 482/18 aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Wegen ihres Vorbringens wird auf ihre Berufungserwiderung vom 21.10.2019 und auf das Sitzungsprotokoll vom 09.07.2020 Bezug genommen.

Der Senat hat den Kläger persönlich angehört (Protokoll der Sitzung vom 09.07.2020) und die Akte der Staatsanwaltschaft M. in dem Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Brandstiftung, Az. 363 UJs 1336/03, beigezogen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig; sie ist statthaft (§ 511 ZPO) und auch im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO).

Die Berufung ist aber unbegründet.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch gemäß § 894 BGB auf Berichtigung des Grundbuchs.

Das Grundbuch ist i.S. von § 894 BGB unrichtig, wenn sein Inhalt von der wirklichen materiellen Rechtslage abweicht (Staudinger/Picker (2019) BGB § 894, Rn. 22). Dies ist hier nicht der Fall.

Die Beklagte ist kraft Gesetzes Grundschuldgläubigerin geworden.

Gemäß §§ 104 Satz 1, 107b VVG a.F. geht die Grundschuld, soweit der Versicherer auf Grund der Vorschriften der §§ 102, 103 VVG a.F. den Grundschuldgläubiger befriedigt, auf den Versicherer über. Das Realrecht geht im Zeitpunkt der Entschädigungszahlung kraft Gesetzes auf den Versicherer über (Kollhosser in Prölss/Martin, VVG, 27. Auflage 2004, § 104 Rn. 3).

Ein solcher Fall liegt hier vor.

Die Beklagte hat der erstrangigen Grundschuldgläubigerin gemäß §§ 102 Abs. 1 Satz 1, 107b VVG a.F. einen Betrag i.H.v. 137.650,00 EUR erstattet.

Gemäß §§ 102 Abs. 1 Satz 1, 107b VVG a.F. bleibt die Verpflichtung des Versicherers gegenüber einem Grundschuldgläubiger bestehen, wenn bei der Gebäudeversicherung der Versicherer wegen des Verhaltens des Versicherungsnehmers von der Verpflichtung zur Leistung frei ist. Dies ist hier der Fall.

Die Beklagte ist wegen des Verhaltens des Klägers von der Verpflichtung zur Leistung frei.

§ 102 Abs. 1 VVG a.F. meint nach seinem Schutzzweck jede Art von Leistungsfreiheit, also sowohl vollständige, als auch teilweise, und sowohl solche, die auf Einwendungen, wie auch solche, die auf geltend gemachten, dauerhaften Leistungsverweigerungsrechten des Versicherers beruhen (Kollhosser in Prölss/Martin, VVG, 27. Auflage 2004, § 102 Rn. 3). Der Wortlaut und grundsätzlich auch der Schutzzweck des § 102 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erfassen jedes Verhalten des Versicherungsnehmers. Grundsätzlich gilt Abs. 1 Satz 1 sowohl für pflichtwidriges wie rechtmäßiges Verhalten (z.B. für Obliegenheitsverletzungen) des Versicherungsnehmers, ferner sowohl für Verhalten des Versicherungsnehmers, das unmittelbar zur Leistungsfreiheit führt, z.B. gemäß § 61 VVG a.F., als auch für Verhalten, das mittelbar zur Leistungsfreiheit führt z.B. als Grundlage für die Ausübung eines Leistungsverweigerungsrecht des Versicherers. Wichtige Fälle des Abs. 1 Satz 1 sind u.a. § 25 Abs. 1, 61 VVG a.F. (Kollhosser in Prölss/Martin, VVG, 27. Auflage 2004, § 102 Rn. 4).

1. Die Beklagte ist allerdings nicht leistungsfrei gemäß §§ 61 VVG a.F.

Gemäß § 61 VVG a.F. ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeiführt.

Das Landgericht hat festgestellt, dass der Kläger zumindest zur Brandlegung angestiftet hat. Daran ist der Senat aber nicht gebunden (§ 529 ZPO). Die Feststellung beruht auf einem Verfahrensfehler.

Das Landgericht hat sich für seine Feststellung, die Drohbriefe seien fingiert, u.a. auf das „Behördengutachten vom 15.3.2004, Bl. 266 ff.“ gestützt (Seite 4 f. des Urteils). Das im Urteil angegebene Datum des Gutachtens „15.3.2004“ ist offenbar fehlerhaft. Bei dem Behördengutachten vom 15.03.2004, Bl. 266 der Strafakte, geht es um eine DNA-Untersuchung von Spuren an einer Basecap. Gemeint ist offenbar das Behördengutachten vom 09.03.2004, Bl. 270 ff. der Strafakte, bei dem es um Handschriftenvergleichung geht.

Im Hinblick auf dieses Gutachten durfte das Landgericht die Ermittlungsakte nicht verwerten. Durch die Beiziehung einer Akte wird nicht ohne Weiteres der gesamte Akteninhalt zum Gegenstand des Rechtsstreits, denn das wäre mit dem im Zivilprozess geltenden Beibringungsgrundsatz nicht vereinbar. Der Inhalt beigezogener Akten darf nur insoweit verwertet werden, als die Parteien sich auf ihn berufen haben und er zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde (Zöller/Greger, ZPO, 33. Auflage 2020, § 286 Rn. 2). Dies hat das Landgericht nicht beachtet.

Auf dieses Gutachten hatte sich keine Partei berufen und es ist nicht zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden, auch nicht durch Stellung der Anträge und anschließendes Verhandeln. Der in der Rechtsprechung anerkannte Grundsatz, dass durch die Stellung der Anträge und anschließendes Verhandeln der gesamte, bis zum Termin angefallene Akteninhalt zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist, betrifft die Hauptakten, die in der Regel das gesamte Parteivorbringen enthalten, nicht dagegen Akten anderer Behörden, die nach §§ 273 Abs. 2 Nr. 2, 432 ZPO beigezogen worden sind (BGH, Urteil vom 09.06.1994 – IX ZR 125/93, BGHZ 126, 217-226, juris Rn. 21).

Selbst wenn sich jemand auf das Gutachten berufen hätte, hätte das Landgericht dieses Gutachten nicht ohne Weiteres verwerten dürfen. Gemäß § 411a ZPO kann die schriftliche Begutachtung durch die Verwertung u.a. eines staatsanwaltlich eingeholten Sachverständigengutachtens aus einem anderen Verfahren ersetzt werden. Das Gericht entscheidet über Verwertung nach pflichtgemäßem Ermessen nach Ankündigung durch Verfügung und nach Anhörung beider Parteien. Die Verwertung selbst geschieht durch Beweisbeschluss, der das Beweisthema und das Gutachten aus dem anderen Verfahren genau benennt. Dadurch wird der Sachverständige für das Verfahren ernannt (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 41. Auflage 2020, § 411a Rn. 3). Die Parteien können seine mündliche Anhörung nach § 411 Abs. 4 ZPO beantragen und erzwingen (Reichold in Thomas/Putzo, aaO, Rn. 4). Dies hat das Landgericht nicht beachtet. Es fehlt eine Ankündigung durch Verfügung und die Anhörung beider Parteien; es fehlt auch an einem Beweisbeschluss.

Das Landgericht hat sich auch auf die Vernehmung des Klägers Bl. 132 bis 135 der Strafakte gestützt (vgl. Seite 5 des Urteils). Auch im Hinblick darauf durfte das Landgericht die Ermittlungsakte aus den o.g. Gründen nicht verwerten. Zu der betreffenden Aussage hat der Kläger vorgetragen, aufgrund der massiven Überraschung sei auch diese Aussage für ihn von Angst bestimmt gewesen, da massiver Druck auf ihn ausgeübt worden sei. Auf den konkreten Inhalt der betreffenden Aussage hatte sich aber keine Partei berufen und sie auch nicht zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht, auch nicht durch Stellung der Anträge und anschließendes Verhandeln (vgl. die o.g. Gründe).

2. Die Beklagte ist auch nicht leistungsfrei gemäß § 25 Abs. 1 VVG a.F.

Gemäß § 25 Abs. 1 VVG a.F. ist der Versicherer im Fall einer Verletzung der Vorschrift des § 23 Abs. 1 von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsfall nach der Erhöhung der Gefahr eintritt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger § 23 Abs. 1 VVG a.F. nicht verletzt.

Gemäß § 23 Abs. 1 VVG a.F. darf der Versicherungsnehmer nach dem Abschluss des Vertrags nicht ohne Einwilligung des Versicherers eine Erhöhung der Gefahr vornehmen oder deren Vornahme durch einen Dritten gestatten.

Ein solches Verhalten des Klägers liegt hier nicht vor.

Der Kläger hat durch sein Verhalten im Zusammenhang mit den Drohbriefen nicht eine Erhöhung der Gefahr vorgenommen. Die „Vornahme“ einer Gefahrerhöhung ist das willentliche Herbeiführen einer Gefahrerhöhung durch den Versicherungsnehmer (Prölss in Prölls/Martin, VVG, 27. Auflage 2004, VVG § 23 Rn. 35 [S. 352]); dies liegt hier nicht vor.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Vornahme ein Unterlassen gleichsteht (vgl. Prölss in Prölss/Martin, VVG, 27. Auflage 2004, VVG § 23 Rn. 38 [S. 353]). Gegebenenfalls wäre Voraussetzung, dass die Beseitigung ohne weiteres tatsächlich und rechtlich möglich war (Prölss in Prölss/Martin, VVG, 27. Auflage 2004, VVG, § 23 Rn. 38 [S. 353]); dies war hier nicht der Fall.

Der Kläger hat hier auch nicht die Vornahme der Gefahrerhöhung durch Dritte gestattet.

3. Die Beklagte ist aber leistungsfrei gemäß § 28 Abs. 1 VVG a.F.

§ 28 VVG a.F. lautet:

(1) Wird die in § 27 Abs. 2 vorgesehene Anzeige nicht unverzüglich gemacht, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, in welchem die Anzeige dem Versicherer hätte zugehen müssen.

(2) Die Verpflichtung des Versicherers bleibt bestehen, wenn ihm die Erhöhung der Gefahr in dem Zeitpunkt bekannt war, in welchem ihm die Anzeige hätte zugehen müssen. Das gleiche gilt, wenn zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls die Frist für die Kündigung des Versicherers abgelaufen und eine Kündigung nicht erfolgt ist oder wenn die Erhöhung der Gefahr keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls und auf den Umfang der Leistung des Versicherers gehabt hat.

§ 27 VVG a.F. lautet.

(1) Tritt nach dem Abschluss des Vertrags eine Erhöhung der Gefahr unabhängig von dem Willen des Versicherungsnehmers ein, so ist der Versicherer berechtigt, das Versicherungsverhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat zu kündigen. Die Vorschriften des § 24 Abs. 2 finden Anwendung.

(2) Der Versicherungsnehmer hat, sobald er von der Erhöhung der Gefahr Kenntnis erlangt, dem Versicherer unverzüglich Anzeige zu machen.

Die in §§ 27, 28 VVG a.F. genannten Voraussetzungen liegen hier vor.

a) Die anonymen Drohbriefe, die der Kläger im Zeitraum etwa ½ Jahr vor dem ersten Brand bis zum dritten Brand erhalten hatte, begründen für den gesamten Zeitraum eine Gefahrerhöhung.

Die Annahme, es habe eine Gefahrerhöhung vorgelegen, setzt einen Gefährdungsvorgang voraus, der einen neuen Zustand erhöhter Gefahr schafft, wobei dieser mindestens von der Dauer sein muss, dass er die Grundlage eines neuen natürlichen Gefahrenverlaufs bilden kann und damit den Eintritt des Versicherungsfalls generell zu fördern geeignet ist (BGH, Urteil vom 27. Januar 1999 – IV ZR 315/97 –, Rn. 9, juris). Ernsthafte Drohungen durch bekannte oder unbekannte Dritte, das versicherte Gebäude anzuzünden oder in die Luft zu sprengen, können die Versicherungsgefahr erheblich erhöhen (Johannsen in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2012, § 9 Gefahrerhöhung, Rn. 13). Anonyme Drohungen mit Brand und Gewalt, die wiederholt ausgesprochen werden, sind geeignet, die vorhandene Versicherungsgefahr zu erhöhen. Die Gefahrerhöhung liegt aber nicht mehr vor, wenn längere Zeit vor Eintritt des Versicherungsfalls ohne weitere Drohungen verstrichen ist (OLG Koblenz, Urteil vom 02. November 1987 – 12 U 1705/86 –, juris). Zur Annahme einer Gefahrerhöhung führt auch die Drohung eines Dritten, ein Gebäude in Brand zu stecken oder es zu zerstören. Wird die Drohung hingegen über längere Zeit nicht wiederholt, entfällt die Gefahrerhöhung wieder (Matusche-Beckmann in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2008, § 23 Gefahrerhöhung, Rn. 47 zu weiterer Rechtsprechung vgl. auch die Hinweise bei Prölls/Martin, VVG, 30. Auflage 2018, VVG § 23 Rn. 18, 57).

Mit dem ersten Drohbrief entstand ein neuer Zustand erhöhter Gefahr. Indem darauf ein Brand, ein weiterer Brand und im Zeitraum sowohl vor als auch nach dem zweiten Brand weitere Drohbriefe folgten, dauerte dieser Zustand erhöhter Gefahr fort bis zum dritten Brand.

b) Der Kläger hatte auch Kenntnis davon, dass mit den Drohbriefen eine Gefahrerhöhung verbunden war (§ 27 Abs. 2 VVG a.F.).

Erforderlich ist positive Kenntnis; Kennenmüssen reicht nicht aus (BGH, Urteil vom 27. Januar 1999 – IV ZR 315/97 –, Rn. 10, juris). Der Versicherungsnehmer muss die Drohung auch tatsächlich ernst genommen haben. Eine positive Kenntnis hatte der Kläger auch nur, wenn er wusste, dass die Drohung den Charakter einer Gefahrerhöhung für das versicherte Risiko hatte (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 1999 – IV ZR 315/97 –, Rn. 11, juris).

Der Kläger hat die Drohbriefe von Beginn an ernst genommen. Er hat sich nach Erhalt des ersten Drohbriefs geängstigt und die Polizei informiert.

c) Der Kläger hat der Beklagten in der Zeit zwischen dem ersten Drohbrief und dem dritten Brand keine Anzeige hinsichtlich der Drohbriefe gemacht, § 27 Abs. 2 VVG a.F.

Das – von der Beklagten bestrittene – Vorbringen des Klägers im Termin am 09.07.2020, er habe sich nach Erhalt des ersten Drohbriefs und Mitteilung an die Polizei nach Nürnberg zur DAS Nürnberg begeben, wo man auf seine Mitteilung betreffend die Drohbriefe ihm gegenüber erklärt habe, die Versicherung könne auch nichts machen, wird nicht zugelassen. Das Vorbringen ist neu, da es nicht schon im ersten Rechtszug erfolgt ist (vgl. Reichold in Thomas/Putzo, aaO, § 531 Rn. 13), es liegt aber kein Fall des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO vor; der Kläger trägt insoweit auch nichts vor. Selbst wenn das Vorbringen zuzulassen wäre, wäre es bei der Verhandlung und Entscheidung nicht zu berücksichtigen (§ 529 ZPO), da der Kläger für seine Behauptung keinen Beweis angeboten hat.

d) Der Versicherungsfall ist später als einen Monat nach dem in § 28 Abs. 1 VVG a.F. genannten Zeitpunkt eingetreten.

Gemäß § 28 Abs. 1 Halbsatz 2 VVG a.F. ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, in welchem die Anzeige dem Versicherer hätte zugehen müssen.

Die Anzeige hätte der Beklagten unverzüglich, nachdem der Kläger den ersten Drohbrief erhalten hatte, zugehen müssen. Der Versicherungsfall ist jedenfalls mehr als einen Monat später eingetreten. Der genaue Zeitpunkt, wann der Kläger den ersten Drohbrief erhalten hat, steht nicht fest. In seiner Berufungsbegründung hat er dargetan, „einige Wochen darauf hat es gebrannt“. Bei seiner persönlichen Anhörung durch den Senat hat der Kläger klargestellt, dass er den ersten Drohbrief etwa ein halbes Jahr vor dem ersten Brand erhalten hatte.

e) Es liegt kein Fall des § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. vor. Gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. bleibt die Verpflichtung des Versicherers bestehen, wenn ihm die Erhöhung der Gefahr in dem Zeitpunkt bekannt war, in welchem ihm die Anzeige hätte zugehen müssen. Dies ist hier nicht der Fall. Eine Kenntnis der Beklagten wird nicht behauptet.

f) Es liegt kein Fall des § 28 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 VVG a.F. vor. Gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 VVG a.F. bleibt die Verpflichtung des Versicherers bestehen, wenn zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls die Frist für die Kündigung des Versicherers abgelaufen und eine Kündigung nicht erfolgt ist. Auch insoweit wird hier eine Kenntnis der Beklagten vorausgesetzt; eine Kenntnis liegt hier nicht vor.

g) Es liegt kein Fall des § 28 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 VVG a.F. vor. Gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 VVG a.F. bleibt die Verpflichtung des Versicherers bestehen, wenn die Erhöhung der Gefahr keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls und auf den Umfang der Leistung des Versicherers gehabt hat. Die Darlegungs- und Beweislast hat der Kläger (Prölls/Martin, VVG, 27. Auflage 2004, VVG § 28 Rn. 1, § 25 Rn. 5). Der Kläger hat nicht dargetan, die Gefahrerhöhung habe keinen Einfluss gehabt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Revisionsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen.

 

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