LG Düsseldorf – Az.: 9 O 362/14 – Urteil vom 21.06.2016
Unter Abweisung der weitergehenden Klage wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 4117,10 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2014 zu zahlen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 21 % und die Beklagte 79 % zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin allerdings nur gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheit i.H.v. 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten eine private Krankenversicherung. Versichert war die medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Sie litt unter Kurzsichtigkeit, welche im Rahmen einer Korrekturbedürftigkeit um -7 Dioptrien lag. Zusätzlich lag ein Astigmatismus vor. Die Klägerin, die zunächst Kontaktlinsen trug, ließ auf beiden Augen eine so genannte LASIK-Behandlung durchführen, für welche ihr ein Betrag von 5202,490 EUR in Rechnung gestellt wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rechnung vom 12.07.2014 (Anlage K 5) verwiesen. Die Beklagte lehnte die Erstattung ab.
Die Klägerin behauptet: Die durchgeführte Behandlung sei wegen ihres Augenleidens in Gestalt der Fehlsichtigkeit medizinisch notwendig gewesen.
Sie beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 5200,84 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2014 zu zahlen sowie weitere 866,32 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2014.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet die medizinische Notwendigkeit. Sie bestreitet, dass die Voraussetzungen für Steigerungssätze von 5,0 bzw. 3,0 gegeben gewesen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst den diesen beigefügten Anlagen verwiesen.
Die Kammer hat Beweis durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens sowie durch Anhörung des Sachverständigen erhoben.
Entscheidungsgründe
Im Ergebnis der Beweisaufnahme handelt es sich im vorliegenden Fall bei der durchgeführten LASIK- Behandlung um eine medizinisch notwendige Behandlungsmaßnahme. Nach objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung war es vertretbar, diese als medizinisch notwendig anzusehen.
Der Sachverständige X hat das eindrücklich bestätigt. Nach seinen Ausführungen ist zunächst davon auszugehen, dass bei der Klägerin eine Seheinschränkung mit Krankheitswert vorlag. Vor der Operation war eine Korrekturbedürftigkeit von -6 bzw. -7 Dioptrien gegeben. Der Nahpunkt habe bei etwa 13 cm gelegen. In diesem Bereich sei ohne Korrektur nicht einmal mehr die Lesefähigkeit gegeben gewesen. Eine uneingeschränkte Lebensführung sei ohnehin ohne Korrektur nur bei einer Korrekturbedürftigkeit zwischen -1 und 0 Dioptrien möglich. Diese Einschätzung erscheint der Kammer ohne weiteres nachvollziehbar.
Weiterhin hat der Sachverständige überzeugend dargelegt, aus welchen Gründen bei der Klägerin eine Korrektur durch Augengläser oder Kontaktlinsen nicht in Betracht kam. Augengläser hätten zu einer gegenüber Kontaktlinsen und erst recht im Vergleich zum Zustand nach der hier streitgegenständlichen Operation erheblichen Gesichtsfeldeinschränkung geführt, was insbesondere durch die Stärke der Gläser verursacht sei. Kontaktlinsen hätten in für den Alltag hinnehmbarer Weise nicht mehr getragen werden können. Harte Kontaktlinsen habe die Klägerin nur noch für einen Zeitraum von 5-6 Stunden am Stück vertragen. Beim Tragen der weichen Linsen nach eingetretener Unverträglichkeit der harten Linsen habe sich bei der Klägerin ein vorgeschobenes Randschlingennetz ausgebildet, eine typische Folge des Tragens von Kontaktlinsen. Zudem habe die Klägerin Linsen mit torischer Krümmung tragen müssen, um den vorhandenen Astigmatismus auszugleichen. Dadurch seien die Linsen schwerer gewesen.
Auch der Einwand der Beklagten, es habe eine Kontraindikation in Gestalt eines trockenen Auges vorgelegen, ist vom Sachverständigen widerlegt worden. Zwar habe die Klägerin ihre Augen nachbenetzen müssen. Aber der Zustand eines explizit trockenen Auges sei nicht gegeben gewesen.
Dementsprechend folgt die Kammer dem Sachverständigen in der Einschätzung, dass die LASIK-Behandlung indiziert gewesen ist. Insbesondere ist auch nicht ersichtlich, in welcher anderen Weise der Klägerin hätte geholfen werden können.
Diese Überzeugung schöpft die Kammer insbesondere auch aus der fachlichen Qualifikation des Sachverständigen: Zum einen verfügt er als Chefarzt einer städtischen Klinik für Augenheilkunde über die erforderliche Erfahrung. Zum anderen hat er insbesondere auch im Rahmen der mündlichen Anhörung die Zusammenhänge so gut verständlich und schlüssig dargelegt, dass sich Zweifel an der Richtigkeit seiner Beurteilung nicht ergeben. Auch der Umstand, dass er die Klägerin nicht persönlich untersucht hat, spricht nicht gegen die Überzeugungskraft seiner gutachterlichen Einschätzung, denn der hierfür angegebene Grund, dass es für die Beurteilung auf den jetzt nicht mehr gegebenen, jedoch anhand von früheren augenärztlichen Untersuchungen ausreichend dokumentierten Zustand ankomme, leuchtet ohne weiteres ein.
Die gebührenrechtlichen Einwendungen der Beklagten sind insoweit erfolgreich, als hinsichtlich der X GOÄ Steigerungssätze über 2,3 hinaus in Ansatz gebracht worden sind. Diesbezüglich ist in der Rechnung als Begründung angegeben zum einen „deutlich erhöhter, apparativer Aufwand durch Einsatz eines Femtosekundenlasers“ bzw. „erhöhter apparativer Aufwand durch Einsatz eines 7-dimensionalen-Eyetrackers zur individuellen Zentrierung auf die optische Achse“. Diesbezüglich hat der Sachverständige allerdings den Sinn der Geräte erklärt und ausgeführt, dass die eingesetzten Geräte in der LASIK- Therapie Standard seien. Dementsprechend käme eine über den Satz von 2,3 hinausgehende Berechnung nur bei weiteren besonderen, hier jedoch von der Klägerin nicht vorgebrachten, Schwierigkeiten der zu beurteilenden Behandlung in Betracht.
Den erstmals im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 30.05.2016 vorgetragenen Bedenken der Beklagten dazu, ob der Femtosekundenlaser überhaupt in Ansatz gebracht werden dürfe, ist mit Blick auf § 296 a S. 1 ZPO nicht nachzugehen, zumal der Sachverständige ausgeführt hat, dass der Einsatz des Lasergeräts heutzutage zum Behandlungsstandard zähle. Der Sachverständige hatte überdies angegeben, dass er selbst wegen des Fehlens eines derartigen Geräts in seiner Klinik dort entsprechende Operationen nicht durchführe.
Die Kürzungen bezüglich der Positionen X führen zur Herabsetzung des jeweils berechneten Betrags von 483,80 EUR auf jeweils 222,41 EUR und zur Herabsetzung des jeweils berechneten Betrags von 1206,54 EUR auf jeweils 925,01 EUR. In Abzug zu bringen ist dementsprechend der Betrag von 1085,84 EUR. Es verbleibt dementsprechend ein berechtigter Anspruch i.H.v. 4117,10 EUR.
Den Eintritt des von der Klägerin im Klageantrag angegebenen Zeitpunkts des Schuldnerverzugs am 01.10.2014 hat die Beklagte nicht in Abrede gestellt, weshalb ihr die geltend gemachten Verzugszinsen zuzuerkennen sind. Mit der weiteren geltend gemachten Nebenforderung zu den vorgerichtlichen Anwaltskosten bleibt die Klägerin ohne Erfolg. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Beklagte bereits in Schuldnerverzug befand, als die Klägerin ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten beauftragte. Die Honorarrechnung datiert nämlich bereits vom 15.09.2014 (Anlage K 10).
Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 11, 711, 709 ZPO.
Der Streitwert wird auf 5.200,84 EUR festgesetzt.