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Betriebsschließungsversicherung – Eintrittspflicht bei Covid19

OLG Koblenz – Az.: 10 U 259/21 – Urteil vom 28.07.2021

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Trier – Einzelrichterin – vom 3. Februar 2021 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten darum, ob dem Kläger gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung wegen der Schließung seines Eis-Cafés, …[A], in …[Z] aufgrund von Maßnahmen der Stadt …[Z] und der rheinland-pfälzischen Landesregierung zur Verhinderung der Verbreitung des Corona-Virus zustehen.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten einen Versicherungsvertrag über eine Firmenpolice mit der Versicherungs-Nr. …, welche eine Ertragsausfallversicherung umfasst, nach der auch eine Betriebsschließung mitversichert ist. Dem Versicherungsvertrag liegen die Zusatzbedingungen für eine Betriebsschließungsversicherung (im Folgenden: AVB) zugrunde (vgl. Anlage K2). Darin ist u.a. folgendes geregelt:

§ 2

1. Versicherungsumfang

Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG in der Fassung vom 20. Juli 2000) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)

a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörigen eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt;

2. Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger

Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserreger:

a) Krankheiten

b) Krankheitserreger

c) …

Die zwischenzeitlich in das IfSG aufgenommene Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) oder der Erreger „Sars-CoV bzw. Sars-CoV-2“ (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 t und § 7 Abs. 1 Nr. 44 a IfSG in der Fassung vom 21. Dezember 2020) sind in dieser Aufzählung nicht enthalten. Der Kläger musste sein Eis-Café ab dem 24. März 2020 aufgrund einer Allgemeinverfügung der Stadt …[Z] und der 3. Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz schließen; ein Straßenverkauf war erst wieder ab dem 20. April 2020 zulässig und möglich. Eine weitere Schließung seines Eiscafés erfolgte ebenfalls aufgrund einer rheinlandpfälzischen Landesverordnung ab 2.11.2020. Der Kläger begehrt für 30 Tage, an denen sein Café aufgrund der oben genannten Maßnahmen geschlossen war, in Höhe von 2.288,46 € täglich, insgesamt 68.653,84 € als Versicherungsleistung von der Beklagten, die diesen Anspruch mit Schreiben vom 22. Mai 2020 endgültig zurückwies.

Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte sei zur Gewährung von Leistungen aus der Betriebsschließungsversicherung verpflichtet. Beim Corona-Virus handele es sich um eine meldepflichtige Krankheit im Sinne der Versicherungsbedingungen. Die in den Bedingungen aufgeführte Aufzählung von Krankheiten und Krankheitserregern sei nicht abschließend, sondern lediglich eine beispielhafte Wiedergabe der versicherten Krankheiten. Die Verweisung auf das Infektionsschutzgesetz in den Versicherungsbedingungen sei eine dynamische Verweisung. Darüber hinaus seien die Aufzählungen nicht klar formuliert; Unklarheiten wirkten sich aber nach allgemeinen Regeln über die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zugunsten des Versicherungsnehmers aus.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 68.653,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. Mai 2020 zu zahlen sowie die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.752,90 € zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, SarsCoV2/COVID 19 sei nicht vom Deckungsschutz der Versicherung umfasst. Dies ergebe sich aus der enumerativen Aufzählung des § 2 Nr. 2 AVB. Eine ergänzende Auslegung verböte sich, ein dynamischer Verweis sei nicht gegeben, da insbesondere auf das Infektionsschutzgesetz in der Fassung vom 20. Juli 2000 Bezug genommen werde. Es finde sich zudem kein Anhaltspunkt in den Versicherungsbedingungen, dass auch künftige Krankheiten vom Versicherungsschutz umfasst sein sollten. Zudem sei die eingeklagte Höhe der begehrten Versicherungsleistung unschlüssig, da nur 26 Schließungstage dargelegt seien.

Betriebsschließungsversicherung – Eintrittspflicht bei Covid19
(Symbolfoto: Von Zorro Stock Images /Shutterstock.com)

Das Landgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen. Es hat dazu ausgeführt, die Schließung des Eiscafés des Klägers sei nicht vom Versicherungsschutz der hier gegenständlichen Betriebsschließungsversicherung umfasst. Der Schließung habe die Erkrankung COVID 19 zugrunde gelegen, welche nicht vom Versicherungsschutz erfasst sei. Der Versicherungsumfang ergebe sich aus der Definition in § 2 AVB. Dieser sei dahingehend auszulegen, dass neuartige Erkrankungen oder Krankheitserreger nicht vom Versicherungsschutz umfasst seien, da die Aufzählung der Krankheiten und Krankheitserreger, die in den Versicherungsschutz fielen, im dortigen § 2 Nr. 2 abschließend sei. Versicherungsbedingungen seien so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen müsse. Dabei erkenne der verständige Versicherungsnehmer vorliegend, dass § 2 Nr. 1 der Zusatzbedingungen explizit Bezug auf das Infektionsschutzgesetz in der Fassung vom 20. Juli 2000 nehme. Dort werde ausdrücklich auf die Aufzählung des § 2 Nr. 2 AVB verwiesen. Die gewählte Formulierung in § 2 Nr. 1 AVB sei für den Versicherungsnehmer eindeutig. Es handele sich nicht um eine dynamische Verweisung auf die jeweils aktuelle Fassung des Gesetzes. Auch die Formulierung, „die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserreger“, sei weder unklar noch widersprüchlich. Die Formulierung dieser Bedingungen sei nicht dazu geeignet, bei einem verständigen Versicherungsnehmer den Eindruck zu erwecken, der Versicherer wolle uneingeschränkt für Schließungen aufgrund aller denkbaren Infektionskrankheiten einstehen. Auch eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers aufgrund dieser Klausel im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB bestehe nicht. Die Klauseln seien nicht intransparent, da das Auseinanderfallen von Versicherungsvertrag und Infektionsschutzgesetz nicht zu einem Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB führe. Einem verständigen Versicherungsnehmer sei bekannt, dass jede Versicherung Einschränkungen enthalte, da ansonsten die Prämien nicht in einem bezahlbaren Rahmen gehalten werden könnten. Zur ergänzenden Darstellung wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil verwiesen, vgl. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese begründet.

Er stellt insbesondere klar, dass er mit dem insgesamt geforderten Zahlungsbetrag von 68.625,84 € die tägliche Entschädigung in Höhe von 2.288,46 € für 30 Tage, vorrangig für die Tage im Frühjahr 2020, hilfsweise auch für die Schließungstage ab 02.11.2020 geltend mache.

Er rügt, das Landgericht habe die hier streitgegenständlichen Versicherungsbedingungen rechtsfehlerhaft ausgelegt. Insbesondere die Argumentation des Landgerichts, die Versicherungsbedingungen nähmen auf das Infektionsschutzgesetz in der Fassung vom 20. Juli 2000 Bezug, sei nicht überzeugend. Auch das Infektionsschutzgesetz in der Fassung, die jeweils aktuell sei, beruhe auf dem Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000; etwaige nach diesem Datum erfolgte Gesetzesänderungen führten nicht dazu, dass es sich um ein gänzlich neues oder anderes Infektionsschutzgesetz handele. Die hier in Streit stehende Klausel des § 2 Nr. 2 der Zusatzbedingungen sei vielmehr nicht abschließend; ausschlaggebend sei in diesem Zusammenhang, dass es gerade daran fehle, dass die Versicherungsbedingungen die Worte „nur“ oder „ausschließlich“ verwenden. Eine Feststellung dieser Auflistung als abschließend enthielte die im Streit stehende konkrete Klausel somit nicht. Die Kammer habe auch verkannt, dass die Formulierung in § 5 Nr. 4 der Zusatzbedingungen, dass nämlich der Versicherer nicht bei Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf hafte, bei dem die Versicherungsbedingungen sorgfältig lesenden Versicherungsnehmer den Eindruck erwecke, dass Haftungsausschlüsse ausdrücklich genannt werden müssten.

Schließlich habe das Landgericht nicht erkannt, dass selbst dann, wenn man entgegen der vorstehenden Ausführungen mit dem Landgericht davon ausginge, es läge ein abgeschlossener Katalog vor, dieser wegen unangemessener Benachteiligung und Intransparenz des Versicherungsnehmers nach § 307 Abs. 1 Satz 2 und 307 Abs. 2 Satz 2 BGB unwirksam wäre.

Er beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Trier gemäß den Anträgen erster Instanz zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil im Ergebnis.

Zur ergänzenden Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst allen Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Dem Kläger stehen Ansprüche aus dem zwischen den Parteien bestehendem Versicherungsvertrag weder für den Schließungszeitraum vom 24.03.2020 – 19.04.2020 noch für den Schließungszeitraum vom 02.11.2020 – 07.03.2021 zu.

1. Durch die Untersagung des Betriebs von Gaststätten, aufgrund derer der Kläger seine Betriebsstätte für den Publikumsverkehr schließen musste, ist kein Versicherungsfall im Sinne der vorliegenden Betriebsschließungsversicherung eingetreten. Die COVID-19 Erkrankung, aufgrund derer die Betriebsschließung verfügt wurde, ist nicht als Krankheit im Sinne des § 2 a) der Versicherungsbedingungen der Beklagten anzusehen. Die streitgegenständlichen Versicherungsbedingungen benennen die Krankheiten und Krankheitserreger, für die Versicherungsschutz besteht, in einem als abschließend anzusehenden Katalog.

a) Maßgebend dafür ist der Inhalt des Versicherungsvertrages und damit dessen Auslegung nach allgemeinen Grundsätzen. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind. Bei der hier in Rede stehenden Betriebsschließungsversicherung ist überdies zu berücksichtigen, dass der typische Adressaten- und Versichertenkreis nicht in Verbraucherkreisen zu suchen ist, sondern bei geschäftserfahrenen und mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen vertrauten Unternehmern, da die Versicherung ihrem Zweck und Inhalt nach auf Gewerbetreibende abzielt (vgl. BGH, Urt. v. 18.11.2020 – IV ZR 217/19 – juris Rn. 11; BGH, Urt. v. 21.04.2010 – IV ZR 308/07 – juris Rn. 12).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer nicht davon ausgehen, dass auch die „Coronavirus-Krankheit-2019“ bzw. SARS-CoV und SARS CoV-2 dem von der Beklagten versprochenen Versicherungsschutz im Fall einer Betriebsschließung unterfallen (so auch OLG Stuttgart, Urt. v. 18.02.2021 – 7 U 351/20 – juris; OLG Hamm, Beschl. v. 15.07.2020 – 20 W 21/20 – juris, zu im Wortlaut leicht abweichenden Versicherungsbedingungen).

aa) Das Coronavirus bzw. die Krankheit COVID-19 sind bereits nicht vom Wortlaut der Vertragsbedingungen der Beklagten umfasst.

Gemäß der mit „Versicherungsumfang“ überschriebenen Regelung des § 2 Nr. 1 der AVB leistet der Versicherer Entschädigung, wenn die zuständige Behörde […] beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2) den Betrieb schließt. Durch den Klammerzusatz „siehe Nr. 2“ wird dabei für den verständigen Versicherungsnehmer bereits deutlich, dass § 2 Nr. 1 und § 2 Nr. 2 der AVB zusammengelesen werden müssen und folglich nur solche Krankheiten und Krankheitserreger eine Leistungspflicht des Versicherers auslösen, die in § 2 Nr. 2 der AVB auch genannt sind. Die unter der Überschrift „meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger“ stehende Klausel des § 2 Nr. 2 AVB enthält schon dem Wortlaut nach („Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingung sind…“) sowie aufgrund der o. g. Bezugnahme in § 2 Nr. 1 AVB für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar eine Definition jener Krankheiten und Erreger, für welche im Falle einer behördlichen Betriebsschließung Versicherungsschutz besteht. Von der sodann unter Voranstellung der Formulierung „die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserregern“ folgenden Aufzählung sind weder die Krankheit COVID-19 noch der Krankheitserreger SARS-CoV-2 erfasst.

Die Aufzählungen in § 2 Nr. 2 a) und b) AVB sind nach der Ansicht des Senats für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer als abschließend und nicht etwa offen gegenüber der Einbeziehung neu auftretender Krankheiten bzw. Erreger zu verstehen.

Bereits der Umstand einer namentlichen Aufzählung von Krankheiten und Krankheitserregern in § 2 Nr. 2 AVB legt nahe, dass der Versicherer nur für diese besonderen aufgezählten und vom Versicherer einschätzbaren Risiken einstehen will. Zugleich wird der Versicherungsnehmer durch die Aufzählung der Krankheiten und Erreger in die Lage versetzt, im Fall einer behördlichen Anordnung schnell feststellen zu können, ob ein potenzieller Versicherungsfall vorliegt. Zu diesem Umstand kommt schließlich noch die Voranstellung der Formulierung „die folgenden“ vor der Aufzählung an Krankheiten und Krankheitserregern hinzu, welche nochmals verdeutlicht, dass letztere definitorisch-abschließend aufgelistet werden. Damit ist ein klarer und unzweideutiger Bezug auf die nachfolgend zu findende Aufzählung bestimmter Krankheiten und Krankheitserreger hergestellt.

Wenn der Versicherer dagegen die Aufzählung nicht als abschließend, sondern lediglich als beispielhaft und offen gegenüber der Einbeziehung neuer Krankheiten hätte verstanden haben wollen, wäre aus Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers zu erwarten gewesen, dass der Versicherer dies durch entsprechende Formulierungen wie etwa durch die Wörter „insbesondere“, „beispielsweise“ oder „etwa“ klarstellt. Derartige verbalisierte Einschränkungen enthält § 2 Nr. 2 AVB jedoch gerade nicht.

Eine solche Klarstellung kann entgegen der Ansicht des Klägers insbesondere nicht in der Verwendung des Wortes „namentlich“ in § 2 Nr. 2 AVB gesehen werden. Dies ergibt sich schon aus der Stellung dieser Formulierung im Satz. Der Gebrauch des Wortes „namentlich“ darf nicht isoliert, sondern nur im Kontext der Verwendung interpretiert werden. Aus diesem Kontext („die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserreger“) folgt, dass der Begriff „namentlich“ vorliegend nicht als Synonym anstelle von „insbesondere“ o. ä. verwendet wurde. Insbesondere die Kombination des bestimmten Artikels „die“, die kumulative Verwendung von „namentlich“ und „folgende“ und die Bezugnahme auf §§ 6, 7 IfSG sprechen entscheidend dafür, dass das Wort in der vorliegenden Konstellation im Sinne von „mit ihrem Namen benannt“ verwendet wird. Die Formulierung „namentlich“ in § 2 Nr. 2 AVB verweist somit lediglich auf jene Krankheiten, die auch in den §§ 6, 7 IfSG mit ihrer Namensbezeichnung aufgeführt werden (OLG Stuttgart, Urt. v. 18.02.2021 – 7 U 351/20 – juris Rn. 42 f.)

bb) Im Hinblick auf die von der Beklagten in § 2 Nr. 1 AVB gewählte Formulierung „(Infektionsschutzgesetz – IfSG In der Fassung vom 20.7.2000)“ kann auch nicht auf eine dynamische Verweisung auf die jeweils aktuelle Fassung des Infektionsschutzgesetzes geschlossen werden. Auch insoweit steht einer solchen Annahme der eindeutige Wortlaut der Klausel entgegen, wonach der Versicherer nur dann Entschädigung leistet, wenn die Behörde aufgrund des IfSG „in der Fassung vom 20.07.2000“ beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten den versicherten Betrieb schließt. Durch diese Formulierung wird für den um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer unmissverständlich deutlich, dass nur das Auftreten solcher Krankheiten, die im Zeitpunkt der Fassung des IfSG vom 20.07.2000 bereits bekannt und daher in das Gesetz aufgenommen worden waren, zu einem Versicherungsfall führen wird. Hätte der Versicherer eine dynamische Verweisung auf die jeweils aktuelle Fassung des Gesetzes zum Ausdruck bringen wollen, hätte er eine andere Formulierung wie z.B. „IfSG in der jeweils aktuellen Fassung“ genutzt oder jedenfalls nicht auf eine konkrete Fassung verwiesen, sondern es bei dem Begriff „IfSG“ belassen.

Insoweit besteht auch ein entscheidender Unterschied zu anderslautenden Entscheidungen erster Instanz, die einen Versicherungsfall im Falle einer Betriebsschließung aufgrund einer Allgemeinverfügung zur Eindämmung der COVID-19 Pandemie bejaht haben (so LG Darmstadt, Urt. v. 10.02.2021 – 26 O 296/20 – juris; LG Mannheim, Urt. v. 29.04.2020 – 11 O 66/20 – juris; LG Düsseldorf, Urt. v. 19.02.2021 – 40 O 53/20 – juris; LG Flensburg, Urt. v. 10.12.2020 – 4 O 153/20 – juris). In den diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Sachverhalten enthielten die Klauseln im Gegensatz zu der hier streitgegenständlichen Regelung des § 2 AVB keine Verweisung auf eine bestimmte Fassung des IfSG, sondern nahmen lediglich durch die schlichte Nennung des IfSG auf dieses Bezug. Einzig in der seitens des Klägers angeführten Entscheidung des Landgerichts München vom 01.10.2020 – 12 O 5895/20 – juris, die ebenfalls einen Versicherungsfall bejahte, enthielt die dort maßgebliche Klausel einen Verweis auf die Fassung des IfSG vom 20.07.2020. Allerdings lag der Entscheidung ein gänzlich anderer Sachverhalt zugrunde. Dort war das Gericht von einer vorrangigen individualvertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien ausgegangen, nachdem ein Mitarbeiter des Versicherers dem Versicherungsnehmer im Vorfeld des Vertragsschlusses kurz vor dem Lockdown mitgeteilt hatte, dass das Coronavirus den in den Bedingungen für die Betriebsschließung genannten Krankheitserregern gleichgestellt sei. Derartige Abreden zwischen den Parteien bzw. Versprechungen durch die Beklagten sind vorliegend jedoch nicht ersichtlich und nicht vorgetragen.

Einem verständigen Versicherungsnehmer muss es auffallen, dass die Vertragsbedingungen für den relevanten Fall einer Betriebsschließung aufgrund einer Maßnahme nach dem IfSG auf eine Fassung dieses Gesetzes vom 20.07.2000 verweisen, während er den Vertrag im März 2020 – mithin 20 Jahre später – abschließt. Aufgrund dieser Tatsache muss er damit rechnen, einen Versicherungsvertrag abzuschließen, der nicht in jedem Fall den aktuellen Stand der §§ 6, 7 IfSG berücksichtigt (vgl. auch OLG Stuttgart, Urt. v. 18.02.2021 – 7 U 351/20 – juris Rn. 38).

Darüber hinaus sind im Katalog von § 2 Nr. 2 AVB diverse Abweichungen im Vergleich zu den gesetzlichen Regelungen der §§ 6, 7 IfSG in der Fassung vom 20.07.2000 zu erkennen. Während in letzteren z. B. humane spongiforme Enzephalopathie als meldepflichtige Krankheit genannt ist, enthält der Katalog der AVB ebendiese Krankheit nicht. Maßgebend ist dabei insbesondere, dass die Versicherungsbedingungen eine öffnende Regelung, wie sie in § 6 Abs. 1 Nr. 5 IfSG in der Fassung vom 20.07.2000 bereits enthalten war und andere bedrohliche Krankheiten umfasst, gerade nicht beinhalten. Vor diesem Hintergrund konnte ein verständiger Versicherungsnehmer nicht annehmen, dass sämtliche Krankheiten bzw. Krankheitserreger nach §§ 6 ff. IfSG und vor allem künftige Krankheiten vom Versicherungsschutz umfasst seien. Ein solches Verständnis lässt sich angesichts der soeben aufgezählten Unterschiede zwischen den Vertragsbedingungen und den gesetzlichen Regelungen der §§ 6, 7 IfSG jedenfalls nicht aus einer entsprechenden Motivation des Gesetzgebers des Infektionsschutzgesetzes ableiten (OLG Stuttgart, Urt. v. 18.02.2021 – 7 U 351/20 – juris Rn. 40).

Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung nunmehr vorträgt, die Bezugnahme in § 2 Nr. 1 der AVB auf das IfSG in der Fassung vom 20.07.2000 stünde einer Einbeziehung der Coronavirus-Krankheit nicht entgegen, da das zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (2. COVIfSGAnpG v. 19.05.2020), infolgedessen das Coronavirus als meldepflichtige Krankheit in das Gesetz aufgenommen wurde, lediglich zu einer Änderung und nicht zu einer Neufassung des IfSG geführt habe, folgt der Senat dem nicht. Bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen kommt es nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, aaO) auf die durchschnittlichen Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne juristische bzw. versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an. Aus der maßgeblichen Sicht eines juristischen Laien macht es jedoch keinen Unterschied, ob sich die Vertragsbedingungen auf eine „Fassung“ oder beispielsweise einen „aktuellen Stand“ eines Gesetzes beziehen, da er insofern zwischen einer Neufassung und einer Änderung des Gesetzes keinen Unterschied zu erkennen vermag. Maßgebend ist vielmehr, dass ein um Verständnis bemühter juristischer Laie anhand der Formulierung „IfSG in der Fassung vom 20.07.2000“ schlichtweg davon ausgehen wird, dass der Versicherungsvertrag inhaltlich nur solche Krankheiten umfassen kann, die zum Zeitpunkt vom 20.07.2000 bereits bekannt waren.

b) Eine andere Auffassung ergibt sich im Wege der Auslegung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer auch nicht aus dem für ihn erkennbaren Zweck des Leistungsversprechens des Versicherers. Zwar kann der Versicherungsnehmer erwarten, dass der Versicherer Risiken für eine Vielzahl von Krankheiten übernimmt; eine Beschränkung auf vereinzelte, im europäischen Raum kaum vorkommende Krankheiten bzw. Krankheitserreger würde dem berechtigten und erwartbaren Interesse des Versicherungsnehmers, einen umfassenden Versicherungsschutz zu erhalten, zuwiderlaufen. Dies gilt jedoch nur in dem Umfang, wie die Risiken für den Versicherer noch kalkulierbar sind, was grundsätzlich nur bei bereits bekannten Bedrohungen durch bestimmte Krankheiten und Krankheitserregern der Fall ist. Nur diese sind in ihren Folgen überschaubar und damit versicherungsmathematisch kalkulierbar; eine Analogie zu allen vergleichbar hochriskanten Viren würde diese Einschätzung finanzieller Belastungen zunichtemachen. Es sind vorliegend keinen atypischen Besonderheiten ersichtlich, die eine berechtigte Erwartung des Klägers dahingehend, der Versicherer werde ohne Unterschied und ohne die Möglichkeit einer Einschätzung der Gefahrträchtigkeit einer Krankheit Versicherungsschutz gewähren wollen, begründen können (OLG Stuttgart, Urt. v. 18.02.2021 – 7 U 351/20 – juris Rn.45 ff.; Rixecker, ZfSch 2020, 392, 395).

Mit dem soeben dargelegten Verständnis der Klauseln, die durch ihre eindeutige und klare Formulierung einer anderen Auslegung nicht zugänglich sind, ist auch keine Mehrdeutigkeit der Klausel im Sinne von § 305c Abs. 2 BGB gegeben. Dies kann insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt, dass § 2 Nr. 2 der AVB ohne weitere Eingrenzung, etwa durch die Nennung von Absätzen, Sätzen oder Nummern auf die §§ 6, 7 IfSG verweist, angenommen werden. Diese etwaige Unsicherheit wird durch die Verwendung des Wortes „namentlich“ im unmittelbaren Anschluss an die §§ 6, 7 IfSG beseitigt, welche deutlich macht, dass gerade nur die in §§ 6 und 7 IfSG dem Namen nach genannten Krankheiten und Erreger gemeint sein sollen. Auf die Generalklauseln in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 IfSG und § 7 Abs. 2 IfSG, welche die Einbeziehung bedrohlicher, bislang noch nicht meldepflichtige Krankheiten regeln, wird somit von vornherein nicht verwiesen, sodass sich diesbezüglich auch keine Unklarheiten ergeben können. Dies sieht insbesondere das OLG Karlsruhe (Urteil vom 30.06.2021, 12 U 4/21, Rn. 56 ff.) anders, das in der mehrfachen Bezugnahme auf das Infektionsschutzgesetz für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer eine Intransparenz der betreffenden Versicherungsklausel nach § 305 BGB erkennt.

Es bedurfte zur hinreichenden Verdeutlichung des Umstands, dass sich der Versicherungsschutz nur auf die abschließend aufgezählten Krankheiten beziehen sollte, auch keiner zusätzlichen verbalisierten Einschränkung wie der Einfügung des Wortes „nur“ oder „ausschließlich“ (OLG Stuttgart, Urt. v. 18.02.2021 – 7 U 351/20 – juris Rn. 50). Denn allein die Möglichkeit einer noch deutlicheren Formulierung wie durch einen ausdrücklichen Hinweis auf die Vollständigkeit der Aufzählung führt nicht dazu, dass die Regelung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht eindeutig verständlich wäre. Dem Erfordernis der hinreichenden Klarheit und Verständlichkeit von Vertragsbedingungen ist auch ohne diese zusätzliche verbalisierte Einschränkung Genüge getan (s. o.). Dies gilt insbesondere deshalb, weil der typische Adressatenkreis einer Betriebsschließungsversicherung nicht in Verbraucherkreisen zu suchen ist, sondern die in Betracht kommenden Versicherungsnehmer Gewerbetreibende sind, die vielfach geschäftserfahren und mit Allgemeinen Vertragsbedingungen vertraut sind.

c) Eine andere Bewertung ist auch nicht durch die Tatsache gerechtfertigt, dass § 5 Nr. 4 der AVB einen Ausschlusstatbestand dahingehend enthält, dass der Versicherer bei Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf nicht haftet. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer kann allein durch die Existenz eines solchen Ausschlussgrundes nicht den Rückschluss ziehen, dadurch sei der eindeutig als abschließend formulierte Katalog des § 2 Nr. 2 AVB nun wieder geöffnet und stünde einer Einbeziehung sämtlicher künftiger Krankheiten offen gegenüber. Vielmehr weist § 5 Nr. 4 der AVB aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers lediglich darauf hin, dass eine Mitursächlichkeit einer anderen, speziellen Erkrankung – der Prionenerkrankung – ebenso wie die Mitursächlichkeit anderer äußerer, in § 5 AVB genannten Faktoren, den Versicherungsschutz entfallen lässt. Ein Rückschluss von dieser Ausnahme auf den Umfang der generellen Leistungspflicht liegt für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer gerade nicht nahe (so auch OLG Stuttgart, Urt. v. 18.02.2021 – 7 U 351/20 – juris Rn. 49; LG Köln, Urt. v. 26.11.2020 – 24 O 252/20 – juris Rn. 61; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 29.12.2020 – 2 O 4499/20 – juris Rn. 69; LG Frankfurt, Urt. v. 19.02.2021 – 2-08 O 147/20 – juris Rn. 119). Hinzu kommt, dass sich der Ausschlusstatbestand des § 5 Nr. 4 nicht in unmittelbarer Nähe des auf Seite 1 der AVB abgebildeten Katalogs des § 2 Nr. 2 AVB finden lässt, sondern vielmehr erst auf Seite 3 und damit klar von der abschließenden Aufzählung der Krankheiten bzw. Krankheitserreger abgegrenzt ist. Dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer einen Zusammenhang zwischen diesem Ausschlusstatbestand und der enumerativen Auflistung von Krankheiten, welche den Leistungsumfang konkretisiert, herstellt, erscheint dem Senat fernliegend.

2. Die Klausel ist nach Auffassung des Senats auch wirksam.

a) Sie verstößt nicht gegen das in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB normierte Transparenzgebot. Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass eine Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, dass sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGH, Urt. v. 04.07.2018 – IV ZR 200/16 – juris Rn. 25).

Die streitgegenständliche Klausel genügt diesen Anforderungen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird sich zunächst am Wortlaut des § 2 der AVB orientieren und zunächst den in § 2 Nr. 1 AVB beschriebenen Versicherungsumfang zur Kenntnis nehmen, der bestimmt, dass der Versicherer Entschädigung leistet, „[—]wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG in der Fassung vom 20.7.2000) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2) den versicherten Betrieb schließt […]“. Durch den Verweis auf die weiteren Vertragsbestimmungen in § 2 Nr. 2 AVB knüpft die Beklagte an das allgemeine Leistungsversprechen an und konkretisiert dies durch einen bestimmten Katalog von Krankheiten oder Krankheitserregern. Durch den Aufbau dieser Klauseln hat die Beklagte ein Regelungsgefüge geschaffen, durch welches ein verständiger Versicherungsnehmer ohne Weiteres den (beschränkten) Umfang des Leistungsversprechens des Versicherers wahrnehmen kann (so auch OLG Stuttgart, Urt. v. 18.02.2021 – 7 U 351/20 – juris Rn. 58 ff.). Diese Prüfung kann der Adressatenkreis einer Betriebsschließungsversicherung, bei dem es sich – wie auch hier – typischerweise um geschäftserfahrene Betriebsinhaber mit einem grundlegenden Verständnis von Allgemeinen Vertragsbedingungen handelt, letztlich unschwer und ohne größeren Aufwand vornehmen. Soweit der Kläger auf anderslautende Entscheidungen (LG München I, Urt. v. 01.10.2020 – 12 O 5895/20; LG Düsseldorf, Urt. v. 19.02.2021 – 40 O 53/20) verweist, in denen angenommen wurde, dass die Formulierungen auch aufgrund der „werbenden Länge“ des Katalogs einen Gleichlauf mit der Reichweite des Infektionsschutzgesetzes suggerierten und daher intransparent seien (jetzt auch OLG Karlsruhe, a.a.O. Rn 64 ff.; LG München I, a.a.O.- juris Rn. 113 ff.; LG Düsseldorf, a.a.O. – juris Rn. 48), folgt der Senat dem nicht. Vielmehr wird bereits durch den Wortlaut des § 2 der AVB aufgrund der Kombination der Formulierungen „IfSG in der Fassung vom 20.7.2000“, „die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserregern“ sowie durch das Vorliegen einer abschließenden Aufzählung an Krankheiten für den Versicherungsnehmer hinreichend deutlich, dass nur die dort genannten Krankheiten bzw. Krankheitserreger vom Leistungsversprechen erfasst sind und gerade kein Gleichlauf mit der jeweils aktuellen Fassung des IfSG besteht.

Durch diesen eindeutigen Wortlaut wird bei einem durchschnittlichen und verständigen Versicherungsnehmer nicht die Erwartung geweckt, dass noch andere als die in § 2 Nr. 2 AVB genannten Krankheiten und Krankheitserreger vom Versicherungsschutz umfasst sind. Allein der Umstand, dass man die Klausel – etwas durch eine ausdrückliche Klarstellung, dass der nachfolgende Katalog abschließend ist – noch klarer hätte fassen können, reicht für die Annahme einer Verletzung des Transparenzgebots nicht aus.

Nichts anderes ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers, angesichts der (werbenden) Länge des in § 2 Nr. 2 AVB enthaltenen Katalogs an Krankheiten und Krankheitserregern sei eine Einschränkung des Versicherungsumfangs im Vergleich zu den gesetzlichen Regelungen nicht zu erkennen. Nach Auffassung des Senats hat die enumerative Auflistung einzelner Krankheiten und Erreger keinen werbenden Charakter. Vielmehr wird dadurch dem Versicherungsnehmer klar vor Augen geführt, dass nicht aufgeführte Krankheiten nicht vom Versicherungsschutz umfasst sind. Auch wenn es sich bei der Liste um eine in der Tat recht ausführliche Aufzählung handelt, kann deren Lektüre von einem verständigen Versicherungsnehmer erwartet werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den auch hier zu berücksichtigenden Umstand, dass es sich bei dem Durchschnittskunden einer Betriebsschließungsversicherung um einen gewerblich tätigen Unternehmer handeln wird, anderer Ansicht jedoch: OLG Karlsruhe, a.a.O. – juris Rn 64 ff..

Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot ergibt sich ferner nicht aus der seitens des Klägers in der Berufungsbegründung angeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 23.06.2004 – IV ZR 130/03 – juris Rn. 29) zu solchen Ausschlussklauseln, die den Versicherungsschutz einschränken. Denn die streitgegenständliche Klausel des § 2 Nr. 2 AVB stellt bereits keine zur Intransparenz führende Einschränkung des in § 2 Nr. 1 AVB dargelegten Versicherungsumfangs dar. Vielmehr definiert die Regelung des § 2 Nr. 2 AVB den in § 2 Nr. 1 AVB – unter ausdrücklichem Verweis auf § 2 Nr. 2 AVB – dargelegten Versicherungsfall konkret und regelt damit überhaupt erst den eigentlichen Umfang der Leistungspflicht. Um eine Ausschlussklausel handelt es sich dagegen nicht (anderer Ansicht OLG Karlsruhe, Rn 57ff, insb. 62: der Katalog der (nur) versicherten Krankheiten schränke das zuvor gegebene Versicherungsversprechen, bei allen aufgrund des IfSG verfügten Betriebsschließungen zu leisten, wieder ein).

b) Die in Rede stehenden Klausel des § 2 AVB führt auch nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs.1 S. 1 BGB i. V. m. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Regelung benachteiligt den Versicherungsnehmer nicht unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben.

Eine unangemessene Benachteiligung könnte gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB insbesondere dann angenommen werden, wenn ein „COVID-19“ bzw. „SARS-CoV-2“ nicht umfassender Versicherungsschutz mit wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren wäre. Dies ist indes nicht der Fall. Das Leistungsversprechen des Versicherers in der Betriebsschließungsversicherung aufgrund von Maßnahmen des Infektionsschutzgesetzes ist gesetzlich nicht geregelt. Eine gesetzliche Grundlage kann insbesondere nicht in den Regelungen des Infektionsschutzgesetzes gesehen werden, da der Schutzzweck des IfSG nicht darin liegt, einen Unternehmer vor Schäden durch eine Schließung des Betriebs aufgrund von Maßnahmen des Gesundheitsschutzes zu bewahren. Das der streitgegenständlichen Klausel zugrundeliegende Verständnis, dass nur die im Katalog aufgeführten Krankheiten bzw. Krankheitserreger vom Versicherungsschutz erfasst sein sollen, läuft daher nicht etwa dem Schutzzweck des IfSG zuwider (so auch OLG Stuttgart, Urt. v. 18.02.2021 – 7 U 351/20 – juris Rn. 52).

Auch unter anderen Gesichtspunkten ist ein Verstoß gegen das in § 307 Abs. 1 S. 1 BGB normierte Verbot der unangemessenen Benachteiligung des Verwenders nicht ersichtlich. Insbesondere stellt die abschließende Aufzählung der vom Versicherungsschutz umfassten Krankheiten und Krankheitserreger vor dem Hintergrund, dass sie es durch ihre unmissverständliche Formulierung sowohl dem Versicherer als auch dem Versicherungsnehmer gleichermaßen ermöglicht, den Umfang des Versicherungsschutzes nachzuvollziehen, keine unangemessene Benachteiligung dar. Die Regelung trägt vielmehr auch dem berechtigten Interesse des Versicherers Rechnung, das versicherte Risiko auch in Bezug auf die Prämienhöhe verlässlich kalkulieren zu können. Dieses berechtigte Bedürfnis, welches für einen durchschnittlichen verständigen Versicherungsnehmer auch erkennbar ist, dient nicht zuletzt auch dem Schutz des Versicherungsnehmers selbst.

Eine gegenteilige Auffassung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte in den AVB für zahlreiche Krankheiten bzw. Krankheitserreger, die dem Versicherungsnehmer mehrheitlich nicht bekannt sein werden, eine Leistung verspricht. Daraus kann ein verständiger Versicherungsnehmer nicht den Rückschluss ziehen, es werde damit ein allgemeines Risiko für jegliche Betriebsschließung aufgrund einer Krankheit bzw. eines Krankheitserregers im Sinne der §§ 6, 7 IfSG übernommen. Dagegen spricht gerade der Umstand, dass der Versicherungsnehmer auf ein umfangreiches Bedingungswerk hingewiesen wird, das in dieser Ausführlichkeit nicht erforderlich wäre, wenn alle in den §§ 6, 7 IfSG genannten Krankheiten vom Versicherungsumfang gedeckt wären.

c) Der Senat vermag in der streitgegenständlichen Klausel des § 2 AVB auch keine Gefährdung des Vertragszwecks der Betriebsschließungsversicherung anzunehmen, § 307 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Durch die Regelung wird lediglich der Leistungsumfang weiter konkretisiert, indem er auf die in § 2 Nr. 2 AVB genannten Krankheiten bzw. Krankheitserreger begrenzt wird. Eine Aushöhlung des von der Beklagten versprochenen Versicherungsschutzes ist darin nicht zu sehen, da weiterhin Betriebsschließungen aufgrund einer großen Anzahl von Erkrankungen versichert sind (OLG Stuttgart, Urt. v. 18.02.2021 – 7 U 351/20 – juris Rn. 55).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO; der Streitwert wird entsprechend §§ 47, 48 GVG, 3 ZPO auf 68.653,84 € festgesetzt.

4. Die Revision wird zugelassen. Der Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung zu und die Revision ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO.

Die streitgegenständlichen Klauseln sind in zahlreichen Betriebsschließungsversicherungen durch verschiedene Versicherer verwendet worden. Die Frage, wie diese Regelungen auszulegen bzw. ob sie wirksam sind, stellt sich als entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage dar, die angesichts des Lockdowns im Frühjahr 2020 und im Winter/Frühjahr 2020/2021 eine Vielzahl von Versicherungsnehmer betreffen und daher auch für Allgemeinheit von Bedeutung ist. Zudem hat das OLG Karlsruhe (a.a.O) eine fast identische Versicherungsbedingung für unwirksam erachtet und damit abweichend vom OLG Stuttgart und dem Senat entschieden.

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