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Betriebshaftpflichtversicherung – auftragsbezogene Nebentätigkeiten

LG Stade – Az.: 3 O 186/15 – Urteil vom 08.03.2016

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger in Bezug auf den von diesem zu verantwortenden, in der Zeit vom 22. bis 24.11.2014 eingetretenen Wasserschaden am Bauvorhaben bedingungsgemäßen Deckungsschutz aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag Nr. … (vormals Nr…) zu gewähren hat.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 984,60 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit 30.9.2015 zu zahlen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Gewährung von Versicherungsschutz aus der betrieblichen Haftpflichtversicherung für einen vom Kläger im Rahmen seiner handwerklichen Tätigkeit verursachten Wasserschaden.

Der Kläger betreibt einen Zimmereibetrieb.

Zwischen den Parteien besteht ein Versicherungsvertrag über eine betriebliche Haftpflichtversicherung nach Maßgabe des Versicherungsscheins Nr. … (vormals Nr. …) vom 24.5.2006 und der zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen (vgl. Anlagen K1a bis K1g).

Im Versicherungsschein und im Antrag wurde bei der Beschreibung des versicherten Betriebes vermerkt: „Zimmerei ohne Dachdeckertätigkeit (WKZ 1532 11)“.

In „Nr. 1 – Versichertes Risiko“ der „Kausel 329 – Erweiterter Haftpflichtversicherungsschutz für Bauhandwerker“ (vgl. Anlage K1c) heißt es:

„Versichert ist auf der Grundlage der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, … die gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts des Versicherungsnehmers aus allen seinen sich aus dem Antrag ergebenden Eigenschaften, Rechtsverhältnissen und Tätigkeiten

Mitversichert gelten Montage-, Installations- und sonstige Tätigkeiten auf fremden Grundstücken sowie auftragsbezogene Nebentätigkeiten im Sinne von § 5 Handwerksordnung. “

Der Kläger wurde in 2014 von dem Bauherrn … beauftragt, ein Walmdach und das darunter liegende Flachdach zurückzubauen. Das Dach sollte erneuert werden. Der Neuaufbau des Daches war an ein anderes Unternehmen vergeben worden. Der Auftrag des Klägers beschränkte sich auf das Gewerk „Baustelleneinrichtung“ und „Rückbau des Daches“. Teil des Gewerks „Baustelleneinrichtung“ war gemäß Ziffer 1.7 des Leistungsverzeichnisses auch der Punkt Regensicherheit, Flachdachflächen regen- und sturmsicher abplanen.

(vgl. im Einzelnen das Leistungsverzeichnis, Anlage K3a, b sowie die Schlussrechnung, Anlage K4).

Der Kläger entfernte das Walmdach und plante das alte Flachdach am Freitag, den 21.11.2014, für das bevorstehende arbeitsfreie Wochenende auf einer Fläche von ca. 220 qm provisorisch ab. Am Wochenende 23./24.11.2014 herrschten Starkregen und Windböen. Die Abdeckung hielt dem nicht Stand und es drangen erhebliche Mengen Wasser in das Gebäude ein. Es entstand dem Bauherrn ein bisher noch nicht bezifferter Schaden, vermutlich in einer Größenordnung von ca. 25.000 €.

Der Kläger meldete den Schaden der Beklagten mit Schadensanzeige vom 26.1.2015 (vgl. Anlage K5). Mit Schreiben vom 25.2.2015 lehnte die Beklagte ihre Eintrittspflicht ab. Zur Begründung führte sie insbesondere aus, dass es sich bei den Tätigkeiten, insbesondere das regensichere Abplanen, nicht um das versicherte Risiko der Zimmerertätigkeit gehandelt habe, sondern um Dachdeckertätigkeiten. Diese seien vom Versicherungsschutz ausgenommen (vgl. Anlage K6). Laut Schreiben der Beklagten vom 30.3.2015 seien hingegen Abbrucharbeiten ohne Dachdeckertätigkeiten vom Versicherungsschutz umfasst (vgl. Anlage K7).

Dem Kläger entstanden vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 984,60 €.

Der Kläger ist der Ansicht, die hier in Rede stehenden Tätigkeiten seien nicht vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Es habe sich bei den Abbruchmaßnahmen um Zimmerertätigkeiten gehandelt, wobei das Abdecken des Flachdaches eine notwendige und zwangsläufige Sicherungsmaßnahme im Rahmen dieser Tätigkeit gewesen sei. Solche seien auch z. B. nach § 4 Nr. 5 VOB/B geschuldet. Dies gehöre deshalb aber nicht zum Dachdeckergewerk. Dass solche Tätigkeiten auch dort Vorkommen würden, ändere daran nichts. Dass Rückbauarbeiten zum Zimmereifach gehörten, ergebe sich im Übrigen auch aus § 2 (2) Nr. 7, 18 der Zimmerei-Meister-VO.

Hilfsweise hätte der Kläger einen Schadensersatzanspruch auf vollständigen Versicherungsschutz, da es der Agentur Beckmann der Beklagten oblegen habe, einen ausreichenden Deckungsschutz zu prüfen und ein passendes Versicherungskonzept zu vermitteln. Das Abplanen als Sicherungsmaßnahme habe aber von Anfang an zu der Tätigkeit des Klägers gehört.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger betreffend den von ihm zu verantwortenden Wasserschaden am Bauvorhaben … vom 22.-24.11.2014, bedingungsgemäßen Deckungsschutz aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag Nr. … bzw. … zu gewähren,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 984,60 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jährlich ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, das schadensverursachende fehlerhafte Abplanen des Flachdaches unterfalle nicht dem Versicherungsschutz. Das Abplanen ergebe sich als Tätigkeit auch gerade nicht aus der Zimmerei-Meister-VO. Dieses sei originäre Dachdeckertätigkeit. Diese sei aber nach dem Versicherungsvertrag gerade ausgeschlossen. Es sei gerade kein Zimmereibetrieb mit Dachdeckerarbeiten, sondern ohne solche versichert worden. Dafür würden auch geringere Prämien gezahlt.

Die Ausführungen zu dem angeblichen Beratungsfehler seien schon unsubstantiiert und nicht einlassungsfähig.

Für den weiteren Vortrag wird ergänzend auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze und Unterlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Das Gericht hat der Beklagten die Klageschrift am 29.9.2015 zugestellt.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage ist auch in der Sache erfolgreich.

1. Der Kläger hat einen Anspruch aus dem Versicherungsvertrag auf Regulierung des streitgegenständlichen Haftpflichtfalles, da dieser vom Versicherungsschutz umfasst ist.

Streitentscheidend war hier die Frage, ob die vom Kläger fehlerhaft ausgeführten, schadensverursachenden Sicherungsmaßnahmen in Form des Abplanens des Daches vom Versicherungsschutz umfasst sind. Dies ist nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien der Fall.

Es ist erforderlichenfalls im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob die jeweilige Tätigkeit vom Versicherungsschutz umfasst ist, falls die Beschreibung des zu versichernden Gegenstandes nicht den kompletten Tätigkeitsbereich wiedergibt (OLG Celle VersR 2013, 127). Im Rahmen der Auslegung kommt der Branchenüblichkeit der Tätigkeit und dem Berufsbild maßgebliche Bedeutung zu. Im Zweifel sind alle Haupttätigkeiten versichert, die branchenüblich sind oder dem Berufsbild entsprechen. Nicht entscheidend ist hingegen, ob sie typisch oder untypisch sind (OLG Karlsruhe, RuS 2010, 416). Sofern das Berufsbild nicht abschließend geregelt ist, ist die Verkehrsauffassung maßgeblich (vgl. zum Vorstehenden auch Koch in Bruck/Möller, WG, AHB 2012, Rn. 120 ff. zur Betriebshaftpflichtversicherung).

Dass der beauftragte Rückbau des Daches als solcher vom Versicherungsschutz umfasst ist, ist zwischen den Parteien indes nicht streitig (vgl. auch Anlage K7). Hiervon geht auch die Kammer aus, zumal sich dies auch explizit aus der Definition des Berufsbildes des Zimmereimeisters gemäß § 2 Nr. 18 Zimmereimeister-VO ergibt.

Die Ausführung zwangsläufig anfallender Sicherungsmaßnahmen, wie etwa das hier streitige provisorische Abdecken eines Daches mit Plane, um dieses vor Regen zu schützen, sind weder in der Zimmereimeister-VO noch der Dachdeckermeister-VO explizit genannt. Hieraus kann indes nicht gefolgert werden, dass solche Tätigkeiten nur zur Dachdeckertätigkeit gehören. Die o.g. Sicherungsmaßnahmen fallen in gleicher Weise gerade auch im Bereich des unstreitig als Zimmereitätigkeit anzusehenden „Rückbaus“ eines Daches an. Vorliegend hatte der Kläger das Walmdach bereits zurückgebaut und als nächster Arbeitsschritt stand der Rückbau des Flachdaches, also ebenfalls Zimmerertätigkeit, bevor. Da wegen des arbeitsfreien Wochenendes eine Arbeitsunterbrechung anstand, waren Sicherungsmaßnahmen gegen das Eindringen von Wasser zwingend geboten. Bei lebensnaher Betrachtung ist es schon nicht nachvollziehbar, dass eine solche Tätigkeit nicht mehr der Zimmerertätigkeit zugeordnet werden soll.

Hiervon gehen gerade auch die Vertragsbedingungen der Beklagten selbst aus, indem solche Tätigkeiten ausdrücklich in den Versicherungsschutz einbezogen werden. Gemäß Nr. 1 der Klausel 329 (vgl. Anlage K1c), in der das versicherte Risiko definiert wird, gelten „auftragsbezogene Nebentätigkeiten im Sinne von § 5 Handwerksordnung“ gerade als mitversichert. In § 5 Handwerksordnung heißt es:

„Wer ein Handwerk … betreibt, kann hierbei auch Arbeiten in anderen Handwerken … ausführen, wenn sie mit dem Leistungsangebot seines Gewerbes technisch oder fachlich Zusammenhängen oder es wirtschaftlich ergänzen. “

Eben dies ist vorliegend der Fall. Selbst wenn man das provisorische Abplanen also als reine Dachdeckertätigkeit einordnen würde, was die Kammer aus den o. g. Gründen bereits nicht tut, würde es sich jedenfalls um eine ausdrücklich vom Versicherungsschutz umfasste „auftragsbezogene Nebentätigkeit“ in diesem Sinne handeln. Der Schutz des Daches vor Regen bei Unterbrechung der Arbeiten am Wochenende gehört schon nach dem Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers in den Bereich solcher auftragsbezogener Nebentätigkeiten zwingend, weil es unmittelbar und zwangsläufig sowohl technisch als auch fachlich mit dessen Arbeiten zusammenhängt.

Es reicht nach § 5 Handwerksordnung im Übrigen auch aus, wenn die Vornahme solcher Tätigkeit „wirtschaftlich“ geboten ist, weil es unverhältnismäßig wäre, für solche Arbeiten einen anderen Handwerker zu beauftragen (vgl. Koch a.a.O. Rn. 126 mwN.; vgl. auch OLG Celie VersR 2013, 750). So liegt es auch hier. Es wäre nicht nur unverhältnismäßig, sondern für einen Bauherrn auch in keiner Weise nachvollziehbar, für das bloße provisorische Abplanen zusätzlich einen Dachdecker beauftragen zu müssen. Dies gilt hier umso mehr, als der Kläger nach dem Wochenende seine Zimmerertätigkeiten noch durch Rückbau des Flachdaches fortzusetzen hatte und nicht etwa der Dachdecker als nächstes Gewerk seine Arbeiten aufzunehmen hatte.

Die Kammer folgt auch nicht der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der Beklagten, dass durch die Definition des Betriebes des Versicherungsnehmers „Zimmerei ohne Dachdeckertätigkeit“ die Regelung Nr. 1 der Klausel 329 dahingehend zu verstehen sei, dass Nebentätigkeiten aus dem Gewerk des Dachdeckers darüber nicht einbezogen seien. Dies widerspricht bereits dem klaren Wortlaut der Klausel. Selbst wenn man diese Auslegungsmöglichkeit in Betracht ziehen würde, wären die Regelungen zumindest unklar im Sinne des § 305c Abs. 2 BGB, da beide Auslegungsmöglichkeiten möglich wären. Auch dies ginge zu Lasten der Beklagten.

2. Die zugesprochenen Nebenforderungen ergeben sich aus §§ 291, 288 Abs. 1, 187 Abs. 1 analog BGB (Verzugszinsen) und §§ 280, 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB (vorgerichtliche Anwaltskosten).

3. Dem Antrag der Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung auf Schriftsatznachlass war nicht stattzugeben. Hinweise im Sinne des § 139 Abs. 2 ZPO wurden nicht erteilt, sondern nur Rechtsfragen erörtert. Neue, von den Parteien noch nicht berücksichtigte rechtliche Aspekte wurden seitens der Kammer nicht angesprochen. Ein weiterer Vortrag zu Rechtsfragen war der Beklagtenseite zudem ohnehin noch möglich. Anlass zur Wiedereröffnung des Verfahrens gern. § 156 ZPO hat die Kammer aufgrund des weiteren Vortrages der Beklagten mit Schriftsätzen vom 25. und 29.02.2016 nicht gesehen.

II. Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 91 BGB (Kosten) und § 709 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit).

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