OLG Frankfurt – Az.: 3 U 235/16 – Beschluss vom 05.02.2018
In dem Rechtsstreit … wird darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Hanau vom 02.11.2016 (1 O 1140/15) durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Nach Vornahme der gebotenen Prüfungen ist der Senat einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Die Sache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats durch Urteil.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von Invaliditätsleistungen aus einer bei der Beklagten geführten Unfallversicherung.
Zwischen den Parteien besteht auf der Grundlage der allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen A AUB 2008 unter der Versicherungsnummer … eine Unfallversicherung mit dem vereinbarten Versicherungsbeginn zum 28.05.2008, hinsichtlich deren Einzelheiten auf den Versicherungsschein nebst Versicherungsbedingungen (Bl. 7 – 36 d. A.) verwiesen wird. Am XX.08.2012 stolperte der Kläger auf einer Treppe und stürzte zu Boden. Er fing sich dabei mit beiden Händen ab und stieß sich das rechte Schienbein. Im Hinblick auf die eingetretene bedingungsgemäße Invalidität des rechten Beins erbrachte die Beklagte Versicherungsleistungen in Höhe von Euro 11.025,00. Mit Schreiben vom 23.08.2012 (Anlage B 6, Bl. 126 f. d. A.) wies die Beklagte den Kläger auf Ziffer 2.1.1.1 der Versicherungsbedingungen hin. Unter dem 15.08.2013 meldete der Kläger bei der Beklagten einen Anspruch auf Invaliditätsleistung an und übersandte der Beklagten später die Bescheinigung des B vom 08.11.2013 zur Vorlage bei der Versicherung (Anlage K3, Bl. 37 d. A.). Die Beklagte lehnte die beanspruchten Leistungen erstmals mit Schreiben vom 19.02.2014 ab.
Der Kläger hat behauptet, bei ihm sei eine Invalidität beider Hände und damit ein Versicherungsfall eingetreten, was Herr B festgestellt habe. Diese ärztliche Feststellung sei innerhalb der Fünfzehnmonatsfrist der Ziffer 2.1.1.1 der maßgeblichen Versicherungsbedingungen getroffen worden.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass es an einer bedingungsgemäßen schriftlichen ärztlichen Feststellung innerhalb der 15 Monatsfrist fehle. Die Bescheinigung des B vom 18.11.2013 genüge nicht den Anforderungen.
Mit Urteil vom 02.11.2016, auf dessen tatsächlichen Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Anspruch des Klägers scheitere an der Nichteinhaltung der formalen Voraussetzungen für die Geltendmachung von Leistungen aufgrund von Invalidität. Es fehle an der schriftlichen ärztlichen Feststellung der Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall. Zwar seien in dieser Bescheinigung unfallbedingte Verletzungen an den Händen des Klägers dokumentiert. Es fehle allerdings an einer ärztlichen Feststellung dahingehend, dass es sich hierbei um dauerhafte Schäden im Sinne einer Invalidität handele. Dass die arthrotische Zerstörung beider Sattelgelenke auf den Unfall zurückzuführen sei, könne der Bescheinigung ebenso wenig entnommen werden wie das Vorliegen unfallbedingter Dauerschäden. Dementsprechend könne es dahinstehen, ob eine unfallbedingte Invalidität tatsächlich eingetreten sei. Das Berufen der Beklagten auf die Nichteinhaltung der Leistungsvoraussetzungen sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Allein der Umstand, dass die Beklagte zunächst ein ärztliches Gutachten eingeholt habe, stehe dem Berufen auf fehlende Anspruchsvoraussetzungen nicht entgegen.
Hiergegen wendet sich der Kläger unter Aufrechterhaltung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags mit seiner Berufung, mit der er die zuletzt gestellten erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgt. Rechtsfehlerhaft gehe das Landgericht davon aus, dass der Anspruch des Klägers an der Nichteinhaltung der formalen Voraussetzungen für die Geltendmachung von Leistungen nach Ziffer 2.1.1.1 der Versicherungsbedingungen scheitere. Die Bescheinigung des B vom 18.11.2013 genüge den Anforderungen. Insbesondere ergebe sich auch aus der Irreversibilität einer Arthrose sowie der Bescheinigung der Zerstörung beider Sattelgelenke die Endgültigkeit des eingetretenen Zustandes. Da an die Feststellung der Invalidität keine hohen Anforderungen zu stellen seien, genüge diese Bescheinigung. Schließlich handele die Beklagte auch treuwidrig, da sie sich erstmals mit der Klageerwiderung darauf berufen hab, dass die formalen Voraussetzungen der Leistungspflicht nicht vorlägen. Zudem habe der Kläger nach Einreichung der ärztlichen Bescheinigung mangels anderweitiger Belehrung darauf vertrauen dürfen, dass er das erforderliche getan habe, um seine Ansprüche zu behaupten. In dieser Auffassung sei der Kläger durch die Einholung des Gutachtens durch die Beklagte bestärkt worden.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 02.11.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Hanau zu Az.: 1 O 1140/15,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Euro 25.987,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB hieraus seit dem 28.902.2015 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von Euro 1.358,86 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn weitere Leistungen aus der Unfallversicherung zu gewähren, die über den unter Ziffer 1 geltend gemachten Betrag hinaus gehen, sofern sich der Zustand an den beiden Händen unfallbedingt weiter verschlechtert.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil. Das Landgericht habe zutreffend festgestellt, dass die ärztliche Bescheinigung nicht den versicherungsvertraglichen Anforderungen genüge. Es fehle sowohl die Feststellung eines unfallbedingten Dauerschadens in Form bedingungsgemäßer Funktionsbeeinträchtigung als auch die Feststellung, dass dieser binnen Jahresfrist eingetreten sei. Noch am 24.05.2013 habe B festgestellt, dass an beiden Handgelenken die Funktion frei gewesen sei. Erstmals am 24.10.2013 und damit nach Ablauf der Jahresfrist werde von Herrn B eine Einschränkung im Bereich der Handhebung festgestellt, wobei hier eine irgendwie geartete Feststellung von Dauerhaftigkeit nicht getroffen werde.
II.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
1. In der Sache hat sie jedoch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
a) Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung Euro 25.987,50 aus der zwischen den Parteien bestehenden Unfallversicherung. Denn das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass die Leistungsvoraussetzungen der Ziffer 2.1.1.1 der dem Unfallversicherungsvertrag zugrundeliegenden allgemeinen Bedingungen für die Gruppenunfallversicherung nicht vorliegen. Danach ist Voraussetzung für den geltend gemachten Leistungsanspruch, dass die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und vom Kläger bei der Beklagten schriftlich geltend gemacht worden ist. Der Eintritt der Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall ist damit eine Anspruchsvoraussetzung. Bei Fristablauf muss eine unfallbedingte Beeinträchtigung bereits bestehen und deren Dauer muss zu diesem Zeitpunkt bereits feststehen. Allein die Möglichkeit oder auch Wahrscheinlichkeit einer dauernden Beeinträchtigung reichen nicht. Es muss festgestellt werden können, dass sie nach der Konstitution des Versicherten mit hoher Wahrscheinlichkeit verbleiben wird (vgl. OLG Hamm VersR 2000, 43 ; OLG Karlsruhe VersR 2006, 1396). Entsteht eine Beeinträchtigung oder die Erwartung ihrer Dauer erst nach Fristablauf, besteht kein Anspruch auf die Invaliditätsleistung (vgl. BGH VersR 2002, 472; 1998, 175). Dies gilt auch, wenn unfallbedingte Umstände (gesteigerte Verschleiß- oder Arthroserisiken), die bei Fristablauf noch nicht beeinträchtigten, sich später verwirklichen und dauerhaft Beschwerden machen (vgl. OLG Frankfurt VersR 2006, 1488), selbst wenn eine solche Entwicklung zu erwarten war (vgl. Prölss/Martin/Knappmann, VVG, 30. Auflage 2018, AUB 2010, Ziffer 2 Rn. 10).
Die Invalidität, das heißt die dauernde Beeinträchtigung aufgrund eines Unfallereignisses (vgl. BGH, VersR 1997, 442), und damit auch diejenige, die innerhalb der Jahresfrist eingetreten ist, muss spätestens 15 Monate nach dem Unfallereignis ärztlich festgestellt worden sein. Insoweit handelt es sich ebenfalls um eine Anspruchsvoraussetzung. Aus der ärztlichen Feststellung müssen die sich vom Arzt angenommene Ursache der Invalidität und die Art ihrer Auswirkung auf die Gesundheit des Versicherten ergeben (vgl. BGH R+S 1997, 84; OLG Saarbrücken R+S 2017, 370). Weiter muss festgestellt werden, dass das Unfallereignis für den Dauerschaden (mit)ursächlich ist (vgl. OLG Bremen, EntVersZ 2001, 75; OLG Hamm, EntVersZ 2001, 315; OLG Frankfurt R+S 2003, 29). Dabei sind an die ärztliche Feststellung keine hohen Anforderungen zu stellen (vgl. BGH VersR 1998, 175). Es reicht vielmehr eine Feststellung dem Grunde nach (vgl. BGH VersR 1997, 442; OLG Köln VersR 2013, 1428), wobei sie dem Versicherer auch nicht fristgerecht bekannt geworden und nicht einmal sachlich zutreffend sein muss (vgl. BGH VersR 1998, 175; 1988, 286).
Gemessen an diesen Anforderungen hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass die Bescheinigung des B vom 18.11.2013 (Bl. 37 d. A.) den Anforderungen von Ziffer 2.1.1.1 der Versicherungsbedingungen nicht genügt. Dabei kann es nach der Überzeugung des Senats dahinstehen, ob sich in der Bescheinigung die Dauerhaftigkeit der festgestellten Beeinträchtigungen entnehmen lässt. Denn es fehlt jedenfalls an der Feststellung, dass die Invalidität, mithin die dauerhafte körperliche oder geistige unfallbedingte Einschränkung der Leistungsfähigkeit, innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten ist. Diese Jahresfrist lief unstreitig mit Ablauf des XX.08.2013 ab. Ob bei dem Kläger zu diesem Zeitpunkt eine Invalidität hinsichtlich der Handgelenke eingetreten ist, lässt sich der Bescheinigung vom 18.11.2013 gerade nicht entnehmen. Vielmehr lassen sich der Bescheinigung nur zwei Untersuchungszeitpunkte entnehmen. Nämlich einer am 24.05.2013, mithin vor Ablauf der maßgeblichen Jahresfrist, wonach zwar eine Druckdolenz über beiden Daumensattelgelenken bestand, aber die Funktion frei war. Damit hat ausweislich der Bescheinigung zu diesem Zeitpunkt eine Invalidität offensichtlich nicht bestanden. Der Bescheinigung lässt sich ferner nur eine weitere Untersuchung am 24.10.2013 entnehmen, wonach die Handhebung mit 50/0/40° rechts und 50/0/40° links deutlich eingeschränkt gewesen sei. Diese Feststellung erfolgte jedoch außerhalb der maßgeblichen Jahresfrist. Eine Feststellung dazu, ob diese Bewegungseinschränkung bereits vor Ablauf des XX.08.2013 eingetreten ist, enthält die Bescheinigung gerade nicht, so dass sie allenfalls eine Invalidität nach Ablauf der Jahresfrist bestätigen kann. Da es, wie aufgezeigt nicht darauf ankommt, ob die unfallbedingten Umstände, insbesondere gesteigerte Verschleiß- oder Arthroserisiken vor Fristablauf vorgelegen haben, sondern auf den Zeitpunkt ihrer Verwirklichung, genügt die ärztliche Bescheinigung offensichtlich den Anforderungen der Ziffer 2.1.1.1 zur ärztlichen Feststellung der innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetretenen Invalidität nicht. Gerade der vom Kläger mit der Arthrose behaupte entzündliche Prozess zeigt, dass es maßgeblich auf den Zeitpunkt des Eintritts der Funktionsbeeinträchtigung ankommt, der ärztlich jedoch nicht in der vorgeschriebenen Frist bestätigt worden ist. Die Bescheinigung des B vom 11.11.2015 (Bl. 47 d. A.), wonach am 24.05.2013 eine Invalidität von 1/10 Handwert rechts und 1/20 Handwert links bestanden habe, vermag daran nichts zu ändern, da diese Bescheinigung offenkundig außerhalb des 15 Monatszeitraums erstellt worden ist.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Berufung der Beklagten auf die fehlende Anspruchsvoraussetzung auch nicht treuwidrig im Sinne des § 242 BGB. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen. Insbesondere hat es eines erneuten Hinweises auf die Ausschlussfrist angesichts des schon am 23.08.2012 zutreffend enthaltenen Hinweises nicht bedurft. Zum anderen ergibt sich schon aus dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags, dass der Kläger auf einen solchen Hinweis nicht mehr hätte reagieren können. Dass die Beklagte zunächst in der Annahme einer eventuellen Leistungspflicht ein Gutachten eingeholt hat, vermag einen Anspruch des Klägers nicht zu begründen.
b) Mangels Hauptforderung hat der Kläger gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zahlung von Zinsen aus §§ 286, 288 BGB, vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB. Insoweit besteht auch kein Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen aus den Rechtsanwaltskosten aus § 291 BGB.
c) Mangels Leistungspflicht hat der Kläger gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger weitere Leistungen aus der Unfallversicherung zu gewähren, die über den unter Ziffer 1. geltend gemachten Betrag hinausgehen, sofern sich der Zustand an beiden Händen unfallbedingt weiter verschlechtert, ohne dass es darauf ankommt, ob es einen solchen Feststellungsanspruch überhaupt gibt.
2. Angesichts dessen, dass sich die hier stellenden Fragen höchst- und obergerichtlich geklärt sind, ist eine mündliche Verhandlung nicht geboten. Die Sache hat daher auch weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats durch Urteil.
3. Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Senat dem Kläger zur Vermeidung einer Zurückweisung der Berufung durch einen Beschluss, dessen Begründung sich einer Bezugnahme auf diesen Hinweisbeschluss erschöpfen könnte, eine Rücknahme der Berufung in Erwägung zu ziehen. Eventuellem neuen Sachvortrag setzt die Zivilprozessordnung enge Grenzen. Eine Zurücknahme der Berufung hätte – abgesehen von den ohnehin anfallenden Anwaltskosten – eine deutliche Reduzierung der Gerichtskosten zur Folge, da sich die Verfahrensgebühren für das Berufungsverfahren im Allgemeinen von vier auf zwei Gerichtsgebühren halbieren würden.