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Berufsunfähigkeitsversicherung – nach Klageerhebung fällig gewordene Beträge

OLG Hamm – Az.: I-20 U 216/15 – Beschluss vom 09.11.2016

Auf die Gegenvorstellung der Beklagten wird der Streitwertbeschluss des Senats vom 16.09.2016 abgeändert.

Der Streitwert wird für die erste und zweite Instanz auf bis zu 50.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger hat in erster Instanz zunächst die Feststellung beantragt, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm Versicherungsschutz aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung aufgrund der vor Klageerhebung eingetretenen Berufsunfähigkeit zu leisten.

Später hat der Kläger die Klage teilweise umgestellt und im Hinblick auf die zu diesem Zeitpunkt bereits fälligen und die zukünftigen Berufsunfähigkeitsrenten Leistungsanträge gestellt. Daneben hat er im Hinblick auf den Anspruch auf Beitragsfreistellung weiter Feststellung beantragt.

Die Beklagte hat gegen ihre antragsgemäße Verurteilung Berufung eingelegt, welche der Senat im Wesentlichen zurückgewiesen hat.

Mit dem beanstandeten Streitwertbeschluss hat der Senat den Streitwert sowohl für das Berufungsverfahren als auch – insoweit abändernd – für die erste Instanz im Hinblick auf die Leistungsanträge wegen rückständiger Leistungen nach der Summe der Berufsunfähigkeitsrenten bemessen, die zum Zeitpunkt der Klageumstellung rückständig waren und dies damit begründet, dass mit der Umstellung ein neuer Streitgegenstand im Sinne des § 40 GKG rechtshängig geworden sei, so dass es für die Wertberechnung auf diesen Zeitpunkt ankomme.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Gegenvorstellung der Beklagten, mit der sie geltend macht, dass der Streitgegenstand der Leistungsanträge mit dem des ursprünglichen Feststellungsantrags identisch sei, weshalb lediglich die zum Zeitpunkt der Klageerhebung rückständigen Renten für die Wertberechnung relevant seien.

II.

Die Gegenvorstellung ist begründet.

Der Streitwert bestimmt sich im Hinblick auf die Leistungsanträge sowohl für die Berufung als auch für die erste Instanz nach dem Wert der für die Zukunft begehrten Renten zzgl. der Rentenrückstände, die bei Klageerhebung bereits fällig waren. Hinzuzusetzen ist der Wert des weiterhin im Wege der Feststellungsklage geltend gemachten Anspruchs auf Beitragsbefreiung.

1. Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Leistung von Berufsunfähigkeitsrenten sowohl für den Zeitraum seit März 2011 als auch für die Zukunft bis längstens zum 30.11.2038 sowie gegen die Feststellung, dass sie den Kläger seit März 2011 bis längstens zum 30.11.2038 von der Beitragszahlung zu befreien habe.

a) Der Wert der Verurteilung zur zukünftigen Rentenzahlung entspricht gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG iVm § 9 Satz 1 ZPO dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag. Bei einer vierteljährlich zu zahlenden Rente von 2.700,00 Euro ergibt dies einen Wert von 37.800,00 Euro, der nach Umstellung von der Feststellungs- zur Leistungsklage in voller Höhe zu berücksichtigen ist.

b) Diesem Wert sind gem. § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG die bei Klageeinreichung bereits fälligen Renten hinzuzurechnen (Zöller/Herget, ZPO 31. Aufl. 2016, § 9 Rn. 6).

Nach dem angefochtenen Urteil waren bei Einreichung der Klageschrift vom 26.09.2011 Renten seit März 2011 fällig. Daraus ergab sich ein fälliger Betrag von 6.300,00 Euro (900,00 Euro anteilig für März 2011, zzgl. 2.700,00 Euro jeweils für April und Juli 2011).

c) Entgegen dem Senatsbeschluss vom 16.09.2016 sind die im Laufe des Rechtsstreits fällig gewordenen und erst mit Leistungsantrag vom 06.08.2015 bezifferten Renten nicht hinzuzurechnen.

Nach erneuter Prüfung des Senats gilt hierzu nämlich Folgendes:

Bei einer Klage auf wiederkehrende Leistung führen die nach Klageerhebung fällig gewordenen Beträge nicht zu einer Erhöhung des Streitwerts.

Der feste Bewertungsmaßstab von § 9 ZPO würde untergraben, wenn dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag auch die im Laufe des Rechtsstreits fällig gewordenen Renten hinzuzurechnen wären, sobald der Kläger diese gesondert geltend macht. Die Bezifferung der fällig gewordenen Renten stellt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur eine Äußerlichkeit dar, die am wirtschaftlichen Interesse des Klägers nichts ändert (BGH, Beschluss vom 06.05.1960 – V ZR 148/59 -, Rn. 7, juris; Beschluss vom 02.10.1996 – IV ZR 53/96 -, Rn. 3; Beschluss vom 25.06.2008 – II ZR 179/07 -, Rn. 2, juris).

Dies gilt auch dann, wenn der Anspruch auf wiederkehrende Leistungen nicht von vornherein im Wege der Leistungsklage, sondern zunächst über eine Feststellungsklage geltend gemacht und die Klage im Laufe des Rechtsstreits auf einen Leistungsantrag umgestellt wird, der die fälligen Renten für die Vergangenheit beziffert.

Zwar findet sich in der Literatur die Aussage, dass beim Übergang von der Feststellungs- zur Leistungsklage die im Rechtsstreit fällig gewordenen Beträge dem Wert des Streitgegenstandes hinzuzurechnen sind (Musielak/Heinrich, ZPO 10. Aufl. 2013, § 9, Rn. 5; Binz/Dörndorfer GKG § 42 Rn. 10-11, beck-online; Zöller/Herget aaO, Rn. 5, mit Verweis auf BGH, Beschluss vom 26.04.1951 – III ZR 208/50 -, BGHZ 2, 74 = NJW 1951, 802).

Die insoweit tragenden Erwägungen beziehen sich indes auf Fallgestaltungen, in denen die Leistungsklage neben die ursprünglich erhobene Feststellungsklage tritt (vgl. BGH, Beschluss vom 26.04.1951 – III ZR 208/50 -, BGHZ 2, 74 = NJW 1951, 802; Musielak aaO: Klagehäufung gem. § 260 ZPO).

Vorliegend hat der Kläger seine ursprünglich erhobene Feststellungsklage, mit der er von vornherein Zahlung von Berufsunfähigkeitsrenten sowohl für die bei Klageeinreichung bereits fälligen Renten als auch für die Zukunft geltend gemacht hat, im Hinblick auf die Rentenansprüche fallen gelassen und auf entsprechende Leistungsanträge umgestellt, ohne daneben das zugrunde liegende Rechtsverhältnis noch im Wege der Feststellungsklage geltend zu machen. Insoweit – nicht im Hinblick auf die für den Anspruch auf Beitragsbefreiung beibehaltene Feststellungsklage, dazu u. lit d) – liegt daher keine Klagehäufung vor, sondern eine nach § 264 Nr. 2 ZPO privilegierte Klageänderung. Der Kläger hat sein Begehren bei gleichbleibendem Klagegrund lediglich qualitativ verändert, ohne wirtschaftlich ein anderes Interesse geltend zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.1992 – VI ZR 118/91 – Rn. 9, juris; BGH, Urteil vom 04.10.1984 – VII ZR 162/83 – Rn. 8, juris).

Vor diesem Hintergrund greifen die Erwägungen nicht, die für eine Hinzurechnung der bei Erhebung der Leistungsklage fälligen Rentenrückstände angeführt werden.

Als Begründung wird insoweit im Wesentlichen darauf verwiesen, dass mit der ursprünglich erhobenen Feststellungsklage nur das Rentenrecht als solches und nicht auch die bei Klageeinreichung fälligen Rückstände geltend gemacht würden, weshalb die Rückstände bei der Wertfestsetzung für die Feststellungsklage nicht zu berücksichtigen seien. Damit sei es gerechtfertigt, die mit Leistungsklage geltend gemachten Rückstände dem Streitwert hinzuzurechnen. Die Erhebung einer Leistungsklage im Hinblick auf die im Prozess fällig gewordenen Beträge führe deshalb zur entsprechenden Erhöhung des Streitwertes (BGH, Beschluss vom 26.04.1951 – III ZR 208/50 -, BGHZ 2, 74 = NJW 1951, 802).

Hier hat der Kläger indes mit der Feststellungsklage vom 26.09.2011 von vornherein die Feststellung begehrt, dass die Beklagte für die vor Klageeinreichung eingetretene Berufsunfähigkeit Versicherungsschutz zu leisten habe. Sein Begehren war nicht allein auf die Feststellung des Rentenrechts, sondern von vornherein auf die bedingungsgemäße Zahlung von Berufsunfähigkeitsrenten gerichtet. Klarstellend hat der Kläger dazu mit Schriftsatz vom 18.11.2011 auch vorgetragen, dass er seit April 2011 Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung beanspruche.

In einer solchen Konstellation sind die bei Klageerhebung rückständigen Beträge auch schon bei der Wertfestsetzung für den Feststellungsantrag zu berücksichtigen, weil nur so das mit der Klage wirtschaftlich verfolgte Interesse zutreffend abgebildet wird. Dies entspricht ständiger Handhabung durch den Senat (vgl. aber auch OLG Stuttgart, Urteil vom 05. Dezember 2006 – 10 U 171/06 -, Rn. 53, juris). Der Unterschied zur Leistungsklage ergibt sich dann allein aus dem für das Feststellungsbegehren vorzunehmenden Abschlag von 20 %, mit der der fehlenden Vollstreckbarkeit des Feststellungsausspruchs Rechnung zu tragen ist (vgl. Zöller/Herget, ZPO 31. Aufl. 2016, § 3, Rn. 16 „Feststellungsklage“).

Vor diesem Hintergrund lässt sich auch aus § 40 GKG nicht ableiten, dass die zum Zeitpunkt der Umstellung der Klage auf Leistungsanträge rückständigen Renten zu berücksichtigen sind.

Zwar gibt § 40 GKG vor, dass für die Wertberechnung auf den Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung abzustellen ist, die den Rechtszug einleitet.

Der Antrag, mit dem für den Anspruch auf rückständige Renten der Rechtszug eingeleitet worden ist, war indes nicht erst der Leistungsantrag vom 06.08.2011. Vielmehr „betraf“ schon der Feststellungsantrag vom 26.09.2011 den Anspruch auf Zahlung rückständiger Renten und damit den Streitgegenstand der Leistungsklage.

Dass mit der Feststellungsklage ein anderer Streitgegenstand im Sinne des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs rechtshängig wurde als mit der später erhobenen Leistungsklage (vgl. BGH, Urteil vom 04.07.2013 – VII ZR 52/12 -, Rn. 10, juris), ist nicht ausschlaggebend.

Maßgeblich ist, dass der Kläger mit der Erhebung der Feststellungsklage bereits dieselben wirtschaftlichen Interessen verfolgte wie bei Umstellung der Klage mit Schriftsatz vom 06.08.2015.

Da die Umstellung der Klageanträge gem. § 264 Nr. 2 ZPO bei gleichbleibendem Klagegrund nicht als Klageänderung im Sinne eines geänderten Streitgegenstandes anzusehen ist, ist es auch nicht zu rechtfertigen, die Umstellung der Klageanträge als für die Wertfestsetzung maßgebliche Änderung anzusehen.

Mit Erhebung der Leistungsklage hat sich damit der Streitwert nur insoweit erhöht, als die Klage nunmehr auf einen vollstreckbaren Leistungstenor gerichtet war.

d) Im Hinblick auf die im angefochtenen Urteil ausgesprochene Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Beitragsfeststellung des Klägers seit März 2011 ergibt sich für die (wiederum zum Zeitpunkt der Klageerhebung) rückständige und die für die Zukunft zu gewährende Beitragsfreistellung ein Wert von 1.586,42 Euro (bei einem Monatsbeitrag von 40,47 Euro).

Insgesamt lässt sich so ein Streitwert von 45.686,42 Euro errechnen.

2. Entsprechend ist der Streitwert für die erste Instanz festzusetzen.

Daraus ergibt sich die Wertfestsetzung auf bis zu 50.000,00 Euro für beide Instanzen.

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